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Das Theater Augsburg ist unter Intendant Ulrich Peters aufgeblüht ...

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jenseits von München iv<br />

<strong>Augsburg</strong>er<br />

Vorschläge<br />

<strong>Das</strong> <strong>Theater</strong> <strong>Augsburg</strong> <strong>ist</strong> <strong>unter</strong> <strong>Intendant</strong> <strong>Ulrich</strong> <strong>Peters</strong><br />

<strong>aufgeblüht</strong> und steckt dennoch in den üblichen Überlebenskämpfen<br />

eines kleineren Dreispartentheaters.<br />

Im Spagat zwischen der Aussicht auf einen kleinen<br />

Thea terneubau und drohender Sparten schlie ßung<br />

gelingt immer wieder beachtliches <strong>Theater</strong>.<br />

<strong>Ulrich</strong> <strong>Peters</strong><br />

Rüdiger Heinze<br />

es mag einem gegen den strich<br />

gehen, doch der derzeitige erfolg<br />

des theaters <strong>Augsburg</strong>, 60 Kilometer<br />

von München entfernt, kann ohne<br />

den erfolg seines intendanten – und ohne<br />

den erfolg seines oberspielleiters – nicht<br />

gedacht werden. <strong>Das</strong> hat auch seine zeitgeschichtlichen<br />

Gründe. Denn nach<br />

einem hochkünstlerischen intendanten,<br />

der leider mit der Mitarbeiterführung<br />

Probleme bekam, und nach einem<br />

menschlich integren intendanten, der leider<br />

durch mangelnde theatrale Wirkungskraft<br />

seiner Produktionen in<br />

schwierigkeiten geriet, muss ein Mann<br />

wie ülrich <strong>Peters</strong> nahezu als ein intendanten-hauptgewinn<br />

erscheinen. Mehreres<br />

kommt dabei zu sammen: theatergeschichtspromotion<br />

und Betriebswirtschaftslehre,<br />

relative jugend (47) und<br />

erfahrung, charme und verhandlungshärte,<br />

Aussehen und ehrgeiz, Workaholic-neigungen,<br />

Gremien freudigkeit und<br />

eine Gattin, die kräftig mitmischt pro<br />

theater. Da hätte es mit dem teufel zugehen<br />

müssen, wenn sich das <strong>Augsburg</strong>er<br />

theater nicht wieder derrappelt hätte.<br />

1999, zum Amtsantritt von <strong>Peters</strong> lag es<br />

in der Publikumsgunst darnieder; scharf<br />

beobachtet vom stadtrat durfte es nur<br />

wieder bergauf gehen. heute vergeht<br />

kaum ein Kulturausschuss, in dem <strong>Peters</strong><br />

nicht quer durch alle Fraktionen über den<br />

grünen Klee gelobt wird. Lob allerdings<br />

<strong>ist</strong> wohlfeil – wohingegen die einhaltung<br />

von etatzusagen Geld kostet. Doch<br />

davon später.<br />

ünstrittig steht momentan das Dreispartentheater<br />

<strong>Augsburg</strong>, seit 1999 ein eigenbetrieb,<br />

in der Publikumsgunst so gut da<br />

wie seit mindestens zehn jahren nicht<br />

mehr. <strong>Das</strong> we<strong>ist</strong> die Zuschauer-stat<strong>ist</strong>ik<br />

deutlich aus – 1998/1999: 188 399 Besucher;<br />

2001/2002: 242 372 Besucher –<br />

weswegen <strong>Augsburg</strong> vom Focus zur<br />

stadt des theater-„Booms“ ausgerufen<br />

wurde), das we<strong>ist</strong> die frisch sandgestrahlte<br />

hausfront auf der Achse zwischen<br />

Bahnhof und city aus, das we<strong>ist</strong><br />

auch manche Bau-Modernisierung im<br />

Publikumsbereich aus, und das wird auch<br />

gestützt durch die eine oder andere eloge<br />

in seriösen Medien wie Opernwelt und<br />

FAZ – weil hier so manche opernrarität<br />

verdienstvoll und ansprechend ausgegraben<br />

wurde, so etwa Martinus staunenerregende<br />

Filmoper „Die drei Wünsche“<br />

(1929) im Frühjahr 2002. ünd wenn die<br />

neue grünsympathisierende, doch parteilose<br />

Kulturreferentin betont, das theater<br />

<strong>Augsburg</strong> ziehe durch soundsoviel extraveranstaltungsreihen<br />

und Kooperationen<br />

mit anderen Kultur-institutionen ein<br />

spinnenartiges netz über die bayerischschwäbische<br />

stadt am Lech, dann könnte<br />

man fast meinen, das theater mit einem<br />

etat von rund 20 Millionen euro stünde<br />

innerstädtisch geradezu kraftstrotzend<br />

da.<br />

Mit ihrer einschätzung aber legt die Kultureferentin<br />

durchaus eine gewisse Dis -<br />

tanz zum intendanten zu tage, die sie<br />

eigentlich nicht von ihrem csü-vorgänger<br />

hätte übernehmen müssen, der mit<br />

<strong>Peters</strong> wenig zu lachen hatte: Der theater-chef<br />

war wie der gebürtige <strong>Augsburg</strong>er<br />

Bert Brecht eine gute Zeit lang<br />

berüchtigt dafür, dass er (investitionsintensive)<br />

vorschläge am laufenden Band<br />

machte; zum Beispiel eine Art experimentierbühne<br />

plus Bar im Keller des<br />

theaters (in Arbeit), zum Beispiel die<br />

Öffnung der theaterkantine zum<br />

straßencafe (vollzogen), zum Beispiel<br />

die Überdachung der Freilichtbühne am<br />

Roten tor, dieser ureigenen und tatsächlich<br />

sommerlich-stimmungsvollen <strong>Augsburg</strong>er<br />

open-Air-opernbühne (auf Wiedervorlage).<br />

Der hit aber war und <strong>ist</strong><br />

<strong>Peters</strong>‘ idee eines schauspielhaus-neubaus<br />

neben dem Großen haus des <strong>Augsburg</strong>er<br />

theaters. ein neubau! in diesen<br />

Zeiten! Mein Gott, was hält diese plausible<br />

spielstätten-Lösung, die das marode<br />

Kammerspiel in der Altstadt ablösen soll,<br />

die stadt- und Landespolitik auf trab.<br />

Man stelle sich vor: ein intendant macht<br />

mitten im allgemeinen kulturellen sinkflug<br />

auf lästige, zudringliche und unsittliche<br />

Weise den Antrag, ein kleines schauspielhaus<br />

zu bauen – weil die bisherige<br />

spielstätte eh mit Millionenaufwand zu<br />

renovieren <strong>ist</strong>. Doch dieser intendant<br />

Die Deutsche Bühne 12/2002<br />

35


Fotos (3): Lioba schöneck<br />

Volle Bühne bei „Popcorn“ in Holger Schultzes Inszenierung in der kleinen Komödie Vorderer Lech (mit Beatrix Doderer,<br />

Chr<strong>ist</strong>ine Diensberg und Ila Stuckenberg, vorne und Tilo Krügel, Katharina Quast, Frank Siebenschuh, hinten). Rechtes<br />

Bild: Klaus Wallprecht, Gerda Maria Knauer und Kathrin Koch in „Die Drei Wünsche“ auf luftiger Bühne im Großen Haus.<br />

erklärt auch, rund ein viertel der Baukosten<br />

durch theaterinternes Abstottern<br />

begleichen zu wollen, womit auf die<br />

Kommune <strong>Augsburg</strong> bei ge schätzter fünfzigprozentiger<br />

Landesbeteiligung ebenfalls<br />

nur ein viertel der rund zehn Millionen<br />

euro Kosten zu komme. ünschuldiger<br />

o-ton von <strong>Peters</strong> in der Planungsphase:<br />

„Wir machen die ganze Zeit vorschläge.<br />

Die stadt kann sich gemütlich<br />

aussuchen, was sie will. <strong>Das</strong> <strong>ist</strong> doch nett<br />

von uns, oder?“ Derzeit <strong>ist</strong> der stand in<br />

dieser Angelegenheit so, dass zwar ein<br />

politischer Grundsatzbeschluss pro neues<br />

schauspielhaus vorliegt, doch pikanterweise<br />

kein Geld für die notwendigen<br />

archäologischen Grabungen in der alten<br />

Römerstadt <strong>Augsburg</strong>. Womit wieder<br />

alles dahin steuert, wo es immer hinsteuert,<br />

auf das Geld. Die verdienste des<br />

intendanten und seines ensembles, die<br />

verdienste des peniblen kaufmännischen<br />

Direktors Klaus engert eingeschlossen,<br />

können noch so hoch sein – auch weil<br />

etliche servicele<strong>ist</strong>ungen zwischen<br />

Babysitting und Gehörlosenvorstellungen<br />

ins theater einzogen –, das theater<br />

steht derzeit dennoch durch rückwirkende<br />

– jawohl rückwirkende – städtische<br />

sparauflagen mit den schultern zur<br />

Wand. Man muss sich das auf der Zunge<br />

zergehen lassen: einerseits Kürzungen<br />

am theater in Millionenhöhe, so dass laut<br />

intendant nicht einmal eine spartenschließung<br />

zur erfüllung der Forderungen<br />

ausreicht, auf der anderen seite aber die<br />

Bewerbung der Kommune um den titel<br />

„Kulturhauptstadt 2010“. <strong>Das</strong> muss die<br />

Mehrparteienregierung gegen schwarz<br />

erst einmal in all seiner Logik erläutern.<br />

verständlich, dass die Augenbrauen des<br />

intendanten, der sich in <strong>Augsburg</strong> immer<br />

viel erlauben konnte, weil er nie mit<br />

Abwanderungsdrohungen geizte, ärgerlich<br />

eng beieinander stehen. Man hofft im<br />

interesse der sache, dass er als bekanntes<br />

stehaufmännchen selbst die jüngsten<br />

Depressionen wieder überwindet. in seinem<br />

Amt bestätigt wurde <strong>Peters</strong> jedenfalls<br />

bei vertragsverbesserungen bis<br />

2009. ünd auch sein schauspiel-oberspielleiter<br />

holger schultze sollte um seiner<br />

Arbeit willen langfr<strong>ist</strong>ig an <strong>Augsburg</strong><br />

gebunden bleiben: Gerade hat er wieder<br />

einen coup gelandet: eine präzis-schnelle<br />

inszenierung von „Popcorn“ des englischen<br />

jungautors Ben elton. <strong>Das</strong> stück<br />

trifft punktgenau den blank liegenden<br />

nerv in einer Welt von politischem terror,<br />

individueller Gewalt und medial vermarkteter<br />

Geiselnahme. Der Plot entsetzt<br />

schüler wie erwachsene gleichermaßen:<br />

ein Killerpärchen will mit vorgehaltener<br />

Waffe und vor laufender tv-Kamera von<br />

einem oscar-gekrönten Gewalt- und<br />

sexfilm-Regisseur das Geständnis<br />

erzwingen, er allein sei schuld an der<br />

gesellschaftlichen verrohung. Mancher<br />

stirbt in diesem harten Kammerspiel –<br />

auch weil bei der sich ergebenden landesweit-spektakulären<br />

Fernseh-Diskussion<br />

zwischen Regisseur und Killer kurzzeitig<br />

die Zuschauerquote abzusinken<br />

droht...<br />

Derart macht <strong>Augsburg</strong> nicht zum ersten<br />

Mal sogenanntes „gesellschaftlich relevantes“<br />

und vor allem gutes theater in<br />

Parallelaktion zu den kanonisierten Klassikern<br />

im Großen haus: „Romeo und<br />

julia“, „nathan“, „Peer Gynt“, demnächst<br />

„Die Physiker“ – allesamt bewusst<br />

gymnasial-seminartauglich ausgewählt.<br />

ünd so geht ein beträchtlicher teil des<br />

Zuschauer-Zuwachses auf das Konto des<br />

sauber und seriös arbeitenden oberspielleiters<br />

schultze – was in der vergangenheit<br />

übrigens durchaus zu kleinen Animositäten<br />

auf der Leitungsebene führen<br />

konnte. Denn bei allem teamorientierten<br />

erfolg bleibt der doch ganz gern auf vielen<br />

hochzeiten tanzende <strong>Peters</strong> auch<br />

zumindest halb-Diva – soviel Zeit und<br />

Platz für eine zaghafte Randbemerkung<br />

muss sein. vielleicht <strong>ist</strong> ein bisschen<br />

neid aber auch natürliche Ausgeburt<br />

derer, die gute Leute um sich scharen.<br />

neben schultze kann <strong>Peters</strong> auf seinen<br />

Ballettdirektor jochen heckmann bauen,<br />

der die aktuellen ünsicherheiten seiner<br />

sparte in Lösungsangebote zwischen<br />

Märchenballett und Ausdruckstanz<br />

ummünzt, und hoffentlich auch auf den<br />

neuen <strong>Augsburg</strong>er Generalmusikdirektor<br />

Rudolf Piehlmayer, der zum einstand<br />

den auch musikalisch nicht sonderlich<br />

dankbaren „Falstaff“ staunenswert plastisch<br />

und energievoll hinlegte. nach jahren<br />

der Dürre scheint in <strong>Augsburg</strong> nun<br />

endlich wieder musiziert zu werden, in<br />

rhythmischer, dynamischer, gestalterischer<br />

hinsicht.<br />

Der intendant inszenierte übrigens selbst,<br />

was er in dieser spielzeit in- und auswärtig<br />

nicht weniger als viermal tut – auch<br />

auf der <strong>Augsburg</strong>er Freilichtbühne („carmen“),<br />

die bei schönem Wetter zusammen<br />

mit dem Weihnachtskinderstück<br />

eine wichtige einnahmequelle <strong>ist</strong>, auch<br />

im Kaufhaus Karstadt (turrinis „josef<br />

und Maria“), auch in Karlsruhe, seiner<br />

ehemaligen Wirkungsstätte. Überraschende<br />

und provokante inszenierungen<br />

sowie zeitgenössische opern liebt <strong>Peters</strong><br />

nicht übermäßig, aber womöglich liegt er<br />

dabei mit seinen Überzeugungen gerade<br />

in <strong>Augsburg</strong> richtig, wo doch notorische<br />

Konkurrenz durch die spielstätten der<br />

umliegenden speckgürtel-Gemeinden<br />

dräut. immerhin hat er zu mindest eine<br />

Fachkraft für die alljährlich fällige<br />

opernrarität in pfiffiger inszenierung zur<br />

hand: den Regisseur thomas Mittmann,<br />

der schon hindemiths „neues vom<br />

tage“ herrlich ironisch präsentierte und<br />

oben erwähnte „Drei Wünsche“ von<br />

Martinu. sollte Mittman auch im Frühjahr<br />

2003 bei eugen d’Alberts „Die<br />

schwarze orchidee“ wieder ein Garant<br />

für gute noten sein? Da sorgen wir uns<br />

nicht.<br />

Die Deutsche Bühne 12/2002<br />

37

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