PDF der deutschen Version - Deutsches Archäologisches Institut
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Die Masse <strong>der</strong> Kerne, Abschläge, Schlagsteine,<br />
Halbfabrikate und fertigen Geräte, die größtenteils<br />
unbenutzt zu sein scheinen, zeigt, dass <strong>der</strong><br />
Fundplatz in erster Linie eine Manufaktur für<br />
Steinbeile und an<strong>der</strong>e Werkzeuge war.<br />
Foto (li.): Raroirae<br />
Fotos (unten): Hartl-Reiter<br />
ALLTAG ARCHÄOLOGIE<br />
Mosers Mitarbeiter vor Ort:<br />
Die Archäologin Annette Kühlem und <strong>der</strong><br />
Vermessungsingenieur Christian Hartl-Reiter.<br />
Der Prähistoriker Dr. Johannes Moser<br />
ist Referent für den Westpazifik an <strong>der</strong><br />
Kommission für Archäologie Außereuropäischer<br />
Kulturen (KAAK) des DAI<br />
PRODUKTIONSZE NTRUM F ÜR<br />
D E N Ü B E RSEE- H ANDE L<br />
Im Spätherbst 2011 hatten die DAI-Archäologen eine erste Erkundungsreise<br />
auf <strong>der</strong> Insel Malaita unternommen. „Wir entdeckten<br />
mehrere Höhlen und Felsdächer, die Spuren menschlicher Präsenz<br />
in vorgeschichtlicher Zeit zeigen“, sagt Moser. Abschlagmaterial<br />
aus Stein, Geröll, das offenbar ortsfremd war, aber auch Gehäuse<br />
verschiedener Schnecken und Muscheln gehören zu den Funden.<br />
Die Archäologen untersuchten zwei Schlagplatzreviere, von denen<br />
eines abseits des Weilers Maniaha im höher gelegenen und<br />
schwer zugänglichen Bergland liegt. In <strong>der</strong> dichten Vegetation des<br />
immerfeuchten Regenwaldes sind Messungen und Kartierung ein<br />
Kunststück. Doch die Dorfbewohner wissen, dass <strong>der</strong> Platz mehrere<br />
tausend Quadratmeter groß sein muss, und die Masse <strong>der</strong> Kerne,<br />
Abschläge, Schlagsteine, Halbfabrikate und fertigen Geräte,<br />
die größtenteils unbenutzt zu sein scheinen, zeigt, dass <strong>der</strong> Fundplatz<br />
in erster Linie eine Manufaktur für Steinbeile und an<strong>der</strong>e<br />
Werkzeuge war. „Wir waren das nicht“, beteuern die Inselbewohner<br />
gegenüber Moser. Die Bevölkerung von Nariwarawa und Maniaha<br />
kennt die Genealogie <strong>der</strong> namentlich nennbaren Vorfahren, <strong>der</strong><br />
‚Rioanimai’ o<strong>der</strong> ‚great ancestors’ über 13 Generationen bis ins 18.<br />
und 17. Jahrhun<strong>der</strong>t zurück. Die 14C-Daten weisen ein Alter <strong>der</strong><br />
Fundstücke aus, das in <strong>der</strong> Zeit vor dem ersten Kontakt mit Europäern<br />
Mitte des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts liegt.<br />
„Wir haben es hier mit einem großräumigen Produktionszentrum<br />
zu tun, von dem aus die Fabrikate als Handels- o<strong>der</strong> Tauschware<br />
überregional in Umlauf gebracht wurden“, sagt Moser. Der Fundort<br />
‚Apunirereha’ hat dabei eine Schlüsselposition auf <strong>der</strong> Insel Malaita.<br />
Kontakte zwischen den Inseln, auch über größere Distanzen,<br />
und funktionierende Beziehungsgeflechte haben im melanesischen<br />
Raum eine lange Tradition ebenso wie die Kenntnisse über<br />
Hochseenavigation, die von den Älteren auf die Jüngeren übergingen<br />
und wo Probleme <strong>der</strong> Bestimmung von Längengraden schon<br />
lange gelöst waren, bevor John Harrison zu Beginn des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
seine berühmte Uhr baute.<br />
Johannes Moser hat sich ein Haus aus Pandanussblättern gebaut,<br />
das gut und gern als Grabungshaus dient. Drei Zimmer mit Veranda<br />
– Baukosten: 500 Euro. Der größte Teil davon war <strong>der</strong> Treibstoff<br />
für die Kettensäge. „Es ist wichtig, dass die Leute, die bei einer<br />
Kampagne dabei sind, Erfahrung haben“, betont Moser. Das<br />
feuchtheiße Klima kann an die Nerven gehen, die üblichen Abwechslungen<br />
fehlen völlig. Hier und da läuft vielleicht mal ein Kassettenrekor<strong>der</strong><br />
im Dorf. Aber ansonsten ist es verdammt ruhig.<br />
„Mir fehlt hier nichts“, sagt <strong>der</strong> Archäologe. „Man lernt wie<strong>der</strong>, sich<br />
abends zu unterhalten.“<br />
Gegessen wird Fisch, Yams und Taro. Zur Abwechslung gibt es Instantnudeln.<br />
Auch auf den Salomonen sind es die Chinesen, die<br />
die kleinen Geschäfte betreiben.<br />
Inzwischen mögen die Insulaner „ihre“ Archäologen und sind sogar<br />
ziemlich stolz darauf, dass sich jemand für sie und ihre Geschichte<br />
interessiert. Manchmal drücken sie ein Auge zu, wenn<br />
unwissentlich ein Tabu gebrochen wurde. „Man darf schon kleine<br />
Fehler machen“, erzählt Johannes Moser. „Aber sie lassen es uns<br />
wissen.“ Bei den Diskussionen ist Chief Andrew immer dabei. <br />
D I E ARCHÄOLOGISCHE N<br />
A RBE ITE N<br />
„Der ausgewählte Fundplatz ‚Apunirereha‘<br />
umschreibt ein etwa 1000 m² großes Gebiet mit<br />
außerordentlich umfangreichem Materialaufkommen<br />
an herbeigeschafften Rohmaterialknollen<br />
und geschlagenen Steingerätschaften. Der<br />
Platz wurde geodätisch erfasst und in seinem<br />
Zentrum durch eine 2 m x 3 m Sondage<br />
gegraben. Das Ziel dieser Sondierung war es, die<br />
Akkumulation an steinzeitlichen Hinterlassenschaften<br />
in ihrem Umfang zu erfassen, mögliche<br />
Verteilungsmuster zu erkennen sowie die<br />
stratigraphische Situation zu klären. Gleichzeitig<br />
sollte datierbares Material zur Altersbestimmung<br />
gewonnen werden. Der Fundplatz wurde<br />
während <strong>der</strong> diesjährigen Geländearbeiten bis<br />
auf eine Tiefe von 60 cm unter das heutige<br />
Geländeniveau ergraben. Aus den Feuerstellen<br />
konnten Holzkohleproben verschiedener<br />
Schichtkontexte isoliert werden, die für eine<br />
Radiokarbondatierung bestimmt waren. Zwei<br />
Proben aus den unteren Straten <strong>der</strong> Sondage<br />
wurden zu Messungen an das AMS-Labor<br />
Erlangen (Physikalisches <strong>Institut</strong>) <strong>der</strong> Friedrich-<br />
Alexan<strong>der</strong> Universität Erlangen-Nürnberg<br />
geschickt. Der lithische Schlagplatz ‚Apunirereha‘<br />
datiert nach den Ergebnissen <strong>der</strong> 14C-Messungen<br />
auf den Zeitraum zwischen 672 BP ± 42<br />
und 395 BP ± 40.“ (BP = Before Present)<br />
Johannes Moser<br />
Das Grabungshaus ist aus Palmblättern gebaut. Foto: Moser<br />
22 _ ARCHÄOLOGIE WELTWEIT<br />
ARCHÄOLOGIE WELTWEIT _ 23