Kultur vom Dachdecker - Dachbaumagazin

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01.03.2014 Aufrufe

▴▴Historische Farbharmonie mit Bibern: Schwarz, Weiß und Rot waren zur Erbauungszeit des Palais auch die Farben des Kaiserreichs. Aus dekorativen Gründen wurde jede Teildachfläche mit einer Schieferreihe oder einer Nockenkehle eingefasst Der Bundesgerichtshof ist im Erbgroßherzoglichen Palais in Karlsruhe ansässig. Das Dach des Gebäudes wurde im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört. Beim Wiederaufbau 1950 beschränkte man sich aus Kostengründen auf ein einfaches Funktionsgeschoss mit flachem Walmdach. Die Rekonstruktion des Mansarddachs stellt den prächtigen Urzustand wieder her – auch dank der gebürsteten, naturroten Biberschwanzziegel mit Rundschnitt. Residenz des Rechts Das oberste Zivil- und Strafgericht in Deutschland residiert in einem denkmalgeschützten Palais aus jener Zeit, als noch nicht alle Menschen gleich waren. Es wurde zwischen 1891 und 1897 für den badischen Erbgroßherzog Friedrich II. erbaut. Nach dem Ersten Weltkrieg war es vorbei mit der Adelsherrlichkeit, im Zweiten Weltkrieg auch mit der baulichen Pracht – das Dach wurde durch einen Brand weitgehend zerstört. Die zentrale Kuppel wurde nach Kriegsende zwar wiederhergestellt, doch die Seitenflügel erhielten statt der Mansarde nur eine Aufstockung in der nachkriegstypischen Spararchitektur. 1950 bezog der Bundesgerichtshof das Palais, und 60 Jahre später war die energetische Sanierung des Dachgeschosses überfällig. Rekonstruktion des Dachs Der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg übernahm die Aufgabe, das unzureichend gedämmte Dachgeschoss auf den energetischen Stand der Technik zu bringen. Da ein längerer Leerstand der Etage vermieden werden musste, bot sich nur eine Außendämmung in Verbindung mit der Wiederherstellung der originalen Silhouette an. So wurde das bestehende Dachgeschoss mit einem Mansarddachstuhl überbaut und die alten Gauben nach historischem Vorbild rekonstruiert. Gebürstete Biber Für die flach geneigten, von unten nicht einsehbaren Dachflächen vom First bzw. den Glaskuppeln bis zum Steingesims wählte der Bauherr ein Leistenfalzdach aus verzinntem Kupferblech. Die Mansarddachflächen zwischen Traufe und Mansardknick wurden jedoch mit Biberschwanzziegeln gedeckt. Hier hatte die Denkmalpflege Rundschnitt-Biber in Naturrot mit einer gebürsteten Oberfläche gefordert. Diese Oberfläche soll zu einer zügigen Patinierung der Dachfläche führen. Fündig wurde man im Sortiment der Klassik-Biber von Creaton. 28 dachbau magazin 1-2 | 2014

www.dachbaumagazin.de ▴▴Die Dachneigung von 75 Grad erforderte eine Befestigung mit Klammern und Schrauben ▴ ▴ Kunstvoll überbaut: Der neue Dachstuhl des Bundesgerichtshofs wurde bei laufendem Betrieb errichtet – um das bestehende Bürogeschoss aus den 1950er-Jahren herum ▴▴Die unterste Biberreihe jeder Teildachfläche wurde mit Traufziegeln ausgeführt Feinmechanische Arbeit Die Ausführung oblag dem Karlsruher Dachdeckerbetrieb Stegmaier GmbH – ein Auftrag, der es in sich hatte. Nicht nur, dass Dachdeckermeister Werner Stegmaier und seine Gesellen den obersten Richtern des Landes auf dem Kopf herumtanzen konnten. Die Aufgabe bescherte den Handwerkern neben dem Renommee einer besonderen Referenz auch handwerkliche Herausforderungen: Insgesamt 11 000 Biber mussten auf der 320 m² großen Dachfläche verlegt werden, die jedoch auf viele kleine Teilflächen verteilt werden mussten, bei denen es wegen der Balustraden nur wenig Platz zum Arbeiten gab. Die Kleinteiligkeit des Mansarddachs, wo teilweise nur ein Biber zwischen die Gauben passt, machte schon die Lattung zur „feinmechanischen“ Arbeit. Die Biber wurden in klassischer Doppeldeckung verlegt. Dabei setzten die Dachdecker in der ersten Reihe Traufziegel ein und an den Rändern Längshalbe. Wegen der starken Dachneigung von 75 Grad musste jeder Biber nicht nur in die Lattung eingehängt, sondern zusätzlich einzeln befestigt werden. Dabei wurde jede Teildachfläche aus dekorativen Gründen entweder von Nockenkehlen oder von einer Schieferreihe eingefasst. Denkmalschutz trifft Klimaschutz Nach Abschluss der Deckarbeiten war der Stilbruch auf dem Dach des Bundesgerichtshofs nach über 60 Jahren beendet. Gleichzeitig wurde durch das neue Mansarddach eine deutliche Verringerung des Energiebedarfs erreicht. Damit verbunden ist eine jährliche Einsparung von rund 15,5 t CO 2 – schön, wenn sich Denkmalpflege und Klimaschutz so gut ergänzen. ■ STECKBRIEF Objekt/Standort: Bundesgerichtshof im Erbgroßherzoglichen Palais D-76133 Karlsruhe Dachdeckerarbeiten: Dachdeckerei Stegmaier GmbH D-76227 Karlsruhe www.dachdeckerei-stegmaier.de Produkte: Biberschwanzziegel Klassik, naturrot gebürstet, mit Originalzubehör (Längshalbe und Traufziegel) Hersteller: Creaton AG www.creaton.de Halle 6 | Stand 6.107 dachbau magazin 1-2 | 2014 29

▴▴Historische Farbharmonie mit Bibern: Schwarz, Weiß und Rot waren zur Erbauungszeit des Palais auch die Farben des Kaiserreichs. Aus dekorativen<br />

Gründen wurde jede Teildachfläche mit einer Schieferreihe oder einer Nockenkehle eingefasst<br />

Der<br />

Bundesgerichtshof ist im<br />

Erbgroßherzoglichen Palais in Karlsruhe<br />

ansässig. Das Dach des Gebäudes wurde<br />

im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört. Beim<br />

Wiederaufbau 1950 beschränkte man sich<br />

aus Kostengründen auf ein einfaches Funktionsgeschoss<br />

mit flachem Walmdach. Die<br />

Rekonstruktion des Mansarddachs stellt<br />

den prächtigen Urzustand wieder her –<br />

auch dank der gebürsteten, naturroten Biberschwanzziegel<br />

mit Rundschnitt.<br />

Residenz des Rechts<br />

Das oberste Zivil- und Strafgericht in<br />

Deutschland residiert in einem denkmalgeschützten<br />

Palais aus jener Zeit, als noch<br />

nicht alle Menschen gleich waren. Es wurde<br />

zwischen 1891 und 1897 für den badischen<br />

Erbgroßherzog Friedrich II. erbaut.<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg war es vorbei<br />

mit der Adelsherrlichkeit, im Zweiten Weltkrieg<br />

auch mit der baulichen Pracht – das<br />

Dach wurde durch einen Brand weitgehend<br />

zerstört. Die zentrale Kuppel wurde nach<br />

Kriegsende zwar wiederhergestellt, doch<br />

die Seitenflügel erhielten statt der Mansarde<br />

nur eine Aufstockung in der nachkriegstypischen<br />

Spararchitektur. 1950 bezog der<br />

Bundesgerichtshof das Palais, und 60 Jahre<br />

später war die energetische Sanierung des<br />

Dachgeschosses überfällig.<br />

Rekonstruktion des Dachs<br />

Der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg<br />

übernahm die Aufgabe,<br />

das unzureichend gedämmte Dachgeschoss<br />

auf den energetischen Stand der Technik<br />

zu bringen. Da ein längerer Leerstand der<br />

Etage vermieden werden musste, bot sich<br />

nur eine Außendämmung in Verbindung<br />

mit der Wiederherstellung der originalen<br />

Silhouette an. So wurde das bestehende<br />

Dachgeschoss mit einem Mansarddachstuhl<br />

überbaut und die alten Gauben nach historischem<br />

Vorbild rekonstruiert.<br />

Gebürstete Biber<br />

Für die flach geneigten, von unten nicht einsehbaren<br />

Dachflächen <strong>vom</strong> First bzw. den<br />

Glaskuppeln bis zum Steingesims wählte der<br />

Bauherr ein Leistenfalzdach aus verzinntem<br />

Kupferblech. Die Mansarddachflächen zwischen<br />

Traufe und Mansardknick wurden jedoch<br />

mit Biberschwanzziegeln gedeckt. Hier<br />

hatte die Denkmalpflege Rundschnitt-Biber<br />

in Naturrot mit einer gebürsteten Oberfläche<br />

gefordert. Diese Oberfläche soll zu einer<br />

zügigen Patinierung der Dachfläche führen.<br />

Fündig wurde man im Sortiment der Klassik-Biber<br />

von Creaton.<br />

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