Sichtbeton, Faserzement und Glas - Denkmalpflege Baden ...
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<strong>Faserzement</strong> <strong>und</strong> strukturierter Beton prägen die<br />
eigenwillige <strong>und</strong> ausdrucksstarke Erscheinung der<br />
zwölfgeschossigen, in sich gedrehten Terrassenhochhäuser<br />
in Hemmingen (Abb. 1). Großzügige<br />
Pflanztröge gewähren Schutz vor Einblicken auf<br />
die darunterliegenden Terrassen. Die mit dunklen<br />
<strong>Faserzement</strong>platten verkleideten Außenwände<br />
setzen sich gegen die hellgrauen, vertikal strukturierten<br />
<strong>und</strong> schräg nach außen geneigten Betonbrüstungen<br />
der Pflanztröge ab. Die „Himmelsleitern“<br />
sind Architekturskulpturen, 1971 bis 1974<br />
nach Plänen von Paul Stohrer erbaut.<br />
Beispielhaft für das gehobene Wohnen im verdichteten<br />
Wohnungsbau sind die Reihen- <strong>und</strong> Terrassenhäuser<br />
in Waiblingen-Neustadt, 1971 bis<br />
1972 vom Büro Kammerer <strong>und</strong> Belz errichtet<br />
(Abb. 2). Durchdachte Funktionalität, hohe Individualität<br />
<strong>und</strong> qualitätvolle Gestaltung sind hier im<br />
Entwurfskonzept vorbildlich verb<strong>und</strong>en. Maximale<br />
Besonnung, Grünraum <strong>und</strong> Flexibilität für jede<br />
Wohnung wurden als Planungsziel exemplarisch<br />
umgesetzt.<br />
Wohnexperimente wie das Terrassenhaus „Schnitz“<br />
(Abb. 3) im Stuttgarter Stadtteil Neugereut vom<br />
Büro Faller <strong>und</strong> Schröder (1973 – 1974) sind mit der<br />
Umsetzung des partizipatorischen Planungsprinzips<br />
ein Vorzeigeprojekt für ein neues, selbstbestimmtes<br />
Bauen. Auch in seiner gebauten Gestalt<br />
ist der „Schnitz“ ein Experiment. Ein überdimensionales<br />
„Nur-Dach-Haus“ in Form eines liegenden<br />
dreiseitigen Prismas ist vom Boden bis zum First mit<br />
Eternitschindeln verkleidet, terrassenartige Freiflächen<br />
sind in die Dachhaut eingeschnitten.<br />
Verwalten<br />
6 Zürich-Vita-Versicherungsgebäude<br />
in Stuttgart<br />
mit schallabsorbierender<br />
Fassade aus vor -<br />
gespanntem, rahmenlo<br />
sem <strong>Glas</strong> (Wilfried<br />
Beck-Erlang, 1963 – 1965).<br />
gebäuden. Für den Regierungsbezirk Stuttgart liegen<br />
damit zu wichtigen Bauaufgaben der 1960er<br />
<strong>und</strong> 1970er Jahre bauhistorische Bewertungen<br />
vor. Doch was sind die Kriterien, die Kulturdenkmale<br />
der 1960er <strong>und</strong> 1970er Jahre erfüllen müssen?<br />
Wie sehen sie aus? Exemplarisch sollen im<br />
Folgenden einige Kulturdenkmale mit ihren für die<br />
jeweilige Bauaufgabe typischen Charakteristika<br />
vorgestellt werden.<br />
Wohnen<br />
Repräsentationsbewusstsein im Verwaltungsbau,<br />
dies zeigt sich beim Rathaus der Gemeinde Bissingen<br />
von Roland Ostertag. <strong>Sichtbeton</strong> ist das bestimmende<br />
Material des 1965 bis 1968 errichteten<br />
viergeschossigen Kubus. Der blau gekachelte<br />
Ratssaal kragt weit nach Südwesten vor. Im Innern<br />
wird das Rathaus durch die große Halle mit der alle<br />
Geschosse erschließenden Treppe bestimmt<br />
(Abb. 4). Kunstvoll wird auch hier der <strong>Sichtbeton</strong><br />
inszeniert.<br />
Private Unternehmen setzten bei ihren Verwaltungsbauten<br />
auf renommierte Architekten. Für die<br />
IBM-Hauptverwaltung in Stuttgart-Vaihingen legte<br />
Egon Eiermann mit seinem Büro 1967 den Entwurf<br />
für drei über quadratischem Gr<strong>und</strong>riss errichtete,<br />
drei- <strong>und</strong> vierstöckige Pavillons vor (Abb. 5). 1983<br />
bis 1984 wurde er durch einen vierten Kubus erweitert.<br />
Die in Stahlskelettbauweise konstruierten<br />
Flachdachbauten sind über mehrstöckige filigrane<br />
verglaste Brückengänge verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> in das von<br />
Wald umgebene, direkt an der Autobahn gelegene<br />
Gelände integriert. Im Gefüge wird die Suche nach<br />
Einfachheit, nach aus der Konstruktion entwickelten<br />
Formen deutlich. Fein profiliertes weißes<br />
Gestänge <strong>und</strong> dunkelgraues Stahlgerüst kombiniert<br />
mit <strong>Glas</strong> sowie dunkelbraune Fenster- <strong>und</strong><br />
Brüstungselemente aus Teakholz bestimmen das<br />
Äußere.<br />
Wie ganz aus <strong>Glas</strong> wirkt die Fassade des Zürich-<br />
Vita-Versicherungsgebäudes in Stuttgart (Abb. 6).<br />
Eine Schale aus vorgespanntem, rahmenlosem<br />
<strong>Glas</strong> dient hier als vorgehängte, den Schall absorbierende<br />
Fassade. Im Inneren des langgestreckten,<br />
siebengeschossigen Stahlskelettbaus werden flexibel<br />
nutzbare Büroräume erschlossen. Die Tiefe<br />
der wärme- <strong>und</strong> schalltechnischen Zone zwischen<br />
230<br />
<strong>Denkmalpflege</strong> in <strong>Baden</strong>-Württemberg 4 | 2013