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PDF der deutschen Version - Deutsches Archäologisches Institut

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Salonina, die Frau des römischen Kaisers Gallienus (253–268<br />

n. Chr.) trug stets eine aufwändige Haartracht. Das lange Haar war<br />

in <strong>der</strong> Mitte gescheitelt, in Zöpfe geflochten und als breites Band<br />

vom Nacken aus über den Hinterkopf bis fast zur Stirn gelegt, dort<br />

umgeschlagen und festgesteckt. Die Frisur <strong>der</strong> Kaiserin wurde<br />

Mode im gesamten Imperium. Auch die Frisuren zweier Athenerinnen,<br />

eines jungen Mädchens und einer jungen Frau, <strong>der</strong>en Porträts<br />

vor kurzem in einem Brunnen vor dem Dipylon, dem Doppeltor,<br />

entdeckt wurden, waren nach dieser Mode gesteckt.<br />

Gefunden wurden sie im April 2013 auf dem Kerameikos von<br />

Athen. Der Brunnen war schon 1934 entdeckt und bis 1936 weitgehend<br />

ausgegraben und untersucht worden. Die Dokumentation,<br />

die damals wegen des zu hohen Grundwasserspiegels unterblieb,<br />

sollte nun nachgeholt werden. Auch die aktuellen Arbeiten<br />

2013 konnten nur unter gleichzeitigem Einsatz von vier starken<br />

Pumpen ausgeführt werden. Der Brunnen, aus Steinen gemauert<br />

und innen mit hydraulischem Mörtel verputzt, stammt aus dem<br />

4. Jahrhun<strong>der</strong>t v. Chr., er war mehr als 800 Jahre in Gebrauch.<br />

Die marmornen Frauenporträts, die in 5,20 Meter Tiefe unterhalb<br />

des Grundwasserspiegels gefunden wurden, entstammen dem<br />

3. Jahrhun<strong>der</strong>t n. Chr. und sind in ungewöhnlich gutem Zustand<br />

erhalten. Einst waren sie sicher vor dem Dipylon aufgestellt: entwe<strong>der</strong><br />

als Ehrenstatuen, als Grabstatuen o<strong>der</strong> als liegende Figuren<br />

auf einem Marmorsarkophag.<br />

Zerstört wurden die Statuen eines Tages wohl gleichzeitig. Sie wurden<br />

enthauptet, durch einen gezielten Meißelhieb in zwei Teile gespalten<br />

und in den Brunnen geworfen. Die Frauen gehörten zur<br />

Rom nahestehenden athenischen Elite; vielleicht lag darin <strong>der</strong><br />

Grund für die Vernichtung <strong>der</strong> Skulpturen, <strong>der</strong>en Repräsentationen<br />

man offenbar zunichte machen wollte. Die Regierungszeit des Gallienus<br />

war geprägt von Barbareneinfällen und Heeresrevolten im<br />

ganzen Reich. Im Jahr 268 wurde er bei <strong>der</strong> Belagerung von Mailand<br />

von seinen eigenen Heerführern getötet. Als Zeitpunkt <strong>der</strong><br />

Zerstörung <strong>der</strong> Marmorstatuen kommt daher zum einen die politische<br />

Situation am Ende <strong>der</strong> Regierungszeit des Kaisers Gallienus in<br />

Frage. Nach dessen Tod wurden seine Angehörigen, seine Anhänger<br />

und seine Ehefrau ermordet. Aber auch eine spätere, religiös<br />

motivierte Zerstörung <strong>der</strong> Porträts, etwa durch christliche Fanatiker,<br />

lässt sich nicht ausschließen. Noch sind die Untersuchung des<br />

Brunnens und die Analyse <strong>der</strong> Funde nicht abgeschlossen.<br />

Jutta Stroszeck<br />

DAS OBJEKT<br />

VERSENKTE BILDER<br />

Die Frauenköpfe aus einem Brunnen des Kerameikos<br />

Die beiden Frauenporträts aus Marmor<br />

wurden in 5,20 Meter Tiefe unterhalb des<br />

Grundwasserspiegels gefunden. Sie<br />

stammen aus dem 3. Jahrhun<strong>der</strong>t n. Chr.<br />

und sind in ungewöhnlich gutem<br />

Zustand erhalten.<br />

Der Kerameikos ist <strong>der</strong> bedeutendste<br />

antike Friedhof Athens.<br />

Fotos: DAI, Abteilung Athen<br />

Dr. Jutta Stroszeck von <strong>der</strong> Abteilung Athen<br />

des DAI leitet vor Ort die Arbeiten auf dem<br />

Kerameikos in Athen, dem berühmtesten<br />

Friedhof des klassischen Griechenland.<br />

Seit 100 Jahren forscht das DAI an dieser Stelle.<br />

(siehe auch „100 Jahre Kerameikos“, S. 4)<br />

Das Grabungsteam im Kerameikos bestand aus<br />

griechischen und <strong>deutschen</strong> Mitarbeitern,<br />

verstärkt durch eine kleine Gruppe Studenten<br />

von verschiedenen Universitäten aus Berlin,<br />

Gießen, Mainz und Rostock. Die Freilegung des<br />

Brunnens erfolgte im Rahmen eines Forschungsprojektes<br />

zur Wasserversorgung <strong>der</strong> klassischen<br />

Badeanlage vor dem Dipylon.<br />

30 _ ARCHÄOLOGIE WELTWEIT<br />

ARCHÄOLOGIE WELTWEIT _ 31

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