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Galerien<br />

© Janos Frecot, Berlin 1965/66<br />

terhin Risse, an manchen Stellen abgeplatzter<br />

Putz, wodurch das Ziegelmauerwerk<br />

sichtbar wird, oder verwitterte<br />

Werbeschriften, mit denen für Waschmittel,<br />

Leihhäuser und Beerdigungsinstitute<br />

geworben wird. An manche<br />

Hauswände haben Kinder mit Kreide<br />

ein Fußballtor aufgezeichnet; die freie<br />

Fläche zwischen den Häusern wird zu<br />

einem Rückzugsort kindlichen Spiels,<br />

es kommt zu einer Rückeroberung und<br />

Umwidmung städtischen Raumes.<br />

Stets ist es ein Spiel mit Oberflächen, mit<br />

hermetischen und blickdichten Wänden<br />

und architektonischen Außenhäuten,<br />

die keinen Blick auf das Dahinterliegende<br />

zulässt. Manche urbane Freifläche<br />

verwandelt sich trotz ihrer Weite in<br />

eine klaustrophobische Enge.<br />

Verblüffend bleibt, dass die Berliner<br />

Mauer, die für nahezu alle damals nach<br />

West-Berlin reisenden Fotografen zu<br />

einem wichtigen Bildmotiv wurde, bei<br />

Frecot überhaupt keine Rolle spielte,<br />

ebenso wenig die Architektur der Grenzanlagen<br />

mit Stacheldraht und Wachtürmen.<br />

Dabei war Frecot immer wieder<br />

auch in der Nähe der Mauer unterwegs;<br />

er unterschied nicht zwischen Hauptwegen<br />

und Nebenwegen auf seinen Streifzügen<br />

über die Insel West-Berlin. Ihm<br />

ging es nicht um eine lückenlose und<br />

beispielhafte Charakterisierung seines<br />

Hauptaufnahmeortes, vielmehr um eine<br />

teilweise kaum zu lokalisierende, aber<br />

typische Architektur der Stadt. Auf diese<br />

Weise verschob er traditionelle Charakteristika<br />

der Stadtfotografie.<br />

Seine fotografische Position bleibt ungewöhnlich<br />

und solitär. Die legendäre<br />

Aufnahme des einflussreichen Grenzgängers<br />

Arno Fischer, der »Riss in der<br />

Mauer« eines Wohnhauses in Berlin-<br />

Wedding von 1953, steht am Anfang<br />

dieses grundsätzlichen wie sinnbildhaften<br />

Mauer-Themas – und wird 1965 von<br />

Frecot mit ähnlicher Radikalität einer<br />

Detailansicht unbewusst paraphrasiert.<br />

Das was wir auf seinen Bildern nicht<br />

sehen (können), ist die Begeisterung für<br />

das Werk einiger Kollegen, stattdessen<br />

äußerte er seine Zuneigung in Gesprächen<br />

mit Studenten oder in Form von<br />

Essays: Die Freude etwa mit Blick auf<br />

manche Aufnahmen von Herbert Tobias,<br />

mit denen dieser eine zugleich freudige<br />

und melancholische Stimmung einfing,<br />

die wohl nur derjenige verstehen und<br />

erspüren konnte, der damals in ähnlichen<br />

Verhältnissen in Berlin lebte und<br />

auf diese Stadt schaute. Wer Frecot<br />

bei seinen Vorträgen oder Seminaren<br />

erlebte, kam in den Genuss eines tiefen<br />

Verständnisses und einer grundlegenden<br />

Kenntnis um das Medium Fotografie<br />

– jenseits kunsthistorischer oder bildwissenschaftlicher<br />

Terminologie.<br />

Nach den Stationen Werkbund-Archiv<br />

© Janos Frecot, Berlin 1965/66<br />

und Akademie der Künste folgte 1978<br />

eine Position, die indirekt auch die<br />

Beschäftigung mit der eigenen Fotografie<br />

weiterführte, die er zwölf Jahre zuvor<br />

aufgegeben hatte: Für die Berlinische<br />

Galerie, das Landesmuseum für Bildende<br />

Kunst, baute er unter den Direktoren<br />

Eberhard Roters und Jörn Merkert<br />

eine fotografische Sammlung auf, die<br />

nicht nur in Berlin ihresgleichen suchte<br />

und die er bis zur Pensionierung im Jahr<br />

2002 leitete. Die immer weiter wachsende<br />

Sammlung wurde in zahlreichen<br />

thematischen oder monografischen<br />

Ausstellungen im Martin-Gropius-Bau,<br />

dem früheren Kunstgewerbemuseum,<br />

gezeigt – und zwar zu einem Zeitpunkt,<br />

als es für die Fotografie in Berlin kaum<br />

andere Ausstellungsorte gab.<br />

So entstand ein bedeutendes Lebenswerk,<br />

aktiv und vermittelnd, von dem<br />

ein wichtiges Kapitel, eine in nur drei<br />

Jahren entstandene subjektive Zeitgeschichte<br />

Berlins in Bildern, nun endlich<br />

wiederzuentdecken ist.<br />

Matthias Harder<br />

Zur Ausstellung erscheint ein Katalogbuch<br />

im Nicolai-Verlag:<br />

Janos Frecot<br />

Die Jahre mit der Kamera<br />

Fotografien aus Berlin 1964–1966<br />

ca. 120 Seiten, ca. 75 Abbildungen im<br />

Duotone, ca. Euro 39,95<br />

25. August bis 29. September <strong>2013</strong><br />

Kommunale Galerie<br />

Hohenzollerndamm 176<br />

10713 Berlin-Wilmersdorf<br />

Di – Fr<br />

Mi<br />

So<br />

10 – 17 Uhr<br />

10 – 19 Uhr<br />

11 – 17 Uhr<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

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