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Galerien<br />

Arnd Weider<br />

»Foucault’sche<br />

Interieurs«<br />

Die Räume, die Arnd Weider in Berlin<br />

und anderswo in Szene setzt, haben es<br />

(im wahrsten Sinne des Wortes) in sich:<br />

Denn sie tragen etwas in sich oder auf<br />

den sie begrenzenden Wänden, etwas<br />

Auratisches, Metaphysisches. Weider<br />

ist mit seiner Architekturphotographie<br />

auf der Suche nach dem Foucault’schen<br />

Begriff der Heterotypien. Dies sind, so<br />

der französische Philosoph Michel Foucault,<br />

wirksame Orte, in die die Gesellschaft<br />

hineingezeichnet ist – es seien tatsächlich<br />

realisierte Utopien.<br />

Und Weider wird auf dieser Suche immer<br />

wieder fündig. Der Flughafen Tempelhof<br />

entspricht beispielsweise diesem<br />

Schema. Ausgestattet mit dem »Tempelhof-Schöneberger<br />

Fotostipendium«<br />

fotografierte er dort vor zwei Jahren<br />

ausgiebig – und nennt die Bildserie<br />

»Das Provisorium«. Vieles in der Berliner<br />

Architektur (aber nicht nur hier)<br />

gleicht einem Provisorium. »Zwischennutzung«<br />

ist nicht nur zu einem geläufigen,<br />

ja inflationären Begriff geworden,<br />

faktisch ist sie eine aus der Not<br />

geborene Tugend. Und Flughäfen sind<br />

genuin transitorische Orte, Schleusen<br />

zwischen den kaum fassbaren Zeitstufen<br />

Nicht-Mehr und Noch-Nicht.<br />

Der Tempelhofer Flughafen hat bekanntlich<br />

eine wechselvolle Geschichte: Er<br />

war nach seiner Eröffnung 1923 einer<br />

der ersten großen Flughäfen in Europa,<br />

steht aber auch für die verbrecherische<br />

Ideologie der Nationalsozialisten sowie<br />

später, zu Zeiten der so genannten Luftbrücke,<br />

für die Hoffnung einer ganzen<br />

Stadt. In mehreren Bauabschnitten,<br />

zuletzt während des NS-Regimes, entstand<br />

eines der größten Gebäude der<br />

Welt. Der zivile Luftverkehr lief dort (auf<br />

recht niedrigem Niveau) immer weiter<br />

und wurde erst vor fünf Jahren eingestellt.<br />

Inzwischen gastiert dort in einigen<br />

Gebäudeteilen mal eine Modemesse,<br />

mal eine Kunstmesse. Es gibt viele Vorschläge<br />

für eine zukünftige Nutzung<br />

© Arnd Weider, Flughafen Tempelhof, Eingangsbereich, aus der Serie: Das Provisorium,<br />

Berlin 2011, (O.i.F. )<br />

(oder Zwischennutzung), vielleicht wird<br />

auch das Alliiertenmuseum dort eines<br />

Tages untergebracht.<br />

Arnd Weider sucht in den Gebäuden<br />

und Räumen des ehemaligen Flughafens<br />

nach Zeitspuren, die die unterschiedlichen<br />

politischen Systeme, die<br />

unterschiedlichen Gebäudefunktionen<br />

und die vielen Menschen dort hinterlassen<br />

haben. Im Idealfall existiert im<br />

finalen Bild nicht nur das Provisorische<br />

oder Zeitspezifische sondern auch ein<br />

Nebeneinander der Zeiten.<br />

Zeitspuren und Zeitschichten existieren<br />

fast überall, in Kirchen und Bürgerhäusern,<br />

in Sportstadien oder Arbeitsämtern.<br />

Doch Arnd Weider spürt mit<br />

seinem Werk besondere Orte auf, in<br />

denen eine besondere atmosphärische<br />

Stimmung herrscht, die er kongenial ins<br />

Bild übersetzt. Möglicherweise würden<br />

wir diese Stimmung, die wir in der Aufnahme<br />

spüren können, im realen Raum<br />

nicht empfinden. In diesem Fall wäre<br />

Weiders photographischer Blick mehr<br />

als eine Übersetzung, vielmehr eine<br />

Stilisierung oder Inszenierung.<br />

12 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>

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