Kultur vom Dachdecker - Dachbaumagazin
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Das Umgebindehaus ist ein<br />
Bautyp, der vor allem im Dreiländereck von<br />
Deutschland, Polen und Tschechien von der<br />
Oberlausitz und Sächsischen Schweiz bis<br />
nach Niederschlesien und Nordböhmen zu<br />
finden ist. Diese Region wird deshalb auch<br />
als Umgebindeland bezeichnet. Experten<br />
schätzen, dass es grenzübergreifend noch<br />
etwa 19 000 Umgebindehäuser gibt – viele<br />
stehen unter Denkmalschutz.<br />
Das Umgebindehaus in Neugersdorf<br />
stand schon über 15 Jahre leer, als sich der<br />
Bauherr während eines Urlaubs in der Lausitz<br />
in das Gebäude verliebte und in Abstimmung<br />
mit der Denkmalpflege auch die<br />
Zustimmung für eine Translozierung – das<br />
bedeutet einen fachgerechten Rückbau und<br />
den anschließenden Wiederaufbau an einem<br />
anderen Ort – erhielt.<br />
Zerlegt und abtransportiert<br />
Das Haus wurde 1887/88 gebaut und zählt<br />
somit zu den jüngeren Vertretern der Oberlausitzer<br />
Volksbauweise. Am 29. Januar<br />
1887 hatte Friedrich Wilhelm Gabriel seinen<br />
Genehmigungsantrag zum Neubau eines<br />
Wohnhauses bei der Königlichen Amtshauptmannschaft<br />
in Löbau eingereicht und<br />
im April die Baugenehmigung erhalten. Bereits<br />
im Oktober 1887 konnte die Errichtung<br />
des Neubaus mit zwei Blockstuben gemeldet<br />
werden. Die hohen Räume im Erd- und<br />
Obergeschoss zeigen, dass das Gebäude als<br />
reines Wohnhaus geplant wurde.<br />
Für den heutigen Bauherrn erleichterte<br />
dies seine Entscheidung zur Umsetzung<br />
des Hauses nach Buckow in die Märkische<br />
Schweiz. In zahlreichen Gesprächen mit der<br />
Denkmalpflege klärten Architekt und Bauherr<br />
sämtliche geplanten Arbeiten. In einem<br />
Gutachten war zuvor die Bausubstanz umfangreich<br />
beschrieben worden; dabei hatte<br />
sich gezeigt, dass das Gebäude nicht in einem<br />
guten, wohl aber ordentlichen Zustand<br />
war, der die Erhaltung wesentlicher Teile an<br />
einem neuen Standort zuließ.<br />
Für die Ausführung der Dacharbeiten<br />
war <strong>Dachdecker</strong>meister Graßhoff aus Seehausen<br />
schon frühzeitig in die Planung eingebunden.<br />
Da bereits eine Dachfläche des<br />
Satteldachs in den 1980er-Jahren mit Reformpfannen<br />
umgedeckt wurde, galt auch<br />
▴▴Wieder aufgebaut: das Umgebindehaus an seinem neuen Standort im 180 km entfernten Buckow<br />
die andere Dachflächenseite, die mit alten<br />
Segmentschnittbibern gedeckt war, als nicht<br />
mehr erhaltungswürdig und wurde ebenfalls<br />
erneuert. Der Bauherr höchstpersönlich<br />
zerlegte das Gebäude nach einer Bauaufnahme<br />
in seine Einzelteile, markierte<br />
jedes Teil und transportiert das „Hauspuzzle“<br />
an seinen neuen Standort.<br />
UMGEBINDEHÄUSER<br />
Neu aufgebaut<br />
Der Neuaufbau in Buckow am Scharmützelsee<br />
begann mit der Erstellung einer Bodenplatte<br />
auf Streifenfundamenten. Im Randbereich<br />
sorgt eine Reihe Schaumglasdämmung<br />
für moderne bauphysikalische Verhältnisse<br />
ohne Wärmebrücken. Die Schaumglasdämmung<br />
ist diffusionsdicht und über die<br />
Fläche extrem druckbelastbar und wird für<br />
die Ausführung von Sanierungsarbeiten an<br />
Umgebindehäusern empfohlen.<br />
Auf dieser Schicht konnte der abgetragene<br />
Granitsockel im Mörtelbett verlegt<br />
und ausgerichtet werden. Die häufigsten<br />
Schäden an Umgebindehäusern entstehen<br />
durch Feuchtigkeit im Sockelbereich an<br />
den Blockbohlen und den stehenden Stüt-<br />
»Das Umgebindehaus ist eine der eigenwilligsten und bezauberndsten Erscheinungen der<br />
Volksarchitektur«, schreibt Frank Delitz in dem Buch »Umgebinde im Überblick« nicht<br />
ohne Bewunderung. Umgebindehäuser gehören als Typus zum mitteldeutschen Wohnstallhaus:<br />
Die Gebäude werden meist traufseitig erschlossen und sind in der Regel in drei<br />
Bereiche – Wohn-, Flur- und Stallzone – aufgeteilt.<br />
Als Umgebinde wird das vor die Block- oder Bohlenstube gestellte Stützgerüst aus Ständern,<br />
Rähm, Spannriegeln sowie Kopfbändern oder Knaggen verstanden, das die Lasten<br />
der oberen Geschosse trägt. In waldreichen Regionen wurden die Wohnstuben komplett aus<br />
Holz errichtet und bildeten eine Art Holzkasten, der als »Blockstube« bezeichnet wird.<br />
Ständer und untere Bohlenreihe liegen in der Regel auf einem Sockel aus Hartstein, wie<br />
beispielsweise Granit. Die Obergeschosse wurden hingegen meist als Fachwerk ausgeführt<br />
und zeigen konstruktive Ähnlichkeiten zur fränkischen Tragkonstruktion.<br />
Das Umgebindehaus ist seit dem 16. Jahrhundert bekannt und entwickelte sich bis ins<br />
20. Jahrhundert weiter. Wurden in früheren Zeiten Strohdächer und später Lehmschindeldeckungen<br />
oder Holzschindeln eingesetzt, so setzten die damaligen Brandkassen seit<br />
dem 18. Jahrhundert harte Bedachungen durch, die häufig mit Biberschwanzziegeln ausgeführt<br />
wurden.<br />
dachbau magazin 1-2 | 2014<br />
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