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Geschichte<br />

Die Berliner Republik<br />

Name: Klasse: Datum:<br />

Station 5: Der Bundesrat: Notwendiges sachliches Korrektiv der Bundespolitik?<br />

M1 – Der Aufbau und die Funktion des Bundesrates<br />

© 2011 Cornelsen Verlag, Berlin. Alle Rechte vorbehalten.<br />

Der Bundesrat ist die Interessensvertretung der Länder auf der Bundesebene. Diese entsenden zwischen<br />

drei und sechs Mitglieder in den Bundesrat und haben ebenso viele Stimmen. Länder mit mehr<br />

als zwei Millionen Einwohnern haben vier, mit mehr als sechs Millionen fünf und mit mehr als sieben<br />

Millionen sechs Stimmen (Art. 51 GG). Bundesratsmitglieder sind die Regierungschefs, die Minister für<br />

Bundesangelegenheiten und weitere Fachminister. Die Stimmen eines Landes werden geschlossen<br />

abgegeben, sodass jede Landesregierung ihr Stimmverhalten vor einer Abstimmung festlegen muss.<br />

Das Plenum tagt gewöhnlich alle drei Wochen. Es beschließt mit absoluter Stimmenmehrheit, d. h., von<br />

den 69 Stimmen sind mindestens <strong>35</strong> für einen Beschluss erforderlich. Da die Entscheidungen nur noch<br />

mündlich dargelegt und begründet werden, herrscht in der Regel meist eine sachliche Atmosphäre.<br />

Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in<br />

Angelegenheiten der Europäischen Union mit (Art. 50 GG). Der Bundesrat wacht darüber, dass die<br />

Gesetzgebung des Bundes nicht die Kompetenzen der Länder aushöhlt.<br />

Fast alle wichtigen Gesetze sind von seiner Zustimmung abhängig. Damit hat er eine bedeutende Kontrollfunktion<br />

gegenüber Bundestag und Bundesregierung. Auseinandersetzungen um politisch strittige<br />

Gesetze finden vor allem statt, wenn im Bundesrat andere Mehrheitsverhältnisse als im Bundestag<br />

herrschen. Es kann nicht ausbleiben, dass die Oppositionsmehrheit im Bundesrat ihren Vorteil nutzt,<br />

um wichtige Gesetze aufzuhalten und die Regierung in Schwierigkeiten zu bringen, indem sie Gegenvorschläge<br />

unterbreitet. In der Regel geht es aber um gleichartige Länderinteressen, zum Beispiel um<br />

die Verteilung der Steuern zwischen Bund und Ländern.<br />

In vielen Fällen meldet der Bundesrat umfangreiche Änderungswünsche an. Zumeist wird im Vermittlungsausschuss<br />

– manchmal erst nach längeren Auseinandersetzungen – ein Kompromiss gefunden,<br />

der die unterschiedlichen Interessen ausgleicht. Nicht zuletzt fließen in die Gesetzgebung durch den<br />

Bundesrat die Erfahrungen der Länderbürokratien ein, die die Gesetze ausführen müssen. Die Vertreter<br />

der Länder, in der praktischen Arbeit ein Stab von Ministerialbeamten, bringen ihren Sachverstand und<br />

ihre Verwaltungserfahrung ein. Sie achten darauf, dass Gesetze und Verordnungen praktikabel sind. Im<br />

Zusammenhang mit der starken Stellung des Bundesrates in politischen Entscheidungsprozessen wird<br />

jedoch wiederkehrend die Frage diskutiert, ob der deutsche Föderalismus notwendiges Korrektiv oder<br />

eher Ballast ist.<br />

Quelle: Horst Pötzsch, Die deutsche Demokratie, Bonn 2005, S. 70 ff., Bearb. d. Verf.<br />

M2 – Ein Plädoyer für den Föderalismus<br />

– In einer föderativen Ordnung können demokratische Werte eher verwirklicht werden: Durch Wahlen<br />

auf den verschiedenen staatlichen Ebenen (Bund, Länder sowie Gemeinden) hat die Bevölkerung<br />

diverse Möglichkeiten, sich politisch zu beteiligen. Dieses Mehr an Partizipation erhöht die Identifikation<br />

der Menschen mit dem politischen System und schafft so Stabilität und Funktionsfähigkeit.<br />

– Staatliches Handeln wird überschaubarer, denn im Föderalismus werden staatliche Entscheidungen<br />

an die kleinstmögliche Untereinheit delegiert (Subsidiarität). Dies erleichtert das politische Engagement<br />

besonders für Belange der unmittelbaren Umgebung. Die Möglichkeit der politischen Einflussnahme<br />

und der Beobachtung ist größer als im Einheitsstaat. Zudem wird der Zentralstaat entlastet<br />

und der Wettbewerb der Länder unter der Voraussetzung ausreichender Kompetenzen begünstigt.<br />

– Föderalismus fördert die Experimentierfreude: Einzelne Länder können sich in ihrem Zuständigkeitsbereich<br />

(zum Beispiel bei der Gestaltung des Schulsystems oder der Einführung von Plebisziten)<br />

als „Laboratorien“ profilieren. Haben sie mit einer Maßnahme Erfolg, werden die anderen Län-<br />

Autor: Jonas Mücke<br />

www.cornelsen.de/klassenzielberlin<br />

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Geschichte<br />

Die Berliner Republik<br />

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© 2011 Cornelsen Verlag, Berlin. Alle Rechte vorbehalten.<br />

der ihnen nacheifern; bei Misserfolg bleibt der Schaden auf ein Land begrenzt und fällt nicht zu sehr<br />

ins Gewicht.<br />

– Das föderative System wirkt der Machtkonzentration entgegen. Das horizontale Gewaltenteilungsprinzip<br />

(Exekutive, Legislative, Judikative) wird von der vertikalen Gewaltenteilung (Bund und Länder)<br />

ergänzt. Bund und Länder sind in ihren Machtbefugnissen begrenzt, müssen aber zur Erfüllung<br />

staatlicher Aufgaben zusammenwirken und können sich so gegenseitig beeinflussen, kontrollieren<br />

und auch hemmen.<br />

– Föderalismus fördert den Wettbewerb zwischen den Parteien, integriert die Opposition und verbessert<br />

deren Chancen. Die parlamentarischen Regierungssysteme in Bund und Ländern zwingen die<br />

Parteien dazu, die Wahlberechtigten ständig zu umwerben und ihnen sachliche und personelle Alternativen<br />

anzubieten. Unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und in den Landesparlamenten<br />

ermöglichen es den Oppositionsparteien, in einer Anzahl von Ländern die Regierung zu<br />

stellen, auf diese Weise ihre Regierungsfähigkeit zu beweisen und sich schließlich gegenüber der<br />

Regierungskoalition der Bundesebene zu profilieren.<br />

– In einem Bundesstaat ist der Bedarf an politischem Führungspersonal größer als in einem Einheitsstaat.<br />

Die Länder sind Reservoir qualifizierter politischer Kräfte für Bundesaufgaben. Umgekehrt<br />

dient der Bundestag oft als Ausgangspunkt für politische Spitzenfunktionen in den Ländern. Der<br />

Kreislauf des politischen Führungspersonals ermöglicht einen reibungsloseren Machtwechsel und<br />

eine sachgerechtere Wahrnehmung der Aufgaben.<br />

– Föderalismus bewirkt eine Stärkung der innerparteilichen Demokratie. Die Eigenstaatlichkeit der<br />

Länder fördert die Entwicklung von Autonomie, Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein der Landesverbände<br />

der Parteien. Der Wettbewerb um die optimale Erfüllung staatlicher Aufgaben begünstigt<br />

Innovationen.<br />

– Eine föderative Ordnung fördert die kulturelle und gesellschaftliche Vielgestaltigkeit eines Landes<br />

und ermöglicht geistige Vielfalt, da jeder Gliedstaat seine eigenen kulturellen, wirtschaftlichen und<br />

sozialen Akzente setzen kann: Vielfalt in Einheit.<br />

– Auch im wirtschaftlichen Bereich kann eine föderative Staatsorganisation effizienter sein. Unterschiede<br />

bei den Ressourcen und in den geographischen Ausgangsbedingungen verlangen eine differenzierte<br />

Wirtschaftspolitik. Gerade im Europäischen Binnenmarkt zählt die Fähigkeit der einzelnen<br />

Regionen und Kommunen, ihre besonderen Standortvorteile im Vergleich zu den europäischen<br />

Konkurrenten zu entwickeln.<br />

Quelle: www.bpb.de/publikationen/PIQHGQ,3,0,Charakteristika_des_F%F6deralismus.html, Bearb. d. Verf.<br />

M3 – Ein Plädoyer gegen den Föderalismus<br />

– Föderalismus macht den politischen Entscheidungsprozess schwerfällig und führt zu erheblichen<br />

Reibungsverlusten. Regierungen, Parlamente und Verwaltungen von Bund und Ländern müssen<br />

ständig aufeinander Rücksicht nehmen, Anstöße geben, Entscheidungen abwarten und langwierige<br />

Verhandlungen miteinander führen. Die Entscheidungen sind schließlich Kompromisse, die den<br />

kleinsten gemeinsamen Nenner der Lösungsmöglichkeiten bilden und oft keine sachlich befriedigenden<br />

Ergebnisse bringen. Föderalismus lässt wirksames Regieren kaum mehr zu.<br />

– Einige Stimmen sehen im Föderalismus die Ursache für den sogenannten Reformstau in der Bundesrepublik.<br />

In der Bundesrepublik wird diese Kritik immer wieder an der Entscheidungsfindung im<br />

Bundesrat und der Kultusministerkonferenz festgemacht, in denen die Länder sowohl föderativ als<br />

auch parteipolitisch motiviert agieren. Durch die Vielzahl der Wahlen findet fast permanent Wahlkampf<br />

statt – auch das blockiert die politische Entscheidungsfindung.<br />

Autor: Jonas Mücke<br />

www.cornelsen.de/klassenzielberlin<br />

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Geschichte<br />

Die Berliner Republik<br />

Name: Klasse: Datum:<br />

© 2011 Cornelsen Verlag, Berlin. Alle Rechte vorbehalten.<br />

– Im Föderalismus wird die Staatstätigkeit unübersichtlich. 17 verschiedene Entscheidungszentren in<br />

Deutschland, zahlreiche formelle und informelle Gremien, über die Bund und Länder miteinander<br />

kooperieren, sowie schwer durchschaubare Entscheidungsprozesse machen es den Menschen<br />

unmöglich, am politischen Geschehen teilzunehmen. Weil der Öffentlichkeit Ziele, Mittel, Verfahrensabläufe<br />

und Ergebnisse politischen Handelns verborgen bleiben, nimmt die Gefahr der Staatsund<br />

Politikverdrossenheit zu.<br />

– Die mangelnde Transparenz schafft auch unklare Verantwortlichkeiten. Politische (Miss-)Erfolge<br />

sind oft nicht eindeutig bestimmten Entscheidungsträgern zuzurechnen. Dies führt dazu, dass diese<br />

der Verantwortung für einen Fehler ausweichen oder sich mit „fremden Federn“ schmücken können.<br />

– Föderalismus kostet zu viel Geld. Die „Kosten politischer Führung“ von 16 Ländern zusätzlich zum<br />

Bundestag und der Bundesregierung sowie die Kosten für den Bundesrat sind in Zeiten knapper öffentlicher<br />

Finanzmittel nicht angemessen.<br />

– Föderative Strukturen haben zur Folge, dass Güter oder Infrastrukturleistungen, die in einem Gliedstaat<br />

angeboten werden, auch von den Bürgerinnen und Bürgern der anderen Länder in Anspruch<br />

genommen werden können, ohne dass diese einen Beitrag zu den Kosten leisten.<br />

– Von einer selbstständigen Politik in Bund und Ländern kann nicht die Rede sein, vielmehr beherrscht<br />

die Bundespolitik völlig die Landespolitik. Das Bundesrecht und die Vorgaben der EU lassen<br />

für eigene substantielle landesrechtliche Regelungen überhaupt keinen Raum.<br />

Quelle: www.bpb.de/publikationen/PIQHGQ,3,0,Charakteristika_des_F%F6deralismus.html, Bearb. d. Verf.<br />

Arbeitsauftrag<br />

Bereiten Sie eine Führung (Station 5: Bundesrat/Leipziger Str. 3–4) zum Thema „Der Bundesrat: Notwendiges<br />

sachliches Korrektiv der Bundespolitik?“ vor. Informieren Sie Ihre Mitschülerinnen und Mitschüler<br />

mithilfe der Materialien M1 bis M3.<br />

Vorbereitungs- und Durchführungshinweise:<br />

– Erläutern Sie Aufbau und Funktionen des Bundesrates (M1).<br />

– Suchen Sie in der Tagespresse nach möglichst aktuellen Beispielen, die einen Einblick in die Handlungs-<br />

und Funktionsweise des Bundesrates geben.<br />

– Geben Sie Ihren Mitschülerinnen und Mitschülern einen Überblick über das Für und Wider des Föderalismus,<br />

z. B. in Form eines Streitgesprächs oder einer Debatte (M2 und M3), und geben Sie ihnen<br />

abschließend Gelegenheit zu einem begründeten Votum.<br />

– Diskutieren Sie abschließend mit Ihren Mitschülerinnen und Mitschülern, ob sie die Wahl des Preußischen<br />

Herrenhauses als Sitz des Bundesrates gelungen finden.<br />

Autor: Jonas Mücke<br />

www.cornelsen.de/klassenzielberlin<br />

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