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PDF der deutschen Version - Deutsches Archäologisches Institut

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Das Gefühl nach<br />

Hause zu kommen<br />

Vorausschauende<br />

Diplomatie<br />

PORTRÄT<br />

Dr. Margarete van Ess ist Wissenschaftliche<br />

Direktorin <strong>der</strong> Orient-Abteilung des<br />

DAI. Seit 1989 hatte sie die Grabungsleitung<br />

in Uruk/Warka im Irak inne, seit<br />

1997 leitet sie zudem Ausgrabungsprojekte<br />

im Libanon.<br />

Foto: Obeloer<br />

1994 war Margarete van Ess nach den langen<br />

Jahren des Bürgerkrieges zum ersten<br />

Mal wie<strong>der</strong> im Libanon. „Es roch wie in <strong>der</strong><br />

Kindheit“, sagt die Archäologin. Aufgewachsen<br />

ist sie in einer Familie von Orientalisten,<br />

die geraume Zeit ihres Lebens in<br />

dem Land verbrachte, das zu den schönsten<br />

des Nahen Ostens gezählt wird. Das<br />

Gefühl, nach Hause zu kommen, spürt Margarete<br />

van Ess überall im Orient, die Weltgegend<br />

steckt in den Knochen, wenn auch<br />

die Liebe immer wie<strong>der</strong> auf eine harte Probe<br />

gestellt wird. „Die politische Situation<br />

strengt mich an“, räumt sie ein. Das beste<br />

Gegenmittel sei, sich in die Arbeit zu stürzen.<br />

Dem Studium <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>asiatischen Archäologie,<br />

Altorientalistik und Ur- und<br />

Frühgeschichte in Tübingen und Berlin<br />

folgte 1989 <strong>der</strong> Berufseinstieg als Wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin <strong>der</strong> Abteilung<br />

Bagdad des Deutschen Archäologischen<br />

<strong>Institut</strong>s und die Grabungsleitung in Uruk,<br />

dem heutigen Warka. Nach dem Abschluss<br />

<strong>der</strong> Promotion 1996 zum Thema „Die Architektur<br />

des Eanna-Heiligtums in Uruk zur Ur<br />

III- und altbabylonischen Zeit. Baukonzeption<br />

eines Heiligtums“ wurde sie Wissenschaftliche<br />

Direktorin <strong>der</strong> Orient-Abteilung<br />

des DAI. 1997 kam die Leitung von Ausgrabungsprojekten<br />

im Libanon dazu.<br />

„Kulturerhalt ist wie überall auch in den<br />

Län<strong>der</strong>n des Orients ein schwieriges Unterfangen“,<br />

sagt die Archäologin – und das<br />

nicht nur in schwierigen Zeiten. Der Reichtum<br />

an Zeugnissen antiker Kulturen ist<br />

nicht immer nur ein Segen. „Es kann nicht<br />

darum gehen, pauschal alles zu erhalten,<br />

was gefunden wird.“ Die Interessenlage ist<br />

komplex, die Bedürfnisse heutiger Bewohner<br />

sind zu respektieren. „Wichtig ist aber,<br />

dass man einen Mechanismus findet, nach<br />

dem entschieden wird, was bleibt und was<br />

nicht“, sagt van Ess. Transparenz sei das<br />

oberste Gebot für alle Beteiligten und die<br />

Frage sei stets, ob ein Konsens in <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

erzielt wurde o<strong>der</strong> ob die Interessen<br />

einzelner Gruppen bedient werden.<br />

Reden hilft, weiß van Ess, die als Wissenschaftlerin<br />

des DAI immer auch Diplomatin<br />

ist, wobei Belehrung die Todsünde <strong>der</strong> internationalen<br />

Zusammenarbeit sei. „Wenn<br />

junge irakische Wissenschaftler nach<br />

Deutschland kommen, zeigen wir ihnen,<br />

wie wir arbeiten – als eine Möglichkeit des<br />

Ansatzes. Wir erklären ihnen nicht, wie es<br />

geht.“ Margarete van Ess erinnert sich an<br />

eine gemeinsame Schifffahrt nach Potsdam.<br />

Vom Wasser aus versteht man die<br />

Sichtachsen und den ordnenden Gedanken<br />

dieses Teils des UNESCO-Weltkulturerbes.<br />

„Die irakischen Gäste verstanden, dass<br />

nicht nur materielle Kulturgüter, son<strong>der</strong>n<br />

auch Ideen schützenswertes Gut sein können.“<br />

Derlei diplomatisches Fingerspitzengefühl<br />

lernt man natürlich nicht im Studium.<br />

„Aber irgendwann erkennt man ohnehin,<br />

dass man an <strong>der</strong> Universität nicht für alles<br />

‚ausgebildet’ wurde“, sagt van Ess. Mehr als<br />

ein Ausgangspunkt für weiteres Fragen<br />

und Forschen kann ein Studium auch nicht<br />

sein, findet sie. Ohne intrinsische Motivation<br />

hält man viele <strong>der</strong> Arbeiten nicht aus,<br />

die indessen die Grundlage für alles Weitere<br />

sind. „Manche scheitern an 20.000 Scherben,<br />

die statistisch erfasst werden müssen“,<br />

weiß die Archäologin. „Natürlich kann so<br />

etwas tödlich langweilig sein, aber wenn<br />

man weiß, wo man hin will, ist es auch unglaublich<br />

spannend.“<br />

Am Ende hilft das harte Training bei <strong>der</strong><br />

forschenden Arbeit in Einsamkeit und Freiheit<br />

ebenso wie beim effizienten Projektmanagement,<br />

wenn es darum geht, eine<br />

Grabung zu organisieren. Seit dem Studium<br />

arbeitet Margarete van Ess zum Tempelbau<br />

in Mesopotamien. „Mein Wunsch<br />

ist, dazu einmal eine große Monographie<br />

zu schreiben und dabei die unterschiedlichen<br />

Tempelkonzepte in Süd- und Nordmesopotamien<br />

und <strong>der</strong> Levante miteinan<strong>der</strong><br />

zu vergleichen. Aber im Moment kann<br />

ich mich nicht einfach hinsetzen und monatelang<br />

daran durcharbeiten.“ Der Arbeitstag<br />

gehört nicht nur <strong>der</strong> Wissenschaft,<br />

son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> nicht gänzlich ungeliebten<br />

Verwaltung o<strong>der</strong> auch Studierenden,<br />

die betreut sein wollen.<br />

Margarete van Ess hat noch einen an<strong>der</strong>en<br />

Wunsch. „Es wäre schön – und im Sinne internationaler<br />

Zusammenarbeit auch hilfreich<br />

– wenn <strong>der</strong> hiesige Blick auf die Län<strong>der</strong><br />

des Nahen Ostens mehr von <strong>der</strong><br />

Realität mit all ihren kulturellen und<br />

menschlichen Stärken, die auch in schwierigen<br />

Zeiten nicht untergehen, geprägt<br />

wäre und nicht so sehr von sensationsheischen<strong>der</strong><br />

Dauerkriegsberichterstattung.“<br />

Die Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit.<br />

2009 wurde ihr die Ehrendoktorwürde<br />

des <strong>Institut</strong>s für Arabische Geschichte<br />

und wissenschaftliches Erbe des Irak,<br />

einer <strong>Institut</strong>ion <strong>der</strong> Union <strong>der</strong> Arabischen<br />

Historiker verliehen.<br />

<br />

Brita Wagener ist Botschafterin <strong>der</strong><br />

Bundesrepublik Deutschland in <strong>der</strong><br />

Republik Irak.<br />

Foto: Auswärtiges Amt, Pressestelle<br />

„Man kann auch im Kleinen wichtige Dinge<br />

bewirken“, weiß Brita Wagener – zu weltfremd<br />

wäre auch <strong>der</strong> Versuch, große Probleme<br />

mit einem großen Wurf wegwischen<br />

zu wollen. Nach Jahrzehnten verschiedener<br />

Facetten von Ausnahmezustand ist das<br />

Leben im Irak von <strong>der</strong> Anstrengung geprägt,<br />

Normalität und Alltag wie<strong>der</strong>herzustellen<br />

und <strong>Institut</strong>ionen funktionsfähig zu<br />

machen. Brita Wagener ist seit August 2012<br />

deutsche Botschafterin in Bagdad.<br />

Seit 1983 ist die Juristin im Auswärtigen<br />

Dienst. Als Spezialistin für Völkerrecht war<br />

sie auf verschiedenen Posten in Kairo, Neu<br />

Delhi, Istanbul und Tel Aviv. „Es ist wichtig,<br />

verschiedene Seiten zu sehen, damit sich<br />

<strong>der</strong> Blick nicht verengt.“<br />

Auch <strong>der</strong> Alltag <strong>der</strong> Botschaftsangehörigen<br />

ist – vor dem Hintergrund einer<br />

schwierigen Sicherheitslage – von erheblichen<br />

Einschränkungen in ihrer Bewegungsfreiheit<br />

geprägt. „Wir haben insgesamt<br />

aber guten Zugang“, sagt Wagener.<br />

„Die Iraker suchen das Gespräch auf allen<br />

Ebenen.“ Ein beson<strong>der</strong>es Interesse gilt den<br />

Wirtschaftsbeziehungen, die sich in einem<br />

komplizierten Aufbauprozess befinden.<br />

Traditionell gute und lange Beziehungen<br />

zwischen beiden Län<strong>der</strong>n gibt es in <strong>der</strong><br />

Kultur- und Wissenschaftspolitik. Eine wesentliche<br />

Komponente dieses Bereichs<br />

sind die Projekte und Kooperationen des<br />

Deutschen Archäologischen <strong>Institut</strong>s, das<br />

seit 1955 eine Außenstelle in Bagdad unterhalten<br />

hat. Von dort aus wurden in bester<br />

Kooperation mit <strong>deutschen</strong>, irakischen<br />

und internationalen Partnern die Arbeiten<br />

durchgeführt, die über 5000 Jahre in <strong>der</strong><br />

Geschichte zurückgehen und Bil<strong>der</strong> mächtiger<br />

Sakralbauten und Paläste hervorrufen<br />

und die von den kulturellen Meisterleitungen<br />

<strong>der</strong> ersten Großstadt <strong>der</strong> Welt berichten,<br />

die in Uruk, dem heutigen Warka, geschaffen<br />

wurden.<br />

„Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik<br />

hat einen erheblichen Stellenwert in<br />

unserer Arbeit“, sagt Brita Wagener. Politik,<br />

Kultur und Wissenschaft arbeiten Hand in<br />

Hand, was allen Beteiligten die Kommunikation<br />

auf schwierigem Terrain erleichtert.<br />

„Über Kultur und Bildung kann man nicht<br />

nur Zugang schaffen“, sagt die Diplomatin.<br />

„Man kann auch vorausschauend etwas für<br />

diejenigen tun, die unter <strong>der</strong> angespannten<br />

Situation beson<strong>der</strong>s leiden, Menschen,<br />

die das aber Land einmal am nötigsten<br />

brauchen wird.“ Wenn es nicht mehr die<br />

Waffen sind, die glauben, die politischen<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen bestreiten zu können,<br />

werden es die Intellektuellen, die<br />

Künstler und die Wissenschaftler sein, die<br />

die öffentlichen Debatten bestreiten. Dann<br />

ist es wichtig, dass man das Land nicht aus<br />

dem Blick verliert und die richtigen Signale<br />

setzt. „Es geht nicht immer nur um Geld.“<br />

„Die Herausfor<strong>der</strong>ungen sind enorm“, weiß<br />

Brita Wagener. „Es gibt unendlich viel zu<br />

tun und zu diskutieren. Die wichtigen Themen<br />

sind die Fragen, wie die verschiedenen<br />

Komponenten des Landes Ihr Zusammenleben<br />

organisieren wollen. Sie<br />

betreffen darüber hinaus den Aufbau von<br />

Strukturen, das Management von <strong>Institut</strong>ionen<br />

und die Möglichkeiten, einigermaßen<br />

normale Abläufe zu organisieren.<br />

Für den deutsch-irakischen Kulturaustausch<br />

ist es schon ein Silberstreif am Horizont,<br />

wenn das Goethe-<strong>Institut</strong> mit Sitz in<br />

Erbil, in den ruhigeren Fö<strong>der</strong>alen Regionen<br />

Kurdistan-Irak, nach sehr langer Pause<br />

2013 hoffentlich erstmals wie<strong>der</strong> Deutschkurse<br />

in Bagdad anbietet. Wann die Außenstelle<br />

Bagdad des DAI wie<strong>der</strong> vor Ort arbeiten<br />

kann, ist noch ungewiss. Noch erlaubt<br />

die Sicherheitslage die Rückkehr <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong><br />

Wissenschaftler nicht, so sehr die<br />

irakischen Kollegen <strong>der</strong>en Rückkehr auch<br />

wünschen. „Wir werden das regelmäßig<br />

prüfen“, sagt die Botschafterin.<br />

„Es ist manchmal sehr for<strong>der</strong>nd, wenn man<br />

kein normales städtisches Leben führen<br />

kann“, räumt Brita Wagener ein. Die kleine<br />

Runde um den Block verbietet sich von<br />

selbst. Dafür stehen die Türen <strong>der</strong> Residenz<br />

– wenn es die Lage erlaubt – offen für Veranstaltungen,<br />

seien es Aufführungen einer<br />

Frauentheatergruppe, sei es eine Podiumsdiskussion<br />

mit irakischen Künstlerinnen.<br />

„Bei allen Einschränkungen ist es gut zu<br />

sehen, dass es Dinge gibt, die wir tun können<br />

und die hoffentlich eine nachhaltige<br />

Wirkung haben“, sagt Brita Wagener. „Man<br />

darf die kleinen Schritte nicht unterschätzen.“<br />

<br />

PORTRÄT<br />

58 _ ARCHÄOLOGIE WELTWEIT<br />

ARCHÄOLOGIE WELTWEIT _ 59

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