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und des Beratungshilfegesetzes (PDF, 240 KB) - Diakonie ...

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Stellungnahme<br />

Öffentliche Anhörung <strong>des</strong> Rechtsausschusses<br />

zum Gesetzentwurf zur Änderung der<br />

Prozesskostenhilfe- <strong>und</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Beratungshilfegesetzes</strong><br />

Vorstand Recht,<br />

Sozialökonomie <strong>und</strong> Personal<br />

Berlin, den 7. März 2013<br />

Dr. Jörg A. Kruttschnitt<br />

Caroline-Michaelis-Straße 1<br />

10115 Berlin<br />

Telefon: +49 30 65211-1608<br />

Telefax: +49 30 65211-3608<br />

kruttschnitt@diakonie.de<br />

Stellungnahme der <strong>Diakonie</strong> Deutschland – Evangelischer B<strong>und</strong>esverband zum Gesetzentwurf der<br />

B<strong>und</strong>esregierung: Gesetz zur Änderung der Prozesskostenhilfe- <strong>und</strong> <strong>des</strong> <strong>Beratungshilfegesetzes</strong><br />

auf B<strong>und</strong>estagsdrucksache 17/11472<br />

Einleitung<br />

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf greift die B<strong>und</strong>esregierung das schon mehrfach im B<strong>und</strong>esrat eingebrachte<br />

Anliegen auf, die Belastung der Länder mit den Kosten der Prozesskosten- <strong>und</strong> der Beratungshilfe<br />

einzudämmen. Dieser Entwurf wirft gravierende Fragen auf, die sowohl seine allgemeine Ausrichtung wie<br />

auch die Ausgestaltung im Einzelnen betreffen. Im Ergebnis lehnt die <strong>Diakonie</strong> Deutschland das Gesetzesvorhaben<br />

ab, da zu erwarten ist, dass die geplanten Änderungen zu einer Einschränkung der Rechtsverfolgungsmöglichkeiten<br />

bedürftiger Menschen in Deutschland führen werden.<br />

Ein gr<strong>und</strong>legen<strong>des</strong> Problem werfen bereits die in der Begründung aufgeführten Statistiken auf. Sie belegen<br />

nicht allein die umfangreiche Inanspruchnahme der Prozesskostenhilfe (i. F. PKH). Sie weisen insbesondere<br />

auf einen nachhaltigen <strong>und</strong> hohen Bedarf nach Rechtsschutz <strong>und</strong> rechtsk<strong>und</strong>iger Beratung hin. In<br />

welchen konkreten Rechtsbereichen dieser Bedarf besonderes hoch ist, lässt sich den Statistiken nur<br />

ansatzweise entnehmen. Denn diese differenzieren lediglich zwischen der von der ordentlichen Gerichtsbarkeit<br />

<strong>und</strong> der von den Fachgerichten gewährten Prozesskostenhilfe.<br />

Bei der Interpretation der Statistiken muss man zudem bedenken, dass die jüngste Gesetzgebung in vielen<br />

Bereichen, namentlich im Bereich <strong>des</strong> SGB II, erst durch die Rechtsprechung der zuständigen Gerichte<br />

hinreichende Klarheit erfahren hat. Diese Klarstellungen sind (je nach der geregelten Materie) häufig allerdings<br />

nur möglich, weil materiell schlecht gestellte Kläger Zugang zu Prozesskosten- <strong>und</strong> Beratungshilfe<br />

haben. Dieser unverkennbare <strong>und</strong> unverändert hohe Bedarf nach der gerichtlichen Auslegung von unklaren<br />

Normen muss ein Gesichtspunkt bei der weiteren Ausgestaltung der Prozesskostenhilfe bleiben.<br />

In Bezug auf die Prozesskostenhilfe vor den ordentlichen Gerichten, die den größten Anteil der bewilligten<br />

Fälle ausmachen, ist außerdem darauf hinzuweisen, dass häufig PKH nötig ist, um sich gegen mutwillige<br />

Klagen zu verteidigen, die der Gegner entweder selber oder über seine Rechtsschutzversicherung finanziert.<br />

Hier ist der Entwurf zu <strong>und</strong>ifferenziert <strong>und</strong> stellt zu sehr auf die möglichst umfassende Verhinderung<br />

neu angestrengter Prozesse ab. Die deutliche Ausrichtung auf ein Kostensparziel darf nicht die Gr<strong>und</strong>ausrichtung<br />

der Prozesskostenhilfe <strong>und</strong> der Beratungshilfe verdrängen: Armut <strong>und</strong> prekäre Einkommensverhältnisse<br />

dürfen kein Hinderungsgr<strong>und</strong> für die Verwirklichung oder Verteidigung begründeter Rechte<br />

sein.<br />

Gerade als evangelischer Verband spricht sich die <strong>Diakonie</strong> nachdrücklich gegen diese einseitige Ausrichtung<br />

<strong>des</strong> Gesetzentwurfs aus. Gerechtigkeit <strong>und</strong> insbesondere die Gleichheit aller vor dem Gesetz sind<br />

gr<strong>und</strong>legende Anliegen der Bibel wie auch der im Gr<strong>und</strong>gesetz beschriebenen Gesellschaftsordnung.<br />

Dass auch arme Menschen sich rechtliches Gehör <strong>und</strong> Schutz vor der Missachtung ihrer Rechte verschaffen<br />

können, ist aus evangelischer Sicht eine ständige <strong>und</strong> vorrangige Aufgabe <strong>des</strong> Rechtsstaates. Zudem<br />

ist der gleiche Zugang zu Rechtsschutz ein essentieller Aspekt der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.<br />

Für seine Ausgestaltung sind gerade auch die Modalitäten von Prozesskostenhilfe <strong>und</strong> Beratungs-


hilfe von entscheidender Bedeutung. Deshalb kritisieren wir ausdrücklich, dass die Begründung an keiner<br />

Stelle auf folgenden Aspekt von Prozesskostenhilfe <strong>und</strong> Beratungshilfe eingeht: benachteiligte Personengruppen<br />

wie insbesondere Arbeitslose, Hilfebedürftige, Familien mit Kindern, Asylsuchende <strong>und</strong><br />

Drittstaatsangehörige ohne festen Aufenthaltstitel <strong>und</strong> Jugendliche haben es schwer, sich in der immer<br />

komplizierter werdenden Rechtsordnung zurechtzufinden <strong>und</strong> ihre Rechte geltend zu machen. Kompetente<br />

Rechtsberatung <strong>und</strong> -vertretung vor Behörden <strong>und</strong> Gerichten sind <strong>des</strong>halb Garanten für die Gleichheit aller<br />

vor dem Gesetz. Ohne die konsequente Verwirklichung dieses Gr<strong>und</strong>satzes kann die <strong>Diakonie</strong> im<br />

vorliegenden Entwurf keinen Reformansatz sondern lediglich einen höchst bedenklichen Abbau von<br />

Rechtsstaatlichkeit erkennen.<br />

Die zitierten Statistiken vermögen auch eine weitere Prämisse <strong>des</strong> Gesetzentwurfs nicht plausibel zu<br />

machen: die Begründung geht von einem weitreichenden Missbrauch der Prozesskostenhilfe <strong>und</strong> der Beratungshilfe<br />

aus, dem die vorgesehenen weitreichenden Ermittlungsbefugnisse einen Riegel vorschieben<br />

sollen. In welchem Umfang diese tatsächlich vorkommen <strong>und</strong> in welchem Ausmaß sich diese auf die<br />

tatsächlichen Kosten auswirken, belegen die Statistiken jedoch nicht. Insofern wäre es aufschlussreich,<br />

dem Finanzaufwand für die Gewährung von Prozesskostenhilfe <strong>und</strong> Beratungshilfe den bestehenden<br />

Personalaufwand für die Bewilligungsverfahren gegenüber zu stellen. Angesichts der komplizierten Verfahren<br />

dürfte dieser bereits jetzt hoch sein <strong>und</strong> würde sich bei der Realisierung der vorgesehenen<br />

Bewilligungsverfahren erheblich vergrößern.<br />

Die <strong>Diakonie</strong> Deutschland beobachtet mit zunehmender Besorgnis, dass sich Reformvorhaben immer<br />

weniger an der nachhaltigen Verwirklichung materieller Rechtsgarantien als an der umfassenden Verhinderung<br />

vermuteter aber nicht näher belegbarer Missbrauchsfälle ausrichten. Diese Tendenz ließ sich im Zusammenhang<br />

mit dem Verfahren der Restschuldbefreiung wie auch mit der Verweigerung <strong>des</strong><br />

Einverständnisses in die gemeinsame Sorge beobachten: regelmäßig steht die Befürchtung im Vordergr<strong>und</strong>,<br />

dass die in Aussicht gestellte Hilfe bzw. die Gestaltungsrechte ohne Rücksicht auf die Belange<br />

Dritter in Anspruch genommen werden. Bedenklich ist insofern nicht, dass der Wegfall finanzieller Spielräume<br />

dazu zwingt, früher zugesagte Leistungen auf den Prüfstand zu stellen. Mit der hier beschriebenen<br />

Remedur schlägt der Gesetzgeber aber den falschen Weg ein <strong>und</strong> verkennt folgenden wichtigen Gesichtspunkt:<br />

Es ist Ausdruck der Menschenwürde <strong>und</strong> der Rechtstaatlichkeit, dass jeder Einzelne unabhängig<br />

von seiner wirtschaftlichen Lage von seinen Rechten Gebrauch machen <strong>und</strong> diese vor Gericht schützen<br />

lassen kann. Für eine rechtsstaatliche <strong>und</strong> für eine solidarische Gesellschaftsordnung kann der Ausweg<br />

aus den bestehenden Finanzierungsproblemen nur über einen angemessenen Ausgleich zwischen den<br />

Belangen der auf Rechtsschutz <strong>und</strong> rechtliche Beratung Angewiesenen <strong>und</strong> dem Interesse an einer nachhaltigen<br />

Absicherung der jeweiligen finanziellen Leistungen führen.<br />

Die weitere Stellungnahme legt die bedenklichsten Schwachstellen <strong>des</strong> Entwurfs im Einzelnen dar.<br />

Artikel 1 Änderung der Zivilprozessordnung<br />

1. § 114 ZPO-E<br />

§ 114 ZPO soll in einem neuen Absatz 2 um eine Legaldefinition für den Begriff „Mutwilligkeit“<br />

erweitert werden. Für diese Definition greift der Entwurf auf die verfassungsrechtliche Rechtsprechung<br />

zu der aus Art. 3 Abs. 1 <strong>und</strong> Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Rechtsschutzgleichheit<br />

zurück. Der Vergleichsmaßstab ist das Verhalten einer Partei, die aus eigenen Mitteln für den<br />

Prozess aufkommt. Wenn diese trotz hinreichender Erfolgsaussicht nach verständiger Würdigung<br />

aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder –verteidigung absehen würde, soll die beabsichtigte<br />

Klage bzw. Verteidigung mutwillig sein.<br />

Bewertung<br />

Wie die Begründung korrekt ausführt, kommt dieser Legaldefinition eine Schlüsselrolle zu: da die<br />

meisten anderen Prozessordnungen für die Gewährung von PKH auf die ZPO verweisen, kommt<br />

ihr Bedeutung für das gesamte Prozessrecht zu.<br />

Stellungnahme – Seite 2 von 15


Umso bedenklicher ist es, dass der Entwurf die zugr<strong>und</strong>egelegte verfassungsgerichtliche Rechtsprechung<br />

(vgl. S. 40) nicht richtig umsetzt. Während die Begründung auf die Finanzierung eines<br />

gesamten Rechtsstreites abstellt, geht es bei den zitierten Urteilen vor allem um Prozesskostenhilfe<br />

für einzelne Prozessabschnitte. So hielt es das Verfassungsgericht für zumutbar, auf<br />

die Anrufung <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esgerichtshofes zu verzichten, wenn die niedrigeren Instanzen eine Frage<br />

bereits einschlägig beschieden haben <strong>und</strong> eine abweichende Rechtsansicht <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esgerichtes<br />

nicht zu erwarten war; ein anderer Fall betraf die Zumutbarkeit, den Ausgang eines sog.<br />

„unechten“ Musterverfahrens abzuwarten. In allen diesen Fällen hatte die auf PKH angewiesen<br />

Partei zwar nicht das erhoffte Ergebnis aber immerhin die von Art. 19 ABs. 4 GG garantierte<br />

gerichtliche Überprüfung der Rechtslage <strong>und</strong> damit Rechtsschutz erhalten.<br />

Diese Differenzierung kommt in § 114 ZPO-E zu kurz. Zugleich stellt sich auch die Frage,<br />

inwieweit die Rechtfertigung <strong>des</strong> Mutwilligkeitskriteriums (keine Verschwendung von Steuermitteln<br />

für querulatorische Klagen) noch trägt. Denn die weitreichende Heranziehung von Prozesskostenhilfeberechtigten<br />

zur Eigenbeteiligung an den Kosten (s. § 115 ZPO-E) wandelt die Prozesskostenhilfe<br />

zu Darlehen um, <strong>des</strong>sen Rückzahlung nur noch in wenigen Fällen erlassen wird. Auch wenn<br />

die Finanzierung <strong>des</strong> Rechtsstreits in Raten erfolgt, ist sie damit im Wesentlichen vom Antragssteller<br />

selber zu erbringen, der sich damit kaum noch von dem ihm zum Vergleich vorgehaltenen<br />

Selbstzahler unterscheidet.<br />

Empfehlung<br />

Die <strong>Diakonie</strong> Deutschland schlägt <strong>des</strong>halb vor, auf diese Legaldefinition zu verzichten.<br />

2. § 115 ZPO-E<br />

Während die Änderung in Abs. 1 die Annäherung der PKH an die Sozialhilfe vollendet, wandelt<br />

Abs. 2 die PKH ebenso konsequent in ein langfristiges zinsloses Darlehen für alle diejenigen um,<br />

deren Einkommen oberhalb der Anrechnungsbeträge liegen.<br />

Die Annäherung an das Sozialhilferecht erfolgt über die Ausgestaltung <strong>des</strong> Schonvermögens. Ausgehend<br />

von einem Regelsatz nach § 20 Absatz 4 SGB II in Höhe von 345 Euro beläuft sich der<br />

Freibetrag gegenwärtig mithin auf 397,5 Euro (110 % <strong>des</strong> Regelbedarfs nach Regelstufe 2). Eine<br />

weitere Angleichung erfolgt insofern als nunmehr auch die in §§ 21 SGB II bzw. § 30 SGB XII<br />

anerkannten Mehrbedarfe für abzugsfähig erklärt werden sollen. Diese Erweiterung <strong>des</strong> Katalogs<br />

abzugsfähiger <strong>und</strong> damit einkommensmindernder Belastungen schließt eine Lücke, die die Zivilgerichtsbarkeit<br />

bisher durch eine entsprechende Anwendung der betreffenden Normen gefüllt hat.<br />

Der umfassende Verweis auf die zitierten Normen stellt sicher, dass der gesamte nach dem SGB<br />

pauschal gewährte Mehrbedarf abzugsfähig ist <strong>und</strong> es auf eine ausdrückliche Darlegung <strong>des</strong><br />

tatsächlichen Mehrbedarfs nicht mehr ankommt.<br />

Eine weitere gr<strong>und</strong>legende Änderung erfährt die Bemessung der Ratenbeträge nach Abs. 2:<br />

Danach errechnen sich die monatlichen Raten aus dem jeweils einzusetzenden Einkommen. Die<br />

Prozesskostenhilfeberechtigten müssen 50 % dieses Einkommens, maximal jedoch 300 Euro für<br />

die Ratenzahlung einsetzen. Diese Obergrenze gilt allerdings nur, soweit das einzusetzende Einkommen<br />

eine gesetzte Obergrenze von nunmehr 600 (statt bisher 750) Euro nicht überschreitet.<br />

Anders als bisher verlängert der Entwurf die Dauer der Ratenzahlungspflicht von 48 auf 72 Monate<br />

(sechs statt vier Jahre).<br />

Bewertung<br />

Sowohl die Anpassung der Freibetragsregelung an das Sozialhilferecht als auch die Neuregelung<br />

der Ratenhöhe bewirken eine deutliche Verschärfung <strong>des</strong> bisherigen Rechtes.<br />

Die weitere Anpassung an die Regelsätze mit der ebenfalls vorgesehenen Berücksichtigung der<br />

Mehrbedarfe nach § 21 SGB II <strong>und</strong> § 30 SGB XII ist zwar konsequent; sie führt gleichwohl dazu,<br />

dass bislang bestehende knappe finanzielle Spielräume, die bei geringen Einkommen zur Bewältigung<br />

unvorhersehbarer Bedarfe zur Verfügung stehen, durch die Rückzahlung von<br />

Stellungnahme – Seite 3 von 15


Prozesskostenhilfedarlehen ganz aufgezehrt werden. Nicht berücksichtigt sind in dieser Angleichung<br />

zudem die im SGB II anerkannten Freibeträge für Zuverdienst, der die Eigenbemühungen<br />

honoriert, selbst wenn sie nur zu einem unzureichenden Einkommen führen. Wenn der Entwurf<br />

ausdrücklich die Anpassung an die Wertungen <strong>des</strong> SGB II bezweckt, muss dies auch für die<br />

ohnedies geringfügigen positiven Anreize gelten.<br />

Die weitgehende Umgestaltung der PKH zu einem Darlehen steht im deutlichen Widerspruch zu<br />

der in dem Entwurf immer wieder unterstrichenen Ausformung der PKH als „Gerichtssozialhilfe“.<br />

Anders als im Bereich <strong>des</strong> SGB II, das weitreichende Darlehensfinanzierungen vorsieht, ist im<br />

Bereich der eigentlichen Sozialhilfe, die an sich den Maßstab für die PKH-Reform bilden soll, der<br />

Spielraum für Darlehensfinanzierungen allerdings weitaus geringer (vgl. §§ 37 <strong>und</strong> 38 SGB XII).<br />

Denn ein Darlehen bewirkt keine endgültige Entlastung der bedürftigen Partien sondern allenfalls<br />

eine Vorabfinanzierung. Während die finanzielle Gesamtbelastung bestehen bleibt, verteilt sich<br />

lediglich die Inanspruchnahme mit diesen Kosten über einen längeren Zeitraum <strong>und</strong> bindet<br />

während<strong>des</strong>sen die finanzielle Leistungsfähigkeit der Ratenschuldner.<br />

Besonders problematisch stellen sich vor diesem Hintergr<strong>und</strong> die neuen Bestimmungen über die<br />

Bemessung der Darlehensraten dar. Schon die bisher geltende Grenze von 750 € liegt erheblich<br />

unterhalb der vom Statistischen B<strong>und</strong>esamt festgestellten Armuts-Risikogrenze von 940 €. Ebenfalls<br />

nicht zum Tragen kommt die systemimmanente weil in der ZPO verankerte Pfändungsfreigrenze<br />

von 1029,99 € für Alleinstehende. Demgegenüber stellen die nunmehr vorgesehenen<br />

Regelungen eine erhebliche Verschlechterung dar. Die Entlastung, die der gleichförmig anzuwendende<br />

50%-Satz zur Bemessung der Einzelraten gegenüber den bisherigen Härten beim Übergang<br />

von einer Ratenstufe zur anderen bewirkt, werden durch das Gr<strong>und</strong>konzept <strong>des</strong> Abs. Abs. 2<br />

gänzlich aufgehoben.<br />

Dies gilt zum Einen für die Neufestlegung der Obergrenze für die Ratendeckelung: der besondere<br />

Schutz geringer Einkommen durch eine Ratendeckelung auf 300 Euro kommt nur noch für einzusetzende<br />

Einkommen von maximal 600 Euro zum Tragen. Damit fallen immer mehr geringfügige<br />

Einkommen in den Anwendungsbereich der unmodifizierten Ratenregelung, wobei die Ratenschuldner<br />

bei Überschreiten dieser neuen Einkommensgrenze von 600 Euro jeden weiteren Euro<br />

zur Begleichung der Prozesskosten einzusetzen haben. Eine weitere Belastung bringt die Verlängerung<br />

der Ratenzahlungspflicht mit sich.<br />

Zum Anderen erweist sich die erweiterte Ratenzahlungsregelung als unverhältnismäßig: Sie mag<br />

zwar geeignet sein, den Rücklauf der zur Vorfinanzierung von Prozessen verausgabten Mittel zu<br />

verbessern <strong>und</strong> damit den Ländern Entlastung zu verschaffen. Da die Kostenbelastung der Länder<br />

in den durch die Statistiken dokumentierten Jahren jedoch durchaus konstant geblieben ist, ist<br />

nicht nachvollziehbar, was nunmehr die Umgestaltung der Prozesskostenhilfe in ein Darlehen<br />

unumgänglich macht, <strong>des</strong>sen Rückzahlung nur in den von § 115 Abs. 1 ZPO-E gesteckten<br />

Bedürftigkeitsgrenzen erlassen wird.<br />

Zudem verletzen sowohl die Bestimmungen über die Verlängerung <strong>des</strong> Rückzahlungszeitraums<br />

das Übermaßverbot. Insbesondere steht die Verlängerung der Ratenzahlungspflicht auf sechs<br />

Jahre im Widerspruch zu der Erläuterung zu Artikel 6 Nr. 1 dieses Entwurfes (S. 67). Diese verweist<br />

ausdrücklich auf die Bewertung der sechsjährigen Haftungsdauer im Restschuldbefreiungsverfahren<br />

als unangemessen lang. Die Rahmenbedingungen der Ratenrückzahlung für Prozesskostenhilfe<br />

rechtfertigen eine gleiche Einschätzung. Während dieser Frist haben die PKH-<br />

Schuldner (ungeachtet anderer Verbindlichkeiten) einen erheblichen Anteil ihres nicht für die<br />

unmittelbare Existenzsicherung benötigten Vermögens für die Rückzahlung ihrer erhaltenen<br />

Prozesskostenhilfe einzusetzen. Zudem stellt diese Bindung Rückzahlungsverpflichtete vor erhebliche<br />

Probleme, wenn sie vor Ablauf dieser Zeit erneut auf Rechtsschutz angewiesen sind bzw.<br />

sich gegen eine anhängige Klage wehren müssen. Diese Langzeitfolgen eines ersten mit Prozesskostenhilfe<br />

finanzierten Rechtsstreits werden davon abschrecken, weitere Hilfen dieser Art zu<br />

beantragen <strong>und</strong> Verbindlichkeiten aus § 115 Abs. 2 ZPO-E einzugehen.<br />

Damit steht diese Neuregelung in deutlichem Widerspruch zum eigentlichen Sinn dieser Hilfeleistung,<br />

Menschen mit nur geringem Einkommen den Zugang zu Rechtsschutz zu gewähren. Sie<br />

Stellungnahme – Seite 4 von 15


estätigen geradezu die Hürden, die die Prozesskostenhilfe überwinden sollen <strong>und</strong> führen die<br />

Leistung ad absurdum.<br />

Empfehlung<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> spricht sich die <strong>Diakonie</strong> Deutschland dafür aus,<br />

1. auf die Änderung <strong>des</strong> Abs. 1 zu verzichten<br />

2. Abs. 2 wie folgt zu ändern:<br />

a) In Satz 12 Halbsatz 1 werden nach den Worten „Monatsraten in Höhe der Hälfte <strong>des</strong><br />

einzusetzenden Einkommens“ die Worte „höchstens jedoch 300 Euro“ eingefügt.<br />

b) Satz 2 entfällt.<br />

c) In Satz 3 wird die Zahl 72 durch die Zahl 48 ausgetauscht.<br />

3. § 118 ZPO-E<br />

§ 118 ZPO-E enthält gr<strong>und</strong>legende Änderungen im Bewilligungsverfahren. In einigen Punkten<br />

greift der Entwurf dabei bestehende Rechtsprechung auf <strong>und</strong> stellt damit bisherige Zweifelsfragen<br />

bei der Anwendung der Verfahrensvorschriften klar. Dies gilt sowohl für die Möglichkeit zur Anhörung<br />

<strong>des</strong> Gegners im Rechtsstreit über die Voraussetzungen für die PKH-Gewährung (Abs. 1) als<br />

auch für die Abnahme einer ei<strong>des</strong>stattlichen Versicherung vom Antragsteller (Abs. 2). Darüber<br />

hinaus erweitert § 118 ZPO-E allerdings auch die bisherigen Befugnisse <strong>und</strong> schafft die Voraussetzungen<br />

für eine weitgehende Amtsermittlung über die Vermögensverhältnisse <strong>und</strong> Einkünfte<br />

der Antragsteller: Abs. 2 sieht differenzierte Auskunftspflichten über das Vermögen <strong>und</strong> die Einkünfte<br />

vor, die auch den Arbeitgeber der Antragstellers einschließen. Abs. 3 regelt die Rechtsfolgen<br />

einer verweigerten Mitwirkung parallel zu § 66 SGB I: wie im SGB I führt mangelnde Mitwirkung<br />

zur Ablehnung <strong>des</strong> Antrages. Abs. 4 weitet die Zulässigkeit der Zeugen- <strong>und</strong> Sachverständigenvernehmung<br />

im Verfahren der PKH aus; es stellt die Vernehmung ins Ermessen <strong>des</strong><br />

Gerichtes, wenn dies erforderlich ist, um „die Angaben <strong>des</strong> Antragstellers im Prozesskostenhilfeverfahren<br />

zu überprüfen“.<br />

Bewertung<br />

Die Bestimmung über das Bewilligungsverfahren zeigt, wie deutlich der Entwurf auf die Kontrolle<br />

der Antragsteller <strong>und</strong> die Verhinderung der unberechtigten Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe<br />

abstellt. Mit den neuen Amtsermittlungsbefugnissen entsteht ein Vorverfahren, bei dem das<br />

Gericht sogar Zeugen <strong>und</strong> Sachverständige heranziehen darf, wenn dies erforderlich ist um die<br />

vom Antragsteller vorgetragenen Angaben <strong>des</strong> Antragstellers zu überprüfen.<br />

Auch die Begründung unterstreicht die deutliche Ausrichtung <strong>des</strong> Entwurfs auf die Kontrolle der<br />

Antragsteller. So positiv es ist, die Auskunftsgegenstände <strong>und</strong> die jeweiligen Auskunftsverpflichteten<br />

zu differenzieren <strong>und</strong> so auf eine zielgerichtete Befragung hinzuwirken, zeigt sich<br />

gleichwohl deutlich, dass auch diese Befragung weniger auf die Beschaffung von fehlenden sachdienlichen<br />

Informationen als vielmehr auf die Kontrolle der vorgelegten Informationen abzielt.<br />

Denn solange es an glaubhaft gemachten Angaben fehlt, sei die Ablehnung <strong>des</strong> Antrags nach §<br />

118 Abs. 3 ZPO-E vorranging (vgl. BT Drs. 17/11472 S. 32). Auch die weitere Begründung, dass<br />

die „Sanktion“ der Antragsablehnung bei unzureichenden Angaben keine hinreichende Kontrolle<br />

der inhaltlichen Richtigkeit ermögliche, belegt diese Wahrnehmung der Beteiligten <strong>und</strong> der<br />

jeweiligen Interessen.<br />

Abwegig erscheint zunächst die Erläuterung der PKH-Verweigerung bei mangelhafter Mitwirkung<br />

als „Sanktion“. Die in § 118 Abs. 3 ZPO-E beschriebene Rechtsfolge entspricht § 66 SGB I. Wenn<br />

einzelne Leistungen <strong>und</strong> Vorzüge an bestimmte Voraussetzungen geb<strong>und</strong>en sind, muss derjenige,<br />

der in den Genuss dieser Leistungen kommen möchte, darlegen, dass <strong>und</strong> wie er die Leistungsvoraussetzungen<br />

erfüllt. Kommt der Antragsteller dieser Darlegungspflicht nicht nach, darf die<br />

bewilligende Stelle davon ausgehen, dass kein (Rechts)gr<strong>und</strong> für die Gewährung der betreffenden<br />

Stellungnahme – Seite 5 von 15


Leistung besteht. Demgegenüber setzt die Sanktion ein vorwerfbares Fehlverhalten voraus, das<br />

aber gerade nicht Thema von § 118 Abs. 3 ZPO ist. Wie § 66 SGB I begründet auch § 118 Abs. 2<br />

ZPO-E der Sache nach eher ein Zurückbehaltungsrecht der bewilligenden Stelle (so Seewald in<br />

Kasseler Kommentar zu § 66 Abs. 1 Rn. 2, der den Sanktionscharakter dieser Regelung ausdrücklich<br />

ausschließt).<br />

Ebenso befremdlich wie die Zweckrichtung der gesamten Informationsbeschaffung ist die Vorstellung,<br />

dass diese Ermittlungen nur zur Kontrolle bereits vorliegender Informationen angestellt<br />

werden sollen (fehlen die Informationen, greife gem. § 118 Abs. 3 ZPO-E die „Sanktion“ der<br />

Antragsablehnung). Dies strapaziert die Vorstellung der Amtsermittlung, die in erster Linie aus verlässlichen<br />

Quellen benötigte Informationen beschaffen <strong>und</strong> weniger das bereits schlüssig Vorgelegte<br />

nachprüfen soll. Zudem steht dieses Verständnis im Widerspruch zu dem datenschutzrechtlichen<br />

Gr<strong>und</strong>satz, dass Daten gr<strong>und</strong>sätzlich beim Betroffenen zu erheben sind. Wenn diese<br />

primäre Quelle, der Antragsteller, die erfragten Angaben selber vorlegt, erscheint die umfangreiche<br />

Überprüfung <strong>und</strong> Bestätigung dieser Angaben durch Dritte wenig sinnvoll; sie erreicht insofern vor<br />

allem, dass bislang unbeteiligten Stellen <strong>und</strong> Personen nun ihrerseits wieder Kenntnis von dem<br />

PKH-Antrag bekommen (vgl. datenschutzrechtlicher Gr<strong>und</strong>satz der Datenerhebung beim Betroffenen<br />

§ 4 Abs. 2 BDSG, bzw. 67a SGB 10 für Sozialdaten).<br />

Insgesamt polarisiert diese Ausrichtung <strong>des</strong> Bewilligungsverfahrens das Gegenüber von Gericht<br />

<strong>und</strong> einer prozesskostenhilfebedürftigen Partei. Diese Polarisierung kann die Wahrnehmung der<br />

Gerichte als neutrale Instanz <strong>und</strong> Garant <strong>des</strong> Rechtsfriedens nachhaltig in Frage stellen. Zudem<br />

stellt sich die Frage, ob die vorgesehenen Ermittlungsmöglichkeiten tatsächlich effizient zur Entlastung<br />

der Lan<strong>des</strong>haushalte beitragen.<br />

Die vorgesehene Stellungnahme <strong>des</strong> Prozessgegners zur umfassenden Stellungnahme <strong>des</strong><br />

Prozessgegners zu PKH-Antrag (§ 118 Abs. 1 ZPO-E) wirft die Frage auf, welche Erkenntnisse<br />

von einer solchen Aussage realistischerweise zu erwarten sind. In die Vermögenslage <strong>des</strong> Antragstellers<br />

wird die gegnerische Partei allenfalls in den familienrechtlichen Fällen Einblick haben.<br />

Deshalb stellt sich nachdrücklich die Frage nach dem Ertrag einer solchen Stellungnahme.<br />

Empfehlung<br />

Die <strong>Diakonie</strong> Deutschland empfiehlt daher, auf die in § 118 ZPO-E eingeführten Ermittlungsbefugnisse<br />

zu verzichten.<br />

4. § 120a ZPO-E<br />

Der neu eingefügte § 120a ZPO-E enthält die Bestimmungen über die Änderung der einmal<br />

bewilligten PKH <strong>und</strong> damit die nachträgliche Anpassung der Leistung.<br />

Abs. 1 regelt die Reaktion der Gerichte auf wesentliche Veränderungen in den maßgeblichen<br />

persönlichen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Verhältnissen der Antragsteller; dabei schränkt Abs. 1 die Gestaltungsbefugnisse<br />

der Gerichte ein. Die Anpassung der zunächst bewilligten Leistung steht nicht<br />

mehr im Ermessen der Gerichte. Vielmehr sieht der Entwurf nunmehr eine Soll-Vorschrift vor.<br />

Um dem Gericht die Möglichkeit zur Reaktion auf günstige Veränderungen in der Finanzlage <strong>des</strong><br />

Antragstellers zu geben, greift Abs. 2 die bislang in § 120 Abs. 4 ZOP enthaltene Verpflichtung zur<br />

Mitteilung dieser Verbesserungen auf. Dabei enthält der Entwurf bei der Verbesserung von monatlichen<br />

Einkommen die Klarstellung, dass eine Verbesserung <strong>des</strong> bisher festgestellten Bruttoeinkommens<br />

nur dann relevant ist, wenn damit das Bruttoeinkommen mehr als einmal um 100<br />

Euro übersteigt. Abs. 3 stellt darüber hinaus klar, dass auch das mit dem Rechtsstreit Erlangte als<br />

berücksichtigungsfähige Verbesserung in Betracht kommt. Ob dies im Einzelfall so anzusehen ist,<br />

hat das Gericht nach Beendigung <strong>des</strong> Rechtsstreites zu prüfen.<br />

Bewertung<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich ist zu begrüßen, dass der Entwurf der nachträglichen Änderung einer einmal bewilligten<br />

PKH Grenzen setzt <strong>und</strong> damit auch schutzwürdige Vertrauenstatbestände anerkennt. Sinn-<br />

Stellungnahme – Seite 6 von 15


voll ist auch die Bagatellgrenzen von 100 Euro unterhalb derer Einkommenszuwächse keine<br />

Konsequenzen für die Ratenbemessung haben. Im Einzelnen bestehen allerdings erheblich<br />

Zweifel an der Ausführung dieser Gr<strong>und</strong>überlegungen.<br />

In sich widersprüchlich ist insbesondere die Änderung in Absatz 1, die mit der Anzeigepflicht <strong>und</strong><br />

der Ermessenseinschränkung hinsichtlich der Anpassung der Raten weitgehende Änderungen der<br />

bisherigen Regelung vorsieht. Die Übernahme der Mitteilungspflicht aus § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I<br />

erfolgt in einem falschen Kontext.<br />

In Bezug auf die Bedarfsdeckung ist das Interesse an Mitteilungen über eine verbesserte Finanzlage<br />

legitim; denn es geht dort darum, beantragte Leistungen dem tatsächlichen Bedarf anzupassen<br />

<strong>und</strong> so Überkompensationen zu vermeiden (so ausdrücklich § 60 Abs. 1 SGB I, der auf die<br />

Relevanz der mitzuteilen Tatsachen <strong>und</strong> Lebensverhältnisse für die Leistung abstellt). Bei der Bemessung<br />

der Raten für PKH-Darlehen hingegen entfällt dieser Aspekt einer variablen Bedarfslage;<br />

vielmehr geht es darum, die meist langfristig bestehenden Rückzahlungspflichten klarzustellen.<br />

Die nachträgliche Anpassung der Raten an eine verbesserte Leistungsfähigkeit erweist sich in<br />

diesem Zusammenhang <strong>des</strong>halb nicht allein als erhebliche Belastung für den Ratenschuldner. Sie<br />

stellt auch die mit der langfristigen Ratenzahlungspflicht üblicherweise verb<strong>und</strong>ene Überschaubarkeit<br />

<strong>und</strong> Berechenbarkeit dieser Verbindlichkeit in Frage. Gegenüber den anderen Gläubigern<br />

verschafft sie der Staatskasse einen vergrößerten Zugriff auf das Vermögen.<br />

Die kurzfristige Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit bei der Ratenbemessung kombiniert<br />

<strong>des</strong>halb in systemwidriger Weise unterschiedliche rechtliche Konstruktionen. Die damit entstandene<br />

Mischform weicht von der Gr<strong>und</strong>idee eines Darlehens ebenso wie von derjenigen der<br />

Sozialhilfe ab, ohne dass das fiskalische Interesse an einem möglichst schnellen Rückfluss der<br />

bewilligten Mittel diesen Systembruch rechtfertigt. Vielmehr verletzt der Entwurf die rechtsstaatlichen<br />

Gebote der Folgerichtigkeit <strong>und</strong> Konsequenz von rechtlichen Regelungen <strong>und</strong> ist <strong>des</strong>halb<br />

abzulehnen.<br />

Dass neben diesen gr<strong>und</strong>legenden Bedenken einzelne Aspekte wie insbesondere die Bagatellgrenze<br />

für nachträglich verbesserte Einkommenssituation in Abs. 2 sinnvoll sind, vermag die<br />

Bedenken gegen die Gr<strong>und</strong>regelung nicht auszuräumen. Ein weiteres Bedenken besteht vielmehr<br />

gegen die in der Begründung vorgesehene Auslegung <strong>des</strong> Abs. 3 (BT Drs. 17/11472 S. 43 re Sp).<br />

Danach sollen auch Abfindungen für einen unterlegenen Beklagten als die Vermögenslage verbessernde<br />

Einkünfte in Betracht kommen. Damit würde das Prozesskostenhilferecht den Sinn der<br />

Abfindung leerlaufen lassen.<br />

Empfehlung<br />

Die <strong>Diakonie</strong> Deutschland empfiehlt <strong>des</strong>halb, auf die Regelung <strong>des</strong> § 120a ZPO-E insgesamt zu<br />

verzichten.<br />

5. § 124 ZPO-E<br />

§ 124 ZPO-E enthält in Abs. 1 eine Klarstellung. An die Stelle der missverständlichen „Kann“-<br />

Formulierung (Ermächtigung oder Ermessensregelung) ist nunmehr vorgesehen, dass bei Vorliegen<br />

der Voraussetzung für die Aufhebung der Voraussetzungen für PKH die einmal zugesprochene<br />

Unterstützung gr<strong>und</strong>sätzlich aufzuheben ist. Die Sollvorschrift lässt nur noch in<br />

besonders gelagerten atypischen Einzelfällen Raum für Ausnahmen. Zugleich sanktioniert § 124<br />

Abs. 1 Nr. 2 <strong>und</strong> 4 ZPO-E den wissentlichen bzw. grob fahrlässigen Verstoß gegen die Meldepflicht<br />

über Verbesserungen der Vermögenslage mit der zwingenden Aufhebung der ursprünglichen<br />

Hilfe. Ein neu eingefügter Abs. 2 lässt es schließlich zu, die Rücknahme der Hilfe auf<br />

einzelne Beweismittel zu beschränken, die sich ex post als nicht hinreichend erfolgreich oder<br />

mutwillig erweisen.<br />

Stellungnahme – Seite 7 von 15


Bewertung<br />

Der neu angefügte Abs. 2 enthält zwar eine an sich sinnvolle Regelung <strong>und</strong> ermöglicht es dem<br />

Gericht auf unvorhersehbare Entwicklungen einzugehen, die sich im Verlauf <strong>des</strong> Prozesses ergeben.<br />

Dies gilt sowohl für die Einschätzung der Mutwilligkeit als auch für den Erfolg von Beweismitteln.<br />

Gerade in Bezug auf diese erscheint allerdings eine Modifikation sinnvoll. Denn § 96 ZPO stellt es<br />

ebenfalls in das Ermessen <strong>des</strong> Gerichtes, die Kosten erfolgloser Angriffs- oder Verteidigungsmittel<br />

der beantragenden Partei gesondert <strong>und</strong> unabhängig von einem Obsiegen in der Hauptsache<br />

aufzuerlegen. Mit Rücksicht auf diese Kostenentscheidungsbefugnis sollte § 124 Abs. 2 ZPO<br />

zwischen der Erfolglosigkeit <strong>und</strong> der Mutwilligkeit der einzelnen Angriffs- <strong>und</strong> Verteidigungsmitteln<br />

differenzieren. Während es angemessen ist, die Kostenübernahme für einen mutwillig beantragten<br />

Beweis zu verweigern, sollte sich die nachträgliche PKH-Verweigerung bei erfolglosen Beweismitteln<br />

auf die Fälle beschränken, in denen das Gericht mit einer Kostenentscheidung zulasten<br />

<strong>des</strong> Antragstellers nach § 96 ZPO vorangegangen ist.<br />

Empfehlung<br />

Absatz 2 wird wie folgt formuliert:<br />

Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, soweit die von der<br />

Partei beantragte Beweiserhebung auf Gr<strong>und</strong> von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung<br />

der Prozesskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, der Beweisantritt<br />

mutwillig erscheint oder wenn das Gericht eine Kostenentscheidung nach § 96 ZPO getroffen<br />

hat.<br />

6. § 127 ZPO-E<br />

Abgesehen von einer redaktionellen Änderung erweitert § 127 Abs. 3 ZPO-E die Beschwerde- <strong>und</strong><br />

Kontrollmöglichkeiten der Staatskasse gegen unberechtigte PKH-Bewilligungen. Zweck dieser<br />

weitreichenden Kontrollbefugnisse soll es sein, die Gerichte zur möglichst umfassenden Ermittlung<br />

anzuhalten.<br />

Um dies zu erreichen, erweitert § 127 Abs. 3 ZPO-E den Beschwerdegegenstand: zum Einen darf<br />

die Staatskasse nunmehr auch die Höhe der Raten in Frage stellen. Zudem gestattet sie die<br />

Bewilligung insgesamt anzufechten. Die Rechtsmittelfrist beträgt einen Monat; von diesem Rechtsmittel<br />

muss die Staatskasse binnen 3 Monate nach der Entscheidungsverkündung von dem<br />

Rechtsmittel Gebrauch machen.<br />

Bewertung<br />

Der Entwurf führt ein weitreichen<strong>des</strong> Controlling mit Interventionsmöglichkeiten gegenüber den<br />

Gerichten ein. Ob diese Befugnisse die an sie geknüpften Erwartungen erfüllen, ist jedoch fraglich.<br />

Zum Einen setzt das Rechtsmittel der Staatskasse funktionsfähige Strukturen voraus, die im<br />

Ergebnis eine Kontrolle der Kontrolle bewirken <strong>und</strong> so kostspielige Doppelstrukturen schaffen.<br />

Diesem strukturellen <strong>und</strong> organisatorischen Aufwand stehen keine Prognosen über die erzielbare<br />

finanzielle Entlastung durch den Rücklauf von zu unrecht vergebenen Steuermitteln gegenüber.<br />

Sinnvoller als die Ausweitung dieses Rechtsmittels erscheint <strong>des</strong>halb der Ausbau <strong>und</strong> die Verbesserung<br />

eines justizinternen Controllings.<br />

Empfehlung<br />

Die <strong>Diakonie</strong> Deutschland empfiehlt, auf die Neufassung <strong>des</strong> § 127 Abs. 3 zu verzichten.<br />

Stellungnahme – Seite 8 von 15


Artikel 2 Beratungshilfegesetz<br />

1. § 1 BerhG-E<br />

§ 1 Abs. 1 Nr. 3 richtet die Voraussetzungen für die Beratungshilfe neu aus <strong>und</strong> führt für die Bewilligung<br />

das Kriterium der Mutwilligkeit ein. Allerdings kommt es dabei nicht mehr wie bisher auf das<br />

mit der Beratung verfolgte Anliegen sondern auf die begehrte Unterstützung an. Parallel zu § 114<br />

ZPO-E räumt der Entwurf zudem der bewilligenden Stelle bei der Überprüfung der Mutwilligkeit ein<br />

Einschätzungsermessen ein. Darüber hinaus stellt ein neuer Satz 2 in Abs. 2 klar, dass Antragsteller<br />

sich nicht auf Pro Bono-Angebote einzelner Kanzleien verweisen lassen müssen. Ein neuer<br />

Abs. 3 enthält eine Legaldefinition der Mutwilligkeit <strong>und</strong> stellt insoweit auf die individuellen<br />

Fähigkeiten der Antragsteller <strong>und</strong> deren besondere wirtschaftliche Lage ab.<br />

Bewertung<br />

Die <strong>Diakonie</strong> Deutschland begrüßt ausdrücklich die mit dem neu in Abs. 2 eingefügten Satz erreichte<br />

Klarstellung. Sinnvoll ist zudem der in Abs.1 Nr. 3 eingeräumte Beurteilungsspielraum.<br />

Zur Definition der Mutwilligkeit verweisen wir auf die bereits im Kontext zu § 114 ZPO-E vorgetragenen<br />

Bedenken. Die für die Beratungshilfe spezifische Ausrichtung der Mutwilligkeit an der begehrten<br />

Unterstützung wirft darüber hinaus weitere Fragen auf:<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich sollte sich die Unterstützung eines Hilfegesuchs danach richten, welche Ziele der<br />

Antragsteller mit der begehrten Hilfe verfolgt. Gerade weil das Reformgesetz querulatorische<br />

Rechtsstreitereien auf Kosten <strong>des</strong> Steuerzahlers unterbinden soll, erscheint es nicht sinnvoll, nicht<br />

länger auf das eigentliche Beratungsziel abzustellen. Der Beratungsvorgang an sich ist insofern<br />

neutral; er kann sogar sinnvoll sein, um Antragsteller frühzeitig <strong>und</strong> nachdrücklicher als ein Ablehnungsbescheid<br />

von sinnlosen Anliegen abzubringen. Zudem macht der Wechsel <strong>des</strong> Fokus die<br />

Einführung zweier neuer Mutwilligkeitsgesichtspunkte erforderlich, die sich ihrerseits als problematisch<br />

erweisen.<br />

Die wirtschaftliche Lage <strong>des</strong> Antragstellers entscheidet bereits über <strong>des</strong>sen Hilfebedarf. Wenn sie<br />

nunmehr auch im Zusammenhang mit der Mutwilligkeit als selbständiges Kriterium zum Tragen<br />

kommt, kann sie – da die Entscheidung widerspruchsfrei sein muss – eigentlich nur die zuvor<br />

gef<strong>und</strong>enen Ergebnisse nochmals bestätigen, womit das Kriterium dann freilich keinen neuen Erkenntniswert<br />

bringt. Zudem ist es gerade Sinn der begehrten Unterstützungsleistung, finanzielle<br />

Hürden beim Zugang zu rechtlicher Beratung abzubauen. Fehlende Zahlungsfähigkeit ist insoweit<br />

gerade kein Argument gegen sondern für einen Bedarf nach Unterstützung. Die begehrte<br />

Beratungshilfe kann logischerweise gerade nicht mit dem Hinweis abgelehnt werden, dass in der<br />

finanziellen Lage <strong>des</strong> Antragstellers die Inanspruchnahme eines Anwaltes unangebracht ist.<br />

Auch das zweite Kriterium, die individuellen Kenntnisse <strong>und</strong> Fähigkeiten, ist nicht praktikabel. Es<br />

ist nicht nachvollziehbar, wie sich die bewilligenden Stellen einen hinreichenden Eindruck von<br />

diesen verschaffen sollen.<br />

Empfehlung<br />

Die <strong>Diakonie</strong> Deutschland empfiehlt, auf den vorgesehenen Abs. 3 zu verzichten.<br />

2. § 2 BerhG-E<br />

§ 2 Abs. 1 wird um die Klarstellung erweitert, wann über die Beratung hinaus auch eine Vertretung<br />

durch die Beratungsperson erforderlich ist. Dies soll der Fall sein, wenn der erörterte Fall so<br />

umfangreich, schwierig oder bedeutsam ist, dass ihn der Antragsteller auch mit den in der Beratung<br />

gewonnenen Erkenntnissen nicht allein weiterführen kann.<br />

Darüber hinaus erweitert Abs. 2 den Gegenstand der Beratungshilfe auf alle rechtlichen<br />

Angelegenheiten <strong>und</strong> kann entsprechend auf S. 3 verzichten, der eine annexhafte Erweiterung der<br />

Beratungshilfe auf die bislang nicht erfassten Rechtsgebiete ermöglichte.<br />

Stellungnahme – Seite 9 von 15


Bewertung<br />

Diese Änderungen in Abs. 2 sind sinnvoll.<br />

Anders verhält es sich hingegen mit dem erneuten Abstellen auf die Fähigkeiten <strong>des</strong> konkreten Antragstellers.<br />

Auch hier stellt sich wie im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2 die Frage nach hinreichenden<br />

Erkenntnismöglichkeiten, um diese Frage entscheiden zu können.<br />

Empfehlung<br />

Die <strong>Diakonie</strong> Deutschland empfiehlt, in Abs. 2 allein auf die Anforderungen <strong>des</strong> vorliegenden Beratungsgegenstan<strong>des</strong><br />

abzustellen.<br />

3. § 3 BerhG-E<br />

§ 3 erweitert den Kreis zugelassener Berater, die Beratungshilfe in Rechtsangelegenheiten vornehmen<br />

können.<br />

Bewertung<br />

Im Hinblick auf die teilweise komplexen Rechtsfragen, die gerade im Steuer- <strong>und</strong> Wirtschaftsrecht<br />

anstehen können, ist dies sinnvoll.<br />

4. § 4 BerhG-E<br />

§ 4 erhält eine gr<strong>und</strong>legend neue Gestalt <strong>und</strong> regelt in den neuen Abs. 3 bis 6 wichtige neue Verfahrensbefugnisse.<br />

So soll der Antragsteller seinem mündlich bei der Geschäftsstelle zu stellenden<br />

Antrag weitere Erklärungen über seine persönlichen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Verhältnisse (Nr 1) <strong>und</strong><br />

eine Erklärung darüber beifügen, dass in der betreffendem Sache weder parallele Anträge auf Beratungshilfe<br />

noch Gerichtsverfahren anhängig sind.<br />

Abs. 4 betrifft die Glaubhaftmachung von Angaben <strong>und</strong> ermächtigt das Gericht zu weitgehenden<br />

eigenen Aufklärungen über die Richtigkeit der Angaben. Schließlich regelt Abs. 6 mit welchen<br />

Mitteln sich eine Beratungsperson absichern kann, wenn ein Mandant den nachträglichen Antrag<br />

auf Beratungshilfe stellt. Beratungspersonen müssen sich insoweit nur Erklärungen <strong>und</strong> Belege<br />

vorlegen lassen.<br />

Bewertung<br />

Die vorgesehenen Verfahrensvorschriften sollen das Bewilligungsverfahren so weit als möglich<br />

demjenigen der Prozesskostenhilfebewilligung angleichen. Insofern kommen unsere bereits zu §<br />

118 ZPO-E vorgebrachten Bedenken gegen diese weitreichende Kontrolle auch hier zum Tragen.<br />

Dabei erscheint der mit diesen Befugnissen verb<strong>und</strong>ene Aufwand aber im Verhältnis zu den zu erwartenden<br />

finanziellen Entlastungen besonders hoch.<br />

Anstatt eine leicht durchzuführende Erörterung mit dem Antragsteller vorzusehen, enthält Abs. 3<br />

Ermittlungsbefugnisse, die außer Verhältnis zu den möglichen finanziellen Entlastungen stehen.<br />

Abgesehen von dem rein regelungstechnischen Interesse an der (weitgehend) parallelen Gestaltung<br />

von Prozesskostenhilfe <strong>und</strong> Beratungshilfe ist kein reeller Bedarf nach einer solch aufwändigen<br />

Ausgestaltung <strong>des</strong> Bewilligungsverfahrens erkennbar. Das Kostenargument, das den<br />

Ausschluss von Zeugen- <strong>und</strong> Sachverständigenvernehmungen trägt (so die Begründung in BT-<br />

Drs. 17/11472 S. 39) lässt sich insofern auf die gesamten Ermittlungen nach Abs. 4 übertragen.<br />

Besonders bedenklich erscheint in diesem Zusammenhang auch die Entwurfsbegründung, die die<br />

Anwendung der Ermittlungsbefugnisse in den Fällen nahelegt, in denen Antragsteller mehrfach<br />

Beratungshilfe in Anspruch nimmt <strong>und</strong> damit „die Staatskasse erheblich belastet“ (S. 39). Es ist in<br />

keiner Weise ersichtlich, weshalb die wiederholte Inanspruchnahme für sich genommen bereits<br />

den Verdacht <strong>des</strong> Rechtsmissbrauchs rechtfertigt <strong>und</strong> Anlass zu verschärften Überprüfungen gibt.<br />

Zur Verhinderung eines Rechtsmissbrauchs reichen statt<strong>des</strong>sen die mündliche Erörterung mit dem<br />

Stellungnahme – Seite 10 von 15


Antragsteller, die ei<strong>des</strong>stattliche Erklärung <strong>und</strong> ggf. eine strafrechtliche Verfolgung bei rechtsmissbräuchlicher<br />

Inanspruchnahme der Beratungshilfe aus.<br />

Dagegen sind die Bestimmungen in Abs. 6 über das Vorgehen einer Beratungsperson bei nachträglicher<br />

Antragstellung sinnvoll. Sie ermöglichen es der der Beratungsperson, sich über die<br />

Voraussetzungen der Beratungshilfe zu vergewissern, ohne dabei in einen mit ihrer Stellung als<br />

Berater unvereinbaren Rollenkonflikt (Interessenvertretung der Ratsuchenden oder Erfüllungsgehilfe<br />

der Justizkasse) zu geraten.<br />

Empfehlung<br />

Die <strong>Diakonie</strong> Deutschland empfiehlt,<br />

<br />

<br />

in Abs. 2 Satz 1 wie folgt zu formulieren:<br />

Der Antrag kann zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich gestellt werden.<br />

Abs. 4 wie folgt zu formulieren:<br />

Das Gericht kann verlangen, dass der Rechtsuchende seinen Antrag glaubhaft macht. Es<br />

kann den Antragsteller zur mündlichen Erörterung seiner persönlichen <strong>und</strong> wirtschaftlichen<br />

Verhältnisse laden <strong>und</strong> die Abgabe einer Versicherung an Ei<strong>des</strong> Statt fordern.<br />

5. § 6 BerHG-E<br />

Bislang ist es möglich, den Antrag auf Beratungshilfe auch nach Beginn der Beratung zu stellen.<br />

Da diese nachträgliche Inanspruchnahme von Beratungshilfe in der Regel mit erheblichem<br />

bürokratischen Aufwand <strong>und</strong> reduzierten Ermittlungs-, Abhilfe- <strong>und</strong> Ablehnungsmöglichkeiten<br />

einhergeht (so die Begründung S. 57), soll sie nur noch ausnahmsweise zulässig sein <strong>und</strong> muss<br />

spätestens zwei Wochen nach Beginn der Beratung beantragt werden.<br />

Unabhängig von dem für die Beratung durch Dritte notwendigen sog. Beratungsschein gestattet<br />

der Entwurf die Beratungshilfe durch eine eigens bei einem Gericht eingerichtete Beratungsstelle.<br />

Bewertung<br />

Auch bei § 6 steht die Ausrichtung <strong>des</strong> Entwurfs auf die Kostenersparnis deutlich im Vordergr<strong>und</strong><br />

der Erwägungen. Ziel der Einschränkungen ist es, der Antragstelle beim Gericht eine möglichst<br />

weitgehende Steuerung der Anträge zu ermöglichen. Eine solche Steuerung verhindert dann allerdings<br />

auch den niedrigschwelligen Zugang zu kompetenter Beratung in Rechtsfragen <strong>und</strong> die<br />

schnelle Befriedung von überschaubaren Rechtsstreitigkeiten. Die gr<strong>und</strong>sätzliche Verpflichtung,<br />

bei jedem Antrag das aufwändige gerichtliche Prüfungsverfahren durchzuführen, lässt sich kaum<br />

als Beitrag zur Reduzierung <strong>des</strong> mit diesen Hilfen verb<strong>und</strong>enen Aufwands werten.<br />

Empfehlung<br />

Die <strong>Diakonie</strong> Deutschland empfiehlt, auf diese Neuregelung zu verzichten.<br />

6. § 6a BerHG-E<br />

§ 6a BerHG-E klärt die bisher umstrittene Frage, unter welchen Bedingungen die Aufhebung der<br />

bereits bewilligten Beratungshilfe möglich ist. Dabei regelt § 6a unterschiedliche Fallkonstellationen:<br />

zum einen gibt es die in Abs. 1 vorgesehenen Aufhebung von Amts wegen, die<br />

zum Tragen kommt, wenn die bewilligenden Stelle binnen eines Jahres nach der Bewilligung feststellt,<br />

dass die Voraussetzungen für die Beratungshilfe von Anfang an nicht gegeben waren.<br />

Anders als bei der PKH steht dem Gericht mit der Kann-Regelung ein weiter Ermessensspielraum<br />

für die Rückforderung zu.<br />

Eine weitere Konstellation betrifft den Antrag auf Aufhebung der Entscheidung durch die<br />

Beratungsperson. Dies setzt voraus, dass der Mandant infolge der erfolgreichen Beratung<br />

Stellungnahme – Seite 11 von 15


verwendbare Vermögenswerte erlangt hat, die für eine Vergütung auf der Gr<strong>und</strong>lage der üblichen<br />

Vergütungsordnung ausreichen. Um Überkompensationen zu verhindern <strong>und</strong> das Vertrauen <strong>des</strong><br />

Mandanten in den Bestand der Beratungshilfe zu schützen, kommt dieser Antrag allerdings nur<br />

zum Tragen, solange die Beratungsperson noch nicht ihre Vergütung nach § 44 S. 1<br />

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beantragt hat. Zudem muss der Anwalt seinen Mandanten zu<br />

Beginn der mit Beratungshilfe finanzierten Beratung auf die Möglichkeit einer solchen Vorgehensweise<br />

hinweisen.<br />

Bewertung<br />

Da der in § 812 BGB zum Ausdruck gekommene Rechtsgedanke, dass es kein Recht auf das Behalten<br />

von rechtsgr<strong>und</strong>los erlangten Leistungen gibt, auch im öffentlichen Recht Anwendung findet,<br />

ist gegen die Regelung in Abs. 1 nichts einzuwenden. Besonders sinnvoll erscheint insofern<br />

der Ermessensspielraum für die Geltendmachung dieses Rückholanspruchs. Dieser sollte auch im<br />

Rahmen der ZPO zur Geltung kommen.<br />

Abs. 2 ermöglicht der Beratungsperson, im Rahmen <strong>des</strong> Gebührenrechtes eine Teilhabe an dem<br />

Erfolg der rechtlichen Beratung: Auch wenn diese Erfolgsteilhabe den Rahmen <strong>des</strong> Gebührenrechtes<br />

einhält <strong>und</strong> Beratungspersonen einen Anreiz für die Wahrnehmung von Beratungshilfe-<br />

Mandaten schafft, stellt sich die Frage, ob es abgebracht ist, gerade bei einer besonders wenig belastbaren<br />

Zielgruppe Elemente <strong>des</strong> gem. § 49b Abs. 2 BRAO <strong>und</strong> § 4a RVG nur in engen Grenzen<br />

zugelassenen Erfolgshonorars einzuführen. Zum Einen fehlt es hier auch an dem mit der PKH vergleichbaren<br />

Einsatz <strong>des</strong> Erlangten zur Deckung der unmittelbaren öffentlichen steuerfinanzierten<br />

Kosten. Zum anderen sichert der Vergütungsanspruch nach § 8 die Beratungsperson hinreichend<br />

ab. Ein besonderer Bedarf ist insofern nicht zu erkennen.<br />

Empfehlung<br />

Die <strong>Diakonie</strong> Deutschland empfiehlt den Verzicht auf die Regelung in Abs. 2.<br />

7. § 7 BerhG-E<br />

§ 7 regelt die Rechtsmittel gegen die Entscheidung über den Antrag auf Beratungshilfe. Parallel<br />

zum PKH-Recht sieht Abs. 2 dabei ein eigenes Rechtsmittel der Staatskasse gegen die Bewilligung<br />

von Beratungshilfe vor.<br />

Bewertung<br />

Insoweit verweisen wir auf unsere gr<strong>und</strong>sätzlichen bereits zu § 127 ZPO-E geäußerten Bedenken<br />

gegen diese Kontrollbefugnis <strong>und</strong> empfehlen wie dort den Verzicht auf die Regelung.<br />

8. § 8a BerHG-E<br />

§ 8a regelt, welche Kostenfolgen die Aufhebung eines Beratungshilfebeschei<strong>des</strong> für die<br />

Beratungsperson <strong>und</strong> den bislang Beratungshilfeberechtigten hat.<br />

Abs. 1 begründet einen eigenständigen Vergütungsanspruch der Beratungsperson gegen die<br />

Staatskasse. Diesen verliert sie nur, wenn sie entweder vorsätzlich oder grob fahrlässig ohne<br />

Rücksicht auf die Leistungsvoraussetzungen beraten hat <strong>und</strong> damit in vorwerfbarer Weise Hinweise<br />

für das Fehlen der Berechtigung übergangen hat.<br />

Anknüpfend an § 6a sieht § 8a darüber hinaus Fälle vor, in denen die Beratungsperson <strong>und</strong> die<br />

Staatskasse einen unmittelbaren Rückgriff auf den Beratenen nehmen können. Diese muss<br />

gegenüber der Beratungsperson die Beratung nach den allgemein gültigen Regelungen wie im<br />

Rahmen eines normalen Mandates vergüten.<br />

Abs. 2 knüpft dabei an § 6a an; die Beratungsperson kann <strong>des</strong>halb auch im Fall der erfolglos<br />

nachträglich beantragten Beratungshilfe beim Ratsuchenden Rückgriff nehmen <strong>und</strong> eine Vergütung<br />

nach den allgemeinen Regelungen verlangen. Dagegen kann die Staatskasse eine Auf-<br />

Stellungnahme – Seite 12 von 15


wandsentschädigung verlangen, wenn im Fall <strong>des</strong> § 6a Abs. 1 <strong>und</strong> 2 ZPO die Bewilligung aufgehoben<br />

wird <strong>und</strong> die Beratungsperson die ihr zustehende Vergütung erhalten hat.<br />

Bewertung<br />

Während Abs. 1 <strong>und</strong> 3 sinnvolle <strong>und</strong> angemessene Regelungen treffen, um den zur Rechtsberatung<br />

nach Maßgabe der Beratungshilfe bereiten Beratungspersonen die Übernahme solcher<br />

Mandate zumutbar zu machen, gehen die in den Abs. 2 <strong>und</strong> 4 verankerten Absicherungen der Beratungsperson<br />

zu weit.<br />

Abs. 2 greift die bedenkliche Anlehnung in § 6a BerHG-E am Erfolgshonorar auf <strong>und</strong> sollte <strong>des</strong>halb<br />

wie § 6a Abs. 2 entfallen.<br />

Für den Fall der nachträglich erfolglos beantragten Beratungshilfe stellt sich die Frage, wer letztlich<br />

besser imstande ist, das Risiko eines solchen Vorgehens einzuschätzen. Zwar ist es gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

nachvollziehbar, dass der Beratene, der das vorgesehene Antragsverfahren nicht einhält<br />

<strong>und</strong> mit seinem Antrag erfolglos bleibt, für die Kosten einer gleichfalls in Anspruch genommenen<br />

Beratung aufkommt. Auf der anderen Seite hat sich die Beratungsperson wissentlich auf das<br />

Risiko eingelassen, eine mittellosen Person zu beraten <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene geringe Vergütung<br />

eingelassen; sie kann aufgr<strong>und</strong> ihrer Berufserfahrung das Risiko dieser Vorgehensweise<br />

weitaus besser als der Beratene abschätzen <strong>und</strong> sollte <strong>des</strong>halb auch das Risiko für den Misserfolg<br />

dieser Vorgehensweise tragen. .<br />

Empfehlung<br />

§ 8a bleibt mit der Maßgabe bestehen, dass<br />

<br />

Abs. 2 ganz entfällt;<br />

die Abs. 3 wird Abs. 2<br />

<br />

Der bisherige Absatz 4 entfällt.<br />

9. § 9 BerHG-E<br />

§ 9 regelt die Erstattungspflicht eines Gegners, der als Ergebnis der Beratung dem Rechtsuchenden<br />

jedenfalls die Beratungskosten zu erstatten hat. Hierbei stellt der Entwurf auf die allgemeinen<br />

Vorschriften ab.<br />

Bewertung<br />

Die Bedenken gegen den Rückgriff auf die allgemeinen Gebührenregelungen greifen auch hier.<br />

Empfehlung<br />

§ 9 wird in der Weise geändert, dass die Worte nach dem Wort „Vergütung“ die Worte „nach den<br />

allgemeinen Vorschriften“ durch die Worte „Vergütung entsprechend § 8a Abs.1“ ersetzt werden.<br />

Artikel 6 Änderung der Insolvenzordnung<br />

Zu § 4b InsO-E<br />

Hierbei handelt es sich um die erforderliche Korrektur einer Verweisung im Zusammenhang mit<br />

den Kosten <strong>des</strong> Insolvenzverfahrens. Dabei trägt § 4b den Anforderungen <strong>und</strong> Wertungen <strong>des</strong><br />

Restschuldbefreiungsverfahrens Rechnung: er modifiziert die Verweisung auf § 115 ZPO-E <strong>und</strong><br />

hält unter Hinweis auf die Kritik an der unangemessenen Länge <strong>des</strong><br />

Restschuldbefreiungsverfahrens an der Vierjahresfrist für die Ratenzahlung fest.<br />

Stellungnahme – Seite 13 von 15


Bewertung<br />

Die <strong>Diakonie</strong> begrüßt diese klare Aussage zu den Belastungen durch eine sechsjährige Haftung<br />

für entstandene Schulden. Diese muss allerdings auch bei den Überlegungen zu § 115 ZPO-E<br />

zum Tragen kommen.<br />

Artikel 9 Änderung <strong>des</strong> FamFG<br />

1. § 77 Abs. 1 Satz 2 FamFG<br />

Die Regelung wird in Übereinstimmung mit § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO-E gebracht. Der Antragsgegner<br />

soll nun auch im familiengerichtlichen Verfahren Gelegenheit zur Stellungnahme zum Antrag<br />

auf Verfahrenshilfekosten erhalten.<br />

Bewertung<br />

Je nach der Enge <strong>des</strong> Zusammenlebens vor dem Beginn <strong>des</strong> Verfahrens dürfte der Antragsgegner<br />

bei familiengerichtlichen Verfahren in der Tat in der Lage sein, belastbare Äußerungen zu den wirtschaftlichen<br />

Voraussetzungen der Verfahrenskostenhilfe zu machen. Allerdings stellt sich gerade<br />

mit Blick auf die oftmals erheblichen Konflikte innerhalb einer solchen Beziehung die Frage,<br />

inwieweit eine solche Stellungnahme insgesamt förderlich ist. Insoweit ist es wahrscheinlich, dass<br />

anderweit schwelende Konflikte zwischen den Parteien auch den Tenor einer solchen Stellungnahme<br />

bestimmen. Insofern verstärkt die hier vorliegende Konstellation die bereits zu § 118 ZPO-<br />

E geäußerten Vorbehalte gegen diese Stellungnahme.<br />

Empfehlung<br />

Die <strong>Diakonie</strong> Deutschland empfiehlt den Verzicht auf diese Regelung.<br />

2. § 113 FamFG-E<br />

Der Entwurf bezieht Ehe-<strong>und</strong> Familienstreitsachen in die Regelungen der Verfahrenskostenhilfe<br />

ein. Damit richtet sich die Beiordnung von Anwälten nicht mehr wie bisher nach § 121 ZPO<br />

sondern nach dem insoweit spezielleren § 78 Abs. 1 FamFG. In Verfahren, in denen nach § 114<br />

FamFG ein Anwaltszwang gilt (Ehe- <strong>und</strong> Folgesachen sowie selbstständige Famileinstreitsachen<br />

nach §§ 151 ff FamFG), gilt damit das gleiche wie auch auf der Gr<strong>und</strong>lage <strong>des</strong> § 121 ZPO.<br />

Kein Anwaltszwang gilt hingegen für einvernehmliche Scheidungsverfahren. Daher kommt hier die<br />

Neuregelung über die Beiordnung von Anwälten zum Tragen. Danach hängt die Beiordnung eines<br />

Anwaltes von der besonderen Schwierigkeit der Sach- <strong>und</strong> Rechtslage ab, während in einfach<br />

gelagerten, einvernehmliche Scheidungen eine Anwaltsbeiordnung auch dann nicht mehr in Betracht<br />

kommt, wenn die andere Seite einen Anwalt beauftragt hat. Insoweit ist das Prinzip der<br />

Waffengleichheit hier aufgehoben.<br />

Bewertung<br />

Da § 78 FamFG eine Anwaltsbeiordnung nicht a limine ausschließt, ist der Verzicht auf die<br />

Anwaltsbeiordnung hinnehmbar. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die besondere Verantwortung<br />

der Familienrichter für die sachdienliche Verfahrensleitung.<br />

Artikel 10 Änderung von § 73a Abs. 1 Satz 3 <strong>und</strong> 4 SGG<br />

Die Regel passt das SGG an die Öffnung <strong>des</strong> BerHG-E für weitere Beratungsgebiete <strong>und</strong><br />

Beratungspersonen an. Soweit im Vorfeld eines sozialgerichtlichen Verfahrens Beratungshilfe<br />

nach § 2 in Form von Rechtsvertretung zugebilligt wird, muss diese Beratungsperson ihren<br />

Mandanten auch in einem anschließenden mit Prozesskostenhilfe finanzierten Verfahren nicht an<br />

einen Anwalt „abgeben“.<br />

Stellungnahme – Seite 14 von 15


Bewertung<br />

Die Regelung ermöglicht den Leistungsberechtigten den kontinuierlichen Fortgang eines<br />

Beratungsverhältnisse. Sie erscheint damit angemessen <strong>und</strong> sinnvoll.<br />

Fazit<br />

Trotz einzelner im Detail gelungener Verbesserungen überwiegen bei der Gesamtbetrachtung dieses<br />

Reformvorhabens die gravierenden Bedenken.<br />

Eine Reform der beiden Unterstützungsleistungen Beratungshilfe <strong>und</strong> Prozesskostenhilfe muss das<br />

Bedürfnis, die Leistungsfähigkeit der Justiz nachhaltig abzusichern <strong>und</strong> Einsparpotenziale auszuschöpfen<br />

<strong>und</strong> das Bedürfnis, den Zugang zum Rechtsschutz von unangemessenen finanziellen Hürden frei zu erhalten,<br />

in einen angemessenen Ausgleich bringen. Dies ist bislang noch nicht gelungen. Daher sollte die<br />

B<strong>und</strong>esregierung auf das hier vorgelegte Reformgesetz ganz verzichten. Denn die Reform dieser Unterstützungsleistungen<br />

läuft leer, wenn die Modalitäten der Regelung die auf diese Hilfe angewiesenen<br />

Personen entweder von der Inanspruchnahme der Hilfen abschrecken oder wenn die Hilfegewährung<br />

durch weitreichende Ratenzahlungen die Leistungsberechtigten auf lange Zeit hinweg mit weiteren<br />

Verbindlichkeiten belastet.<br />

Dr. Jörg A. Kruttschnitt<br />

Vorstand Recht, Sozialökonomie <strong>und</strong> Personal<br />

Berlin, 7. März 2013<br />

Stellungnahme – Seite 15 von 15

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