Dom-Magazin - Der Dom
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Kreuzabnahme-Relief an den Externsteinen.<br />
Amateurforscher eine Herausforderung bildet.Völkische<br />
Kreise stilisierten in den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts<br />
die Felsgruppe als bedeutendes germanisches Heiligtum.<br />
Zudem gingen esoterische Gruppen davon aus, dass<br />
an dieser Kultstätte Sterne beobachtet wurden.<br />
Wichtiger Ausgangspunkt für diesen Kult bildet das in<br />
den Felsen geschlagene Kreuzabnahme-Relief, welches als<br />
bedeutendes und einmaliges Kunstwerk der Romanik in<br />
Europa gilt. Auf diesem Relief – Kunsthistoriker datieren<br />
es auf die Mitte des 12. Jahrhunderts – nehmen Nikodemus<br />
und Joseph von Arimathia in Anwesenheit der trauernden<br />
Maria und Johannes des Evangelisten den toten Leib<br />
Christi vom Kreuz. Nikodemus steht dabei auf einem ungewöhnlichen<br />
Gegenstand, der wie ein Stuhl aussieht, aber<br />
vermutlich eine umgeknickte Palme darstellen soll.<br />
<strong>Der</strong> völkische Laienforscher Wilhelm Teudt (1860-1942)<br />
aus Detmold sah darin allerdings die zerstörte Irminsul, das<br />
Hauptheiligtum heidnischer Germanen, jenes vorchristliche<br />
Baumheiligtum, welches der Überlieferung nach Kaiser<br />
Karl der Große 772 im Kampf gegen die Sachsen zerstört<br />
hat. Dieses nach Teudt germanisch ausgerichtete Bildmotiv<br />
diente dem Laienforscher als Argument dafür, den Standort<br />
der sächsischen Irminsul an den Externsteinen zu lokalisieren.<br />
Und nicht nur das: Seiner Meinung nach soll kein<br />
Geringerer als Karl der Große selbst den Felskopf gesprengt<br />
und die germanische Kultstätte christianisiert haben.<br />
Obwohl wissenschaftlich nicht halt- und belegbar, stießen<br />
Teudts Ansichten in jener Zeit auf großes öffentliches<br />
Interesse. Vor allem die neuen braunen Machthaber zeigten<br />
sich von den völkischen Theorien angetan. Vor allem<br />
der Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, und der Chefideologe<br />
der Nationalsozialisten, Alfred Rosenberg, ließen<br />
sich von der Vorstellung einer germanischen Hochkultur<br />
an den Externsteinen hellauf begeistern. So verwundert es<br />
nicht, dass der Archäologe Julius Andree (1889-1942) bei<br />
Ausgrabungen 1934/35 entsprechende Interpretationen<br />
zugunsten der nationalsozialistischen Propaganda lieferte.<br />
Zwar blieben beweiskräftige Befunde aus, aber Andree –<br />
eigentlich Professor für Urgeschichte an der Universität<br />
Halle – deklarierte Steinfragmente zu einem „germanischen<br />
Steintisch“ sowie eine Brunnen- oder Latrinenanlage<br />
zu einem „Kultschacht“. Dabei versuchte der Forscher im<br />
„Amt Rosenberg“ sogar noch, das „Standloch der Irminsul“<br />
nachzuweisen.<br />
Für die Nationalsozialisten hieß auf jeden Fall erst<br />
einmal die Devise: „Die Externsteine sind bis auf weiteres<br />
germanisch“.<br />
Von 1935 an wurden die Externsteine vom SS-Ahnenerbe<br />
der Öffentlichkeit als germanische Kultstätte präsentiert.<br />
„Und das, obwohl auch viele damalige Wissenschaftler<br />
die nicht haltbaren Deutungen auch erkannten“,<br />
sagt Historiker Roland Linde und ergänzt: „Völkische<br />
Laienforschung und ideologisierte Wissenschaft waren in<br />
der NS-Zeit eine unselige Verbindung eingegangen“. Bei<br />
einer erneuten archäologischen Analyse der Ausgrabungen<br />
stellte sich im Jahre 2002 heraus, dass mit Ausnahme<br />
einiger altsteinzeitlicher Relikte keine weiteren Funde aus<br />
vorchristlicher Zeit stammen.<br />
Doch finden sich an den Externsteinen noch weitere<br />
Zeugnisse aus dem Mittelalter. Dazu gehören eine künstliche<br />
Grottenanlage, die Reste einer Petrusfigur, ein offenes<br />
Felsengrab und eine Höhenkammer mit Altarnische. Die<br />
ältesten Grabungsfunde stammen aus dem 10./11. Jahrhundert.<br />
Und auch die ältesten Brandspuren in einer Kuppelgrotte<br />
datieren um das Jahr 934.<br />
Funktion und Nutzung der einzelnen Anlagen bleiben<br />
umstritten. Aber für germanische Befunde gibt es dennoch<br />
keine Hinweise. Die Wissenschaftler gehen heute davon<br />
aus, dass dort an den Externsteinen im Hochmittelalter<br />
die heiligen Stätten Jerusalems mit dem Grab Christi, der<br />
Kreuzauffindungsgrotte und dem Felsen Golgatha nachgebildet<br />
wurden. Obwohl die Nationalsozialisten auch in<br />
der Region mit ihrer bewussten Geschichtspolitik lediglich<br />
die eigene Ideologie zu inszenieren versuchten, geistert die<br />
Legende um einen vorchristlichen Kultort an den Externsteinen<br />
weiter umher, zum Unwillen ernsthafter Wissen-<br />
Zitiert<br />
Missionsauftrag:<br />
„Darum geht zu allen Völkern<br />
und macht alle Menschen<br />
zu meinen Jüngern.“<br />
32<br />
Matthäus 28,16-20