ALLTAG ARCHÄOLOGIE ARCHÄOLOGIE AUF ABGELEGENEN INSELN Forschungen zur Besiedlungsgeschichte des westlichen Pazifik Es ist heiß, es ist matschig, es ist anstrengend, und man darf nicht überall hin. Ohne Malariaschutz sollte man ohnehin nicht in <strong>der</strong> Gegend sein. Es gibt we<strong>der</strong> Zerstreuung <strong>der</strong> gewohnten Art, noch kühle Cocktails, die von lächelnden Kellnern am Platz serviert werden. Doch wenn Johannes Moser gefragt wird, wo er arbeitet, ist die Reaktion auf die Antwort immer gleich: „Sofort haben die Leute eine Fototapete mit palmengesäumten weißen Sandstränden vor Augen und erklären mir: ‚Du arbeitest, wo an<strong>der</strong>e Urlaub machen.’“ 18 _ ARCHÄOLOGIE WELTWEIT ARCHÄOLOGIE WELTWEIT _ 19
Englisch, die heimischen Sprachen entstammen <strong>der</strong> ozeanischen Sprachgruppe, die ihrerseits zur austronesischen Familie mit 1150 Sprachen gehören. D I E FORME N DE S U MGANGS „Die Sprache <strong>der</strong> Verständigung zwischen Archäologen und Gastgebern ist Pidgin-Englisch“, erzählt Johannes Moser. Und Verständigung meint wie stets nicht nur die Sprache an sich. Hat man erst einmal die Lizenz zum Graben vom Ministerium für Kultur und Tourismus, heißt das noch lange nicht, dass man einfach loslegen kann. Auch <strong>der</strong> Provinzgouverneur muss zustimmen, am wichtigsten ist aber das OK des lokalen Chiefs, den es nicht son<strong>der</strong>lich interessiert, ob „<strong>der</strong> Staat“ irgendetwas genehmigt hat. Gefragt sind Geduld, Sorgfalt, Respekt und Fingerspitzengefühl. Die Inselbewohner haben allen Grund, misstrauisch zu sein. Die kollektive Erinnerung ist voll von Raub- und Mordgeschichten, die mit den Kolonisatoren kamen. „Während <strong>der</strong> Kolonialzeit wurden Ethnographika in rauen Mengen außer Landes geschafft“, weiß Moser. Sie wurden verkauft o<strong>der</strong> ins Museum gestellt. „Zum Glück kommt jemand, <strong>der</strong> im Ministerium arbeitet, aus Malaita. Er kann zwischen uns, den Behörden und dem Dorf vermitteln.“ ALLTAG ARCHÄOLOGIE Das ‚Ria-Felsschutzdach’ scheint eine nähere Untersuchung wert zu sein. Die Ablagerungen versiegeln und erhalten die archäologischen Funde. Foto: Moser „Ist man einmal akzeptiert, ist es fast, als sei man adoptiert worden“ erzählt Moser. Damit ist die Verantwortung für den Gast unverbrüchlich auf die Gastgeber übergegangen. Nicht, dass ihm etwas zustößt in <strong>der</strong> ihm noch unbekannten Welt. „Umgekehrt würde ich natürlich niemals auf die Idee kommen, ein Tabu zu brechen“, beschreibt <strong>der</strong> Archäologe eine <strong>der</strong> Grenzen wissenschaftlicher Arbeit. Es gibt Orte, die unmissverständlich mit einem strengen Tabu belegt sind und die nicht gestört werden dürfen. Die Zeiten haben sich geän<strong>der</strong>t. „In the name of science“ heißt heute eben auch zu wissen, wann man aufhören muss. „Wenn wir etwas entdecken o<strong>der</strong> vermuten, fragen wir immer zuerst, ob wir nachsehen dürfen“, sagt <strong>der</strong> Archäologe. „Wenn sie ‚nein’ sagen, ist das ein Nein, und niemand verliert mehr ein Wort darüber.“ Johannes Moser ist Prähistoriker, Wissenschaftler an <strong>der</strong> Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen des DAI (KAAK) in Bonn. Die Vergangenheit, die er erforscht, ist so fern wie die Inseln am an<strong>der</strong>en Ende <strong>der</strong> Welt, auf denen er seit 2011 die Spuren menschlicher Anwesenheit in einer archäologisch wenig erforschten Region untersucht. Denn während die Besiedlungsgeschichte Südostasiens, Australiens und des Bismarck-Archipels gut untersucht ist, weiß man noch sehr wenig über die Ausbreitung prähistorischer Menschen in den pazifischen Raum, welchen Weg sie wählten, warum sie überhaupt kamen und wann sie auftauchten. Erste Daten belegen, dass Menschen sich schon vor gut 30.000 Jahren mittels geeigneter Wasserfahrzeuge und im Besitz hervorragen<strong>der</strong> navigatorischer Kenntnisse aufmachten, um die weite Inselwelt des westlichen Ozeaniens zu erschließen. Vor 3.500 Jahren gab es eine zweite Einwan<strong>der</strong>ungsbewegung. Die „Neuen“ bringen verzierte, in Stichtechnik aufpunktierte Keramik mit, die heute als Lapita-Keramik bekannt ist, Obsidian- und Feuersteinhandel zeugen von einem extensiven Ressourcenmanagement. Woher die „Lapita“-Leute kamen, ist nicht genau bekannt. Die Archäologen wissen aber, dass sie viel reisten, um regen Handel zu treiben. Die DAI-Wissenschaftler wollen nun die Grundlagen <strong>der</strong> lang andauernden Tradition <strong>der</strong> Steingerätebearbeitung erforschen, die erst in <strong>der</strong> Zeit des ersten Kontakts mit den Europäern aufgegeben wird und nun ganz zu verschwinden scheint. Die Salomonen waren immer eine bedeutende, gut vernetzte kulturgeographische Kontaktzone zwischen den Großregionen Südostasien, Australien und <strong>der</strong> pazifischen Inselwelt. Heute sind sie eine Parlamentarische Monarchie, Staatsoberhaupt ist Königin Elisabeth II., denn die seit 1978 unabhängigen Solomon Islands sind Angehörige des Commonwealth of Nations. Amtssprache ist 1 2 1 In <strong>der</strong> dichten Vegetation des immerfeuchten Regenwaldes sind Messungen und Kartierung ein Kunststück. 2 Archäologen und Ethnologen sind bei <strong>der</strong> Arbeit nie allein. Fotos: Hartl-Reiter Foto S. 18/19 Moser; Karte basierend auf Googlemaps 20 _ ARCHÄOLOGIE WELTWEIT ARCHÄOLOGIE WELTWEIT _ 21