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Galerien<br />

Janos Frecot<br />

»Die Jahre mit der<br />

Kamera«<br />

© Janos Frecot, Berlin 1965/66<br />

Manche Wunden des Krieges in Berlin<br />

waren bereits geheilt, als Janos Frecot<br />

zwischen 1964 und 1966 mit seiner<br />

Kamera durch die Stadt flanierte, ganz<br />

im Geiste Franz Hessels. Er interessierte<br />

sich für die steinernen Brachen, für die<br />

Denkmäler auf der leeren Bühne, die der<br />

Bombenkrieg und die Trümmerbeseitigung<br />

geschaffen hatten. In dieser Zeit<br />

entwickelte Frecot einen genauen und<br />

sachlichen Blick für die Berliner Architektur<br />

und stadtplanerische Details. So<br />

entstand in kürzester Zeit ein autonomes,<br />

konzeptionelles Werk einer provisorischen<br />

Stadtlandschaft fast ohne<br />

Menschen. Dabei konzentrierte er sich<br />

auf einen Teil Berlins rund um die südliche<br />

Friedrichstadt sowie auf Hausfassaden<br />

und Brandwände, die er mit<br />

all ihren Zeitspuren und großflächigen<br />

Schattenwürfen in unvergleichlichen<br />

Grauwertabstufungen wiedergab. Eine<br />

genaue Lokalisierung der Aufnahmestandpunkte<br />

ist für den heutigen Bildbetrachter<br />

schwer, mitunter unmöglich,<br />

zumal alle Bilder der Serie pauschal<br />

den schlichten Titel »Berlin 1965/66«<br />

tragen.<br />

Janos Frecot wurde im Nachkriegsberlin<br />

geprägt, nicht nur visuell. Dem jungen<br />

Mann, geboren 1937 in Freidorf, einem<br />

Stadtteil des westrumänischen Timisoara,<br />

und aufgewachsen in Erkner bei<br />

Berlin, wurde die Handhabung einer<br />

Kamera von seinem Vater vermittelt.<br />

Doch bis zu den ersten relevanten Aufnahmen<br />

war es noch ein weiter Weg.<br />

1957, kurz nach dem Abitur, kaufte er<br />

sich eine gebrauchte Balgenkamera und<br />

richtete sich bald danach eine eigene<br />

Dunkelkammer ein. Doch erst die Aufnahmen<br />

des Bildhauersymposiums<br />

im österreichischen St. Margarethen<br />

von 1964 bewertet er selbst als erste<br />

inhaltlich und künstlerisch akzeptierte<br />

Sequenz im eigenen Werk. Sie stehen<br />

formal den etwa gleichzeitig entstandenen<br />

Stadtaufnahmen in Berlin nahe. Eine<br />

Auswahl von 20 Berlin-Motiven publizierte<br />

er bereits 1965 unter dem schlichten<br />

Titel »Mauern« in kleiner Auflage im<br />

Berliner Madgalinski Verlag.<br />

Janos Frecot war in den wenigen Jahren<br />

als Fotograf nicht am schnellen, politischen<br />

Tagesgeschehen interessiert, sondern<br />

an den langsamen, schleichenden<br />

Veränderungen im Gefüge der Stadt. So<br />

fokussierte er seinen Blick auf die häufig<br />

ruinöse Gründerzeitarchitektur, gleichsam<br />

auf das Skelett der kriegsversehrten<br />

Stadt. Wir entdecken nur marginale<br />

Hinweise auf das sich langsam normalisierende<br />

Leben in dieser aufgeräumten<br />

Trümmerwelt, etwa auf den Zirkus Sarrasani,<br />

eine Tankstelle oder das winzige<br />

Schild eines Fotoateliers, das als einziges<br />

inmitten von Kriegsruinen zahlende<br />

Kunden anlocken sollte. Mauern und<br />

die Lücken zwischen den Ruinen mit<br />

all ihren Zeitspuren blieben bei Frecot<br />

in den meisten Fällen Hauptmotive: So<br />

wird auch die Leere zum Motiv, vielleicht<br />

zum Symbol für die Hoffnung<br />

auf den visionären Architekturentwurf.<br />

Frecot nimmt mit seiner Fotografie keine<br />

Wertung vor, sondern zeigt schlicht den<br />

Ist-Zustand – und legt mit seinen Bildern<br />

der stummen, steinernen Zeugen den<br />

Finger in die noch offene Wunde der<br />

schwierigen, lange währenden Kriegsbewältigung.<br />

Viele der Aufnahmen zeigen fleckige<br />

Oberflächen der Brandwände, die auch<br />

Zeitzeichen und Zeitschichten sind, wei-<br />

10 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>

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