brennpunkt 3-2013 .indd - edition buehrer
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Galerien<br />
Marek Požniak<br />
»Berlin – London –<br />
New York«<br />
Photographien<br />
von 1985 bis 2010<br />
Lichtstrahlen fallen durch ein Loch in<br />
einen dunklen Kasten und erzeugen<br />
auf der gegenüber liegenden Fläche ein<br />
Abbild der Außenwelt. Das Prinzip der<br />
»Camera obscura« war lange bekannt,<br />
bevor es den Pionieren der Photographie<br />
gelang, diese Zeichnungen des<br />
Lichts auf Bildträgern zu fixieren. Joseph<br />
Nicéphore Niépce hielt 1826 den Blick<br />
aus seinem Arbeitszimmer in Le Gras<br />
auf die umliegenden Gebäude und<br />
die Landschaft fest. Das früheste erhaltene<br />
Papiernegativ aus dem Jahre 1835<br />
von Sir William Henry Fox Talbot zeigt<br />
ein Erkerfenster in Lacock Abbey, und<br />
Louis Jacques Mandé Daguerre gelang<br />
schließlich 1838 eine detailreiche Photographie<br />
vom Boulevard du Temple<br />
in Paris. Aufgrund der langen Belichtungszeit<br />
werden die bewegten Fußgänger<br />
und Pferdekutschen in Daguerres<br />
Aufnahme unsichtbar, nur zwei Personen<br />
sind dank ihrer ruhigen Körperhaltung<br />
sichtbar geblieben: ein Schuhputzer<br />
und sein Kunde. Marek Požniaks<br />
Photographien erinnern an diese Magie<br />
der Anfänge. Wo Dauerhaftigkeit und<br />
flüchtiger Moment zusammenkommen,<br />
Formen sich hier verdichten und dort<br />
im Licht vergehen, entstehen Kompositionen<br />
von faszinierender Schönheit.<br />
Požniak verführt uns zum Sehen. Er<br />
zeigt was wir zu kennen glauben, Menschen<br />
mit Rucksäcken und Sonnenbrillen,<br />
die flanieren, zur Arbeit gehen, telefonieren<br />
oder in den Straßencafés sitzen.<br />
Zugleich erscheinen die Protagonisten<br />
seiner Bilder herausgelöst aus dem Fluss<br />
der Zeit; der Musikant auf der Brücke,<br />
die Wartenden an den Bahnsteigen<br />
ebenso wie die Skulptur im Park, das<br />
abgestellte Fahrrad, die Zuckerdose auf<br />
dem Tisch – Spuren menschlicher Präsenz,<br />
die in Požniaks Aufnahmen wie<br />
in unserem Gedächtnis Abdrücke hinterlassen.<br />
© Marek Požniak, Berlin-Schöneberg<br />
Berlin, London, New York: Tausendfach<br />
sind uns die Ansichten dieser Metropolen<br />
vertraut, in denen das Leben vermeintlich<br />
nie stillsteht. Požniak durchwandert<br />
sie mit dem Blick eines guten<br />
Freundes, der ihre maskierten und<br />
unmaskierten Gesichter kennt – und<br />
beide Seiten liebt. Er folgt den alltäglichen<br />
Wegen der Menschen, den belebten<br />
Straßen, dem Verlauf der Stadtbahnen,<br />
Brücken und Tunnels, den gläsernen<br />
Gewölben der Bahnhofshallen<br />
und Shopping Malls. Leise Melancholie<br />
schwingt mit, wenn er unscheinbare<br />
und doch eigenwillige Orte aufspürt,<br />
den verlassenen Vergnügungspark,<br />
den versteckten Winkel zwischen<br />
Graffiti und Ziegelmauern. Der Photograph<br />
nimmt sich Zeit, um die Motive<br />
in seinem Inneren sichtbar werden zu<br />
lassen, bevor er die Kamera einsetzt.<br />
Dem Aspekt des Offensichtlichen, des<br />
schnellen Zugriffs setzt er ein Moment<br />
der Verzögerung entgegen, den subtilen<br />
Einsatz der künstlerischen Mittel,<br />
der auch den kleinen und beiläufigen<br />
Dingen Bedeutung zugesteht. Unter<br />
dem Deckmantel des Vertrauten führen<br />
Marek Požniaks Bilder ein zauberisches<br />
Eigenleben.<br />
14 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>