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Ihr persönli<strong>ch</strong>es<br />
Exemplar –<br />
mit Wettbewerb!<br />
Das <strong>Magazin</strong> der<br />
Orell Füssli Bu<strong>ch</strong>handlungen<br />
Nr. 3/2013<br />
Es kommt Dicker<br />
Sprung über den Rös<strong>ch</strong>tigraben:<br />
Joël Dicker startet dur<strong>ch</strong><br />
«Es ist einfa<strong>ch</strong>er,<br />
für Erwa<strong>ch</strong>sene<br />
<strong>zu</strong> s<strong>ch</strong>reiben»<br />
Interview mit<br />
Federica dE Cesco<br />
Ein rei<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>atz an Leben<br />
Der neue Roman<br />
von Alex Capus<br />
Und ausserdem:<br />
Graphic Novels, Kinderbü<strong>ch</strong>er,<br />
Fantasy-Romane
Bü<strong>ch</strong>er erzählen die besten Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />
Feiern Sie mit uns vom 9. September bis 5. Oktober !<br />
Alle Veranstaltungen und Aktionen finden Sie unter<br />
www.books.<strong>ch</strong>/kramhof
Editorial | 3<br />
Inhalt<br />
Was vom Heute<br />
übrigbleibt<br />
Liebe Leserin<br />
Lieber Leser<br />
Eine News-Welle na<strong>ch</strong> der anderen überrollt<br />
uns. Kurz bevor sie die Küste der Wahrnehmung<br />
errei<strong>ch</strong>en, bre<strong>ch</strong>en sie und nennen si<strong>ch</strong> «Breaking<br />
News». Dann überfluten sie besonders penetrant<br />
blinkend die Bilds<strong>ch</strong>irme. Denn im Fernsehen<br />
und Internet können News – wie nannte man sie<br />
eigentli<strong>ch</strong>, bevor man diesen Anglizismus verwendete?<br />
– besonders s<strong>ch</strong>nell und ungehindert fliessen.<br />
Ein grosser Teil dessen, was uns <strong>als</strong> News tägli<strong>ch</strong><br />
über dem Kopf <strong>zu</strong>sammens<strong>ch</strong>lägt, ist aber von sehr<br />
begrenzter Dauer oder Bedeutung.<br />
Das Spezial in dieser Ausgabe von «<strong>Books</strong>» trägt<br />
den Titel «Zeitges<strong>ch</strong>ehen». Dieser s<strong>ch</strong>wer <strong>zu</strong> fassende<br />
Begriff steht viellei<strong>ch</strong>t für jene Themen, die übrig<br />
bleiben, wenn News s<strong>ch</strong>on wieder kalter Kaffee<br />
geworden sind. Das Zeitges<strong>ch</strong>ehen ist so<strong>zu</strong>sagen<br />
das Destillat einer Zeit; es gibt ihr ihren Ges<strong>ch</strong>mack<br />
und Geru<strong>ch</strong>. Um diese Eigenheiten <strong>zu</strong> erkennen,<br />
brau<strong>ch</strong>t es eine feine Nase, einen geübten Ga<strong>um</strong>en<br />
und etwas Zeit.<br />
Sind elektronis<strong>ch</strong>e Medien der ri<strong>ch</strong>tige Kanal für<br />
News, so ist das Zeitges<strong>ch</strong>ehen in Bü<strong>ch</strong>ern besonders<br />
gut aufgehoben. Denn die Materialität von Bü<strong>ch</strong>ern<br />
prägt au<strong>ch</strong> ihre Produktion: Sie dauert etwas<br />
länger. Und Zeit kann ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>aden, wenn man das<br />
Wesentli<strong>ch</strong>e und Beständige erkennen will – ob <strong>als</strong><br />
Autor oder <strong>als</strong> Leserin und Leser.<br />
Ihr Mi<strong>ch</strong>ele Bomio<br />
CEO Orell Füssli Thalia AG<br />
Graphic novels<br />
Kein Kinderzeugs<br />
Seite 14<br />
Zeitges<strong>ch</strong>ehen-Spezial<br />
Das Heute festhalten<br />
Seite 23<br />
Brasilien<br />
Literatur vom Gastland<br />
der Bu<strong>ch</strong>messe<br />
Seite 20<br />
4 Notizen<br />
10 «Es ist einfa<strong>ch</strong>er, für<br />
Erwa<strong>ch</strong>sene <strong>zu</strong> s<strong>ch</strong>reiben»<br />
Interview mit<br />
Federica de Cesco<br />
18 Im S<strong>ch</strong>aufenster<br />
«Die Wahrheit über den Fall<br />
Harry Quebert» von Joël<br />
Dicker<br />
32 kaffeepause Die Debatte<br />
36 Fantastis<strong>ch</strong>!<br />
Fantasy-Neuers<strong>ch</strong>einungen<br />
40 Im S<strong>ch</strong>aufenster<br />
«Der Fäls<strong>ch</strong>er, die Spionin<br />
und der Bombenbauer» von<br />
Alex Capus<br />
42 Kinderwelt Z<strong>um</strong> La<strong>ch</strong>en!<br />
45 Mein Bu<strong>ch</strong><br />
46 Ko<strong>ch</strong>bü<strong>ch</strong>er<br />
Trendthema vegan<br />
48 Kreuzworträtsel<br />
49 Veranstaltungen<br />
50 Kol<strong>um</strong>ne<br />
Dar<strong>um</strong> s<strong>ch</strong>reibe i<strong>ch</strong> – von<br />
Corinna T. Sievers<br />
Jetzt Fan werden:<br />
www.facebook.com/OrellFuessli<br />
Die nä<strong>ch</strong>ste Ausgabe von <strong>Books</strong>, dem <strong>Magazin</strong> der Orell-Füssli-Bu<strong>ch</strong>handlungen,<br />
ers<strong>ch</strong>eint am 15. November 2013. Sie erhalten <strong>Books</strong> kostenlos in jeder Filiale.<br />
Bestellungen nehmen wir gern entgegen über www.books.<strong>ch</strong>, orders@books.<strong>ch</strong><br />
und Telefon 0848 849 848. Bu<strong>ch</strong>handlungen von Orell Füssli finden Sie in Basel,<br />
Bern, Frauenfeld, St.Gallen, Winterthur und Züri<strong>ch</strong> sowie am Flughafen Züri<strong>ch</strong>.<br />
Preisänderungen vorbehalten. Unsere aktuellen Verkaufspreise und eine <strong>um</strong>fassende<br />
Auswahl an Bü<strong>ch</strong>ern, Filmen und Spielen finden Sie auf www.books.<strong>ch</strong>.<br />
Impress<strong>um</strong><br />
Herausgeber:<br />
Orell Füssli Bu<strong>ch</strong>handlungs AG, Dietzingerstrasse 3, Postfa<strong>ch</strong>, 8036 Züri<strong>ch</strong><br />
Gesamtherstellung: Media Tune AG, Züri<strong>ch</strong><br />
Redaktion: Die Blattma<strong>ch</strong>er GmbH, Züri<strong>ch</strong><br />
Gestaltungskonzept/Layout: Stri<strong>ch</strong>punkt GmbH, Winterthur<br />
Coverfoto: Jeremy Spierer<br />
Alle so gekennzei<strong>ch</strong>neten Bü<strong>ch</strong>er sind auf www.books.<strong>ch</strong><br />
au<strong>ch</strong> <strong>als</strong> eBook erhältli<strong>ch</strong>.
4 | NOTIZEN <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
Notizen<br />
Marius Leutenegger<br />
Es soll no<strong>ch</strong> immer Leute geben, denen Reisen im Kopf ni<strong>ch</strong>t rei<strong>ch</strong>en – und die ni<strong>ch</strong>t allein<br />
von s<strong>ch</strong>önen Destinationen <strong>lesen</strong>, sondern diese au<strong>ch</strong> besu<strong>ch</strong>en wollen. Sol<strong>ch</strong>e Unverbesserli<strong>ch</strong>en<br />
sollten den Weg in die Europaallee beim Hauptbahnhof Züri<strong>ch</strong> unter die Füsse<br />
nehmen, denn dort hat der Transa Flagship Store seine Tore geöffnet. Er bietet alles, was<br />
man für einen Ausflug in die nahen Berge oder ans Ende der Welt brau<strong>ch</strong>t: Bekleidung und<br />
Kletterausrüstung, Zelte oder Rucksäcke. Und natürli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> das passende Informationsmaterial:<br />
Orell Füssli unterhält im Laden auf 160 Quadratmetern die Bu<strong>ch</strong>abteilung<br />
Transa<strong>Books</strong> mit einer berghohen und suezkanalbreiten Auswahl an Reiseführern, Outdoorguides<br />
und Bildbänden <strong>zu</strong> allen Destinationen der Erde. Eine re<strong>ch</strong>te Weltreise beginnt<br />
<strong>als</strong>o fortan immer an der Europaallee!<br />
«<strong>Books</strong>» kennt für Fantasy-Bü<strong>ch</strong>er zwar<br />
die Rubrik «Fantastis<strong>ch</strong>!» – Sie finden sie<br />
in dieser Ausgabe ab Seite 36 –, ausnahmsweise<br />
s<strong>ch</strong>afft es eine fantastis<strong>ch</strong>e<br />
Neuers<strong>ch</strong>einung aber in die «Notizen».<br />
Dann nämli<strong>ch</strong>, wenn sie si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> für ein<br />
Publik<strong>um</strong> eignet, das mit Gnomen, Zaubers<strong>ch</strong>ulen<br />
und Vampiren wenig<br />
anfangen kann. Zwar enthält<br />
au<strong>ch</strong> der Roman «Ein<br />
Wispern unter Baker Street»<br />
von Ben Aaronovit<strong>ch</strong>, der bei<br />
dtv ers<strong>ch</strong>ienen ist, genau sol<strong>ch</strong>e<br />
Zutaten. Aber der englis<strong>ch</strong>e<br />
Bestseller ist von so viel<br />
Witz und derart hübs<strong>ch</strong>en Bes<strong>ch</strong>reibungen<br />
des Alltags in<br />
London geprägt, dass ihm selbst Harry-<br />
Potter-Verä<strong>ch</strong>ter eine Chance geben sollten.<br />
Hauptfigur ist der junge dunkelhäutige<br />
Polizist Peter Grant. Er wird einer<br />
Sondereinheit <strong>zu</strong>geteilt, die si<strong>ch</strong> mit unerklärli<strong>ch</strong>en<br />
Ereignissen auseinandersetzt.<br />
Bislang bestand diese Abteilung aus genau<br />
einer Person, nämli<strong>ch</strong> aus dem letzten<br />
Zauberer Englands. Grant lernt von<br />
diesem distinguierten Herrn das Zauberhandwerk<br />
mehr s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t <strong>als</strong> re<strong>ch</strong>t, trotzdem<br />
tau<strong>ch</strong>t der junge Polizist liebend gern<br />
in die Welt des Mysteriösen<br />
ein. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> wird diese<br />
ni<strong>ch</strong>t nur von einigen wirkli<strong>ch</strong><br />
s<strong>ch</strong>rägen Kreaturen, sondern<br />
au<strong>ch</strong> von allerhand faszinierenden<br />
Damen bevölkert. Autor<br />
Ben Aaronovit<strong>ch</strong> ist eigentli<strong>ch</strong><br />
ein Drehbu<strong>ch</strong>autor;<br />
mit den Peter-Grant-Romanen<br />
lässt er einen ziemli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>nell<br />
ges<strong>ch</strong>nittenen Film laufen. «Ein Wispern<br />
unter Baker Street» ist bereits der dritte<br />
Band der Reihe. Wer si<strong>ch</strong> an die Bü<strong>ch</strong>er<br />
heranwagen mö<strong>ch</strong>te, sollte mit dem Erstling<br />
beginnen: «Die Flüsse von London».<br />
Die Lebensges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te von Emily<br />
Ruete ist bereits in mehreren Romanen<br />
verarbeitet worden. Kein Wunder,<br />
denn diese Biografie ist mehr <strong>als</strong><br />
ungewöhnli<strong>ch</strong>: Emily kam 1844 in<br />
Sansibar <strong>als</strong> Sayyida <strong>zu</strong>r Welt – <strong>als</strong><br />
Prinzessin des Inselrei<strong>ch</strong>s. Ihre Liebe<br />
<strong>zu</strong> einem Hamburger Kaufmann<br />
bra<strong>ch</strong>te sie <strong>als</strong> junge Frau na<strong>ch</strong><br />
Deuts<strong>ch</strong>land, wo sie einen neuen<br />
Namen annahm und drei Kinder<br />
gebar. Vorübergehend wurde die früh<br />
verwitwete Sayyida-Emily <strong>zu</strong> einem<br />
Spielball der Politik, <strong>als</strong> mehrere<br />
europäis<strong>ch</strong>e Mä<strong>ch</strong>te die Herrs<strong>ch</strong>aft<br />
über Sansibar anstrebten. Die Frau,<br />
die immer an der<br />
S<strong>ch</strong>welle zwis<strong>ch</strong>en<br />
zwei Kulturen stand,<br />
starb 1924 in Jena.<br />
Lukas Hartmann hat<br />
si<strong>ch</strong> jetzt ebenfalls des<br />
spannenden Stoffs<br />
angenommen. In<br />
«Abs<strong>ch</strong>ied von<br />
Sansibar», ers<strong>ch</strong>ienen bei Diogenes,<br />
ri<strong>ch</strong>tet er den Fokus vor allem auf die<br />
drei Kinder der Prinzessin, die beiden<br />
Tö<strong>ch</strong>ter Antonie und Rosalie sowie<br />
den Sohn Said, der si<strong>ch</strong> später<br />
Rudolph nannte. Kunstvoll springt<br />
Hartmann zwis<strong>ch</strong>en seinen Figuren<br />
und ihren vers<strong>ch</strong>iedenen Lebensabs<strong>ch</strong>nitten<br />
hin und her, bis si<strong>ch</strong> die<br />
vers<strong>ch</strong>iedenen Nahaufnahmen <strong>zu</strong><br />
einem grossen Familiengemälde<br />
vereinigen. So etwas kann der Berner<br />
Autor gut, und es gelingt ihm, dur<strong>ch</strong><br />
den Perspektivenwe<strong>ch</strong>sel zeitlos<br />
grosse Fragen <strong>zu</strong>r Identität und<br />
Zugehörigkeit oder über die Bedeutung<br />
von Liebe und Familie vielfältig<br />
<strong>zu</strong> beleu<strong>ch</strong>ten. Stellenweise brau<strong>ch</strong>t<br />
man <strong>als</strong> Leserin oder Leser einen<br />
etwas längeren Atem, man wird aber<br />
fürs Dur<strong>ch</strong>halten belohnt: Hartmann<br />
lässt einen immer tiefer in eine Welt<br />
eintau<strong>ch</strong>en, die längst untergegangen<br />
ist und alles andere <strong>als</strong> eine «gute alte<br />
Zeit» war.
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf NOTIZEN | 5<br />
Leute, die das mögen,<br />
mögen au<strong>ch</strong> ...<br />
© Niklas Lello<br />
Oft ist die letzte Seite eines Bu<strong>ch</strong>s jene,<br />
die man am wenigsten mag – weil man<br />
ni<strong>ch</strong>t mö<strong>ch</strong>te, dass das Lesevergnügen<br />
s<strong>ch</strong>on <strong>zu</strong> Ende ist. Glückli<strong>ch</strong>erweise<br />
gibt es Fa<strong>ch</strong>leute, die einem in sol<strong>ch</strong>en<br />
Momenten Bü<strong>ch</strong>er mit verglei<strong>ch</strong>baren<br />
Qualitäten empfehlen können – Fa<strong>ch</strong>leute<br />
wie Désirée Stucki von Orell Füssli<br />
Frauenfeld. Die 30-<br />
Jährige ist so begeisterte<br />
Bu<strong>ch</strong>händlerin<br />
wie Leserin, «und wie<br />
viele andere habe au<strong>ch</strong><br />
i<strong>ch</strong> Hermann Hesses<br />
‹Siddhartha› vers<strong>ch</strong>lungen.<br />
Das ist ja<br />
ein Bu<strong>ch</strong>, das man immer<br />
wieder <strong>lesen</strong> kann<br />
– und das einem bei jeder<br />
Wiederholung etwas<br />
anderes gibt. Als<br />
Bu<strong>ch</strong>händlerin bin i<strong>ch</strong><br />
oft gefragt worden, ob<br />
i<strong>ch</strong> etwas Ähnli<strong>ch</strong>es<br />
empfehlen könne. Vor<br />
ein paar Jahren entdeckte<br />
i<strong>ch</strong> den Roman ‹Kaito oder Die<br />
Lei<strong>ch</strong>tigkeit des Glücks› von Hans Kruppa,<br />
der mi<strong>ch</strong> wegen seiner Mär<strong>ch</strong>enhaftigkeit<br />
sehr an ‹Siddhartha› erinnerte.<br />
Lange Zeit war das Bu<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr<br />
erhältli<strong>ch</strong>; jetzt aber ist bei Coppenrath<br />
eine wunders<strong>ch</strong>ön gema<strong>ch</strong>te neue Ausgabe<br />
ers<strong>ch</strong>ienen, die i<strong>ch</strong> sehr empfehle.<br />
Kruppa erzählt die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te des Buben<br />
Kaito, der in einer mausarmen Familie<br />
aufwä<strong>ch</strong>st und das Gefühl hat,<br />
ni<strong>ch</strong>t am ri<strong>ch</strong>tigen Platz <strong>zu</strong> sein. Als er<br />
si<strong>ch</strong> aufma<strong>ch</strong>t in die Welt, erhält er von<br />
der Familie ein Medaillon mit auf den<br />
Weg. Dieses Medaillon enthält eine Bes<strong>ch</strong>riftung,<br />
die niemand <strong>lesen</strong> kann –<br />
ausser einem fahrenden Musikanten,<br />
dem Kaito auf seinem Weg begegnet.<br />
Der Musikant eröffnet dem Jungen, das<br />
Medaillon gehöre dem bekanntesten<br />
Flötisten des Landes. Gemeinsam ma<strong>ch</strong>en<br />
si<strong>ch</strong> die beiden auf den Weg <strong>zu</strong><br />
diesem Flötisten. Unterwegs lernt Kaito<br />
ein st<strong>um</strong>mes Mäd<strong>ch</strong>en kennen, mit dem<br />
er si<strong>ch</strong> sofort tief verbunden<br />
fühlt. Als er<br />
beim Flötisten ankommt,<br />
spielt ihm dieser<br />
ein Musikstück vor.<br />
Kaito ist so tief berührt,<br />
dass ihn der Flötist <strong>zu</strong><br />
seinem S<strong>ch</strong>üler ma<strong>ch</strong>t.<br />
Das eröffnet dem Jungen<br />
die Mögli<strong>ch</strong>keit, <strong>zu</strong><br />
einer besonderen Erleu<strong>ch</strong>tung<br />
<strong>zu</strong> gelangen<br />
– und das st<strong>um</strong>me Mäd<strong>ch</strong>e<br />
auf aussergewöhnli<strong>ch</strong>e<br />
Weise für si<strong>ch</strong> <strong>zu</strong><br />
gewinnen ... Die Parallelen<br />
<strong>zu</strong> ‹Siddhartha›<br />
liegen auf der Hand:<br />
Hier wie dort lässt einer alles hinter<br />
si<strong>ch</strong>, <strong>um</strong> seine Bestimmung <strong>zu</strong> finden.<br />
Hier wie dort findet einer dur<strong>ch</strong> intensive<br />
Lehrjahre z<strong>um</strong> Glück. Aber es gibt<br />
au<strong>ch</strong> Unters<strong>ch</strong>iede: Die Spra<strong>ch</strong>e von<br />
Hesse ist viel literaris<strong>ch</strong>er <strong>als</strong> jene von<br />
Kruppa. ‹Kaito oder Die Lei<strong>ch</strong>tigkeit des<br />
Glücks› eignet si<strong>ch</strong> deshalb au<strong>ch</strong> für<br />
Leute, die niem<strong>als</strong> ein Bu<strong>ch</strong> von Hesse<br />
<strong>zu</strong>r Hand nähmen, weil es ihnen <strong>zu</strong><br />
kompliziert s<strong>ch</strong>eint. Und ein Unters<strong>ch</strong>ied<br />
ist au<strong>ch</strong>, dass Kruppa ni<strong>ch</strong>t so<br />
deutli<strong>ch</strong> den Zeigefinger hebt, wie es<br />
Hesse <strong>zu</strong>weilen tut. Er erzählt einfa<strong>ch</strong><br />
eine sehr s<strong>ch</strong>öne Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, von der<br />
man si<strong>ch</strong> verzaubern lassen kann.»<br />
«Sofies Welt» des Norwegers Jostein<br />
Gaarder ist ein Dauerbrenner: Das 1991<br />
ers<strong>ch</strong>ienene Bu<strong>ch</strong> wurde mittlerweile in<br />
95 Spra<strong>ch</strong>en übersetzt. Es erzählt die<br />
Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der 14-jährigen Sofie, die<br />
eines Tages einen mysteriösen Brief<br />
erhält und darin gefragt wird, wer sie<br />
eigentli<strong>ch</strong> sei. Darauf beginnt für Sofie<br />
und die Lesers<strong>ch</strong>aft eine Reise dur<strong>ch</strong> die<br />
Welt der Philosophie – denn das Mäd<strong>ch</strong>en<br />
erhält weitere Briefe, die immer einer<br />
bestimmten Denkri<strong>ch</strong>tung oder einem<br />
berühmten Philosophen gewidmet sind.<br />
«Sofies Welt» war eigentli<strong>ch</strong> für ältere<br />
Kinder geda<strong>ch</strong>t; weil es einen so <strong>ch</strong>armanten<br />
wie nützli<strong>ch</strong>en Crash-Kurs in<br />
Philosophie-Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te bietet, haben aber<br />
au<strong>ch</strong> Erwa<strong>ch</strong>sene den Roman gerade<strong>zu</strong><br />
vers<strong>ch</strong>lungen. Jetzt, 22 Jahre später, hat<br />
Gaarder sein Erfolgskonzept no<strong>ch</strong> einmal<br />
angewendet. «Noras Welt» handelt jedo<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t von Philosophie, sondern von<br />
aktuellen Umweltproblemen. Die 16-jährige<br />
Protagonistin Nora reist trä<strong>um</strong>end ins<br />
Jahr 2084 und erlebt dort <strong>als</strong> ihre eigene<br />
Urenkelin Nova, was wir Heutigen der<br />
Erde angetan haben. Diesen eher simplen<br />
Plot nutzt der Autor, <strong>um</strong> Kindern und<br />
Jugendli<strong>ch</strong>en ökologis<strong>ch</strong>e Zusammenhänge<br />
<strong>zu</strong> erklären und den Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>s <strong>zu</strong><br />
einem naturgere<strong>ch</strong>ten Handeln <strong>zu</strong><br />
bewegen. Erneut gelingt es Gaarder, ein<br />
ho<strong>ch</strong>komplexes Thema ans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong> <strong>zu</strong><br />
behandeln; diesmal s<strong>ch</strong>immern die<br />
pädagogis<strong>ch</strong>en Absi<strong>ch</strong>ten des Autors aber<br />
etwas stark zwis<strong>ch</strong>en den Zeilen hindur<strong>ch</strong>,<br />
was die Attraktivität des Romans<br />
für Erwa<strong>ch</strong>sene stellenweise<br />
reduziert – aber<br />
«Noras Welt» ist ja au<strong>ch</strong><br />
<strong>als</strong> Kinderbu<strong>ch</strong> geda<strong>ch</strong>t<br />
und sollte ni<strong>ch</strong>t unbedingt<br />
an «Sofies Welt»<br />
gemessen werden.
6 | NOTIZEN <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
Was <strong>lesen</strong> Sie gerade?<br />
Marco Frits<strong>ch</strong>e, TV-Moderator:<br />
Vom 24. bis 27. Oktober 2013 findet<br />
z<strong>um</strong> dritten Mal das grösste Literaturfestival<br />
der S<strong>ch</strong>weiz statt: «Züri<strong>ch</strong><br />
liest». Es bietet in diesem Jahr 140<br />
Lesungen und literaris<strong>ch</strong>e Veranstaltungen<br />
mit über 200 nationalen und<br />
internationalen Autorinnen und Autoren.<br />
Mit dabei sind z<strong>um</strong> Beispiel Milena<br />
Moser und Franz Hohler, angekündigt<br />
ist au<strong>ch</strong> der S<strong>ch</strong>auspieler Bruno<br />
© Adrian Portmann<br />
«Lesen dient mir sowohl dem kontemplativen<br />
‹Ni<strong>ch</strong>tstun› <strong>als</strong> au<strong>ch</strong> der Informationsbes<strong>ch</strong>affung.<br />
Daher lese i<strong>ch</strong> neben<br />
den drei mir wi<strong>ch</strong>tigen Sonntagszeitungen<br />
– was s<strong>ch</strong>on mal bis <strong>zu</strong>r Wo<strong>ch</strong>enmitte<br />
dauern kann – au<strong>ch</strong> oft vers<strong>ch</strong>iedene Bü<strong>ch</strong>er<br />
parallel und aus ganz unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en<br />
Gründen.<br />
Da i<strong>ch</strong> erst seit kurzem mein Glück <strong>als</strong><br />
Hobby-Ko<strong>ch</strong> versu<strong>ch</strong>e, s<strong>ch</strong>mökere i<strong>ch</strong> immer<br />
wieder in ‹Querbeet›, dem neuen<br />
Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong> von Susanne Blo<strong>ch</strong>-Hänseler.<br />
Ein rei<strong>ch</strong> bebildertes und inspirierendes<br />
S<strong>ch</strong>ätzkäst<strong>ch</strong>en, wenn es <strong>um</strong> originelle<br />
und für mi<strong>ch</strong> einigermassen gut <strong>zu</strong> bewältigende<br />
Ko<strong>ch</strong>-Rezepte geht. Mein<br />
neustes ‹Coffee Table Book›, das mi<strong>ch</strong> im<br />
<strong>ch</strong>armanten und einzigartigen Bu<strong>ch</strong>laden<br />
von Carol Forster in Appenzell auf<br />
den ersten Blick verzaubert hat, ist ‹Worte<br />
ni<strong>ch</strong>t in giftige Bu<strong>ch</strong>staben einwickeln›<br />
von und über Meret Oppenheim – ja genau,<br />
das ist die mit der Fell-Tee-Tasse!<br />
Das Bu<strong>ch</strong> ist ni<strong>ch</strong>t nur hö<strong>ch</strong>st dekorativ<br />
im Wohnzimmer, sondern nimmt mir<br />
au<strong>ch</strong> das s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Gewissen, wenn i<strong>ch</strong><br />
faul auf meinem Sofa liege, weil i<strong>ch</strong> dann<br />
immer wieder darin stöbern kann. Dieses<br />
autobiografis<strong>ch</strong>e Alb<strong>um</strong> mit unveröffentli<strong>ch</strong>ten<br />
Briefwe<strong>ch</strong>seln ist ni<strong>ch</strong>t nur etwas<br />
für Kunstinteressierte. Au<strong>ch</strong> wer einfa<strong>ch</strong><br />
gern ‹im Leben eines Mens<strong>ch</strong>en blättert›,<br />
wird viel Erstaunli<strong>ch</strong>es erfahren. Zu guter<br />
Letzt liegt neben meinem Bett no<strong>ch</strong><br />
‹Der Geisterfahrer›, ein Bu<strong>ch</strong> mit Erzählungen<br />
von Franz Hohler. Anregend und<br />
man<strong>ch</strong>mal au<strong>ch</strong> wohltuend irritierend,<br />
wie Hohler z<strong>um</strong> Glück ist!»<br />
Querbeet<br />
Susanne Blo<strong>ch</strong>-Hänseler<br />
317 Seiten<br />
CHF 58.00<br />
Hänseler<br />
Worte ni<strong>ch</strong>t in giftige Bu<strong>ch</strong>staben<br />
einwickeln<br />
Meret Oppenheim<br />
400 Seiten<br />
CHF 80.00<br />
S<strong>ch</strong>eidegger & Spiess<br />
Der Geisterfahrer<br />
Franz Hohler<br />
576 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Lu<strong>ch</strong>terhand<br />
Ganz. Als besondere Attraktion werden<br />
«Lesungen an ungewohnten Orten»<br />
dur<strong>ch</strong>geführt: im Prime Tower, in<br />
der Sternwarte, im Staatsar<strong>ch</strong>iv oder<br />
in der Hafenkneipe. Au<strong>ch</strong> bei Orell<br />
Füssli gibt es vers<strong>ch</strong>iedene Veranstaltungen.<br />
Zur glei<strong>ch</strong>en Zeit findet übrigens<br />
au<strong>ch</strong> «Bu<strong>ch</strong>Basel» statt. Die beiden<br />
Festiv<strong>als</strong> haben eine strategis<strong>ch</strong>e<br />
Partners<strong>ch</strong>aft vereinbart und arbeiten<br />
fortan eng <strong>zu</strong>sammen.<br />
S<strong>ch</strong>öne Ar<strong>ch</strong>itekturbü<strong>ch</strong>er gibt es<br />
glückli<strong>ch</strong>erweise so viele wie Ameisen<br />
im Wald. Ein besonders kunstvolles<br />
bes<strong>ch</strong>äftigt si<strong>ch</strong> jetzt aber genau<br />
mit diesen Ameisen – und allen<br />
anderen Tier<strong>ch</strong>en und Tieren, von<br />
denen wir bezügli<strong>ch</strong> Ar<strong>ch</strong>itektur<br />
no<strong>ch</strong> viel lernen können. «Ar<strong>ch</strong>itektier»,<br />
gerade bei Knesebeck ers<strong>ch</strong>ienen,<br />
zeigt die Werke der Ba<strong>um</strong>eister<br />
der Natur in herrli<strong>ch</strong>en Nahaufnahmen.<br />
Der renommierte<br />
Naturfotograf<br />
Ingo Arndt hat<br />
gesto<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>arfe<br />
Bilder von Vogelnestern,<br />
Spinnennetzen,<br />
Termitenbauten und<br />
Kalks<strong>ch</strong>alen ges<strong>ch</strong>ossen,<br />
der Verhaltensfors<strong>ch</strong>er<br />
Jürgen Tautz begleitet die<br />
Bildstrecken mit spannenden Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />
<strong>zu</strong> den vielbeinigen Ar<strong>ch</strong>itekten,<br />
ihren Werken, Methoden und<br />
Tricks. Ein Bu<strong>ch</strong>, an dem man si<strong>ch</strong><br />
ka<strong>um</strong> sattsehen kann.
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf NOTIZEN | 7<br />
Ein e<strong>ch</strong>tes Bu<strong>ch</strong> aus s<strong>ch</strong>önem Papier hat viele Vorteile, do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> das<br />
eBook kann zahlrei<strong>ch</strong>e Pluspunkte für si<strong>ch</strong> verbu<strong>ch</strong>en. Wofür soll man<br />
si<strong>ch</strong> <strong>als</strong>o ents<strong>ch</strong>eiden? Die gute Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>t: Man muss keine Wahl mehr<br />
treffen – z<strong>um</strong>indest ni<strong>ch</strong>t, wenn man einen Titel von Kein & Aber haben<br />
will. Denn seit diesem Frühjahr erhalten alle Käuferinnen und Käufer eines Hardcovers<br />
aus diesem Verlag glei<strong>ch</strong> kostenlos das entspre<strong>ch</strong>ende eBook da<strong>zu</strong>. In jedem<br />
gekauften Bu<strong>ch</strong> ist ein individueller Code angegeben; er kann auf der Internetseite<br />
des Verlags <strong>zu</strong>sammen mit einer E-Mail-Adresse eingetippt werden – und s<strong>ch</strong>on<br />
lässt si<strong>ch</strong> das eBook herunterladen. So ist ein guter Mix mögli<strong>ch</strong>: Daheim auf dem<br />
Sofa kann man die s<strong>ch</strong>öne Druckausgabe <strong>zu</strong>r Hand nehmen, unterwegs greift man<br />
z<strong>um</strong> eReader.<br />
Cartoon-Romane<br />
z<strong>um</strong> Wegla<strong>ch</strong>en<br />
Respektlos,<br />
liebenswert,<br />
unwiderstehli<strong>ch</strong>:<br />
Der absolut witzigste<br />
Detektiv der Welt<br />
ermittelt.<br />
«Es gab kein anderes<br />
Bu<strong>ch</strong> in mir», hielt Urs<br />
Widmer kürzli<strong>ch</strong> in einem<br />
NZZ-Beitrag über<br />
sein neuestes Werk «Reise<br />
an den Rand des Univers<strong>um</strong>s»<br />
fest. «I<strong>ch</strong> hatte<br />
in den letzten Jahrzehnten<br />
beim S<strong>ch</strong>reiben meiner<br />
Bü<strong>ch</strong>er so radikal alle Stollen meiner<br />
Erinnerung ausgerä<strong>um</strong>t, dass mir nur<br />
no<strong>ch</strong> eine Mögli<strong>ch</strong>keit übrig <strong>zu</strong> bleiben<br />
s<strong>ch</strong>ien: The truth, the truth, the truth<br />
and nothing but the truth.» Im Bu<strong>ch</strong><br />
selbst begründet der 75-jährige Basler<br />
etwas anders, war<strong>um</strong> sein neues Bu<strong>ch</strong><br />
ausgere<strong>ch</strong>net eine Autobiografie ist.<br />
«Erst trä<strong>um</strong>en wir von der Zukunft, dann<br />
leben wir sie, und am Ende, wenn diese<br />
gelebte Zukunft vergangen ist, erzählen<br />
wir sie uns no<strong>ch</strong> einmal.» Das klingt allerdings<br />
weit melan<strong>ch</strong>olis<strong>ch</strong>er, <strong>als</strong> die<br />
Autobiografie jetzt tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> daherkommt<br />
– diese rie<strong>ch</strong>t nämli<strong>ch</strong> weder<br />
na<strong>ch</strong> Aufguss no<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Abs<strong>ch</strong>luss, sondern<br />
ist, typis<strong>ch</strong> Urs Widmer, von einer<br />
lei<strong>ch</strong>ten Ironie dur<strong>ch</strong>zogen und von einem<br />
lebhaft-weisen Ton geprägt. Der Autobiograf<br />
bes<strong>ch</strong>ränkt si<strong>ch</strong> auf die ersten<br />
30 Jahre seines Lebens, er gelangt <strong>als</strong>o<br />
nur bis <strong>zu</strong> jenem Punkt, an dem er sein<br />
erstes Bu<strong>ch</strong> veröffentli<strong>ch</strong>t hat. Über die<br />
jüngere Vergangenheit wollte Widmer<br />
ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>reiben, weil es dann «links und<br />
re<strong>ch</strong>ts von meinem S<strong>ch</strong>reibweg <strong>zu</strong> viele<br />
Verwundete, Gekränkte, Si<strong>ch</strong>-verraten-<br />
Fühlende» geben könnte. So bleibt uns<br />
<strong>als</strong>o nur dieses Porträt des Künstlers <strong>als</strong><br />
junger Mann. Ob Widmer hier wirkli<strong>ch</strong><br />
«nothing but the truth» erzählt, muss im<br />
Ra<strong>um</strong> stehen bleiben. Die frühkindli<strong>ch</strong>en<br />
und sogar vorgeburtli<strong>ch</strong>en Erinnerungen<br />
stammen aus mindestens zweiter<br />
Hand, folgen aber dem s<strong>ch</strong>önen Grundsatz<br />
«Se non è vero, è ben trovato» – Widmer<br />
ist s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>riftsteller und<br />
kein Ar<strong>ch</strong>ivar.<br />
«Glück» war so etwas wie ein<br />
heimli<strong>ch</strong>er Bestseller unter den<br />
Ges<strong>ch</strong>enkbü<strong>ch</strong>ern: 100 Glücksfors<strong>ch</strong>er<br />
aus der ganzen Welt gaben in<br />
je 1000 Worten Einblick in die<br />
Resultate ihrer Arbeit. Jetzt hat Leo<br />
Bormans, der Herausgeber von<br />
«Glück», bei D<strong>um</strong>ont so etwas wie<br />
eine Fortset<strong>zu</strong>ng vorgelegt: «Liebe».<br />
Das Bu<strong>ch</strong> ist genauso faszinierend<br />
wie sein Vorgänger. 100 gestandene<br />
Fors<strong>ch</strong>er und Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>swissens<strong>ch</strong>aftler<br />
geben in wieder<strong>um</strong> je 1000<br />
Worten mögli<strong>ch</strong>e Antworten auf<br />
Fragen wie «War<strong>um</strong> verlieben wir<br />
uns – und wie?», «Wel<strong>ch</strong>es sind die<br />
besten Partner?», «Was passiert im<br />
Körper, wenn wir verliebt sind?»,<br />
«Wel<strong>ch</strong>e Rolle spielen Hollywood<br />
und Co. für unsere Gefühlswelt?»,<br />
«War<strong>um</strong> lügen wir in der Liebe?»<br />
oder «Wie wi<strong>ch</strong>tig ist Sex?». Die so<br />
fundierten wie flockig-lei<strong>ch</strong>t abgefassten<br />
Beiträge sind erst no<strong>ch</strong><br />
hübs<strong>ch</strong> illustriert und am Ende<br />
lesefreundli<strong>ch</strong> in<br />
wenigen Worten<br />
<strong>zu</strong>sammengefasst<br />
– es s<strong>ch</strong>eint ka<strong>um</strong><br />
vorstellbar, dass<br />
dieses Bu<strong>ch</strong> jemanden<br />
ni<strong>ch</strong>t interessiert.<br />
ISBN 978-3-7891-4506-3<br />
Ab 8 Jahren · 304 Seiten<br />
Volle Power ins Chaos! Brüllkomis<strong>ch</strong>e<br />
Protagonisten im<br />
s<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>en Alltagswahnsinn.<br />
ISBN 978-3-7915-0707-1<br />
Ab 10 Jahren · 240 Seiten
8 | NOTIZEN <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
Jahrestage<br />
© Roland Gretler<br />
Am 22. September jährt si<strong>ch</strong> der Tod des<br />
1940 in St. Gallen geborenen Journalisten<br />
Niklaus Meienberg z<strong>um</strong> 20. Mal. Wenn Wikipedia<br />
behauptet, Meienbergs Werk habe<br />
«massgebli<strong>ch</strong> <strong>zu</strong>r öffentli<strong>ch</strong>en Meinungsbildung<br />
der S<strong>ch</strong>weiz im 20. Jahrhundert beigetragen»,<br />
ist das ni<strong>ch</strong>t all<strong>zu</strong> übertrieben. In<br />
einer Zeit, in der man auf so etwas no<strong>ch</strong><br />
stolz sein durfte, arbeitete Meienberg fünf<br />
Jahre lang für «Die Weltwo<strong>ch</strong>e» – <strong>als</strong> Korrespondent<br />
in Paris. Später wurde er Mitarbeiter<br />
des S<strong>ch</strong>weizer Fernsehens, des «Tages-Anzeigers»,<br />
des <strong>Magazin</strong>s «Stern» und<br />
der «Wo<strong>ch</strong>enzeitung». Diese Engagements<br />
endeten selten friedli<strong>ch</strong>, denn Meienberg<br />
war ni<strong>ch</strong>t nur ein brillanter Kopf, sondern<br />
au<strong>ch</strong> ein streitbarer und äusserst kritis<strong>ch</strong>er<br />
Zeitgenosse mit Hang <strong>zu</strong>r Provokation und<br />
Polterei. Eine besonders innige Feinds<strong>ch</strong>aft<br />
verband ihn mit der Familie des superautoritären<br />
Gener<strong>als</strong> der S<strong>ch</strong>weizer Armee während<br />
des Ersten Weltkriegs, Ulri<strong>ch</strong> Wille. Im<br />
Bu<strong>ch</strong> «Die Welt <strong>als</strong> Wille und Wahn» dur<strong>ch</strong>leu<strong>ch</strong>tete<br />
Meienberg den Wille-Clan. Die<br />
Söhne des Gener<strong>als</strong> zerrten den Journalisten<br />
s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> vor Geri<strong>ch</strong>t, vor allem wegen<br />
dessen Hauptwerk «Die Ers<strong>ch</strong>iessung des<br />
Landesverräters Ernst S.», in dem Wille<br />
ebenfalls eine Rolle spielte. Na<strong>ch</strong> mehreren<br />
S<strong>ch</strong>icks<strong>als</strong>s<strong>ch</strong>lägen nahm si<strong>ch</strong> Meienberg<br />
1993 das Leben. Sein Werk ers<strong>ch</strong>eint im<br />
Limmat-Verlag.<br />
Am 5. Oktober haben alle französis<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen<br />
Bü<strong>ch</strong>erfreundinnen und -freunde etwas<br />
<strong>zu</strong> feiern – aber ni<strong>ch</strong>t nur sie. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />
zählt der Pariser Denis Diderot, dessen<br />
Geburtstag si<strong>ch</strong> an diesem Dat<strong>um</strong> z<strong>um</strong> 300.<br />
Mal jährt, <strong>zu</strong> den wi<strong>ch</strong>tigsten europäis<strong>ch</strong>en<br />
Denkern der Aufklärung. Gemeinsam mit<br />
zahlrei<strong>ch</strong>en Mitstreitern, darunter au<strong>ch</strong><br />
Montesquieu und Voltaire, s<strong>ch</strong>uf Diderot die<br />
grosse französis<strong>ch</strong>e «Encylopédie ou dictionnaire<br />
raisonné des sciences, des arts et<br />
des métiers»; von den 72 000 Artikeln, die<br />
dieses Lexikon enthielt, verfasste er selber<br />
rund 6000. Diderot wu<strong>ch</strong>s in der Bis<strong>ch</strong>ofsstadt<br />
Langres auf und kam <strong>als</strong> junger Mann<br />
na<strong>ch</strong> Paris, <strong>um</strong> dort ein Theologie-Vorstudi<strong>um</strong><br />
<strong>zu</strong> absolvieren. Ans<strong>ch</strong>liessend lebte er in<br />
der Hauptstadt <strong>als</strong> Bohémien, Intellektueller<br />
und Übersetzer englis<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>iger Bü<strong>ch</strong>er.<br />
Diese Tätigkeit öffnete ihm au<strong>ch</strong> die Tür z<strong>um</strong><br />
«Encylopédie»-Projekt: Ein Verleger wollte<br />
ein englis<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>iges Lexikon ins Französis<strong>ch</strong>e<br />
übertragen lassen und kam damit<br />
ni<strong>ch</strong>t re<strong>ch</strong>t vorwärts. Er ma<strong>ch</strong>te Diderot<br />
z<strong>um</strong> Gesamtleiter – und dieser weitete das<br />
Projekt massiv aus. Die Encyclopédie wollte<br />
in über einem Dutzend Bänden das gesamte<br />
Wissen ihrer Zeit abbilden. Den Autoren<br />
ging es aber ni<strong>ch</strong>t <strong>um</strong> die Anhäufung von<br />
Fakten, sondern <strong>um</strong> die Verbesserung der<br />
Welt dur<strong>ch</strong> Bildung. Das kam bei der Lesers<strong>ch</strong>aft<br />
extrem gut an – das Lexikon war ein<br />
kostspieliger Bestseller –, beim Adel und<br />
Klerus wegen seines aufkläreris<strong>ch</strong>en Geists<br />
aber äusserst s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t. Der Papst setzte das<br />
Werk sogar auf den Index der verbotenen<br />
Bü<strong>ch</strong>er. Na<strong>ch</strong> 20 Jahren Arbeit s<strong>ch</strong>ied Diderot<br />
im Streit mit den knauserigen Verlegern<br />
aus dem Projekt aus. Er s<strong>ch</strong>rieb zeitlebens<br />
au<strong>ch</strong> Dramen, bedeutende philosophis<strong>ch</strong>e<br />
S<strong>ch</strong>riften, naturwissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Bü<strong>ch</strong>er,<br />
Rezensionen und Essays. Do<strong>ch</strong> die Encyclopédie<br />
blieb sein Hauptwerk. Jetzt gerade hat<br />
«Die andere Bibliothek» die Zusammenstellung<br />
«Diderots Enzyklopädie» veröffentli<strong>ch</strong>t;<br />
sie enthält jene Lexikon-Beiträge von<br />
Diderot, die laut Verlag «z<strong>um</strong> geistigen<br />
Handgepäck für das dritte Jahrtausend gehören».<br />
Georg Bü<strong>ch</strong>ner kam am 17. Oktober 1813<br />
<strong>zu</strong>r Welt, <strong>als</strong>o vor genau 200 Jahren. Er wurde<br />
zwar nur 23 Jahre alt, do<strong>ch</strong> es blieb ihm<br />
genug Zeit, glei<strong>ch</strong> drei Stücke <strong>zu</strong> verfassen,<br />
die z<strong>um</strong> internationalen Kanon gehören:<br />
«Dantons Tod», «Leonce und Lena» sowie<br />
«Woyzeck». Eigentli<strong>ch</strong> sollte Bü<strong>ch</strong>ner Arzt<br />
werden; während seines Medizinstudi<strong>um</strong>s<br />
in Strassburg kam er aber mit dem liberalen<br />
Gedankengut der Juli-Revolution in Kontakt.<br />
In seine Heimatregion Hessen <strong>zu</strong>rückgekehrt,<br />
rief er die Landbevölkerung z<strong>um</strong><br />
Umsturz auf – mit dem berühmten Slogan<br />
«Friede den Hütten! Krieg den Palästen!».<br />
Innerhalb von nur fünf Wo<strong>ch</strong>en verfasste er<br />
«Dantons Tod», in dem er das S<strong>ch</strong>eitern der<br />
Revolution verarbeitete; no<strong>ch</strong> vor der ersten<br />
Aufführung des<br />
Stücks musste er<br />
aber fliehen, weil<br />
er <strong>als</strong> Aufwiegler<br />
galt. Erst gelangte<br />
er na<strong>ch</strong> Strassburg,<br />
dann kam<br />
er na<strong>ch</strong> Züri<strong>ch</strong>.<br />
Die hiesige Universität<br />
ma<strong>ch</strong>te<br />
ihn aufgrund seiner<br />
Dissertation «Abhandlung über das<br />
Nervensystem der Barbe» z<strong>um</strong> Doktor der<br />
Philosophie und ernannte ihn z<strong>um</strong> Dozenten<br />
für Anatomie. Do<strong>ch</strong> der junge Professor<br />
erkrankte an Typhus; im Februar 1837<br />
starb Bü<strong>ch</strong>ner in Züri<strong>ch</strong>, no<strong>ch</strong> ehe er sein<br />
Drama «Woyzeck» beenden konnte. Das<br />
Grab des Dramatikers befindet si<strong>ch</strong> im<br />
Oberstrass-Quartier und wird in wohl jedem<br />
Züri<strong>ch</strong>-Reiseführer erwähnt. Im Horlemann-Verlag<br />
ist anlässli<strong>ch</strong> des Jubilä<strong>um</strong>s<br />
der Roman «Das Herz so rot» von Udo Weinbörner<br />
<strong>als</strong> Tas<strong>ch</strong>enbu<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>ienen; darin<br />
geht es ebenso <strong>um</strong> die bewundernswert<br />
emanzipierte Braut des Frühverstorbenen<br />
wie <strong>um</strong> diesen selbst. Die Verlobte ist au<strong>ch</strong><br />
ein wi<strong>ch</strong>tiges Thema in der dtv-Neuers<strong>ch</strong>einung<br />
«Georg Bü<strong>ch</strong>ners Frauen» von Jan-<br />
Christoph Haus<strong>ch</strong>ild. Wer es <strong>um</strong>fassend<br />
mag, ist wohl mit der Bü<strong>ch</strong>ner-Biografie<br />
«Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te eines Genies» von Hermann<br />
Kurze gut bedient; sie ist gerade bei C.H.<br />
Beck ers<strong>ch</strong>ienen.<br />
Jener Geburtstag, der in diesem Bü<strong>ch</strong>erherbst<br />
wohl die meisten Neuers<strong>ch</strong>einungen<br />
auslöst, ist jener von Albert Camus. Der<br />
Franzose wäre am 7. November 100 Jahre<br />
alt geworden. Zur Welt kam er in Algerien,<br />
das dam<strong>als</strong> <strong>zu</strong> Frankrei<strong>ch</strong> gehörte. Obwohl<br />
seine Familie arm war und er an Tuberkulose<br />
erkrankte, konnte Camus dank seiner<br />
vielfältigen Begabungen die Matura ma<strong>ch</strong>en;<br />
dana<strong>ch</strong> studierte er Philosophie an<br />
der Universität von Algier. Eigentli<strong>ch</strong> wollte<br />
er Gymnasiallehrer werden, wegen seiner<br />
Tuberkulose wurde er aber ni<strong>ch</strong>t <strong>zu</strong> den<br />
Prüfungen <strong>zu</strong>gelassen. Seinem Frust über<br />
das berufli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>eitern, das Ende seiner<br />
ersten Ehe und die politis<strong>ch</strong>en Entwicklungen<br />
ma<strong>ch</strong>te er Luft, indem er einen Roman<br />
über einen tuberkulosekranken Mann<br />
s<strong>ch</strong>rieb: «La Mort heureuse». Das Bu<strong>ch</strong><br />
wurde zwar nie fertig, Camus arbeitete das<br />
Material aber später <strong>um</strong> – z<strong>um</strong> Roman «Der
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf NOTIZEN | 9<br />
... und ausserdem<br />
Fremde», der <strong>als</strong> eines der Hauptwerke des<br />
Existenzialismus’ gilt. Während Camus <strong>zu</strong>erst<br />
no<strong>ch</strong> <strong>als</strong> Journalist und Aushilfslehrer<br />
arbeitete, erlaubte ihm sein literaris<strong>ch</strong>er Erfolg,<br />
si<strong>ch</strong> ab Mitte des Zweiten Weltkriegs<br />
ganz auf die S<strong>ch</strong>riftstellerei <strong>zu</strong> konzentrieren.<br />
Mit seinen Werken <strong>zu</strong> den grossen Themen<br />
Freiheit, S<strong>ch</strong>uld und Verantwortung<br />
prägte er s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> das Lebensgefühl einer<br />
ganzen Generation. Zu seiner Prominenz<br />
trug bei, dass er si<strong>ch</strong> –<br />
wie Jean-Paul Sartre,<br />
der andere wi<strong>ch</strong>tige<br />
Existenzialist – au<strong>ch</strong><br />
<strong>als</strong> Philosoph und politis<strong>ch</strong><br />
betätigte: Er engagierte<br />
si<strong>ch</strong> in der<br />
Résistance und setzte<br />
si<strong>ch</strong> gegen Krieg oder<br />
Kolonialismus ein. Mit<br />
46 Jahren kam Camus<br />
bei einem Autounfall<br />
<strong>um</strong>s Leben. Aus den vielen Neuers<strong>ch</strong>einungen<br />
anlässli<strong>ch</strong> des Hundertsten seien vier<br />
herausgegriffen: Martin Meyer, Leiter des<br />
Feuilletons der «Neuen Zür<strong>ch</strong>er Zeitung»,<br />
zeigt in seiner bei Hanser ers<strong>ch</strong>ienenen Biografie<br />
«Die Freiheit leben», wa r<strong>um</strong> Autor<br />
und Werk seine Zeitgenossen derart stark<br />
faszinierten und war<strong>um</strong> man Camus immer<br />
wieder entdecken sollte. Ebenso eindrückli<strong>ch</strong><br />
ist die von Rowohlt veröffentli<strong>ch</strong>te Biografie<br />
«Das Ideal der Einfa<strong>ch</strong>heit»; Autorin<br />
ist Iris Radis<strong>ch</strong>, die Literaturkritikerin der<br />
«Zeit». Und das Hörbu<strong>ch</strong> «Leben heisst handeln»,<br />
ers<strong>ch</strong>ienen bei DHV, bietet Originalton-Einspielungen<br />
des Nobelpreisträgers<br />
von 1957. Ganz besonders s<strong>ch</strong>ön – und passend<br />
<strong>zu</strong> unserem Beitrag über Graphic Novels<br />
ab Seite 14 dieser Ausgabe – ist s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />
die visuelle Umset<strong>zu</strong>ng der<br />
Camus-Novelle «Jonas oder der Künstler bei<br />
der Arbeit» von Katia Fouquet, ers<strong>ch</strong>ienen<br />
bei der Edition Bü<strong>ch</strong>ergilde.<br />
Wer ein Rezept aus einem ausländis<strong>ch</strong>en<br />
Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong> ausprobieren<br />
will, steht man<strong>ch</strong>mal vor dem Problem,<br />
dass man die erwähnten Zutaten<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz ni<strong>ch</strong>t kaufen<br />
kann. In englis<strong>ch</strong>en Ko<strong>ch</strong>bü<strong>ch</strong>ern<br />
wird z<strong>um</strong> Beispiel oft eine bestimmte<br />
Art Mehl erwähnt, die bei uns<br />
ka<strong>um</strong> <strong>zu</strong> finden ist. In «The <strong>Books</strong>hop»<br />
von Orell Füssli an der Zür<strong>ch</strong>er<br />
Bahnhofstrasse steht dieses<br />
Mehl aber direkt neben dem Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong>regal<br />
– gemeinsam mit «Marmite»-<br />
und «Vegemite»-Würzpasten,<br />
der Barbecue-Sauce von «Jack<br />
Daniels», dem «Buckwud»-Ahorn-<br />
Wettbewerbs-Gewinner<br />
sirup und vielen anderen Spezialitäten.<br />
Dass die Food-Abteilung der<br />
Bu<strong>ch</strong>handlung au<strong>ch</strong> Esswaren anbietet,<br />
ist ni<strong>ch</strong>t neu – damit hat<br />
man im <strong>Books</strong>hop vor etwa fünf<br />
Jahren begonnen. «Inzwis<strong>ch</strong>en ist<br />
diese Abteilung aber ein regelre<strong>ch</strong>ter<br />
Magnet für Mens<strong>ch</strong>en aus England,<br />
den USA und Australien»,<br />
sagt Assistant Manager Nick<br />
S<strong>ch</strong>orp. Was in der grössten englis<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen<br />
Bu<strong>ch</strong>handlung auf<br />
dem europäis<strong>ch</strong>en Festland <strong>als</strong><br />
kundenfreundli<strong>ch</strong>e Dienstleistung<br />
geda<strong>ch</strong>t gewesen sei, habe si<strong>ch</strong> <strong>zu</strong><br />
einem e<strong>ch</strong>ten Hit entwickelt.<br />
In der letzten Ausgabe von «<strong>Books</strong>» verlosten wir unter den Teilnehmenden unseres<br />
Kreuzworträtsel-Wettbewerbs drei Bü<strong>ch</strong>erguts<strong>ch</strong>eine. Gewonnen haben:<br />
1. Preis: Verena Reist, 8460 Marthalen<br />
2. Preis: Rosmarie Spei<strong>ch</strong>, 8405 Winterthur<br />
3. Preis: Eva Horvath, 8406 Winterthur<br />
Herzli<strong>ch</strong>e Gratulation!<br />
Das Lösungswort lautete übrigens «Liebesgeheimnisse». Die Gewinnerinnen und Gewinner<br />
der Preise 4 bis 10 werden s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong> bena<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tigt. Das aktuelle Kreuzworträtsel finden<br />
Sie in dieser Ausgabe auf Seite 48.
10 | Interview <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
«Es ist einfa<strong>ch</strong>er, für Erwa<strong>ch</strong>sene<br />
<strong>zu</strong> s<strong>ch</strong>reiben»<br />
Federica de Cesco gehen die Ideen niem<strong>als</strong> aus. Ihr neuer Erwa<strong>ch</strong>senenroman «To<strong>ch</strong>ter des<br />
Windes» vereinigt einmal mehr alle Elemente, die das Publik<strong>um</strong> an den Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten der<br />
S<strong>ch</strong>weizer Autorin so liebt.<br />
Erik Brühlmann<br />
Peter Peits<strong>ch</strong><br />
<strong>Books</strong>: Federica de Cesco, «To<strong>ch</strong>ter des<br />
Windes» erzählt die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te des<br />
Deuts<strong>ch</strong>en Rainer, der si<strong>ch</strong> in die Japanerin<br />
Mia verliebt, ihr in die Heimat<br />
folgt und dort ein in jeder Hinsi<strong>ch</strong>t völlig<br />
neues Leben entdeckt. Dieser Roman<br />
liest si<strong>ch</strong> wie eine Einführung in die<br />
Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und Kultur Japans ...<br />
Federica de Cesco: Eine lockere Einführung,<br />
ja. Es gibt ja viele sol<strong>ch</strong>e Romane,<br />
Essays und so weiter, die viel komplizierter<br />
sind. I<strong>ch</strong> hingegen habe versu<strong>ch</strong>t,<br />
das Thema mit dem H<strong>um</strong>or an<strong>zu</strong>gehen,<br />
der den Japanern eigen ist. Hört man<br />
Japanern <strong>zu</strong>, wie sie über ihre Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />
spre<strong>ch</strong>en, la<strong>ch</strong>t man si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ief!<br />
Haben Sie wegen des Charakters der<br />
Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te auf eine klassis<strong>ch</strong>e Hauptfigur<br />
verzi<strong>ch</strong>tet und stattdessen eine<br />
Gruppe wi<strong>ch</strong>tiger Figuren eingeführt,<br />
von denen jede einen glei<strong>ch</strong>wertigen<br />
Platz einnimmt?<br />
Genau! I<strong>ch</strong> wollte Japan anhand von<br />
Protagonisten aus vielen vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten und Positionen porträtieren.<br />
Eine der Hauptfiguren ist Rainer Steckborn,<br />
ein Ausländer. Er für<strong>ch</strong>tet, von<br />
einem Fettnäpf<strong>ch</strong>en ins andere <strong>zu</strong> treten,<br />
<strong>als</strong> er si<strong>ch</strong> auf das Abenteuer Japan<br />
einlässt. Es geht wohl vielen Ausländern<br />
so ...<br />
Ja, alle Gaijin – Ni<strong>ch</strong>tjapaner – erleben<br />
die erste Begegnung mit Japan auf diese<br />
Weise. Als i<strong>ch</strong> vor 40 Jahren das erste<br />
Mal na<strong>ch</strong> Japan ging, fragte i<strong>ch</strong> meinen<br />
japanis<strong>ch</strong>en Mann Ka<strong>zu</strong>yuki Kitamura:<br />
Chéri, was darf i<strong>ch</strong> in Japan ni<strong>ch</strong>t<br />
ma<strong>ch</strong>en? Seine Antwort: Du darfst alles<br />
ma<strong>ch</strong>en, was du willst, ausser in den<br />
Hauspantoffeln <strong>zu</strong>r Toilette gehen. Dafür<br />
gibt es spezielle Plastikpantoffeln. I<strong>ch</strong><br />
da<strong>ch</strong>te erst an hygienis<strong>ch</strong>e Gründe, do<strong>ch</strong><br />
mein Mann klärte mi<strong>ch</strong> auf, dass die<br />
Toilette ein heiliger Ort sei, den man ni<strong>ch</strong>t<br />
mit normalen Pantoffeln verunreinigen<br />
dürfe. Eigentli<strong>ch</strong> kann man si<strong>ch</strong> <strong>als</strong> Gaijin<br />
mühelos in Japan <strong>zu</strong>re<strong>ch</strong>tfinden, wenn<br />
man eines in Erinnerung behält: Leistet<br />
man si<strong>ch</strong> einen Fauxpas, bre<strong>ch</strong>en die Einheimis<strong>ch</strong>en<br />
zwar in s<strong>ch</strong>allendes Gelä<strong>ch</strong>ter<br />
aus. Allerdings la<strong>ch</strong>en sie ni<strong>ch</strong>t über<br />
einen, sondern mit einem. Ans<strong>ch</strong>liessend<br />
erklären sie einem geduldig, was man<br />
f<strong>als</strong><strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t hat.<br />
Eine sol<strong>ch</strong>e Erfahrung ma<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> Rainer.<br />
Sind die Japaner <strong>als</strong>o ni<strong>ch</strong>t so kühl<br />
und ernst, wie man immer denkt?<br />
Im Gegenteil ist es so, dass die Japaner<br />
die Ernsthaftigkeit der Gaijin ni<strong>ch</strong>t mögen!<br />
Die Japaner sind sehr stolz und sehr<br />
s<strong>ch</strong>eu und ma<strong>ch</strong>en deshalb fast nie den<br />
ersten S<strong>ch</strong>ritt auf einen <strong>zu</strong>. Das empfinden<br />
wir mitunter <strong>als</strong> Reserviertheit. Geht<br />
man aber auf Japaner <strong>zu</strong>, sind sie sehr<br />
herzli<strong>ch</strong> und geben si<strong>ch</strong> die grösste Mühe,<br />
si<strong>ch</strong> auf die Eigenheiten der Ausländer<br />
ein<strong>zu</strong>stellen.<br />
Überzei<strong>ch</strong>nen Sie <strong>zu</strong>weilen Ihre Figuren,<br />
<strong>um</strong> Ihre Anliegen deutli<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> ma<strong>ch</strong>en?<br />
Mia, Rainers japanis<strong>ch</strong>e Freundin, wird<br />
ja z<strong>um</strong> Beispiel <strong>als</strong> s<strong>ch</strong>on fast tölpelhaft<br />
ges<strong>ch</strong>ildert.<br />
I<strong>ch</strong> habe in 40 Jahren nur einmal eine<br />
unges<strong>ch</strong>ickte Japanerin getroffen!<br />
Japanerinnen beherrs<strong>ch</strong>en in der Regel<br />
ihre Hände und Finger so gut, dass man<br />
si<strong>ch</strong> wie ein Trampeltier vorkommt. Eine<br />
unges<strong>ch</strong>ickte Japanerin ist <strong>als</strong>o tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />
eine Exotin, da brau<strong>ch</strong>e i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts <strong>zu</strong><br />
überzei<strong>ch</strong>nen.<br />
Federica de Cesco<br />
br. Federica de Cesco wurde 1938 in<br />
Pordenone, Italien, geboren. Als To<strong>ch</strong>ter<br />
eines Italieners und einer Deuts<strong>ch</strong>en<br />
wu<strong>ch</strong>s sie mehrspra<strong>ch</strong>ig auf. Mit ihren<br />
Eltern bereiste sie die Welt von Äthiopien<br />
bis Deuts<strong>ch</strong>land, Frankrei<strong>ch</strong> und Belgien.<br />
An der Universität Lütti<strong>ch</strong> studierte sie<br />
Kunstges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und Psy<strong>ch</strong>ologie, bevor<br />
sie 1962 mit ihrem ersten Ehemann in die<br />
S<strong>ch</strong>weiz zog. Aus dieser Ehe stammen ihre<br />
beiden Kinder. Ihren jetzigen Ehemann,<br />
den japanis<strong>ch</strong>en Fotografen Ka<strong>zu</strong>yuki<br />
Kitamura, heiratete sie 1973.<br />
Ihre literaris<strong>ch</strong>e Karriere begann Federica<br />
de Cesco 1957 mit dem Jugendbu<strong>ch</strong> «Der<br />
rote Seidens<strong>ch</strong>al». Fast 40 Jahre lang<br />
widmete sie si<strong>ch</strong> fast auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> der<br />
Kinder- und Jugendliteratur; im deuts<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen<br />
Ra<strong>um</strong> gilt sie <strong>als</strong> meistge<strong>lesen</strong>e<br />
Jugendbu<strong>ch</strong>autorin. Ihre Bü<strong>ch</strong>er erzählen<br />
meist von fremden Ländern, fremden<br />
Kulturen, Religionen oder von anderen<br />
Weltans<strong>ch</strong>auungen. 1994 veröffentli<strong>ch</strong>te<br />
sie mit «Silbermus<strong>ch</strong>el» ihr erstes Bu<strong>ch</strong> für<br />
Erwa<strong>ch</strong>sene. Mittlerweile hat Federica de<br />
Cesco über 80 Bü<strong>ch</strong>er veröffentli<strong>ch</strong>t – und<br />
hat bereits eine Idee für den nä<strong>ch</strong>sten<br />
Roman.<br />
Und wie steht es mit Tante Azai, die<br />
trotz ihrer extrem s<strong>ch</strong>roffen, abweisenden<br />
Art von Mia fast s<strong>ch</strong>on verehrt<br />
wird?<br />
Au<strong>ch</strong> hier bes<strong>ch</strong>reibe i<strong>ch</strong> nur die japanis<strong>ch</strong>e<br />
Mentalität. Das Alter ist verehrungswürdig,<br />
denn Alter bedeutet Erfahrung –<br />
und diese gilt <strong>als</strong> kostbares Gut. Deshalb<br />
haben die Seniorinnen und Senioren in<br />
Japan au<strong>ch</strong> Narrenfreiheit, sie können<br />
si<strong>ch</strong> «ungestraft» über Konventionen<br />
hinwegsetzen und werden trotzdem<br />
respektiert. Diesen Respekt fordern sie
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Interview | 11
12 | Interview <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
Gefahr bevorsteht. Stirbt eine Frau aber<br />
im Zorn, kann sie au<strong>ch</strong> viel Unheil anri<strong>ch</strong>ten,<br />
wie i<strong>ch</strong> es in «Die Augen des S<strong>ch</strong>metterlings»<br />
bes<strong>ch</strong>rieben habe.<br />
Glauben Sie an sol<strong>ch</strong>e übernatürli<strong>ch</strong>en<br />
Begebenheiten?<br />
Einmal fragte mi<strong>ch</strong> eine Leserin, ob i<strong>ch</strong><br />
einen Draht z<strong>um</strong> Übersinnli<strong>ch</strong>en habe.<br />
I<strong>ch</strong> sagte: Ja, aber der hängt locker! Im<br />
Allgemeinen halte i<strong>ch</strong> es mit Shakespeare:<br />
«Es gibt mehr Dinge zwis<strong>ch</strong>en Himmel<br />
und Erde, <strong>als</strong> Eure S<strong>ch</strong>ulweisheit si<strong>ch</strong><br />
erträ<strong>um</strong>en lässt.»<br />
In ihrem neuen Roman porträtiert Federica de Cesco Japan anhand von Protagonisten aus vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten und Positionen.<br />
Fast s<strong>ch</strong>on übernatürli<strong>ch</strong> wirkt au<strong>ch</strong> die<br />
Szene am Ende der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, <strong>als</strong> die<br />
Katzen die Bewohner der Insel Tashiro-<br />
Jima vor der Katastrophe warnen<br />
wollen, die letztli<strong>ch</strong> z<strong>um</strong> Unglück in<br />
Fukushima führte ...<br />
Diese Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te ist authentis<strong>ch</strong>! Die Katzen<br />
retteten die Inselbewohner, indem sie<br />
mit ihren Jungen z<strong>um</strong> Katzens<strong>ch</strong>rein auf<br />
dem hö<strong>ch</strong>sten Punkt der Insel rannten.<br />
Da merkten die Mens<strong>ch</strong>en, dass etwas im<br />
Argen liegt, und folgten den Tieren z<strong>um</strong><br />
Glück. In Japan herrs<strong>ch</strong>t sowieso eine<br />
«Neko-Mania», eine Katzenbegeisterung.<br />
au<strong>ch</strong> unverhohlen ein. Allerdings ist die<br />
Lebenserwartung in Japan sehr ho<strong>ch</strong>,<br />
sodass die ganz Alten den jüngeren Alten<br />
damit au<strong>ch</strong> gehörig auf die Nerven gehen<br />
können.<br />
Sowohl Tante Azai <strong>als</strong> au<strong>ch</strong> Mia entstammen<br />
einer Familie von Ninja. Wie<br />
kamen Sie auf diese Idee?<br />
Weil wir zwei Frauen in unserem Bekanntenkreis<br />
haben, die aus sol<strong>ch</strong>en Familien<br />
stammen. Eine ist wie Mia Ar<strong>ch</strong>itektin, die<br />
andere betreibt eine Sake-Brauerei.<br />
Allerdings stellen Sie die «Windmens<strong>ch</strong>en»,<br />
wie die Ninja au<strong>ch</strong> genannt werden,<br />
ni<strong>ch</strong>t <strong>als</strong> hinterhältige, Wurfsterne<br />
s<strong>ch</strong>leudernde S<strong>ch</strong>attenkrieger dar ...<br />
Das waren sie s<strong>ch</strong>on au<strong>ch</strong>. Ninja wurden<br />
häufig von Shogunen und Samurai dafür<br />
eingesetzt, ihnen den Weg <strong>zu</strong> ebnen, und<br />
sie arbeiteten au<strong>ch</strong> <strong>als</strong> Spione. Aber sie<br />
waren eben au<strong>ch</strong> hervorragende Ar<strong>ch</strong>itekten,<br />
Ärzte, Planer und Apotheker – diese<br />
Traditionen leben bei ihren Na<strong>ch</strong>kommen<br />
fort. Ninja waren in der Regel überdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong><br />
intelligente Mens<strong>ch</strong>en, was<br />
dam<strong>als</strong> eine Frage des Überlebens war.<br />
Uns Europäer fasziniert Japan au<strong>ch</strong><br />
deswegen, weil es uns wie eine unmögli-<br />
<strong>ch</strong>e Mis<strong>ch</strong>ung aus Zukunftsgläubigkeit,<br />
Konzentration auf den Moment und<br />
Verwurzelung in der Vergangenheit vorkommt.<br />
Diese «Dreifaltigkeit» kommt<br />
in «To<strong>ch</strong>ter des Windes» immer wieder<br />
z<strong>um</strong> Ausdruck.<br />
Sie ist au<strong>ch</strong> Teil des japanis<strong>ch</strong>en Alltags.<br />
Ein Beispiel: Ein junger Mann kann <strong>zu</strong><br />
einem S<strong>ch</strong>rein gehen und ganz profan<br />
dar<strong>um</strong> bitten, dass er sein Examen<br />
besteht. Damit beleidigt man die Götter<br />
ni<strong>ch</strong>t, denn sie sind ja dafür da, uns <strong>zu</strong><br />
helfen. Im Gegen<strong>zu</strong>g dafür ma<strong>ch</strong>t man die<br />
Götter glückli<strong>ch</strong>, indem man ihnen zeigt,<br />
wie s<strong>ch</strong>ön und perfekt sie die Mens<strong>ch</strong>en<br />
ges<strong>ch</strong>affen haben, wenn man ausgelassen<br />
feiert oder seiner Freude freien Lauf<br />
lässt. Si<strong>ch</strong> vor den Göttern in den Staub <strong>zu</strong><br />
werfen, kommt gar ni<strong>ch</strong>t in Frage! Etwas<br />
ernster wird es bei der Ahnenverehrung,<br />
denn die Ahnen lösen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong><br />
in Luft auf, sondern sind allgegenwärtig,<br />
leben in ihren Na<strong>ch</strong>kommen weiter.<br />
... und melden si<strong>ch</strong> man<strong>ch</strong>mal in der<br />
Gegenwart – wie Yodo-dono, die Ahnin<br />
von Mia und Tante Azai ...<br />
Man s<strong>ch</strong>reibt Frauen besondere Kräfte<br />
<strong>zu</strong>, die es ihnen erlauben, positiv in<br />
die Gegenwart ein<strong>zu</strong>greifen. Yodo-dono<br />
ers<strong>ch</strong>eint daher jeweils warnend, wenn<br />
Sie haben ja selbst au<strong>ch</strong> eine Katze!<br />
Sie heisst Ninja und ist unsere Maneki-<br />
Neko – unsere Glückskatze.<br />
In diesem dramatis<strong>ch</strong>en Höhepunkt des<br />
Bu<strong>ch</strong>s zeigen Sie au<strong>ch</strong> wieder einige<br />
typis<strong>ch</strong> japanis<strong>ch</strong>e Eigens<strong>ch</strong>aften.<br />
Ja, die enorme Fähigkeit der Japaner <strong>zu</strong>r<br />
Resilienz, ihren Fatalismus und wieder<strong>um</strong><br />
die Wi<strong>ch</strong>tigkeit der Älteren. Na<strong>ch</strong> der Katastrophe<br />
wussten die Älteren – wie z<strong>um</strong><br />
Beispiel Mias Onkel Matsuo –, was <strong>zu</strong> tun<br />
ist. Sie bra<strong>ch</strong>ten die Jungen da<strong>zu</strong> an<strong>zu</strong>packen,<br />
s<strong>ch</strong>ützten sie aber glei<strong>ch</strong>zeitig vor<br />
dem S<strong>ch</strong>limmsten. Das zeigt die Szene, in<br />
der die älteren Inselbewohner die Jungen<br />
daran hindern, ihnen beim Bergen der<br />
Lei<strong>ch</strong>en <strong>zu</strong> helfen. Dass es <strong>zu</strong> sol<strong>ch</strong>en<br />
Katastrophen kommen kann, nimmt man<br />
hin. Japan ist eben anfällig für Erdbeben,<br />
damit lebt man. Es ist zwar entsetzli<strong>ch</strong>,<br />
aber ni<strong>ch</strong>t <strong>zu</strong> ändern.<br />
War Fukushima für Sie der Auslöser,<br />
«To<strong>ch</strong>ter des Windes» <strong>zu</strong> s<strong>ch</strong>reiben?<br />
Nein, au<strong>ch</strong> wenn mein Mann und i<strong>ch</strong> zwei<br />
Wo<strong>ch</strong>en vor dem Ereignis in der Region<br />
waren und wir viele Betroffene kennen.<br />
Mein Mann gab mir vor etwa drei Jahren<br />
den Anstoss für das Bu<strong>ch</strong>, <strong>als</strong> er mir sagte,<br />
dass der Genbaku-Dom – heute eine<br />
Gedenkstätte für den amerikanis<strong>ch</strong>en
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Interview | 13<br />
Atombombenangriff – vom ts<strong>ch</strong>e<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en<br />
Ar<strong>ch</strong>itekten Jan Letzel erbaut wurde. Das<br />
fand i<strong>ch</strong> so interessant, dass mein Mann<br />
und i<strong>ch</strong> z<strong>um</strong> Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>ieren na<strong>ch</strong> Prag<br />
fuhren und dort feststellten, dass Letzel<br />
in seiner Heimat gar ni<strong>ch</strong>t bekannt ist.<br />
Daraus entstand s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> das Bu<strong>ch</strong>.<br />
Trotz allem Positiven, über das wir<br />
bisher gespro<strong>ch</strong>en haben, üben Sie in<br />
«To<strong>ch</strong>ter des Windes» au<strong>ch</strong> Kritik an<br />
der japanis<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aft.<br />
Natürli<strong>ch</strong>, das muss au<strong>ch</strong> so sein. Japan<br />
ist keine perfekte Gesells<strong>ch</strong>aft. Vor allem<br />
die Te<strong>ch</strong>nokraten und Politiker stehen bei<br />
der Bevölkerung alles andere <strong>als</strong> ho<strong>ch</strong> im<br />
Kurs. Das bekommt man <strong>als</strong> Aussenstehender<br />
jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mit, da es den Japanern<br />
ni<strong>ch</strong>t liegt, mit Plakaten und Parolen<br />
auf die Strasse <strong>zu</strong> gehen und ihrem Ärger<br />
Luft <strong>zu</strong> ma<strong>ch</strong>en. Szenen, wie sie si<strong>ch</strong> in<br />
Grie<strong>ch</strong>enland und in der Türkei abgespielt<br />
haben, sind in Japan undenkbar.<br />
Au<strong>ch</strong> den Te<strong>ch</strong>nikglauben beurteilen Sie<br />
kritis<strong>ch</strong> ...<br />
Ebenso wie die Japaner na<strong>ch</strong> Fukushima,<br />
<strong>als</strong> klar wurde, dass Te<strong>ch</strong>nik eben ni<strong>ch</strong>t<br />
nur Gutes bringt und dass man re<strong>ch</strong>t hilflos<br />
sein kann, wenn die Te<strong>ch</strong>nik im ents<strong>ch</strong>eidenden<br />
Moment ni<strong>ch</strong>t mehr funktioniert.<br />
Das merken au<strong>ch</strong> Rainer und Mia, <strong>als</strong> sie<br />
na<strong>ch</strong> dem Beben auf der Insel festsitzen<br />
und alle Hände voll damit <strong>zu</strong> tun haben,<br />
einen Tag na<strong>ch</strong> dem anderen <strong>zu</strong> überleben.<br />
Also glauben Sie, dass die Natur am<br />
Ende – Te<strong>ch</strong>nik hin oder her – das letzte<br />
Wort haben wird?<br />
Aber natürli<strong>ch</strong>! Wobei i<strong>ch</strong> sowieso ziemli<strong>ch</strong><br />
überzeugt bin, dass der Mens<strong>ch</strong> es<br />
irgendwann s<strong>ch</strong>affen wird, si<strong>ch</strong> selbst<br />
<strong>zu</strong> zerstören, ohne dass die Natur dabei<br />
na<strong>ch</strong>helfen muss.<br />
Steht für diese Überma<strong>ch</strong>t der Natur in<br />
gewissem Sinn das intelligente Haus,<br />
in dem Mia wohnt und das na<strong>ch</strong> dem<br />
Beben eigentli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t viel mehr<br />
<strong>als</strong> eine Wohnhöhle ist?<br />
Genau – und das Haus funktioniert ja<br />
allein deshalb ni<strong>ch</strong>t mehr, weil es keinen<br />
Strom mehr gibt. Die Szenen, die i<strong>ch</strong><br />
bes<strong>ch</strong>reibe, sind wirkli<strong>ch</strong> passiert: Na<strong>ch</strong><br />
dem Beben in Tokyo funktionierte bei<br />
all den s<strong>ch</strong>önen, teuren, intelligenten<br />
Häusern ohne Strom ni<strong>ch</strong>ts mehr. Also<br />
mussten die Mens<strong>ch</strong>en mit ihren Einkäufen<br />
30 oder mehr Stockwerke <strong>zu</strong> Fuss<br />
ho<strong>ch</strong>gehen, nur <strong>um</strong> dann glei<strong>ch</strong> wieder<br />
mit gefüllten Na<strong>ch</strong>ttöpfen na<strong>ch</strong> unten <strong>zu</strong><br />
mars<strong>ch</strong>ieren.<br />
Szenen, die einen s<strong>ch</strong>munzeln lassen,<br />
au<strong>ch</strong> wenn sie im Grunde tragis<strong>ch</strong> sind ...<br />
So ist do<strong>ch</strong> das Leben. Tragik und Komik<br />
liegen man<strong>ch</strong>mal so di<strong>ch</strong>t beieinander!<br />
Genau das habe i<strong>ch</strong> in «To<strong>ch</strong>ter des Windes»<br />
dar<strong>zu</strong>stellen versu<strong>ch</strong>t.<br />
«To<strong>ch</strong>ter des Windes» ist – au<strong>ch</strong> wenn<br />
der Titel viellei<strong>ch</strong>t anderes vermuten<br />
lässt – ein Bu<strong>ch</strong> für Erwa<strong>ch</strong>sene. Ist das<br />
s<strong>ch</strong>wieriger <strong>zu</strong> s<strong>ch</strong>reiben <strong>als</strong> ein Bu<strong>ch</strong><br />
für Jugendli<strong>ch</strong>e?<br />
Es stimmt, der Titel ist etwas unglückli<strong>ch</strong><br />
und deutet auf Mäd<strong>ch</strong>enliteratur hin.<br />
Aber auf den Titel kann man <strong>als</strong> Autorin<br />
ni<strong>ch</strong>t immer Einfluss nehmen. Do<strong>ch</strong> <strong>um</strong><br />
die Frage <strong>zu</strong> beantworten: Erwa<strong>ch</strong>senenges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />
sind wesentli<strong>ch</strong> einfa<strong>ch</strong>er<br />
<strong>zu</strong> s<strong>ch</strong>reiben. Das liegt z<strong>um</strong> einen<br />
daran, dass i<strong>ch</strong> für Erwa<strong>ch</strong>sene einfa<strong>ch</strong><br />
drauflos s<strong>ch</strong>reiben kann in der Annahme,<br />
dass die Lesenden es dann s<strong>ch</strong>on<br />
verstehen werden. Für Jugendli<strong>ch</strong>e muss<br />
i<strong>ch</strong> meine Spra<strong>ch</strong>e anpassen, sie bis<br />
<strong>zu</strong> einem gewissen Grad vereinfa<strong>ch</strong>en.<br />
Au<strong>ch</strong> die Themensu<strong>ch</strong>e gestaltet si<strong>ch</strong> für<br />
Jugendli<strong>ch</strong>e s<strong>ch</strong>wieriger. Man kann nur<br />
Themen behandeln, wel<strong>ch</strong>e die Jugendli<strong>ch</strong>en<br />
bes<strong>ch</strong>äftigen, und muss glei<strong>ch</strong>zeitig<br />
Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten finden, die aus dem Leben<br />
gegriffen sind.<br />
Im Bu<strong>ch</strong> fragt si<strong>ch</strong> Rainer, wie und in<br />
wel<strong>ch</strong>er Umgebung Autoren überhaupt<br />
s<strong>ch</strong>reiben. Wie s<strong>ch</strong>reiben Sie denn?<br />
I<strong>ch</strong> brau<strong>ch</strong>e Kaffee, s<strong>ch</strong>warze S<strong>ch</strong>okolade<br />
und einen Computer. Da<strong>zu</strong> kommen ein<br />
solider Lebenswandel und ein Mass an<br />
Selbstdisziplin, das i<strong>ch</strong> von meiner Mutter<br />
vermittelt bekam. Das ist im Grund s<strong>ch</strong>on<br />
alles!<br />
To<strong>ch</strong>ter des Windes<br />
445 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Blanvalet<br />
Weiter<strong>lesen</strong>: Ausgewählte<br />
Bü<strong>ch</strong>er von<br />
Federica de Cesco<br />
Kinder- und Jugendbü<strong>ch</strong>er<br />
Der rote Seidens<strong>ch</strong>al<br />
(1957)<br />
200 Seiten<br />
CHF 11.90<br />
Arena<br />
Das Bu<strong>ch</strong>, mit dem für Federica de Cesco<br />
die Laufbahn <strong>als</strong> S<strong>ch</strong>riftstellerin begann: Ein<br />
im Zug liegen gelassener Seidens<strong>ch</strong>al bietet<br />
Ann Morrison Gelegenheit, aus ihrem alten<br />
Leben aus<strong>zu</strong>bre<strong>ch</strong>en und Neues <strong>zu</strong> erleben.<br />
Shana, das Wolfsmäd<strong>ch</strong>en<br />
(2000)<br />
248 Seiten<br />
CHF 15.90<br />
Arena<br />
Die bewegende Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te eines jungen<br />
Indianermäd<strong>ch</strong>ens und deren aussergewöhnli<strong>ch</strong>e<br />
Freunds<strong>ch</strong>aft <strong>zu</strong> einer Wölfin.<br />
Die goldene Kriegerin<br />
(2009)<br />
377 Seiten<br />
CHF 14.90<br />
Blanvalet<br />
Die junge Tomoe ist eine Samurai, die si<strong>ch</strong><br />
beim Versu<strong>ch</strong>, den Respekt des Feldherrn<br />
Yoshinaka <strong>zu</strong> erringen, in ihn verliebt. Dieser<br />
begehrt allerdings Tomoes S<strong>ch</strong>wester.<br />
Erwa<strong>ch</strong>senenliteratur<br />
Silbermus<strong>ch</strong>el (1994)<br />
764 Seiten<br />
CHF 11.90<br />
Blanvalet<br />
Im fernen Japan entflieht Julie ni<strong>ch</strong>t nur<br />
ihrer unglückli<strong>ch</strong>en Ehe – sie verliebt si<strong>ch</strong><br />
au<strong>ch</strong> in einen japanis<strong>ch</strong>en Trommler und<br />
entfa<strong>ch</strong>t das Feuer der Leidens<strong>ch</strong>aft neu.<br />
Federica de Cescos Debüt <strong>als</strong> Autorin für<br />
Erwa<strong>ch</strong>sene.<br />
Die Augen des<br />
S<strong>ch</strong>metterlings (2005)<br />
509 Seiten<br />
CHF 14.90<br />
Blanvalet<br />
Die Finnin Agneta Pacius wird unvermittelt<br />
<strong>zu</strong>r Kämpferin im Rei<strong>ch</strong> der Ahnen, <strong>als</strong><br />
sie mit der magis<strong>ch</strong>en Weisheit des Sami-<br />
Volkes gegen böse japanis<strong>ch</strong>e Na<strong>ch</strong>tgeister<br />
angeht.<br />
Mondtänzerin (2011)<br />
541 Seiten<br />
CHF 13.90<br />
Blanvalet<br />
Vier maltesis<strong>ch</strong>e Freunde s<strong>ch</strong>wören einander<br />
ewige Treue, do<strong>ch</strong> das Leben zerstreut<br />
sie in alle Winde. Als sie Jahre später wieder<br />
aufeinander treffen, ist einiges glei<strong>ch</strong>,<br />
aber au<strong>ch</strong> vieles anders.
14 | Graphic Novels <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
Kein Kinderzeugs<br />
Beim S<strong>ch</strong>lendern dur<strong>ch</strong> eine Filiale von Orell Füssli fällt auf: Graphic Novels haben si<strong>ch</strong> aus dem<br />
Comicständer verabs<strong>ch</strong>iedet und tau<strong>ch</strong>en mittlerweile überall auf – bei der Belletristik ebenso<br />
wie bei den Biografien und Sa<strong>ch</strong>bü<strong>ch</strong>ern. Mit den klassis<strong>ch</strong>en Superhelden- oder Entencomics<br />
haben die Bildges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten ka<strong>um</strong> no<strong>ch</strong> etwas <strong>zu</strong> tun.<br />
Marius Leutenegger<br />
Kein vernünftiger Mens<strong>ch</strong> würde heute<br />
no<strong>ch</strong> unters<strong>ch</strong>reiben, was einst unsere<br />
Grosseltern behaupteten: dass Comics per<br />
se S<strong>ch</strong>und seien. Carl Barks, der Erfinder<br />
von Dagobert Duck und S<strong>ch</strong>öpfer vieler<br />
hundert erstklassiger Donald-Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten,<br />
ist s<strong>ch</strong>on seit Jahren eine regelre<strong>ch</strong>te Kultfigur.<br />
Über das Werk von Charles M. S<strong>ch</strong>ulz,<br />
den Vater der Peanuts, werden mittlerweile<br />
Doktorarbeiten ges<strong>ch</strong>rieben. Und Hergé,<br />
dessen Tim-und-Struppi-Bü<strong>ch</strong>er ganze Generationen<br />
von Leserinnen und Lesern –<br />
und erst re<strong>ch</strong>t von Zei<strong>ch</strong>nern – prägten,<br />
wurde im Pariser Centre Georges Pompidou<br />
mit einer grossen Ausstellung gewürdigt.<br />
Neues Image dank neuem Namen<br />
Trotzdem: So ri<strong>ch</strong>tig den Kinders<strong>ch</strong>uhen<br />
entwa<strong>ch</strong>sen sind Comics wohl immer no<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t. Sie gelten weiterhin eher <strong>als</strong> Freizeitunterhaltung<br />
für Halbwü<strong>ch</strong>sige denn<br />
<strong>als</strong> ernst<strong>zu</strong>nehmende literaris<strong>ch</strong>e Gattung,<br />
die au<strong>ch</strong> Erwa<strong>ch</strong>sene begeistern kann –<br />
z<strong>um</strong>indest in unserem Kulturkreis. Wer<br />
si<strong>ch</strong> mit Bilderges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten auskennt, weiss<br />
zwar, wie wenig dieser Ruf der Comics gere<strong>ch</strong>tfertigt<br />
ist: Es gibt s<strong>ch</strong>on seit eh und je<br />
herausragende Werke, die au<strong>ch</strong> hohen Ansprü<strong>ch</strong>en<br />
genügen. Do<strong>ch</strong> weil si<strong>ch</strong> das Vorurteil,<br />
Comics seien Kinderkram, so hartnäckig<br />
hält, wollten si<strong>ch</strong> man<strong>ch</strong>e Verleger<br />
und Zei<strong>ch</strong>ner von Superman & Co. abgrenzen.<br />
Sie kreierten deshalb vor einigen<br />
Jahrzehnten einen neuen Begriff für eine<br />
Untergattung des Medi<strong>um</strong>s: «Graphic Novel».<br />
Damit werden gezei<strong>ch</strong>nete, erzähleris<strong>ch</strong><br />
komplexe Romane für ein erwa<strong>ch</strong>senes<br />
Publik<strong>um</strong> bezei<strong>ch</strong>net. Jede Graphic<br />
Novel ist ein Comic, aber ni<strong>ch</strong>t jeder Comic<br />
ist eine Graphic Novel.<br />
Wurzeln in den 1920er-Jahren<br />
Die Grenzen der Gattung sind allerdings<br />
uns<strong>ch</strong>arf – <strong>um</strong> so mehr, seit die Graphic<br />
Novels kommerziell erfolgrei<strong>ch</strong> sind und<br />
viele auf diesen Zug aufspringen wollen.<br />
Die Uns<strong>ch</strong>ärfe ma<strong>ch</strong>t es au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong>,<br />
eine Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der Graphic Novels <strong>zu</strong><br />
skizzieren. Zu den Vätern der Gattung gehört<br />
si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> der belgis<strong>ch</strong>e Grafiker<br />
Frans Masereel, der in den 1920-Jahren<br />
Zyklen von Holzs<strong>ch</strong>nitten veröffentli<strong>ch</strong>te.<br />
Seine Arbeiten inspirierten den US-Amerikaner<br />
Lynd Ward in den 1930er-Jahren,<br />
ebenfalls Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten mit Holzs<strong>ch</strong>nitten<br />
und ohne Worte <strong>zu</strong> erzählen. Wards se<strong>ch</strong>s<br />
Bü<strong>ch</strong>er mit Holzs<strong>ch</strong>nitten zwis<strong>ch</strong>en Expressionismus<br />
und Jugendstil kommen<br />
s<strong>ch</strong>on sehr nah an die modernen Graphic<br />
Novels heran. Gemeinhin gilt aber das<br />
Bu<strong>ch</strong> «Ein Vertrag mit Gott» <strong>als</strong> erstes
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Graphic Novels | 15<br />
Werk der Gattung. Es ers<strong>ch</strong>ien 1978 und<br />
stammt von Will Eisner. Der 1917 geborene<br />
US-Amerikaner verwendete auf dem<br />
Cover von «Ein Vertrag mit Gott» erstm<strong>als</strong><br />
den Begriff «Graphic Novel», <strong>um</strong> si<strong>ch</strong> von<br />
den Comics ab<strong>zu</strong>grenzen. Er war allerdings<br />
kein Comic-Verä<strong>ch</strong>ter, denn von ihm<br />
stammte au<strong>ch</strong> die Detektiv-Serie «The Spirit»<br />
– ein Comic-Klassiker, der von 1940 bis<br />
1952 in Zeitungen ers<strong>ch</strong>ien. Do<strong>ch</strong> bereits<br />
«The Spirit» hob si<strong>ch</strong> inhaltli<strong>ch</strong>, erzähleris<strong>ch</strong><br />
und grafis<strong>ch</strong> von den übli<strong>ch</strong>en Tierfiguren-<br />
und Muskelprotz-Bildges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />
jener Zeit ab. Eisner arbeitete mit ungewöhnli<strong>ch</strong>en<br />
Perspektiven und Blickwinkeln,<br />
beri<strong>ch</strong>tete vom Innenleben seiner Figuren<br />
und thematisierte den Alltag in der<br />
Grossstadt.<br />
Formale Freiheiten<br />
In «Ein Vertrag mit Gott» erzählt Eisner<br />
vier Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten aus einer Mietskaserne in<br />
New York. Die Figuren sind zwar lei<strong>ch</strong>t karikierend<br />
gezei<strong>ch</strong>net, ihre Erlebnisse spielen<br />
si<strong>ch</strong> aber in einem glaubwürdigen Alltag<br />
ab. «Jede dieser Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten wurde<br />
ohne Rücksi<strong>ch</strong>t darauf ges<strong>ch</strong>rieben, wie<br />
viel Platz sie brau<strong>ch</strong>t, und jede konnte ihre<br />
Gestalt aus si<strong>ch</strong> selbst entwickeln», hielt<br />
Eisner im Vorwort des Bu<strong>ch</strong>s fest. Diese<br />
Abkehr von den Comic-Regeln prägt die<br />
meisten Graphic Novels. Während jeder<br />
Asterix- oder Lucky-Luke Band genau<br />
glei<strong>ch</strong> lang ist – nämli<strong>ch</strong> 48 Seiten –, sind<br />
Graphic Novels so <strong>um</strong>fangrei<strong>ch</strong>, wie sie<br />
aufgrund der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te sein müssen; für<br />
sie gibt es so wenig eine Standardlänge wie<br />
für einen ges<strong>ch</strong>riebenen Roman. Und während<br />
bei Comics die Seiten z<strong>um</strong>eist in klassis<strong>ch</strong>e<br />
Panels eingeteilt sind, <strong>als</strong>o in re<strong>ch</strong>teckige<br />
Bilder, kennen die Graphic Novels<br />
au<strong>ch</strong> diesbezügli<strong>ch</strong> keine Standards. In<br />
«Ein Vertrag mit Gott» gibt es oft überhaupt<br />
keine Bilderrahmen, man<strong>ch</strong>e Seiten<br />
zeigen nur eine einzige Situation, andere<br />
geben Abläufe so<strong>zu</strong>sagen im Zeitraffer mit<br />
vielen kleinen Bildern wieder. Die Form<br />
folgt ganz dem Inhalt.<br />
Die Autoren stehen im Vordergrund<br />
Als Eisner 1978 «Ein Vertrag mit Gott» veröffentli<strong>ch</strong>te,<br />
war die Zeit für diese neue<br />
Form der Comics offenbar reif – denn nur<br />
drei Jahre später wurde in Züri<strong>ch</strong> der<br />
wi<strong>ch</strong>tigste S<strong>ch</strong>weizer Verlag für Graphic<br />
Novels gegründet: die Edition Moderne.<br />
Drei ho<strong>ch</strong>karätige Graphic Novels. Links: «Jimmy<br />
Corrigan – der klügste Junge der Welt» von Chris<br />
Ware. Mitte: «Persepolis» von Marjane Satrapi.<br />
Re<strong>ch</strong>ts: «Tod eines Bankiers» von Matthias<br />
Gnehm.<br />
Ihr grösster Erfolg sind zwar klassis<strong>ch</strong>e<br />
Comics, nämli<strong>ch</strong> die Bände «Züri<strong>ch</strong> by<br />
Mike» des 2009 verstorbenen Mike van<br />
Audenhove. Daneben publiziert die Edition<br />
Moderne aber vor allem Graphic Novels<br />
einer s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en und internationalen<br />
Autorens<strong>ch</strong>aft; <strong>zu</strong> ihren bekanntesten<br />
Künstlern gehören Matthias Gnehm, Jacques<br />
Tardi oder Marjane Satrapi. David<br />
Basler war Mitbegründer der Edition Moderne,<br />
inzwis<strong>ch</strong>en gehört ihm der Verlag.<br />
«Bei Graphic Novels gefällt mir vor allem,<br />
dass sie eine zweite Si<strong>ch</strong>tweise eröffnen»,<br />
meint der 59-Jährige. «Bei einem literaris<strong>ch</strong>en<br />
Roman muss i<strong>ch</strong> mir die Bilder im<br />
Kopf <strong>zu</strong>sammenbauen, bei einer Graphic<br />
Novel bekomme i<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> die Zei<strong>ch</strong>nungen
16 | Graphic Novels <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
Empfehlenswerte Neuers<strong>ch</strong>einungen. Links: «Reportagen» von<br />
Joe Sacco. Re<strong>ch</strong>ts: «Bleierne Hitze» von Baru.<br />
eine zweite Dimension geliefert – und dadur<strong>ch</strong><br />
entsteht eine ganz besondere Atmosphäre.»<br />
Als Fan der ersten Stunde kann<br />
David Basler genau sagen, was eine Graphic<br />
Novel auszei<strong>ch</strong>net: «Anders <strong>als</strong> bei<br />
Comicserien wie Lucky Luke oder Micky<br />
Maus, die oft von vers<strong>ch</strong>iedenen Zei<strong>ch</strong>nern<br />
und Autoren oder gar ganzen Studios produziert<br />
werden, stehen bei Graphic Novels<br />
die Autoren und deren persönli<strong>ch</strong>er Stil im<br />
Vordergrund. Eine Graphic Novel erzählt<br />
in der Regel eine abges<strong>ch</strong>lossene Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te,<br />
sie ist oft kleinformatig und eher dick –<br />
ab 80 Seiten aufwärts.» Vor allem aber<br />
ri<strong>ch</strong>te si<strong>ch</strong> eine Graphic Novel an ein Publik<strong>um</strong><br />
ab mindestens 16, 17 Jahren – und<br />
sie behandle andere Stoffe <strong>als</strong> ein Comic.<br />
«Graphic Novels verkaufen si<strong>ch</strong> übers Thema»,<br />
sagt der Verleger. So seien z<strong>um</strong> Beispiel<br />
die gezei<strong>ch</strong>neten Reportagen von Joe<br />
Sacco, die in der Edition Moderne ers<strong>ch</strong>einen,<br />
ein Dauerbrenner – denn sie bes<strong>ch</strong>äftigen<br />
si<strong>ch</strong> unter anderem mit Palästina und<br />
interessieren daher viele Leute.<br />
Holocaust <strong>als</strong> Fabel – das funktioniert!<br />
Generell zählen historis<strong>ch</strong>e Themen <strong>zu</strong><br />
den wi<strong>ch</strong>tigsten Stoffen von Graphic Novels.<br />
Au<strong>ch</strong> das international wohl bekannteste<br />
Werk der Gattung bereitet ein tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es<br />
Ges<strong>ch</strong>ehen auf: In «Maus – die<br />
Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te eines Überlebenden» erzählt<br />
der New Yorker Autor Art Spiegelman die<br />
Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te seiner jüdis<strong>ch</strong>en Familie im<br />
Holocaust. Er nutzt da<strong>zu</strong> die Form der Fabel:<br />
Die Juden sind Mäuse, die Nazis Katzen,<br />
die Polen S<strong>ch</strong>weine. Für den aufwühlenden,<br />
erzähleris<strong>ch</strong> perfekt gebauten und<br />
zei<strong>ch</strong>neris<strong>ch</strong> aufs Minim<strong>um</strong> reduzierten<br />
Roman erhielt Spiegelman 1992 den Pulitzerpreis,<br />
die wi<strong>ch</strong>tigste Literaturauszei<strong>ch</strong>nung<br />
der USA. Spiegelman hat wohl mehr<br />
<strong>als</strong> jeder andere <strong>zu</strong>r breiten Akzeptanz der<br />
Graphic Novels beigetragen – indem er<br />
zeigte, dass es nun wirkli<strong>ch</strong> kein Thema<br />
gibt, dass si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t auf künstleris<strong>ch</strong> ho<strong>ch</strong>wertige<br />
Weise mit Zei<strong>ch</strong>nungen und<br />
Spre<strong>ch</strong>blasen <strong>um</strong>setzen lässt. Dur<strong>ch</strong> die<br />
Tür, die Spiegelman weit aufstiess, sind<br />
seither viele Künstler gegangen. Und viele<br />
Künstlerinnen: Während der klassis<strong>ch</strong>e<br />
Comic vorwiegend eine Männerangelegenheit<br />
war, gibt es au<strong>ch</strong> zahlrei<strong>ch</strong>e erfolgrei<strong>ch</strong>e<br />
Graphic-Novel-Autorinnen. Eine davon<br />
ist Marjane Satrapi. In «Persepolis»<br />
behandelt sie ihre Kindheit und Jugend im<br />
Iran; das Bu<strong>ch</strong> ist der Bestseller unter den<br />
Graphic Novels, die bislang bei der Edition<br />
Moderne ers<strong>ch</strong>ienen sind.<br />
Trotz Erfolg ein Randprodukt<br />
Dass «Persepolis» seinen Sieges<strong>zu</strong>g von<br />
Frankrei<strong>ch</strong> aus antrat, hat ni<strong>ch</strong>t nur damit<br />
<strong>zu</strong> tun, dass Marjane Satrapi in Paris lebt.<br />
Die Heimat von Asterix und Spirou ist seit<br />
jeher ein guter Nährboden für Bildges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten.<br />
David Basler: «In Frankrei<strong>ch</strong> haben<br />
Comics nie einfa<strong>ch</strong> <strong>als</strong> Kinderzeugs gegolten,<br />
es gibt dort eine ganz andere Tradition.»<br />
Als in Frankrei<strong>ch</strong> kürzli<strong>ch</strong> die neue<br />
Graphic Novel von Jacques Tardi ers<strong>ch</strong>ien –<br />
«Stalag» –, war die Startauflage von 60'000<br />
Stück innerhalb einer Wo<strong>ch</strong>e ausverkauft.<br />
Auf Deuts<strong>ch</strong> verlegt die Edition Moderne<br />
die Werke von Tardi – und David Basler ist<br />
froh, wenn er von den deuts<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen<br />
Bü<strong>ch</strong>ern jeweils eine Auflage von 3000<br />
Stück absetzen kann. «Trotz aller Erfolgs-
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Graphic Novels | 17<br />
meldungen muss man festhalten, dass<br />
Graphic Novels bei uns na<strong>ch</strong> wie vor ein<br />
Randprodukt sind», sagt der Verleger. «Die<br />
erfolgrei<strong>ch</strong>sten davon verkaufen si<strong>ch</strong> auf<br />
Deuts<strong>ch</strong> viellei<strong>ch</strong>t 20'000 Mal.» Do<strong>ch</strong> die<br />
Gesamtauflage von Graphic Novels steigt<br />
unentwegt. Längst sind es ni<strong>ch</strong>t mehr nur<br />
Kleinverlage, die auf dieses Medi<strong>um</strong> setzen<br />
– au<strong>ch</strong> Suhrkamp oder Knesebeck und<br />
Carlsen publizieren Graphic Novels. «Die<br />
«S<strong>ch</strong>weizer<br />
Graphic Novels<br />
können international<br />
mithalten.»<br />
Strategie, mit dem Begriff ‹Graphic Novel›<br />
diese Art von Bü<strong>ch</strong>ern aus den Kinderabteilungen<br />
und aus dem Comicständer heraus<strong>zu</strong>holen,<br />
ist auf jeden Fall aufgegangen»,<br />
meint David Basler überzeugt. Das<br />
Publik<strong>um</strong> reagiere heute ganz anders auf<br />
Graphic Novels <strong>als</strong> no<strong>ch</strong> vor einigen Jahren.<br />
«An Bu<strong>ch</strong>messen kam es früher oft<br />
vor, dass Leute ein Bu<strong>ch</strong> sofort weglegten,<br />
wenn sie sahen, dass es eine Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te in<br />
Bildern erzählt. Heute kommt es ka<strong>um</strong><br />
no<strong>ch</strong> vor, dass si<strong>ch</strong> jemand an der Form<br />
stört.»<br />
S<strong>ch</strong>weiz ein gutes Pflaster<br />
Das Interesse an Graphic Novels ist <strong>als</strong>o da –<br />
do<strong>ch</strong> die Produktion ist vorderhand no<strong>ch</strong> immer<br />
eher gering. David Basler s<strong>ch</strong>ätzt, dass<br />
pro Jahr ka<strong>um</strong> 500 neue Titel auf Deuts<strong>ch</strong><br />
ers<strong>ch</strong>einen. Der Aufwand, ein sol<strong>ch</strong>es Bu<strong>ch</strong><br />
<strong>zu</strong> zei<strong>ch</strong>nen, sei eben sehr gross –<br />
und nur wenige talentierte Künstlerinnen<br />
und Künstler würden wirkli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>halten.<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz ist aber ein re<strong>ch</strong>t gutes<br />
Pflaster für Kunsts<strong>ch</strong>affende. Anders <strong>als</strong><br />
z<strong>um</strong> Beispiel in Deuts<strong>ch</strong>land gibt es bei uns<br />
einigen Support für Graphic Novels. David<br />
Basler verweist auf Druck<strong>zu</strong>s<strong>ch</strong>üsse dur<strong>ch</strong><br />
die Stadt Züri<strong>ch</strong>, die Migros oder den Kanton<br />
Aargau. Sol<strong>ch</strong>e Unterstüt<strong>zu</strong>ng habe<br />
das Niveau zweifellos angehoben, sagt der<br />
Verleger. «S<strong>ch</strong>weizer Graphic Novels können<br />
international mithalten, was si<strong>ch</strong> allein<br />
s<strong>ch</strong>on in der Tatsa<strong>ch</strong>e zeigt, dass die<br />
Werke von Matthias Gnehm jetzt au<strong>ch</strong> in<br />
Frankrei<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>einen.» Also dort, wo<br />
Graphic Novels s<strong>ch</strong>on lange das sind, was<br />
sie bei uns allmähli<strong>ch</strong> werden: eine Selbstverständli<strong>ch</strong>keit.<br />
5 Klassiker,<br />
die alle haben sollten<br />
Ein Vertrag mit Gott<br />
Will Eisner<br />
508 Seiten<br />
CHF 53.00<br />
Carlsen<br />
Will Eisners «Miethausges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten»<br />
von 1978 gelten <strong>als</strong> erste<br />
Graphic Novel überhaupt – und<br />
sind in diesem Band mit zwei weiteren literaris<strong>ch</strong>en<br />
Bilderges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten des Pioniers vereint worden. Ein idealer<br />
Einstieg ins Graphic-Novel-Univers<strong>um</strong>!<br />
Maus<br />
Art Spiegelman<br />
293 Seiten<br />
CHF 24.90<br />
Fis<strong>ch</strong>er<br />
Das Unausspre<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Tieren in<br />
den Mund gelegt: Art Spiegelman<br />
erzählt die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te seines<br />
Vaters, der Aus<strong>ch</strong>witz überlebte, <strong>als</strong> Fabel. Dafür gewann<br />
er 1992 den Pulitzer-Preis – und damit ebnete er der<br />
Graphic Novel den Weg ins Feuilleton und <strong>zu</strong> einem<br />
erwa<strong>ch</strong>senen Publik<strong>um</strong>.<br />
Jimmy Corrigan – der<br />
klügste Junge der Welt<br />
Chris Ware<br />
384 Seiten<br />
CHF 55.00<br />
Reprodukt<br />
Chris Ware ist ein Meister der minutiösen Gestaltung: Er<br />
zieht auf Papier alle filmis<strong>ch</strong>en Register vom Zoom über<br />
die Totale bis z<strong>um</strong> Zeitraffer und konzipiert jede Seite <strong>als</strong><br />
Bild für si<strong>ch</strong>. Ein feiner Stil für eine feinsinnige Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />
über einen linkis<strong>ch</strong>en Enddreissiger. Endli<strong>ch</strong> liegt dieses<br />
Meisterwerk au<strong>ch</strong> auf Deuts<strong>ch</strong> vor!<br />
Persepolis<br />
Marjane Satrapi<br />
356 Seiten<br />
CHF 39.90<br />
Edition Moderne<br />
Eine gerade<strong>zu</strong> prototypis<strong>ch</strong>e Graphic<br />
Novel: In holzs<strong>ch</strong>nittartigen<br />
Bildern beri<strong>ch</strong>tet Marjane Satrapi<br />
von ihrer Kindheit in Iran <strong>zu</strong>r Zeit der Revolution. Die<br />
Künstlerin hat das lei<strong>ch</strong>t <strong>zu</strong>gängli<strong>ch</strong>e Bu<strong>ch</strong>, das man ka<strong>um</strong><br />
no<strong>ch</strong> aus der Hand legen will, selber verfilmt.<br />
Stadt aus Glas<br />
Paul Auster und<br />
David Maz<strong>zu</strong>c<strong>ch</strong>elli<br />
135 Seiten<br />
CHF 23.90<br />
Reprodukt<br />
Viele Graphic Novels adaptieren<br />
literaris<strong>ch</strong>e Vorlagen. Ein geglücktes<br />
Beispiel dafür ist «Stadt aus Glas» – dem früheren<br />
Superhelden-Zei<strong>ch</strong>ner David Maz<strong>zu</strong>c<strong>ch</strong>elli gelang hier die<br />
kongeniale Umset<strong>zu</strong>ng eines Romans aus Paul Austers<br />
New-York-Trilogie.<br />
Herausragende<br />
Neuers<strong>ch</strong>einungen<br />
Reportagen<br />
Joe Sacco<br />
196 Seiten<br />
CHF 33.90<br />
Edition Moderne<br />
Joe Sacco bezei<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> <strong>als</strong> zei<strong>ch</strong>nenden<br />
Journalisten und gilt <strong>als</strong><br />
Erfinder der Comic-Reportage: Er<br />
verbindet tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e aktuelle Ereignisse mit subjektiven<br />
Eindrücken. Der neue Band vereint seine Doku-Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />
aus Den Haag, Palästina, Irak, Malta, Indien und dem<br />
Kaukasus.<br />
Marx<br />
Corinne Maier und Anne Simon<br />
64 Seiten<br />
CHF 31.90<br />
Knesebeck<br />
Biografien zählen <strong>zu</strong> den beliebtesten<br />
Stoffen von Graphic Novels.<br />
Eine geglückte Neuers<strong>ch</strong>einung in<br />
diesem Berei<strong>ch</strong> ist «Marx»: Die französis<strong>ch</strong>en Autorinnen<br />
bringen einem auf lei<strong>ch</strong>te Weise das Leben und die Überzeugungen<br />
des Philosophen näher.<br />
Huck Finn<br />
Olivia Vieweg<br />
141 Seiten<br />
CHF 31.90<br />
Suhrkamp<br />
Suhrkamp fährt vor allem mit<br />
Literatur-Adaptionen auf dem<br />
Graphic-Novel-Zug mit. Die junge<br />
Zei<strong>ch</strong>nerin Olivia Vieweg hat Mark Twains Klassiker<br />
na<strong>ch</strong> Ostdeuts<strong>ch</strong>land verlegt – und das funktioniert<br />
überras<strong>ch</strong>end gut.<br />
Bleierne Hitze<br />
Baru<br />
109 Seiten<br />
CHF 32.90<br />
Edition 52<br />
Der Franzose Baru gehört <strong>zu</strong> den<br />
wi<strong>ch</strong>tigsten europäis<strong>ch</strong>en Graphic-<br />
Novel-Autoren. Sein neuestes,<br />
s<strong>ch</strong>ön buntes Werk erzählt von einem Bauernbub, der<br />
von einer Karriere <strong>als</strong> Mafiaboss trä<strong>um</strong>t – und wegen<br />
eines geheimnisvollen Funds tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> auf die s<strong>ch</strong>iefe<br />
Bahn gerät.<br />
Game of Thrones 1.<br />
Das Lied von Eis und Feuer<br />
GEORGE R.R. MARTIN<br />
DANIEL ABRAHAM<br />
109 Seiten<br />
CHF 31.90<br />
Panini Manga und Comics<br />
Martins epis<strong>ch</strong>es Fantasy-Werk <strong>als</strong> Comic – geeignet au<strong>ch</strong><br />
für alle, die mit mögli<strong>ch</strong>st wenig Aufwand wissen wollen,<br />
war<strong>um</strong> «Game of Thrones» gegenwärtig derart abrä<strong>um</strong>t.
18 | Im S<strong>ch</strong>aufenster <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
Es kommt Dicker<br />
Der Genfer Autor Joël Dicker erzählt den Fall Harry Quebert –<br />
und dana<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> die Wahrheit über den Fall<br />
Harry Quebert. Der Krimi ist ein viels<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tiges, unterhaltendes<br />
Verwirrspiel.<br />
Benjamin Gygax<br />
Jeremy Spierer<br />
ren – Nolas Vater und Freundinnen, ihre<br />
Arbeitgeberin im lokalen Diner, die Polizeibeamten.<br />
Na<strong>ch</strong> und na<strong>ch</strong> erfahren wir mit<br />
Marcus Goldman, dass viele von ihnen etwas<br />
mehr wissen oder ein biss<strong>ch</strong>en stärker<br />
in die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te verwickelt sind, <strong>als</strong> es<br />
<strong>zu</strong>nä<strong>ch</strong>st den Ans<strong>ch</strong>ein ma<strong>ch</strong>t. Joël Dicker<br />
deckt seinen Plot S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t <strong>um</strong> S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t auf<br />
und vollzieht dabei mehr <strong>als</strong> einmal eine<br />
atemberaubende Kehrtwende, bis Marcus<br />
Goldmann si<strong>ch</strong> endli<strong>ch</strong> von seiner S<strong>ch</strong>reibblockade<br />
lösen und «Die Wahrheit über den<br />
Fall Harry Quebert» s<strong>ch</strong>reiben kann.<br />
Im kleinen S<strong>ch</strong>weizer Literaturzirkus sind<br />
Sensationen eher selten. 2012 gab es aber<br />
eine <strong>zu</strong> bestaunen: «La verité sur l’affaire<br />
Harry Quebert» des Genfers Joël Dicker.<br />
Der 700 Seiten starke Krimi wurde in der<br />
Romandie begeistert aufgenommen und in<br />
Frankrei<strong>ch</strong> mit Lob und Preisen überhäuft.<br />
Der erst 28-jährige Autor erhielt den<br />
Grand Prix du Roman der Académie Française<br />
<strong>zu</strong>gespro<strong>ch</strong>en und glei<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong><br />
den Prix Goncourt des Lycéens und den<br />
Prix littéraire de la Vocation. Die Ver leihung<br />
dieser renommierten Auszei<strong>ch</strong>nungen<br />
blieb ni<strong>ch</strong>t folgenlos: Joël Dickers Roman<br />
ging in Frankrei<strong>ch</strong> über 600'000-mal über<br />
die Verkaufstheke, die Überset<strong>zu</strong>ngsre<strong>ch</strong>te<br />
wurden in über 30 Spra<strong>ch</strong>en verkauft.<br />
Jetzt errei<strong>ch</strong>t die Sensation au<strong>ch</strong> die<br />
Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weiz: Piper hat die Überset<strong>zu</strong>ng<br />
«Die Wahrheit über den Fall Harry<br />
Quebert» herausgebra<strong>ch</strong>t.<br />
Asyl in Neuengland<br />
Womit hat der Autor sol<strong>ch</strong>e Begeisterungsstürme<br />
entfa<strong>ch</strong>t? Thema und Ort der<br />
Handlung erinnern ein wenig an die grossen<br />
amerikanis<strong>ch</strong>en Autoren Philip Roth<br />
oder Jonathan Franzen: Der junge S<strong>ch</strong>riftsteller<br />
Marcus Goldman brütet in New York<br />
über seinem zweiten Werk. «Zu Beginn des<br />
Jahres 2008, <strong>als</strong>o rund anderthalb Jahre<br />
na<strong>ch</strong>dem i<strong>ch</strong> dank meines ersten Romans<br />
z<strong>um</strong> neuen Häts<strong>ch</strong>elkind der amerikanis<strong>ch</strong>en<br />
Literaturszene geworden war, ereilte<br />
mi<strong>ch</strong> eine für<strong>ch</strong>terli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>affenskrise,<br />
ein Syndrom, das bei S<strong>ch</strong>riftstellern, die<br />
einen sofortigen, dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>lagenden Erfolg<br />
erlebt haben, offenbar ni<strong>ch</strong>t selten vorkommt»,<br />
beri<strong>ch</strong>tet der Protagonist. «Die<br />
Krankheit befiel mi<strong>ch</strong> allerdings ni<strong>ch</strong>t<br />
s<strong>ch</strong>lagartig, sondern nistete si<strong>ch</strong> ganz<br />
langsam ein. Es war, <strong>als</strong> würde mein Gehirn,<br />
einmal befallen, na<strong>ch</strong> und na<strong>ch</strong> einfrieren.»<br />
Jetzt sitzt Goldman sein Agent im<br />
Genick und sein Verleger wirft ihm an den<br />
Kopf: «Verstehst du was von Wirts<strong>ch</strong>aft,<br />
Marc? Bü<strong>ch</strong>er sind ein austaus<strong>ch</strong>bares<br />
Produkt geworden. Die Leute wollen ein<br />
Bu<strong>ch</strong>, das ihnen gefällt, sie ablenkt und<br />
unterhält. Und wenn du ihnen das ni<strong>ch</strong>t<br />
lieferst, tut es dein Na<strong>ch</strong>bar, und du bist<br />
abgemeldet.» In seiner Not besinnt si<strong>ch</strong><br />
Marcus Goldman auf Harry Quebert. Dieser<br />
war ni<strong>ch</strong>t nur sein College-Professor<br />
und Boxtrainer, sondern ist selber einer<br />
der angesehensten Autoren Amerikas und<br />
hatte Marcus <strong>als</strong> Mentor da<strong>zu</strong> gebra<strong>ch</strong>t,<br />
seinen Tra<strong>um</strong> vom S<strong>ch</strong>reiben mit Biss <strong>zu</strong><br />
verfolgen. Also fährt der Jungautor <strong>zu</strong> seinem<br />
Mentor in die vers<strong>ch</strong>lafene Küstenstadt<br />
Aurora in New Hampshire.<br />
«Joël Dicker deckt<br />
seinen Plot S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t<br />
<strong>um</strong> S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t auf<br />
und vollzieht dabei<br />
mehr <strong>als</strong> einmal<br />
eine atemberaubende<br />
Kehrtwende.»<br />
Eine verbotene Liebe und ihre Folgen<br />
Während si<strong>ch</strong> Marcus bei Harry in dessen<br />
Strandhaus ausweint, platzt die Bombe:<br />
Auf dem Anwesen wird die Lei<strong>ch</strong>e von Nola<br />
Kellergan gefunden. Sie vers<strong>ch</strong>wand 1975,<br />
erst 15-jährig. Seither liegt ein S<strong>ch</strong>atten<br />
über der bes<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>e Gemeinde. Und jetzt<br />
erfährt Marcus: Den Teenager und den arrivierten<br />
Autor in seinen Dreissigern verband<br />
eine innige Beziehung – und Harry<br />
Queberts gefeierter Roman «Der Ursprung<br />
des Übels» ist die literaris<strong>ch</strong>e Verarbeitung<br />
jener verbotenen Liebe. Quebert ist der<br />
Hauptverdä<strong>ch</strong>tige und wird in Haft genommen.<br />
Gegen jeden gutgemeinten Rat bleibt<br />
Marcus in Aurora und re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>iert auf eigene<br />
Faust, weil er ni<strong>ch</strong>t an die S<strong>ch</strong>uld seines<br />
väterli<strong>ch</strong>en Freunds glauben will. Also<br />
befragt er alle Bewohner der kleinen Stadt,<br />
die vor 33 Jahren s<strong>ch</strong>on hier ansässig wa-<br />
Das Spiel mit dem Alter Ego<br />
Ein Bu<strong>ch</strong> im Bu<strong>ch</strong> und beide mit identis<strong>ch</strong>em<br />
Titel. Ein junger Erfolgsautor mit<br />
seinem zweiten Werk: Die Parallelen s<strong>ch</strong>einen<br />
offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>! Ist Marcus Goldman<br />
das Alter Ego von Joël Dicker? Der Genfer<br />
verneint ausdrückli<strong>ch</strong> und sagt, er habe<br />
über einen Erfolgsautor ges<strong>ch</strong>rieben, während<br />
<strong>zu</strong> dieser Zeit mehrere seiner Manuskripte<br />
abgelehnt worden waren. «Was<br />
mi<strong>ch</strong> mit Marcus verbindet, ist die Begeisterung<br />
für Sport, aber au<strong>ch</strong> die obsessive<br />
Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> der Wahrheit und seinen Blick<br />
auf das Leben, der <strong>zu</strong>weilen no<strong>ch</strong> etwas<br />
vers<strong>ch</strong>wommen ist.» Dicker dementiert<br />
<strong>als</strong>o und s<strong>ch</strong>eint Verglei<strong>ch</strong>e denno<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>gerade<br />
<strong>zu</strong> provozieren. Er spielt vergnügt<br />
mit der Erwartung seiner Leserinnen und<br />
Leser, vieles davon spiegelt si<strong>ch</strong> in kurzen<br />
Rückblenden auf die Vergangenheit von<br />
Mentor und S<strong>ch</strong>üler. Einmal lässt Dicker<br />
Harry sagen: «I<strong>ch</strong> werde Ihnen einunddreissig<br />
Rats<strong>ch</strong>läge geben, und zwar im<br />
Lauf der nä<strong>ch</strong>sten Jahre. Ni<strong>ch</strong>t alle auf einmal.»<br />
Und auf Marcus Frage hin, wieso es<br />
gerade einunddreissig sind: «Weil einunddreissig<br />
ein wi<strong>ch</strong>tiges Alter ist. Das erste<br />
Jahrzehnt formt Sie <strong>als</strong> Kind. Das zweite<br />
<strong>als</strong> Erwa<strong>ch</strong>sener. Und das dritte ma<strong>ch</strong>t Sie<br />
z<strong>um</strong> Mann oder au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t. Mit einunddreissig<br />
sind Sie aus dem Gröbsten raus.»<br />
Joël Dicker ist zwar erst 28 Jahre alt,<br />
s<strong>ch</strong>eint aber das Gröbste au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on hinter<br />
si<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> haben. Er sagt: «I<strong>ch</strong> habe das<br />
Gefühl, in den letzten zwei Monaten <strong>um</strong><br />
zehn Jahre gealtert <strong>zu</strong> sein und glei<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong><br />
einmal zehn am Tag der Preisverkündigung<br />
des Goncourt.» Der Sohn eines Französis<strong>ch</strong>lehrers<br />
und einer Bu<strong>ch</strong>händlerin<br />
gründete mit zehn Jahren eine Tierzeits<strong>ch</strong>rift,<br />
die immerhin fünf Jahre lang ers<strong>ch</strong>ien.<br />
Na<strong>ch</strong> der Matura zog er na<strong>ch</strong> Paris,<br />
wo er ein Jahr lang am Cours Florent<br />
S<strong>ch</strong>auspiel studierte. 2010 s<strong>ch</strong>loss er an<br />
der Universität Genf sein Jurastudi<strong>um</strong> ab.<br />
2012 ers<strong>ch</strong>ien sein Erstling «Les Derniers<br />
Jours de nos pères», ein historis<strong>ch</strong>er Roman<br />
aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Im S<strong>ch</strong>aufenster | 19<br />
«Wenn Sie die<br />
Nase mal in diesen<br />
grossen Roman gesteckt<br />
haben, sind<br />
Sie hin und weg.»<br />
weg.» Ein anderes Jurymitglied, der Autor<br />
Patrick Rambaud, fand glei<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> der<br />
Preisverkündigung weniger s<strong>ch</strong>mei<strong>ch</strong>elhafte<br />
Worte. Er bezei<strong>ch</strong>nete das Bu<strong>ch</strong> <strong>als</strong><br />
«Strandlektüre mit s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten Dialogen».<br />
Abgesehen davon, dass Lesen am Strand<br />
eine s<strong>ch</strong>öne Sa<strong>ch</strong>e ist, hat er einen wunden<br />
Punkt erwis<strong>ch</strong>t: Die Szenen zwis<strong>ch</strong>en dem<br />
unglei<strong>ch</strong>en Liebespaar Harry und Nola wirken<br />
hin und wieder tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> etwas pathetis<strong>ch</strong>.<br />
Ob das wirkli<strong>ch</strong> Joël Dickers Vers<strong>ch</strong>ulden<br />
ist, ob es an der Überset<strong>zu</strong>ng liegt<br />
oder ob der Autor mit diesem Stil sogar das<br />
Alter des Mäd<strong>ch</strong>ens hervorheben will,<br />
muss der Leser selbst beurteilen. Dass si<strong>ch</strong><br />
der S<strong>ch</strong>riftsteller in diesen Teenager verlieben<br />
soll, wird mit diesen Dialogen ni<strong>ch</strong>t<br />
plausibler. Definitiv unglaubwürdig ist dagegen,<br />
dass si<strong>ch</strong> der bärbeissige Ermittler<br />
so auf Marcus einlässt, ihn über Ermittlungsergebnisse<br />
informiert und ihn gar an<br />
offiziellen Zeugeneinvernahmen teilnehmen<br />
lässt. Aber wen kümmert das bei einem<br />
Krimi? Bei einem so vol<strong>um</strong>inösen und<br />
viels<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tigen Bu<strong>ch</strong> wäre es kleinli<strong>ch</strong>, dem<br />
Autor eine Ungenauigkeit vor<strong>zu</strong>halten, die<br />
eine packende Kriminalges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te vorwärts<br />
treibt – bis <strong>zu</strong>r verblüffenden Wahrheit<br />
im Fall Harry Quebert.<br />
Vom Leben, S<strong>ch</strong>reiben und Fallen<br />
Bei einem so raffiniert vers<strong>ch</strong>lungenen Plot<br />
wie jenem von «Die Wahrheit über den Fall<br />
Harry Quebert» kann man ka<strong>um</strong> glauben,<br />
dass er ni<strong>ch</strong>t auf dem Reissbrett entworfen<br />
wurde. Do<strong>ch</strong> Dicker beteuert: «Es gibt keinen<br />
Plan. Meine Methode besteht vielmehr<br />
darin, mir <strong>zu</strong> vertrauen und voran <strong>zu</strong> gehen.<br />
Das ist eine lange und bisweilen entmutigende<br />
Arbeit.» Viellei<strong>ch</strong>t hat diese Arbeitsweise<br />
<strong>zu</strong> einem Motiv geführt, wel<strong>ch</strong>es<br />
das ganze Bu<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>zieht. Harry verglei<strong>ch</strong>t<br />
das Leben und das S<strong>ch</strong>reiben mit<br />
dem Fallen: «S<strong>ch</strong>auen Sie si<strong>ch</strong> do<strong>ch</strong> an,<br />
Marcus: Sie trauen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t <strong>zu</strong> fallen. Und<br />
genau deshalb werden Sie, wenn Sie das<br />
ni<strong>ch</strong>t ändern, ein hohler, ni<strong>ch</strong>tssagender<br />
Mens<strong>ch</strong> werden. Wie kann man leben,<br />
wenn man ni<strong>ch</strong>t fallen kann?» Es sind sol<strong>ch</strong>e<br />
Abs<strong>ch</strong>nitte, die den Krimi <strong>zu</strong> einer interessanten<br />
Reflexion über das S<strong>ch</strong>reiben<br />
ma<strong>ch</strong>en. Andere Leserinnen und Leser sehen<br />
ihn vor allem <strong>als</strong> Spiegel Amerikas, wo<br />
Metropolen und Kleinstädte, Offenheit und<br />
Bigotterie oder Erfolg und Verdammnis so<br />
nahe nebeneinander existieren. Joël Dicker<br />
kennt Neuengland von regelmässigen<br />
und längeren Aufenthalten gut und liebt es.<br />
Grosser Roman oder Strandlektüre?<br />
Bei allem Erfolg – «Die Wahrheit über den<br />
Fall Harry Quebert» fand ni<strong>ch</strong>t nur Gefallen.<br />
Zwar sagte Bernard Pivot, Literaturjournalist<br />
und Jurymitglied des Goncourt:<br />
«Wenn Sie die Nase mal in diesen grossen<br />
Roman gesteckt haben, sind Sie hin und<br />
Die Wahrzeit über den<br />
Fall Harry Quebert<br />
724 Seiten<br />
CHF 35.90<br />
Piper
20 | Brasilien <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
Zeugnisse einer<br />
Welt im Wandel<br />
Die brasilianis<strong>ch</strong>e Literatur bietet weit mehr <strong>als</strong> den Exports<strong>ch</strong>lager Paulo Coelho. Nun kann man<br />
ihre Vielfalt no<strong>ch</strong> besser erkunden – denn anlässli<strong>ch</strong> der Frankfurter Bu<strong>ch</strong>messe, an der Brasilien<br />
z<strong>um</strong> zweiten Mal Ehrengast ist, wurden viele Bü<strong>ch</strong>er neu ins Deuts<strong>ch</strong>e übersetzt.<br />
Markus Ganz<br />
Eine eigenständige S<strong>ch</strong>riftkultur hat Brasilien<br />
no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t sehr lang. Im Jahr 1500 soll<br />
der Steuermann des portugiesis<strong>ch</strong>en Seefahrers<br />
und Brasilien-Entdeckers Pedro<br />
Alvares Cabral <strong>als</strong> erster über diese Weltgegend<br />
ges<strong>ch</strong>rieben haben. In einem 27<br />
Seiten langen Brief bes<strong>ch</strong>rieb er dem portugiesis<strong>ch</strong>en<br />
König Manuel I. die Tropenwelt<br />
und deren Bewohner, wel<strong>ch</strong>e die<br />
S<strong>ch</strong>iffmanns<strong>ch</strong>aft an der Küste von Salvador<br />
da Bahia vorfand. No<strong>ch</strong> lange sollte der<br />
portugiesis<strong>ch</strong>e Blickwinkel die s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>e<br />
Wahrnehmung von Brasilien prägen, denn<br />
es waren <strong>zu</strong>nä<strong>ch</strong>st vor allem portugiesis<strong>ch</strong>e<br />
Reisende und Missionare, die Land<br />
und Leute bes<strong>ch</strong>rieben. Aber au<strong>ch</strong> die ersten<br />
S<strong>ch</strong>riftsteller urteilten meist aus kolonialer<br />
Si<strong>ch</strong>t.<br />
Als der portugiesis<strong>ch</strong>e König Joao IV. 1808<br />
auf der Flu<strong>ch</strong>t vor Napoleon in Brasilien<br />
ankam, soll es dort no<strong>ch</strong> keine gedruckte<br />
Presse gegeben haben. Erst <strong>als</strong> das Land<br />
1822 unabhängig wurde, begann man si<strong>ch</strong><br />
von europäis<strong>ch</strong>en Traditionen <strong>zu</strong> emanzipieren.<br />
Es entstand eine brasilianis<strong>ch</strong>e<br />
S<strong>ch</strong>riftkultur, die stark vom S<strong>ch</strong>melztiegel-<br />
Charakter des Lands geprägt ist und au<strong>ch</strong><br />
den Hintergrund der afrikanis<strong>ch</strong>en und<br />
indigenen Minderheiten aufgenommen<br />
hat. Ges<strong>ch</strong>rieben wird allerdings bis heute<br />
Portugiesis<strong>ch</strong> – die Spra<strong>ch</strong>e der ehemaligen<br />
Kolonialma<strong>ch</strong>t, wenn au<strong>ch</strong> in brasilianis<strong>ch</strong>er<br />
Ausprägung. 97 Prozent der Einwohner<br />
bezei<strong>ch</strong>nen das brasilianis<strong>ch</strong>e<br />
Portugiesis<strong>ch</strong> <strong>als</strong> Mutterspra<strong>ch</strong>e, nur<br />
0,1 Prozent spre<strong>ch</strong>en eine Indianerspra<strong>ch</strong>e.<br />
Uns<strong>ch</strong>lagbare Klassiker<br />
Paulo Coelho ist ni<strong>ch</strong>t nur der bekannteste<br />
S<strong>ch</strong>riftsteller Brasiliens, sondern au<strong>ch</strong> einer<br />
der erfolgrei<strong>ch</strong>sten Autoren der Welt.<br />
Bereits mit seinem zweiten Bu<strong>ch</strong> gelang<br />
dem 1947 geborenen S<strong>ch</strong>riftsteller der<br />
ganz grosse Wurf. Der Roman «Der Al<strong>ch</strong>imist»<br />
ers<strong>ch</strong>ien 1988, entwickelte si<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong><br />
erst in den 1990er-Jahren z<strong>um</strong> weltweiten<br />
Bestseller, der in über 60 Spra<strong>ch</strong>en<br />
übersetzt wurde. Rund 30 Millionen Exemplare<br />
sollen si<strong>ch</strong> bisher verkauft haben,<br />
davon eine Million in deuts<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e.<br />
Anfangs dieses Jahrs ers<strong>ch</strong>ien der neuste<br />
Roman von Coelho: «Die S<strong>ch</strong>riften von<br />
Accra». Er handelt von einem geheimnisvollen<br />
Fremden, der auf der Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong><br />
Abenteuern und Rei<strong>ch</strong>t<strong>um</strong> in die Welt geht<br />
und Antworten auf die grossen Fragen der<br />
Mens<strong>ch</strong>heit findet.<br />
Zu den populärsten lateinamerikanis<strong>ch</strong>en<br />
Autoren des 20. Jahrhunderts gehört au<strong>ch</strong><br />
der 1912 geborene Jorge Amado. Bis <strong>zu</strong><br />
seinem Tod 2001 gelang es ihm immer<br />
wieder, ernste Anliegen in Komödien <strong>zu</strong><br />
verpacken. Derart thematisierte er in seinen<br />
35 Bü<strong>ch</strong>ern immer wieder au<strong>ch</strong> die<br />
rassistis<strong>ch</strong>e Diskriminierung in seiner Heimat.<br />
«Zwei Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten von der See» zeigt,<br />
wie zeitlos und hö<strong>ch</strong>st vergnügli<strong>ch</strong> seine<br />
lebensnahen S<strong>ch</strong>ilderungen sind. Komis<strong>ch</strong><br />
ist besonders die neu übersetzte Erzählung<br />
«Der Tod und der Tod des Quincas Berro<br />
Dágua» von 1959. Heisst es bei James<br />
Bond, man lebe nur zweimal, so muss der<br />
Antiheld hier glei<strong>ch</strong> dreimal sterben. Die<br />
Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te bekundet z<strong>um</strong> einen die absolute<br />
Sympathie für die Aussenseiter dieser<br />
Welt. Sie ist aber au<strong>ch</strong> ein Manifest für das<br />
Anre<strong>ch</strong>t aller Mens<strong>ch</strong>en, ihre Lebensweise<br />
selber bestimmen <strong>zu</strong> können – und da<strong>zu</strong><br />
gehört au<strong>ch</strong> die Art ihres Tods.<br />
Leidens<strong>ch</strong>aft und Tod<br />
Neben existentiellen Fragen spielt in der<br />
brasilianis<strong>ch</strong>en Literatur au<strong>ch</strong> die Liebe<br />
immer wieder eine herausragende Rolle.<br />
Brasilien<br />
mg. Die Dimensionen von Brasilien sind<br />
in man<strong>ch</strong>erlei Hinsi<strong>ch</strong>t aussergewöhnli<strong>ch</strong>.<br />
Das südamerikanis<strong>ch</strong>e Land ist sowohl<br />
bezügli<strong>ch</strong> der Flä<strong>ch</strong>e wie au<strong>ch</strong> der Bevölkerung<br />
der fünftgrösste Staat der Erde. Es<br />
leben dort fast 25-mal mehr Leute <strong>als</strong> in<br />
der S<strong>ch</strong>weiz, unser Land fände allerdings<br />
200-mal Platz in Brasilien. Rund die Hälfte<br />
der fast 200 Millionen Brasilianer haben<br />
afrikanis<strong>ch</strong>e Vorfahren, die zwis<strong>ch</strong>en dem<br />
16. und 19. Jahrhundert <strong>als</strong> Sklaven na<strong>ch</strong><br />
Südamerika kamen. 2005 bezei<strong>ch</strong>nete si<strong>ch</strong><br />
die Hälfte der Brasilianer <strong>als</strong> Weisse, 43<br />
Prozent <strong>als</strong> Mis<strong>ch</strong>linge, 6,3 Prozent <strong>als</strong><br />
S<strong>ch</strong>warze und 0,7 Prozent <strong>als</strong> Asiaten oder<br />
Indigene. Brasilien erlebte in den letzten<br />
Jahrzehnten einen gewaltigen Aufstieg <strong>zu</strong>r<br />
se<strong>ch</strong>stgrössten Volkswirts<strong>ch</strong>aft der Welt.<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftsexperten gehen aber davon<br />
aus, dass die goldenen Zeiten für Brasiliens<br />
Wirts<strong>ch</strong>aft bereits wieder vorbei sind.<br />
Marçal Aquino verbindet in seinem Roman<br />
«Flieh. Und nimm die Dame mit.»<br />
die beiden Themenkomplexe dramatis<strong>ch</strong>.<br />
Im Mittelpunkt des Bu<strong>ch</strong>s steht eine Frau,<br />
die zwei Seiten hat: eine dunkle selbstzerstöreris<strong>ch</strong>e<br />
und eine helle verführeris<strong>ch</strong>e.<br />
Zwei Männer verfallen ihr: ein am Fernsehen<br />
vor der gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Fäulnis warnender<br />
Pater und der Erzähler, ein Journalist<br />
in der Sinnkrise. Dem 1958 geborenen<br />
Autor gelingt es, die abgründige Art dieser<br />
Beziehungen mit der spannungsgeladenen<br />
Stimmung in einer Goldgräberstadt <strong>zu</strong><br />
grundieren.<br />
Spiegel der Entwicklung<br />
Goldgräberstädte gibt es zwar no<strong>ch</strong> heute<br />
im modernen, boomenden Brasilien. Der<br />
Literaturkritiker Manuel da Costa Pinto
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Brasilien | 21<br />
© KEYSTONE / Ayse Yavas<br />
© Marcelo Correa<br />
Brasilien ist ein riesiges Land – und seine Literatur daher ausserordentli<strong>ch</strong> vielseitig. Brasilianis<strong>ch</strong>e Autorinnen und Autoren im Uhrzeigersinn von links oben:<br />
Paulo Coelho, Ana Paula Maia, Jorge Amado, Marçal Aquino, Luiz Ruffato, Andréa del Fuego und Daniel Galera.
22 | Brasilien <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
betonte in einer Vors<strong>ch</strong>au auf die Frankfurter<br />
Bu<strong>ch</strong>messe aber, wie rasant si<strong>ch</strong><br />
Brasilien seit Mitte des 20. Jahrhunderts<br />
modernisiert und urbanisiert habe. Viele<br />
Autoren wirkten <strong>als</strong> Chronisten dieses dynamis<strong>ch</strong>en<br />
Prozesses, der si<strong>ch</strong> faszinierend<br />
in der Gesells<strong>ch</strong>aft widerspiegle. Zu<br />
diesen S<strong>ch</strong>riftstellern darf man au<strong>ch</strong> Andréa<br />
del Fuego zählen, die 1975 geboren<br />
wurde und aus dem Journalismus kommt.<br />
In «Ges<strong>ch</strong>wister des Wassers» erzählt sie<br />
ni<strong>ch</strong>t nur das berührende S<strong>ch</strong>icksal dreier<br />
Ges<strong>ch</strong>wister, die in einer ar<strong>ch</strong>ais<strong>ch</strong> gebliebenen<br />
Welt plötzli<strong>ch</strong> ihre Eltern verlieren.<br />
Luiz Ruffato entwirft<br />
in 69 Szenen<br />
ein kaleidoskopis<strong>ch</strong>es<br />
Abbild der<br />
Megacity São Paulo<br />
mit ihrem Glamour<br />
und ihrem Elend.<br />
Sie s<strong>ch</strong>ildert au<strong>ch</strong> beklemmend die Verstrickungen<br />
dieser Familie mit dem Gutsbesitzer,<br />
der so herris<strong>ch</strong> über die Kinder wie<br />
über das Leben seiner Angestellten verfügt.<br />
Der Bau einer Sta<strong>um</strong>auer verändert<br />
das Leben aller, do<strong>ch</strong> trotz Ein<strong>zu</strong>g der<br />
Elektrizität verlieren die Mens<strong>ch</strong>en ihren<br />
Sinn für das Übersinnli<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t.<br />
Zei<strong>ch</strong>en der Moderne<br />
Au<strong>ch</strong> Daniel Galera gehört mit Jahrgang<br />
1979 <strong>zu</strong>r jüngeren Generation der brasilianis<strong>ch</strong>en<br />
S<strong>ch</strong>riftsteller. Das merkt man<br />
au<strong>ch</strong> seinen Themen an; sie haben oft mit<br />
Problemen von Jugendli<strong>ch</strong>en im modernen<br />
Brasilien <strong>zu</strong> tun. Im Mittelpunkt von<br />
Galeras Roman «Flut» steht ein junger<br />
Mann, dessen Vater si<strong>ch</strong> direkt vor ihm<br />
ers<strong>ch</strong>iesst. Daraufhin lässt der junge Mann<br />
die s<strong>ch</strong>werverletzte Hündin des Vaters<br />
ni<strong>ch</strong>t eins<strong>ch</strong>läfern, wie dieser von ihm verlangt<br />
hat. Er päppelt sie vielmehr auf und<br />
zieht mit ihr in den Süden. Dort will er ergründen,<br />
wieso sein Grossvater einst vers<strong>ch</strong>wand.<br />
In die Quere kommt ihm dabei,<br />
dass er Gesi<strong>ch</strong>ter vergisst, sie ni<strong>ch</strong>t wiedererkennen<br />
kann. Dies führt im Alltag <strong>zu</strong><br />
s<strong>ch</strong>wierigen, man<strong>ch</strong>mal aber au<strong>ch</strong> angenehmen<br />
Situationen. Einer Freundin s<strong>ch</strong>ildert<br />
er die eigenartigen Folgen so: «I<strong>ch</strong><br />
kann mi<strong>ch</strong> erinnern, dass du sehr s<strong>ch</strong>ön<br />
warst. Da freue i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> natürli<strong>ch</strong>, di<strong>ch</strong><br />
wieder<strong>zu</strong>sehen».<br />
Es wundert einen ni<strong>ch</strong>t, dass Ana Paula<br />
Maia <strong>als</strong> Jugendli<strong>ch</strong>e in einer Punkband<br />
gespielt hat. Denn in «Krieg der Bastarde»<br />
spart die 1977 geborene S<strong>ch</strong>riftstellerin<br />
ni<strong>ch</strong>t mit drastis<strong>ch</strong>en Bildern und direkter<br />
Spra<strong>ch</strong>e. Sie bes<strong>ch</strong>reibt die<br />
Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te von Amadeu, der eine Tas<strong>ch</strong>e<br />
voll Kokain aus der Pornoproduktionsfirma<br />
entwendet, für die er arbeitet. Er ma<strong>ch</strong>t<br />
den Stoff <strong>zu</strong> Bargeld, <strong>um</strong> seine Geliebte –<br />
eine illegale Preisboxerin – von ihren<br />
S<strong>ch</strong>ulden <strong>zu</strong> befreien und mit ihr ein neues<br />
Leben <strong>zu</strong> beginnen. Do<strong>ch</strong> dann wird Amadeu<br />
überfahren. Und da dies ka<strong>um</strong> jemand<br />
weiss, führt die Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> ihm <strong>zu</strong> immer<br />
groteskeren Situationen.<br />
Megacity und Fussball<br />
Luiz Ruffato gilt <strong>als</strong> Ausnahmetalent. Mit<br />
seinem ersten Roman «Es waren viele<br />
Pferde» habe er die brasilianis<strong>ch</strong>e Literatur<br />
revolutioniert. Eine Jury von Literaturkritikern<br />
der Zeitung «Globo» bezei<strong>ch</strong>nete<br />
das 2001 ers<strong>ch</strong>ienene und nun au<strong>ch</strong> auf<br />
Deuts<strong>ch</strong> erhältli<strong>ch</strong>e Bu<strong>ch</strong> <strong>als</strong> einen der<br />
zehn besten brasilianis<strong>ch</strong>en Romane der<br />
letzten Dekade. Der 1961 geborene S<strong>ch</strong>riftsteller<br />
entwirft in 69 Szenen ein kaleidoskopis<strong>ch</strong>es<br />
Abbild der Megacity São Paulo<br />
mit ihrem Glamour und ihrem Elend, ihrer<br />
Verlogenheit und ihrem S<strong>ch</strong>merz. Die vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
S<strong>ch</strong>lagli<strong>ch</strong>ter fügen si<strong>ch</strong> <strong>zu</strong>r<br />
Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te eines Lands, das von Gewalt<br />
und Entwurzelung gezei<strong>ch</strong>net ist.<br />
Brasilien ist ohne den Fussball undenkbar<br />
– und <strong>um</strong>gekehrt. Luiz Ruffato hat<br />
15 brasilianis<strong>ch</strong>e Kolleginnen und Kollegen<br />
gebeten, darüber Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten <strong>zu</strong> verfassen.<br />
In der Anthologie «Der s<strong>ch</strong>warze<br />
Sohn Gottes. 15 Fussballges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten aus<br />
Brasilien» bes<strong>ch</strong>reiben die S<strong>ch</strong>riftstellerinnen<br />
und S<strong>ch</strong>riftsteller ni<strong>ch</strong>t nur die <strong>zu</strong>weilen<br />
zauberhafte Magie des Balls und die<br />
Unvorhersehbarkeiten eines Spielverlaufs,<br />
sie erzählen au<strong>ch</strong> von den Trä<strong>um</strong>en, Hoffnungen<br />
und Wüns<strong>ch</strong>en, die mit dem Fussball<br />
verbunden sind. Dabei kann man <strong>zu</strong>r<br />
tröstli<strong>ch</strong>en Erkenntnis kommen, dass sogar<br />
Fussballnieten imstande sind, ein<br />
glückli<strong>ch</strong>es Leben <strong>zu</strong> führen.<br />
Die S<strong>ch</strong>riften von<br />
Accra<br />
Paulo Coelho<br />
CHF 27.90<br />
183 Seiten<br />
Diogenes<br />
Zwei Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />
von der See.<br />
Der Tod und der<br />
Tod des Quincas<br />
Berro Dágua. Die<br />
Abenteuer des<br />
Kapitäns Vasco<br />
Moscoso<br />
Jorge Amado<br />
500 Seiten<br />
CHF 39.90<br />
S. Fis<strong>ch</strong>er<br />
Flieh. Und nimm<br />
die Dame mit.<br />
Marçal Aquino<br />
284 Seiten<br />
CHF 21.90<br />
Unionsverlag<br />
Ges<strong>ch</strong>wister des<br />
Wassers<br />
Andréa del Fuego<br />
203 Seiten<br />
CHF 28.90<br />
Hanser<br />
Flut<br />
Daniel Galera<br />
425 Seiten<br />
CHF 36.90<br />
Suhrkamp<br />
Krieg der<br />
Bastarde<br />
Ana Paula Maia<br />
208 Seiten<br />
CHF 28.90<br />
A 1<br />
Es waren viele<br />
Pferde<br />
Luiz Ruffato<br />
158 Seiten<br />
CHF 28.90<br />
Assoziation A<br />
Der s<strong>ch</strong>warze<br />
Sohn Gottes. 15<br />
Fussballges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />
aus Brasilien<br />
Diverse, Luiz Ruffato<br />
(Hrsg.)<br />
144 Seiten<br />
CHF 22.90<br />
Assoziation A
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Spezial – Zeitges<strong>ch</strong>ehen | 23<br />
<strong>Books</strong><br />
Spezial<br />
Felsen in der<br />
Brandung<br />
der Zeit<br />
Elektronis<strong>ch</strong>e Medien wie Internet oder Fernsehen sind dem Sa<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong><br />
immer ein paar S<strong>ch</strong>ritte voraus. Do<strong>ch</strong> sie sind im Grunde ni<strong>ch</strong>ts<br />
anderes <strong>als</strong> ein nie endender News ticker. Hintergrundinformationen,<br />
Zusammenhänge und vertiefte Betra<strong>ch</strong>tungen bleiben oft auf der Strecke.<br />
Vorteil: Bu<strong>ch</strong>! Natürli<strong>ch</strong> dauert es Wo<strong>ch</strong>en oder gar Monate, bis<br />
Bü<strong>ch</strong>er <strong>zu</strong> einem aktuellen Ereignis in den Regalen stehen. Dafür erhalten<br />
diese dann au<strong>ch</strong> gründli<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>ierte Fakten, Zusammenhänge,<br />
Karten, Bilder, Meinungen, Grafiken und Statistiken, eben alles,<br />
wofür in der digitalen Hektik einfa<strong>ch</strong> keine Zeit bleibt. Auf den<br />
folgenden Seiten zeigen wir Ihnen wi<strong>ch</strong>tige Neuers<strong>ch</strong>einungen im<br />
Berei<strong>ch</strong> des Zeitges<strong>ch</strong>ehens – und su<strong>ch</strong>en Antworten auf die Frage,<br />
wie sol<strong>ch</strong>e Bü<strong>ch</strong>er entstehen.
24 | Spezial – Zeitges<strong>ch</strong>ehen <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
Das Heute festhalten<br />
Was wir <strong>als</strong> «Zeitges<strong>ch</strong>ehen» bezei<strong>ch</strong>nen, soll ein deutli<strong>ch</strong>es Bild<br />
der Gegenwart zei<strong>ch</strong>nen. Was eignet si<strong>ch</strong> heute für diese Kategorie?<br />
«<strong>Books</strong>» hat aus der Fülle der Neuers<strong>ch</strong>einungen <strong>zu</strong> Gesells<strong>ch</strong>aft,<br />
Politik und Kultur einige Themen herausgegriffen.<br />
Benjamin Gygax<br />
s<strong>ch</strong>aftlerin, «Befunde aus vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tsepo<strong>ch</strong>en und kulturellen Berei<strong>ch</strong>en<br />
<strong>zu</strong> besi<strong>ch</strong>tigen in der Erwartung, dass<br />
si<strong>ch</strong> aus diesen konkreten Fragmenten ein<br />
Bild dessen aufbaut, was i<strong>ch</strong> mit einem<br />
abstrakten Begriff das ‹Zeitregime der Moderne›<br />
nenne». Der Niedergang dieses<br />
Zeitregimes sei der Grund für ein temporales<br />
Chaos in unserer Zeit. Bisher hatte es<br />
uns auf die Zukunft ausgeri<strong>ch</strong>tet und liess<br />
uns die Vergangenheit vergessen. Heute sei<br />
Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te «Vergangenheit, die nie vergeht»<br />
und uns damit ni<strong>ch</strong>t mehr loslässt –<br />
und der Glaube an die Zukunft ist vielen<br />
abhanden gekommen.<br />
Zeit ist ein faszinierendes Phänomen, das<br />
ni<strong>ch</strong>t nur Sportler, Philosophen und Physiker<br />
bes<strong>ch</strong>äftigt, sondern uns alle im Alltag.<br />
Viellei<strong>ch</strong>t hat die deuts<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e deshalb<br />
in Kombination mit dem Wort «Zeit»<br />
einige ebenso eigentümli<strong>ch</strong>e wie prägnante<br />
Begriffe hervorgebra<strong>ch</strong>t. Der Di<strong>ch</strong>ter<br />
und Philosoph Johann Gottfried Herder<br />
prägte 1769 den Begriff «Zeitgeist» für die<br />
vorherrs<strong>ch</strong>ende und typis<strong>ch</strong>e Art, wie <strong>zu</strong><br />
einer bestimmten Zeit geda<strong>ch</strong>t und gefühlt<br />
wird. Seine Worts<strong>ch</strong>öpfung war so eingängig,<br />
dass sie es sogar <strong>als</strong> Lehnwort in mehrere<br />
andere Spra<strong>ch</strong>en ges<strong>ch</strong>afft hat, z<strong>um</strong><br />
Beispiel ins Englis<strong>ch</strong>e. Hans Magnus<br />
Enzensberger äusserte si<strong>ch</strong> zwar verä<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />
über diesen ominösen Geist, der eine<br />
Zeit dur<strong>ch</strong>weht: «Etwas Bornierteres <strong>als</strong><br />
den Zeitgeist gibt es ni<strong>ch</strong>t. Wer nur die<br />
Gegenwart kennt, muss verblöden.» Viellei<strong>ch</strong>t<br />
verkennt Enzensberger dabei aber,<br />
dass man den «Zeitgeist» oft nur unter einer<br />
Lupe erkennen kann, die «Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tsbewusstsein»<br />
heisst – s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>t ja<br />
erst der Verglei<strong>ch</strong> eine Besonderheit erkennbar.<br />
Ein Bild der Gegenwart zei<strong>ch</strong>nen<br />
Mit dem «Zeitgeist» verwandt ist au<strong>ch</strong> das<br />
«Zeitges<strong>ch</strong>ehen». Dieser Begriff hat die<br />
Aufgabe, aktuelle Ereignisse von historis<strong>ch</strong>en<br />
ab<strong>zu</strong>grenzen. Deshalb findet er au<strong>ch</strong><br />
rege Verwendung dort, wo es <strong>um</strong> Aktualität<br />
geht: Als Rubrik in Zeitungen und Zeits<strong>ch</strong>riften.<br />
Daraus <strong>zu</strong> s<strong>ch</strong>liessen, dass alles<br />
gerade Aktuelle si<strong>ch</strong> <strong>als</strong> «Zeitges<strong>ch</strong>ehen»<br />
qualifiziert, wäre f<strong>als</strong><strong>ch</strong>. Die Kategorie<br />
«Zeitges<strong>ch</strong>ehen» adelt so<strong>zu</strong>sagen jene Aktualität,<br />
die prägend und dauerhaft, ja viellei<strong>ch</strong>t<br />
sogar epo<strong>ch</strong>enbildend ist. «Zeitges<strong>ch</strong>ehen»<br />
soll mit wenigen klaren und<br />
kräftigen Stri<strong>ch</strong>en ein Bild der Gegenwart<br />
skizzieren.<br />
«Zeit» ist zeitlos<br />
Was <strong>ch</strong>arakterisiert unsere Zeit? Ein Thema,<br />
das zwar in gewisser Weise zeitlos ist,<br />
uns heut<strong>zu</strong>tage aber besonders stark bes<strong>ch</strong>äftigt,<br />
ist die Zeit selber. Einen äusserst<br />
anregenden und au<strong>ch</strong> anspru<strong>ch</strong>svollen<br />
Blick auf dieses Phänomen präsentiert<br />
Aleida Assmann mit «Ist die Zeit aus den<br />
Fugen?» Sie ist Professorin für Anglistik<br />
und Literaturwissens<strong>ch</strong>aften in Konstanz<br />
und vertritt eine interessante These. Ihr<br />
Ausgangspunkt: «Das Auseinanderbre<strong>ch</strong>en<br />
und neu Zusammensetzen des temporalen<br />
Zeitgefüges von Vergangenheit,<br />
Gegenwart und Zukunft.» Sie mute ihren<br />
Lesern <strong>zu</strong>, s<strong>ch</strong>reibt die Kulturwissen-<br />
Der Einzelne und das Imperi<strong>um</strong><br />
Viellei<strong>ch</strong>t lässt si<strong>ch</strong> diese These z<strong>um</strong> Zeitregime<br />
gerade anhand des nä<strong>ch</strong>sten Bu<strong>ch</strong>s<br />
illustrieren? Swetlana Alexijewits<strong>ch</strong>, die<br />
1948 in der Ukraine geboren wurde, hat<br />
ihr neues Bu<strong>ch</strong> «Secondhand-Zeit» genannt.<br />
Die Journalistin und Bu<strong>ch</strong>autorin<br />
ist eine der profiliertesten Zeitzeuginnen<br />
der postsowjetis<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aft. Ihre Bü<strong>ch</strong>er<br />
wurden unter anderem mit dem<br />
«Kurt-Tu<strong>ch</strong>olsky-Preis» des s<strong>ch</strong>wedis<strong>ch</strong>en<br />
PEN, mit dem «Tri<strong>um</strong>ph-Preis für Kunst<br />
und Literatur Russlands» und mit dem<br />
«Leipziger Bu<strong>ch</strong>preis <strong>zu</strong>r Europäis<strong>ch</strong>en<br />
Verständigung» ausgezei<strong>ch</strong>net. 2013 erhält<br />
Swetlana Alexijewits<strong>ch</strong> den Friedenspreis<br />
des Deuts<strong>ch</strong>en Bu<strong>ch</strong>handels. Für ihr<br />
Werk hat die Autorin Gesprä<strong>ch</strong>e mit Männern<br />
und Frauen aufgezei<strong>ch</strong>net, die si<strong>ch</strong> an<br />
die Sowjetzeit erinnern. Zwar sehen jüngere<br />
Mens<strong>ch</strong>en diese Ära nur im Nebel der<br />
Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, do<strong>ch</strong> der Kalte Krieg, die Sowjetunion<br />
und der kommunistis<strong>ch</strong>e Staatsterror<br />
leben in der Erinnerung vieler Russinnen<br />
und Russen weiter. «I<strong>ch</strong> kenne<br />
diesen Mens<strong>ch</strong>en, er ist mir vertraut, i<strong>ch</strong><br />
habe viele Jahre Seite an Seite mit ihm<br />
gelebt. Er ist i<strong>ch</strong>», s<strong>ch</strong>reibt die Autorin.<br />
Diesem «I<strong>ch</strong>» ist sie auf der Spur – und sie<br />
nähert si<strong>ch</strong> ihm mit den Mitteln der Journalistin.<br />
«I<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>reibe mit, i<strong>ch</strong> su<strong>ch</strong>e Körn<strong>ch</strong>en<br />
für Körn<strong>ch</strong>en, Kr<strong>um</strong>e für Kr<strong>um</strong>e na<strong>ch</strong><br />
der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te unseres ‹alltägli<strong>ch</strong>en›, unseres<br />
‹inneren› Sozialismus. Dana<strong>ch</strong>, wie<br />
er in der Seele der Mens<strong>ch</strong>en wirkte. Dieser<br />
Massstab hat mi<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on immer fasziniert<br />
– der Mens<strong>ch</strong> ... der einzelne Mens<strong>ch</strong>.<br />
Denn im Grunde passiert dort alles.» Und<br />
was passiert <strong>zu</strong>rzeit? Vielen gilt Stalin wieder<br />
<strong>als</strong> grosser Staatsmann, die sozialistis<strong>ch</strong>e<br />
Vergangenheit wird nostalgis<strong>ch</strong> verklärt.<br />
Dieses Leben mit gebrau<strong>ch</strong>ten Ideen<br />
und Worten nennt Swetlana Alexijewits<strong>ch</strong><br />
«Secondhand-Zeit». In ihren Gesprä<strong>ch</strong>en<br />
stellt sie die Brutalisierung von Mens<strong>ch</strong>en<br />
fest, die «immer entweder gekämpft oder
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Spezial – Zeitges<strong>ch</strong>ehen | 25<br />
si<strong>ch</strong> auf einen Krieg vorbereitet haben».<br />
Das Bu<strong>ch</strong> ist keine lei<strong>ch</strong>te Kost, aber vielfältig<br />
und berührend. Es zeigt, wie die Sowjetunion<br />
bis ins Heute na<strong>ch</strong>wirkt.<br />
Kapitalismus oder Demokratie?<br />
Der Kalte Krieg ist Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und die Konkurrenz<br />
zwis<strong>ch</strong>en kommunistis<strong>ch</strong>em und<br />
kapitalistis<strong>ch</strong>em Block weitgehend vorüber.<br />
Do<strong>ch</strong> damit rückt <strong>zu</strong>nehmend eine andere<br />
Bru<strong>ch</strong>stelle ins Bewusstsein: jene zwis<strong>ch</strong>en<br />
Kapitalismus und Demokratie. So<br />
z<strong>um</strong>indest sieht es Jakob Augstein in seinem<br />
Bu<strong>ch</strong> «Sabotage». Der Sohn von<br />
«Spiegel»-Gründer Rudolf Augstein ist im<br />
Untertitel sehr klar: «War<strong>um</strong> wir uns zwis<strong>ch</strong>en<br />
Demokratie und Kapitalismus ents<strong>ch</strong>eiden<br />
müssen». Der streitbare und <strong>um</strong>strittene<br />
linke Publizist hält ein Plädoyer<br />
dafür, Gere<strong>ch</strong>tigkeit, Gesetz, Glei<strong>ch</strong>heit,<br />
Demokratie und Freiheit <strong>zu</strong> verteidigen,<br />
sonst gehe die Gesells<strong>ch</strong>aft kaputt. «Aber<br />
wenn die Gesells<strong>ch</strong>aft kaputt ist, geht au<strong>ch</strong><br />
der Mens<strong>ch</strong> kaputt. Das wollten die Ideologen<br />
des Neoliberalismus lange Zeit ni<strong>ch</strong>t<br />
wahrhaben.» Die Bedrohung sieht er im<br />
Finanzkapitalismus. Au<strong>ch</strong> wenn Augstein<br />
von der Deuts<strong>ch</strong>en Politik ausgeht, wirft er<br />
Fragen auf, die von globaler Bedeutung<br />
sind. Die Lösungsvors<strong>ch</strong>läge sind ni<strong>ch</strong>t so<br />
eindeutig, do<strong>ch</strong> Augstein kreist <strong>um</strong> den Begriff<br />
der Gewalt und bringt den französis<strong>ch</strong>en<br />
Begriff der «Sabotage» ins Spiel:<br />
Dieser bezei<strong>ch</strong>net ni<strong>ch</strong>t Gewalt gegen Mens<strong>ch</strong>en,<br />
sondern gegen Sa<strong>ch</strong>en.<br />
Das Leben <strong>zu</strong>rückgewinnen<br />
Kapitalismus oder Demokratie? Diese gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Frage könnte auf individueller<br />
Ebene viellei<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> lauten: Arbeit<br />
oder Leben? So legt es uns z<strong>um</strong>indest Ulri<strong>ch</strong><br />
Renz in «Die Tyrannei der Arbeit»<br />
nahe. Und diese oder eine ähnli<strong>ch</strong>e Frage<br />
hat uns alle in der rastlosen Leistungsgesells<strong>ch</strong>aft<br />
s<strong>ch</strong>on einmal bes<strong>ch</strong>äftigt. Ulri<strong>ch</strong><br />
Renz’ Bu<strong>ch</strong> verspri<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t weniger <strong>als</strong><br />
die Antwort darauf, «wie wir die Herrs<strong>ch</strong>aft<br />
über unser Leben <strong>zu</strong>rückgewinnen».<br />
Do<strong>ch</strong> <strong>zu</strong>nä<strong>ch</strong>st <strong>zu</strong>r Problemstellung:<br />
Heute ist das, was wir einen Lebenslauf<br />
«Aber wenn die<br />
Gesells<strong>ch</strong>aft kaputt<br />
ist, geht au<strong>ch</strong> der<br />
Mens<strong>ch</strong> kaputt. Das<br />
wollten die Ideologen<br />
des Neoliberalismus<br />
lange Zeit<br />
ni<strong>ch</strong>t wahrhaben.»<br />
nennen, in Wirkli<strong>ch</strong>keit ein Berufslauf. Arbeit<br />
bestimmt unser ganzes Dasein. Mit<br />
dieser Feststellung provoziert der Autor<br />
zwei Fragen: Was soll daran s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t sein?<br />
Und wie sollen wir sonst unsere Bedürfnisse<br />
erfüllen? Ulri<strong>ch</strong> Renz s<strong>ch</strong>reibt in seiner<br />
Einleitung: «Zwar ist der Autor hoffnungsloser<br />
Romantiker und Freund von Utopien.<br />
Aber er ist ni<strong>ch</strong>t doof. Er weiss, dass wir<br />
alle von unserer Hände Arbeit leben, <strong>als</strong><br />
Einzelne wie <strong>als</strong> Gesells<strong>ch</strong>aft.» Do<strong>ch</strong> die<br />
Glaubensgewissheiten der Leistungsgesells<strong>ch</strong>aft<br />
seien inzwis<strong>ch</strong>en so fest in die<br />
Hirne einbetoniert, dass wir sie bedenkenlos<br />
an unsere Kinder weitergäben: Ihr<br />
Spiel soll sinnvoll sein, wir «fördern» sie<br />
und merken gar ni<strong>ch</strong>t, dass wir ihnen ihre<br />
Kindheit nehmen, indem wir sie <strong>zu</strong> Hoffnungsträgern<br />
auf dem Arbeitsmarkt ma<strong>ch</strong>en.<br />
Der Autor prangert aber an, dass wir<br />
uns keine Pausen mehr gönnen, weil wir<br />
glauben, das Rad bleibe dann stehen. Seine<br />
eigene Auflehnung gegen die Tyrannei der<br />
Arbeit hat der Arzt Ulri<strong>ch</strong> Renz hinter si<strong>ch</strong>:<br />
Er s<strong>ch</strong>miss seinen Job <strong>als</strong> Leiter eines medizinis<strong>ch</strong>en<br />
Fa<strong>ch</strong>verlags und wurde freier<br />
Autor. Das ist keine Lösung für alle. Wi<strong>ch</strong>tig<br />
sei aber, si<strong>ch</strong> aus der Erfolgsfalle <strong>zu</strong> befreien:<br />
«Es gehört <strong>zu</strong> den Gründungsmythen<br />
der Leistungsgesells<strong>ch</strong>aft, dass Erfolg mit<br />
Glück, ja mit Seelenheil identis<strong>ch</strong> ist.»<br />
Nur die Fakten<br />
Seelenheil ist ein gutes Sti<strong>ch</strong>wort für das<br />
nä<strong>ch</strong>ste Bu<strong>ch</strong>, denn es könnte diesem beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />
S<strong>ch</strong>aden <strong>zu</strong>fügen. Zu Beginn<br />
seines Bu<strong>ch</strong>s «Zehn Milliarden» gestattet<br />
si<strong>ch</strong> Stephen Emmott Emotionen: «Dies<br />
ist ein Bu<strong>ch</strong> über uns. Es ist ein Bu<strong>ch</strong> über<br />
Sie, Ihre Kinder, Ihre Eltern, Ihre Freunde.<br />
Es geht <strong>um</strong> jeden Einzelnen von uns. Und<br />
<strong>um</strong> unser Versagen. Unser Versagen <strong>als</strong> Individuen,<br />
das Versagen der Wirts<strong>ch</strong>aft und<br />
das unserer Politiker. Es geht <strong>um</strong> einen<br />
beispiellosen Notfall planetaris<strong>ch</strong>en Ausmasses.<br />
Und <strong>um</strong> unsere Zukunft.» Der<br />
Mann, der si<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> so alarmistis<strong>ch</strong>en Tönen<br />
hinreissen lässt, ist kein ideologieverblendeter<br />
Umweltaktivist, sondern Professor in<br />
Oxford und Leiter eines von Microsoft aufgebauten<br />
Fors<strong>ch</strong>ungslabors für computer-<br />
ISBN 978-3-404-16833-0
26 | Spezial – Zeitges<strong>ch</strong>ehen <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
gestützte Naturwissens<strong>ch</strong>aften. Deshalb<br />
wird er na<strong>ch</strong> der Einleitung ganz sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>.<br />
Er präsentiert neueste, z<strong>um</strong> Teil no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
veröffentli<strong>ch</strong>te Fakten <strong>zu</strong>r Lage des Planeten<br />
und seiner Bewohner. Er leitet her, wie<br />
die Erdbevölkerung in kürzester Zeit von<br />
einer auf sieben Milliarden Mens<strong>ch</strong>en angewa<strong>ch</strong>sen<br />
ist und s<strong>ch</strong>on bald die S<strong>ch</strong>welle<br />
von zehn Milliarden übers<strong>ch</strong>reiten wird.<br />
Für die Herstellung eines Burgers brau<strong>ch</strong>t<br />
man 3000 Liter Wasser. Wir produzieren in<br />
einem Jahr mehr Russ <strong>als</strong> die Mens<strong>ch</strong>heit<br />
im gesamten Mittelalter und fliegen allein<br />
in diesem Jahr se<strong>ch</strong>s Billionen Kilometer.<br />
Besserung verspri<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> Emmott weniger<br />
von der Te<strong>ch</strong>nik <strong>als</strong> von einem radikal<br />
<strong>um</strong>gekrempelten Wirts<strong>ch</strong>aftssystem, Kinder<br />
sollten wir mögli<strong>ch</strong>st wenige in die<br />
Welt setzen. Der faktengestützte Pessimist<br />
meint: «I<strong>ch</strong> glaube, wir sind ni<strong>ch</strong>t <strong>zu</strong> retten.<br />
I<strong>ch</strong> hoffe ja selbst, dass i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> irre.<br />
Aber alle Erkenntnisse, die die Wissens<strong>ch</strong>aft<br />
uns derzeit liefert, deuten darauf<br />
hin, dass i<strong>ch</strong> ri<strong>ch</strong>tig liege.» Das Bu<strong>ch</strong> ist<br />
lei<strong>ch</strong>t <strong>zu</strong> <strong>lesen</strong> und überzeugt – aber viellei<strong>ch</strong>t<br />
sollte man es bei depressiven Verstimmungen<br />
ni<strong>ch</strong>t <strong>zu</strong>r Hand nehmen.<br />
Ist die Zeit aus den Fugen?<br />
Aufstieg und Fall des Zeitregimes<br />
der Moderne<br />
Aleida Assmann<br />
272 Seiten<br />
CHF 36.90<br />
Hanser<br />
Secondhand-Zeit<br />
Leben auf den Trümmern des<br />
Sozialismus<br />
Swetlana Alexijewits<strong>ch</strong><br />
592 Seiten<br />
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Hanser<br />
Sabotage<br />
War<strong>um</strong> wir uns zwis<strong>ch</strong>en Demokratie<br />
und Kapitalismus ents<strong>ch</strong>eiden<br />
müssen<br />
Jakob Augstein<br />
304 Seiten<br />
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Hanser<br />
Die Tyrannei der Arbeit<br />
Wie wir die Herrs<strong>ch</strong>aft über unser<br />
Leben <strong>zu</strong>rückgewinnen<br />
Ulri<strong>ch</strong> Renz<br />
240 Seiten<br />
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Ludwig<br />
Zehn Milliarden<br />
Stephen Emmott<br />
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«Der Erste erzielt<br />
höhere Auflagen»<br />
Zeitges<strong>ch</strong>ehen in Bu<strong>ch</strong>form fest<strong>zu</strong>halten, ist eine Kunst für si<strong>ch</strong> –<br />
eine Kunst, die ni<strong>ch</strong>t nur von den Autorinnen und Autoren, sondern<br />
au<strong>ch</strong> von den Verlagen viel abverlangt. Sebastian Ullri<strong>ch</strong>, Lektor für<br />
Zeitges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und Politik im Verlag C.H.Beck sowie Programmleiter<br />
Paperback, gewährt einen Einblick in seine Arbeit.<br />
Erik Brühlmann<br />
«<strong>Books</strong>»: Sebastian Ullri<strong>ch</strong>, was z<strong>um</strong><br />
«Zeitges<strong>ch</strong>ehen» gehört, ist s<strong>ch</strong>ier uferlos.<br />
Wie definieren Sie den Begriff?<br />
Sebastian Ullri<strong>ch</strong>: I<strong>ch</strong> würde ihn so<br />
uferlos belassen, wie er ist. Für die Programmma<strong>ch</strong>er<br />
der Verlage geht es dar<strong>um</strong>,<br />
in den unendli<strong>ch</strong>en Weiten des Zeitges<strong>ch</strong>ehens<br />
die Inseln des Publik<strong>um</strong>sinteresses<br />
ausz<strong>um</strong>a<strong>ch</strong>en. Und selbst wenn man<br />
diese Inseln dur<strong>ch</strong> das Fernrohr erspäht<br />
hat, ist ni<strong>ch</strong>t gesagt, dass man sie mit<br />
den vom Stapel gelassenen Bü<strong>ch</strong>ern au<strong>ch</strong><br />
errei<strong>ch</strong>t.<br />
Wer ents<strong>ch</strong>eidet na<strong>ch</strong> wel<strong>ch</strong>en Kriterien,<br />
wel<strong>ch</strong>e Themen für ein Bu<strong>ch</strong> in Frage<br />
kommen?<br />
Um im Glei<strong>ch</strong>nis <strong>zu</strong> bleiben: Man kann<br />
si<strong>ch</strong> das vorstellen wie eine frühneuzeitli<strong>ch</strong>e<br />
Entdeckungsfahrt in die aussereuropäis<strong>ch</strong>e<br />
Welt. Natürli<strong>ch</strong> gibt es grobe<br />
Vorstellungen davon, wel<strong>ch</strong>e Themen<br />
si<strong>ch</strong> eher für ein Bu<strong>ch</strong> eignen und für<br />
wel<strong>ch</strong>e ein Zeits<strong>ch</strong>riftenartikel ausrei<strong>ch</strong>t.<br />
Langjährige Erfahrungen mit aktuellen<br />
Bü<strong>ch</strong>ern und ausgiebige Zeitungslektüre<br />
helfen <strong>zu</strong>dem, ein Gespür für marktgängige<br />
Themen und Bu<strong>ch</strong>typen <strong>zu</strong> entwickeln.<br />
Aber es ist do<strong>ch</strong> jedes Mal ein Aufbru<strong>ch</strong><br />
ins Ungewisse. S<strong>ch</strong>eitern und S<strong>ch</strong>iffbru<strong>ch</strong><br />
sind immer mögli<strong>ch</strong>, ebenso wie au<strong>ch</strong><br />
Zufallsfunde und unerwartete Erfolge.<br />
Wer Si<strong>ch</strong>erheit will und feste Kriterien<br />
für seine Ents<strong>ch</strong>eidungsfindung brau<strong>ch</strong>t,<br />
sollte vom aktuellen Sa<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong> eher die<br />
Finger lassen. Ein biss<strong>ch</strong>en Neugierde<br />
und Risikobereits<strong>ch</strong>aft gehören da<strong>zu</strong>. Mit<br />
dem Erwartbaren wird man eher keinen<br />
Erfolg haben – es sei denn, der Autor oder<br />
die Autorin ist so beliebt, dass man au<strong>ch</strong><br />
ein Telefonbu<strong>ch</strong> aus ihrer oder seiner<br />
Feder kaufen würde.<br />
Wie kommt man <strong>zu</strong> den entspre<strong>ch</strong>enden<br />
Autoren? Werden z<strong>um</strong> Beispiel na<strong>ch</strong><br />
einem Ereignis wie 9/11 automatis<strong>ch</strong><br />
mehr Manuskripte <strong>zu</strong> diesem Thema<br />
eingerei<strong>ch</strong>t, oder geht man <strong>als</strong> Verlag<br />
au<strong>ch</strong> aktiv auf die Su<strong>ch</strong>e?<br />
Na<strong>ch</strong> meiner Erfahrung taugen gerade<br />
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28 | Spezial – Zeitges<strong>ch</strong>ehen <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
«Man brau<strong>ch</strong>t in<br />
diesem Segment<br />
Titel, die s<strong>ch</strong>nell<br />
hohe Auflagen<br />
erzielen. Themenwahl<br />
und Design<br />
der Bü<strong>ch</strong>er müssen<br />
<strong>als</strong>o sitzen und einen<br />
Nerv treffen.»<br />
im Segment des aktuellen Sa<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong>s die<br />
unverlangt eingesandten Manuskripte<br />
nur äusserst selten <strong>zu</strong>r Veröffentli<strong>ch</strong>ung.<br />
In der Regel gehen die Anregungen von<br />
den Verlagen oder den Agenten aus, die<br />
gezielt geeignete Autorinnen und Autoren<br />
für die von ihnen für attraktiv gehaltenen<br />
Themen su<strong>ch</strong>en.<br />
Wie s<strong>ch</strong>nell muss man reagieren können,<br />
<strong>um</strong> ein Thema ni<strong>ch</strong>t <strong>zu</strong> verpassen? Und<br />
werden Manuskripte <strong>zu</strong> ho<strong>ch</strong>aktuellen<br />
Themen s<strong>ch</strong>neller bearbeitet <strong>als</strong> sol<strong>ch</strong>e<br />
<strong>zu</strong> «zeitlosen» Themen?<br />
Der Zeitfaktor spielt bei aktuellen Themen<br />
eine sehr grosse Rolle. Es ist ein biss<strong>ch</strong>en<br />
wie bei den grossen Konquistadoren:<br />
Wer <strong>zu</strong>erst seine Flagge in die Erde der<br />
neuen Welt rammte, dem gehörte das<br />
Gebiet. Wer bei einem aktuellen Thema<br />
<strong>als</strong> erster auf dem Markt ist, der erzielt<br />
deutli<strong>ch</strong> höhere Auflagen. Deswegen sind<br />
natürli<strong>ch</strong> die Produktionsfristen in diesem<br />
Segment viel kürzer. Man muss dann den<br />
S<strong>ch</strong>reibtis<strong>ch</strong> frei rä<strong>um</strong>en und das Bu<strong>ch</strong><br />
in kürzester Zeit dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>leusen – na<strong>ch</strong><br />
Mögli<strong>ch</strong>keit ohne Abstri<strong>ch</strong>e bei der Qualität<br />
<strong>zu</strong> ma<strong>ch</strong>en. Das ist für alle Beteiligten<br />
jedes Mal aufs Neue eine grosse Herausforderung.<br />
Wie ist die «Halbwertszeit» sol<strong>ch</strong>er Bü<strong>ch</strong>er,<br />
oder anders: Geht man davon aus,<br />
dass es von den allermeisten Veröffentli<strong>ch</strong>ungen<br />
nur eine Auflage geben wird?<br />
Die Halbwertszeit ist deutli<strong>ch</strong> kürzer <strong>als</strong><br />
etwa bei einer Gesamtdarstellung <strong>zu</strong>r<br />
römis<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te. Aktuelle Themen<br />
unterliegen einer s<strong>ch</strong>nellen Veränderung,<br />
und in unserer Mediengesells<strong>ch</strong>aft ist die<br />
Aufmerksamkeitsspanne ni<strong>ch</strong>t mehr all<strong>zu</strong><br />
lang, au<strong>ch</strong> bei wi<strong>ch</strong>tigen Themen. Das<br />
heisst aber ni<strong>ch</strong>t, dass man generell nur<br />
mit einer Auflage re<strong>ch</strong>net. Wäre das titelübergreifend<br />
der Fall, liessen si<strong>ch</strong> diese<br />
Bü<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t kalkulieren. Man brau<strong>ch</strong>t<br />
in diesem Segment Titel, die s<strong>ch</strong>nell hohe<br />
Auflagen erzielen. Themenwahl und<br />
Design der Bü<strong>ch</strong>er müssen <strong>als</strong>o sitzen und<br />
einen Nerv treffen.<br />
Kommt man <strong>als</strong> Bu<strong>ch</strong>verlag gegen die<br />
Ges<strong>ch</strong>windigkeit des Internets no<strong>ch</strong> an?<br />
Wie hebt man si<strong>ch</strong> von den Internet-<br />
Infos ab?<br />
In der Tat ist das Internet neben Zeitungen<br />
und Zeits<strong>ch</strong>riften eine grosse<br />
Konkurrenz für das aktuelle Sa<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong>.<br />
Bloss die wi<strong>ch</strong>tigsten Informationen <strong>zu</strong><br />
einem aktuellen Thema <strong>zu</strong>sammen <strong>zu</strong><br />
stellen, rei<strong>ch</strong>t daher s<strong>ch</strong>on lange ni<strong>ch</strong>t<br />
mehr aus. Damit ein Bu<strong>ch</strong> in diesem<br />
Segment erfolgrei<strong>ch</strong> ist, muss mehr da<strong>zu</strong><br />
kommen. Eine originelle These etwa oder<br />
ein neuer Blickwinkel, die geeignet sind,<br />
BILDBAND<br />
SWISS VISION<br />
Mit Swiss Vision hat der renommierte Lands<strong>ch</strong>aftsfotograf<br />
Patrick Loerts<strong>ch</strong>er ein wahres Meisterwerk der Extraklasse<br />
ges<strong>ch</strong>affen, so<strong>zu</strong>sagen eine Liebeserklärung an seine Heimat,<br />
das die besonderen Werte der S<strong>ch</strong>weiz in ihrer ganzen<br />
Ursprüngli<strong>ch</strong>keit und S<strong>ch</strong>önheit festhält.<br />
Ein aussergewöhnli<strong>ch</strong>er Bildband, der si<strong>ch</strong> an alle Mens<strong>ch</strong>en<br />
wendet, wel<strong>ch</strong>e die S<strong>ch</strong>weiz lieben und mit viel Freude<br />
die visuelle S<strong>ch</strong>önheit dieses einzigartigen Landes mitten in<br />
Europa geniessen oder weiterrei<strong>ch</strong>en mö<strong>ch</strong>ten.<br />
Bildband Swiss Vision von Patrick Loerts<strong>ch</strong>er<br />
mit einem Vorwort von Adolf Ogi<br />
dur<strong>ch</strong>gehend deuts<strong>ch</strong>/englis<strong>ch</strong><br />
gekürzte Fassung im Anhang: f, i, sp, jap, <strong>ch</strong>in, r<br />
208 Seiten, ca. 150 Farbabbildungen<br />
Gegliedert in 14 S<strong>ch</strong>weizer Regionen<br />
30.5 x 24 cm, Leinenband mit S<strong>ch</strong>utz<strong>um</strong>s<strong>ch</strong>lag<br />
ISBN: 978-3-905987-12-6<br />
In allen Orell Füssli-<br />
Fillialen ist au<strong>ch</strong> der<br />
grossformatige Kalender<br />
Li<strong>ch</strong>tvisionen S<strong>ch</strong>weiz 2014<br />
von Patrick Loerts<strong>ch</strong>er<br />
erhältli<strong>ch</strong>.
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Spezial – Zeitges<strong>ch</strong>ehen | 29<br />
gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e oder politis<strong>ch</strong>e Debatten<br />
an<strong>zu</strong>stossen. Sehr wi<strong>ch</strong>tig ist au<strong>ch</strong> der<br />
Autor oder die Autorin. Er oder sie muss<br />
das Thema oder die These glaubwürdig<br />
vertreten können. Und au<strong>ch</strong> die Art der<br />
Darbietung ist wi<strong>ch</strong>tig. Die Zeiten, in<br />
denen man si<strong>ch</strong> auf eine Art Bildungsverpfli<strong>ch</strong>tung<br />
des Publik<strong>um</strong>s <strong>zu</strong>rückziehen<br />
konnte, sind definitiv vorbei. Wer sein<br />
Publik<strong>um</strong> errei<strong>ch</strong>en will, sollte <strong>zu</strong>gängli<strong>ch</strong><br />
und unterhaltsam s<strong>ch</strong>reiben können.<br />
Insgesamt bin i<strong>ch</strong> aber sehr optimistis<strong>ch</strong>,<br />
was die Zukunft des aktuellen Sa<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong>s<br />
angeht. Immer wieder regen sol<strong>ch</strong>e<br />
Bü<strong>ch</strong>er au<strong>ch</strong> in unserer auf das Internet<br />
fixierten Zeit Debatten an und halten das<br />
Publik<strong>um</strong> in Atem. Mir s<strong>ch</strong>eint sogar, dass<br />
sie dies besser s<strong>ch</strong>affen <strong>als</strong> etwa Zeitungen<br />
und Zeits<strong>ch</strong>riften.<br />
Wel<strong>ch</strong>es sind die gerade aktuellen<br />
Themen?<br />
Da gibt es viele. Bei uns ers<strong>ch</strong>eint etwa in<br />
den nä<strong>ch</strong>sten Tagen ein aktuelles Bu<strong>ch</strong> <strong>zu</strong><br />
Syrien aus der Feder von Rupert Neudeck,<br />
dem Gründer der Hilfsorganisationen<br />
Cap Anamur und Grünhelme. Er hat<br />
dort unter s<strong>ch</strong>wierigsten Bedingungen<br />
h<strong>um</strong>anitäre Hilfe geleistet. Ein dramatis<strong>ch</strong>er<br />
und berührender Beri<strong>ch</strong>t aus dem<br />
Inneren eines Bürgerkriegs. Innenpolitis<strong>ch</strong><br />
ist natürli<strong>ch</strong> die wa<strong>ch</strong>sende gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Unglei<strong>ch</strong>heit ein wi<strong>ch</strong>tiges<br />
Thema. Das Bu<strong>ch</strong> des grossen Historikers<br />
Hans-Ulri<strong>ch</strong> Wehler über «Die neue Umverteilung»<br />
etwa ist seit Wo<strong>ch</strong>en auf der<br />
deuts<strong>ch</strong>en Bestsellerliste. Und wir haben<br />
die erste zeithistoris<strong>ch</strong>e Einordnung der<br />
rot-grünen Jahre unter Bundeskanzler<br />
Gerhard S<strong>ch</strong>röder im Programm. Der<br />
Historiker Edgar Wolfr<strong>um</strong> hat si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong><br />
Berge exklusiven Ar<strong>ch</strong>ivmateri<strong>als</strong> gewühlt<br />
und mit allen Protagonisten ausführli<strong>ch</strong><br />
gespro<strong>ch</strong>en. Aber da sieht man s<strong>ch</strong>on,<br />
wie sehr die Aktualität eines Themas von<br />
Land <strong>zu</strong> Land unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> sein kann.<br />
In Deuts<strong>ch</strong>land steht Rot-Grün im Zentr<strong>um</strong><br />
aktueller Debatten – wie das in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz aussieht, kann i<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on ni<strong>ch</strong>t<br />
mehr beurteilen.<br />
Sebastian Ullri<strong>ch</strong>, Lektor für Zeitges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />
und Politik im Verlag C.H.Beck<br />
sowie Programmleiter Paperback.<br />
C.H.Beck<br />
Der Verlag C.H.Beck – benannt na<strong>ch</strong> seinem<br />
Gründer Carl Gottlob Beck – zählt <strong>zu</strong><br />
den grössten und renommiertesten Verlagen<br />
Deuts<strong>ch</strong>lands. Bekannt ist er vor allem<br />
für seine Publikationen in den Berei<strong>ch</strong>en<br />
(Zeit-)Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, Ethnologie, Literatur-<br />
und Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aften, Religion,<br />
Philosophie, Politik- und Sozialwissens<strong>ch</strong>aften<br />
sowie Kunst und Ar<strong>ch</strong>itektur. C.H.Beck<br />
wurde 1763 gegründet und feiert somit<br />
dieses Jahr sein 250-jähriges Bestehen.<br />
«Wohlbefinden ist für<br />
mi<strong>ch</strong> der S<strong>ch</strong>lüssel<br />
<strong>zu</strong>r Lebensfreude.»<br />
«I<strong>ch</strong><br />
«I<strong>ch</strong><br />
mö<strong>ch</strong>te<br />
mö<strong>ch</strong>te<br />
mein<br />
mein Leben<br />
Leben<br />
individuell<br />
individuell<br />
und<br />
und<br />
exklusiv<br />
exklusiv<br />
gestalten.<br />
gestalten.<br />
Deshalb<br />
Deshalb<br />
habe<br />
habe<br />
i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong><br />
i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong><br />
für eine<br />
für<br />
TERTIANUM<br />
eine TER-<br />
TIANUM Residenz Residenz ents<strong>ch</strong>ieden. ents<strong>ch</strong>ieden. Hier lebe i<strong>ch</strong> Hier na<strong>ch</strong> lebe meinen i<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Vorstellungen meinen Vorstellungen und Komfortansprü<strong>ch</strong>en, und Komfortansprü<strong>ch</strong>en, profitiere von<br />
profitiere <strong>um</strong>fassenden von <strong>um</strong>fassenden Dienstleistungen Dienstleistungen und lasse mi<strong>ch</strong> und von lasse vielseitigen mi<strong>ch</strong> von Aktivitäten vielseitigen inspirieren.» Aktivitäten inspirieren.»<br />
TERTIANUM<br />
TERTIANUM Residenzen<br />
Residenzen<br />
gibt<br />
gibt<br />
es an an guten guten Adressen Adressen in in der der<br />
Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weiz und und im im Tessin. Tessin.<br />
www.tertian<strong>um</strong>.<strong>ch</strong> Telefon: 043 544 15 15
30 | Bu<strong>ch</strong>tipps <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
Thomas Koebner<br />
Roman Polanski –<br />
Der Blick der<br />
Verfolgten. Eine<br />
Biographie<br />
Susannah Cahalan<br />
Feuer im Kopf<br />
Daniela S<strong>ch</strong>wegler<br />
Tra<strong>um</strong> Alp –<br />
Älplerinnen im<br />
Porträt<br />
Gabriela Vetter<br />
Fremdgehen<br />
– Was dann?<br />
Die Filme von Roman Polanski<br />
haben selten ein Happy End, aber<br />
sie baden au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t in der Lust an<br />
der Katastrophe. Die Konstellation<br />
von Verfolger und Verfolgten, Ma<strong>ch</strong>t<br />
und Ohnma<strong>ch</strong>t prägt alle grossen<br />
Filme des Regisseurs, und eines bleibt<br />
immer glei<strong>ch</strong>: Polanski sieht die Welt<br />
dur<strong>ch</strong> die Augen der Opfer. Ka<strong>um</strong><br />
einem Künstler seiner Generation<br />
wurde so viel Ruhm und Glück für<br />
sein <strong>um</strong>fangrei<strong>ch</strong>es S<strong>ch</strong>affen <strong>zu</strong>teil –<br />
und keinem sind in seinem Leben so<br />
tiefe Wunden ges<strong>ch</strong>lagen worden.<br />
Die grosse Biografie z<strong>um</strong> 80. Geburtstag<br />
des gebürtigen Polen nimmt<br />
die we<strong>ch</strong>selvolle Lebenserfahrung und<br />
das vielgestaltige Werk <strong>zu</strong>sammen in<br />
den Blick und lässt es si<strong>ch</strong> we<strong>ch</strong>selseitig<br />
erklären.<br />
Kann man über Na<strong>ch</strong>t verrückt werden?<br />
Ja, man kann. Dies hat die junge<br />
Journalistin Susannah Cahalan am<br />
eigenen Leib – oder besser: im eigenen<br />
Kopf – erlebt. Auf s<strong>ch</strong>merzhafte,<br />
lebensbedrohli<strong>ch</strong>e und s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> gut<br />
ausgehende Art und Weise.<br />
In «Feuer im Kopf» erzählt sie<br />
ihre Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te zwis<strong>ch</strong>en Leben,<br />
Wahnsinn und Rettung mitreissend,<br />
eindrucksvoll und fesselnd.<br />
Ihr authentis<strong>ch</strong>er Erfahrungs- und<br />
S<strong>ch</strong>icks<strong>als</strong>beri<strong>ch</strong>t ist so spannend wie<br />
bewegend. Hier bri<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> ein großes<br />
S<strong>ch</strong>reibtalent Bahn!<br />
Mit dem Alpauftrieb zieht es jedes<br />
Jahr etli<strong>ch</strong>e Stadt- und Landmens<strong>ch</strong>en<br />
hinauf auf die Alp – besonders<br />
Frauen. Dort ma<strong>ch</strong>en sie den<br />
Sommer über Käse und hüten sie<br />
Ziegen, Kühe, Rinder, Pferde, S<strong>ch</strong>afe<br />
oder neuerdings au<strong>ch</strong> Lamas. Daniela<br />
S<strong>ch</strong>wegler hat Älplerinnen unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>ster<br />
Couleur auf der Alp<br />
besu<strong>ch</strong>t. Die 15 Frauen zwis<strong>ch</strong>en 20<br />
und 75 Jahren erzählen, wie sie den<br />
Alpsommer erleben und erleiden und<br />
wie sie si<strong>ch</strong> an Natur, Tieren, Sonne<br />
und dem Himmel erfreuen. Das Bu<strong>ch</strong><br />
gibt Einblicke in den gelebten Tra<strong>um</strong><br />
von der Alp, der für einige all<strong>zu</strong><br />
Blauäugige au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>nell z<strong>um</strong> Albtra<strong>um</strong><br />
werden kann. Jedes Porträt wird mit<br />
einem attraktiven Wandervors<strong>ch</strong>lag<br />
von der jeweiligen Alp aus und mit einem<br />
Älplerinnen-Rezept abgerundet.<br />
Mit 180 Farbfotos von Vanessa<br />
Püntener.<br />
Sie stecken in einer s<strong>ch</strong>wierigen<br />
Lebenssituation, die Sie verheimli<strong>ch</strong>en<br />
müssen. Sie fühlen si<strong>ch</strong> allein,<br />
ausgeliefert und verloren. Ihr «böses»<br />
Geheimnis quält Sie. Es spri<strong>ch</strong>t Ihnen<br />
jemand in dieser Angelegenheit<br />
aus der Seele, sieht Auswege, die<br />
Sie ermutigen, Ihr Leiden konkret<br />
an<strong>zu</strong>gehen. Es werden Ihnen Wege<br />
aufgezeigt, sowohl die momentane<br />
Situation <strong>als</strong> au<strong>ch</strong> deren Ursa<strong>ch</strong>en <strong>zu</strong><br />
klären. Das Bu<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ildert mit der<br />
Liebesges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te zwis<strong>ch</strong>en Dagmar<br />
und Fabian eine gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong><br />
verpönte, versteckte Beziehung: eine<br />
Aussenbeziehung. Es will die Angelegenheit<br />
ni<strong>ch</strong>t gutheissen, sondern bietet<br />
dem Leser mittels psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>er<br />
Betra<strong>ch</strong>tungen und Übungen Impulse<br />
an, si<strong>ch</strong> selbst <strong>zu</strong> helfen und si<strong>ch</strong> neu<br />
<strong>zu</strong> orientieren. Dem ni<strong>ch</strong>t persönli<strong>ch</strong><br />
betroffenen Leser kann es helfen<br />
inne<strong>zu</strong>halten und <strong>zu</strong> si<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> finden.<br />
256 Seiten<br />
CHF 37.90<br />
Reclam<br />
ISBN 978-3-15-010936-6<br />
304 Seiten<br />
CHF 28.90<br />
MVG<br />
ISBN 978-3-86882-467-4<br />
256 Seiten<br />
CHF 41.90<br />
Rotpunktverlag<br />
ISBN 978-3-85869-557-4<br />
138 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
FO-Publishing<br />
ISBN 978-3-905681-80-2
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf BUCHtipps | 31<br />
Peter Allmend<br />
Elision – Begegnung<br />
mit einer<br />
Weisen<br />
Ein Zür<strong>ch</strong>er Anwalt zieht si<strong>ch</strong> für<br />
einige Tage in die Berge <strong>zu</strong>rück und<br />
trifft dort vor einer Almhütte völlig<br />
unerwartet eine ungewöhnli<strong>ch</strong>e Frau.<br />
Er erkennt allmähli<strong>ch</strong>, dass er es mit<br />
einer Meisterseele <strong>zu</strong> tun hat, die ihn<br />
in die grossen Geheimnisse des Lebens<br />
einweiht. Was diese Wesenheit,<br />
die si<strong>ch</strong> ihm gegenüber Elision nennt,<br />
ihm über Verzeihen und Güte, über<br />
Glück und den Sinn des Lebens, über<br />
Tiere und Pflanzen, über die Geistige<br />
Welt und das innere Erwa<strong>ch</strong>en oder<br />
über das Geheimnis der Liebe erzählt,<br />
lässt ihn <strong>zu</strong> einem neuen Mens<strong>ch</strong>en<br />
reifen. «Das grösste Glück jedo<strong>ch</strong><br />
ist, überhaupt die Fähigkeit <strong>zu</strong> haben,<br />
glückli<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> sein. Vielen Mens<strong>ch</strong>en begegnet<br />
das Glück, aber sie sind ni<strong>ch</strong>t<br />
in der Lage, es <strong>zu</strong> erkennen.»<br />
Christine Fivian<br />
Das Bild<br />
«Das Bild» ist ein Bu<strong>ch</strong> über die Ambivalenz<br />
des Lebens und der Liebe;<br />
über Ma<strong>ch</strong>tverhältnisse zwis<strong>ch</strong>en<br />
den Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tern; über Beziehungen<br />
– zwis<strong>ch</strong>en Paul, dem Maler<br />
des Bildes, und drei Frauen: Alma,<br />
seiner Lebenspartnerin, Lisa, seiner<br />
ersten Liebe, und Mona, mit der er<br />
eine leidens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Affäre hatte.<br />
Und zwis<strong>ch</strong>en den drei Frauen, die<br />
so vers<strong>ch</strong>ieden und do<strong>ch</strong> untrennbar<br />
miteinander verbunden sind. Sie<br />
erinnern si<strong>ch</strong> an Brü<strong>ch</strong>e in ihrem Leben.<br />
Brü<strong>ch</strong>e, die ni<strong>ch</strong>t nur das Leben<br />
verändern, sondern si<strong>ch</strong> prägend auf<br />
die Vorstellungswelt auswirken. Eine<br />
Vorstellungswelt, die man<strong>ch</strong>mal so<br />
ganz anders aussieht, <strong>als</strong> die Realität.<br />
Oder die vermeintli<strong>ch</strong>e Realität.<br />
Wanderwelt & Co.:<br />
Die s<strong>ch</strong>önsten<br />
Wanderungen<br />
S<strong>ch</strong>weiz<br />
Der nä<strong>ch</strong>ste Herbst kommt bestimmt –<br />
und damit au<strong>ch</strong> die s<strong>ch</strong>önste Zeit,<br />
die S<strong>ch</strong>weiz auf einer Wanderung <strong>zu</strong><br />
entdecken. Mit diesem bebilderten<br />
Führer wird bereits die Auswahl der<br />
nä<strong>ch</strong>sten Tour z<strong>um</strong> wahren Vergnügen<br />
und ma<strong>ch</strong>t Lust auf mehr. Die<br />
Auswahl an vers<strong>ch</strong>iedenen Routen ist<br />
gross: Das handli<strong>ch</strong>e Werk stellt 50<br />
Touren vor, verteilt über die ganze<br />
S<strong>ch</strong>weiz. Keine wi<strong>ch</strong>tige Information<br />
fehlt. S<strong>ch</strong>wierigkeitsgrade, Wanderzeit,<br />
Anfahrtsroute sowie Verpflegungs-<br />
und Überna<strong>ch</strong>tungsmögli<strong>ch</strong>keiten<br />
werden bes<strong>ch</strong>rieben. Praktis<strong>ch</strong>e<br />
Kartenauss<strong>ch</strong>nitte, Erklärungen <strong>zu</strong><br />
den Signalisationen der Wanderwege<br />
und selbst ein kleines Handbu<strong>ch</strong> <strong>zu</strong>r<br />
Wetterkunde sind in diesem unverzi<strong>ch</strong>tbaren<br />
Führer <strong>zu</strong> finden.<br />
Niklas Böwer<br />
tiptoi ® Wieso?<br />
Weshalb?<br />
War<strong>um</strong>?<br />
Die Welt der<br />
Fahrzeuge<br />
S<strong>ch</strong>on ganz kleine Jungs – und man<strong>ch</strong>mal<br />
au<strong>ch</strong> Mäd<strong>ch</strong>en – sind fasziniert<br />
von allem, was einen Motor hat. Ob<br />
Formel-1-Rennwagen, Sattels<strong>ch</strong>lepper<br />
oder Traktor, hier br<strong>um</strong>mt, knattert<br />
und röhrt es. Mit tiptoi ® , dem interaktiven<br />
klingenden Lernspiel, erfahren<br />
die Kinder Wissenswertes über die<br />
vers<strong>ch</strong>iedenen Fahrzeuge und ihre<br />
Aufgaben. Beim Besu<strong>ch</strong> in einer<br />
Autofabrik sind sie bei der Produktion<br />
eines Autos hautnah dabei. Dann<br />
nehmen sie die Rettungsfahrzeuge<br />
ganz genau unter die Lupe. Und beim<br />
Formel-1-Rennen flitzen die Autos<br />
nur so an ihnen vorbei, und sie hören<br />
beim Boxenstopp die gut abgestimmten<br />
Befehlsrufe des Rennteams.<br />
160 Seiten<br />
CHF 23.90<br />
Aquamarin<br />
ISBN 978-3-89427-625-6<br />
160 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Xanthippe<br />
ISBN 978-3-905795-26-4<br />
140 Seiten<br />
CHF 21.90<br />
Hallwag Kümmerly + Frey<br />
ISBN 978-3-259-03721-8<br />
Ab 4 Jahren, 16 Seiten<br />
CHF 35.90<br />
Ravensburger<br />
ISBN 978-3-473-32912-0
32 | Kaffeepause <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
Die Debatte<br />
Was ma<strong>ch</strong>en Bu<strong>ch</strong>händler in der Kaffeepause? Sie plaudern<br />
über Bü<strong>ch</strong>er. «<strong>Books</strong>» hat si<strong>ch</strong> im Starbucks im Kramhof<br />
an der Zür<strong>ch</strong>er Bahnhofstrasse <strong>zu</strong> den Orell-Füssli-Mitarbeitenden<br />
Bettina Zeidler und Dario Widmer gesetzt.<br />
Marius Leutenegger<br />
Erik Brühlmann<br />
Last Exit to El Paso<br />
Fritz Rudolf Fries<br />
192 Seiten<br />
CHF 31.90<br />
Wallstein<br />
Der Weg des Falken<br />
Jamil Ahmad<br />
186 Seiten<br />
CHF 34.90<br />
Hoffmann und Campe<br />
Gleis 4<br />
Franz Hohler<br />
219 Seiten<br />
CHF 26.90<br />
Lu<strong>ch</strong>terhand<br />
«<strong>Books</strong>»: Ladies first: Bettina, wel<strong>ch</strong>es<br />
Bu<strong>ch</strong> hast du mitgebra<strong>ch</strong>t?<br />
Bettina Zeidler (BZ): «Last Exit to El<br />
Paso» des ostdeuts<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riftstellers<br />
Fritz Rudolf Fries. Die Hauptfigur, Pierre<br />
Arronax, ist wohl etwa so alt wie der<br />
77-jährige Autor. Er lebt <strong>zu</strong>rückgezogen<br />
in seinem Haus, betreut von seinem<br />
Hausmäd<strong>ch</strong>en Kathleen, mit der er gern<br />
eine erotis<strong>ch</strong>e Beziehung hätte. Regelmässig<br />
trifft si<strong>ch</strong> Arronax mit seinem alten<br />
Freund Arcimboldo, mit dem er fantastis<strong>ch</strong>e<br />
Szenarien für nie ges<strong>ch</strong>riebene<br />
Romane oder Filmdrehbü<strong>ch</strong>er entwirft.<br />
Eines Tages erfahren die beiden per<br />
Telefon, dass sie eine Weltreise gewonnen<br />
haben. Diese Reise entpuppt si<strong>ch</strong> aber <strong>als</strong><br />
Wettrennen von New York na<strong>ch</strong> El Paso –<br />
Arronax wird von Kathleen begleitet und<br />
nimmt die Ostroute, Arcimboldo reist<br />
mit seinem Sohn, einem Drehbu<strong>ch</strong>autor,<br />
die Westküste hinunter. Die Reisenden<br />
kommen in billigen Hotelketten unter,<br />
werden in einen Kunstraub verwickelt,<br />
bei dem viellei<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> Kathleen ihre<br />
Hände im Spiel hat, es geht <strong>um</strong> Spionage<br />
und Affären. Allerdings weiss man nie<br />
genau, was si<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong> ereignet und was<br />
nur eine Vision von Arronax ist. «Last Exit<br />
to El Paso» ist ein S<strong>ch</strong>elmenroman, bei<br />
dem uns der Autor immer wieder in die<br />
Irre führt.<br />
Und ein Road Movie?<br />
Dario Widmer (DW): Ja, auf jeden Fall.<br />
Ein wi<strong>ch</strong>tiges Element des Bu<strong>ch</strong>s sind die<br />
zahlrei<strong>ch</strong>en Bezüge auf literaris<strong>ch</strong>e Werke<br />
und Filme. Eine Rolle spielt z<strong>um</strong> Beispiel<br />
das Kritikertrio aus dem Roman «2666»<br />
von Roberto Bolaño. Der Aufbau des<br />
Bu<strong>ch</strong>s erinnert mi<strong>ch</strong> an Fellinis Filme,<br />
bei man<strong>ch</strong>en Szenen sehe i<strong>ch</strong> Bogart vor<br />
mir – und über der ganzen Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />
steht ein Motto aus dem Mär<strong>ch</strong>en mit den<br />
Bremer Stadtmusikanten: «Etwas Besseres<br />
<strong>als</strong> den Tod findest du überall.»<br />
BZ: Au<strong>ch</strong> die Figuren selbst sind Anlehnungen:<br />
Pierre Arronax ist der Name<br />
der Hauptfigur in Jules Vernes Roman<br />
«20‘000 Meilen unter dem Meer»; dort<br />
ist Arronax ein Fors<strong>ch</strong>er, der in die<br />
Tiefe geht. Und Arcimboldo ist jener<br />
Renaissance-Maler, der auf seinen Bildern<br />
Gemüse so arrangierte, dass daraus ein<br />
Porträt wurde. In Bolaños «2666» nennt<br />
si<strong>ch</strong> eine Figur na<strong>ch</strong> diesem Maler. Der<br />
Autor führt uns <strong>als</strong>o ständig wieder auf<br />
neue Fährten, lässt uns in fantastis<strong>ch</strong>e<br />
Welten reisen – und am Ende ist ni<strong>ch</strong>t<br />
einmal mehr klar, ob diese Reise überhaupt<br />
stattfindet. Das Bu<strong>ch</strong> ist s<strong>ch</strong>wierig<br />
<strong>zu</strong> bes<strong>ch</strong>reiben, man muss si<strong>ch</strong> einfa<strong>ch</strong><br />
darauf einlassen.<br />
Du hast di<strong>ch</strong> darauf einlassen müssen,<br />
Dario. Wie hast du das denn erlebt?<br />
DW: Am Anfang wusste i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t re<strong>ch</strong>t,<br />
wie i<strong>ch</strong> mit diesem Bu<strong>ch</strong> <strong>um</strong>gehen sollte.<br />
I<strong>ch</strong> da<strong>ch</strong>te, das ist ähnli<strong>ch</strong> wie der Bestseller<br />
«Der Hundertjährige, der aus dem<br />
Fenster stieg und vers<strong>ch</strong>wand» von Jonas<br />
Jonasson. Au<strong>ch</strong> der Klappentext des<br />
Bu<strong>ch</strong>s verspri<strong>ch</strong>t einen Roman in diese<br />
Ri<strong>ch</strong>tung. Aber der Verglei<strong>ch</strong> stimmt ni<strong>ch</strong>t.<br />
«El Paso» ist wesentli<strong>ch</strong> anspru<strong>ch</strong>svoller<br />
<strong>als</strong> der «Hundertjährige». Fries hätte mit<br />
seinem Stoff einen Riesenroman s<strong>ch</strong>reiben<br />
können – hat jetzt aber unglaubli<strong>ch</strong><br />
viele Informationen in ein kleines Bu<strong>ch</strong><br />
gepackt.<br />
BZ: Es ist wirkli<strong>ch</strong> faszinierend, wie viele<br />
Hinweise auf Literatur und Film er untergebra<strong>ch</strong>t<br />
hat. Mi<strong>ch</strong> hat das <strong>zu</strong> Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>en<br />
animiert; i<strong>ch</strong> begann im Internet na<strong>ch</strong><strong>zu</strong>-
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Kaffeepause | 33<br />
fors<strong>ch</strong>en, woher er die Figuren hat.<br />
DW: Bei mir hat er die Fantasie angeregt<br />
und Interesse an anderen Stoffen geweckt.<br />
I<strong>ch</strong> werde z<strong>um</strong> Beispiel jetzt au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong><br />
den Bolaño <strong>lesen</strong>. Die vielen Andeutungen<br />
ma<strong>ch</strong>en neugierig, und man merkt, wie<br />
sehr si<strong>ch</strong> der Autor selber für die Dinge<br />
interessiert, die er thematisiert.<br />
BZ: Für mi<strong>ch</strong> sprengt das s<strong>ch</strong>male Bu<strong>ch</strong><br />
sämtli<strong>ch</strong>e Rahmen – es hat mi<strong>ch</strong> e<strong>ch</strong>t<br />
gefordert.<br />
DW: Ja, es ist anspru<strong>ch</strong>svoll, das kannst<br />
du ni<strong>ch</strong>t jedem in die Hand drücken. Aber<br />
wenn man einmal mit Lesen begonnen<br />
hat, s<strong>ch</strong>lägt es einen in den Bann. Am<br />
Anfang hat mi<strong>ch</strong> genervt, dass Bettina<br />
dieses Bu<strong>ch</strong> für unsere Debatte aussu<strong>ch</strong>te;<br />
jetzt bin i<strong>ch</strong> froh darüber. I<strong>ch</strong> finde, alle<br />
Bu<strong>ch</strong>händler sollten «Last Exit to El Paso»<br />
<strong>lesen</strong>, weil es so viele literaris<strong>ch</strong>e Bezüge<br />
hat.<br />
Wie bist du denn auf dieses Bu<strong>ch</strong> gestossen,<br />
Bettina?<br />
BZ: Zuerst hat mi<strong>ch</strong> einfa<strong>ch</strong> das Cover<br />
angespro<strong>ch</strong>en. Dann las i<strong>ch</strong> den Klappentext,<br />
mir fiel ein, dass i<strong>ch</strong> von diesem Autor<br />
s<strong>ch</strong>on einmal gehört habe, i<strong>ch</strong> begann<br />
ein paar Seiten <strong>zu</strong> <strong>lesen</strong> – und konnte<br />
ni<strong>ch</strong>t mehr aufhören.<br />
Für wen eignet si<strong>ch</strong> der Roman?<br />
BZ: Für alle, die einen gewissen Zugang<br />
<strong>zu</strong>r Literatur haben. Man kann das Bu<strong>ch</strong><br />
au<strong>ch</strong> ohne Vorwissen <strong>lesen</strong>, aber es ma<strong>ch</strong>t<br />
si<strong>ch</strong>er viel mehr Spass, wenn man die<br />
Andeutungen ents<strong>ch</strong>lüsseln kann.<br />
Kommen wir z<strong>um</strong> Bu<strong>ch</strong>, das Dario mitgebra<strong>ch</strong>t<br />
hat: «Der Weg des Falken» von<br />
Jamil Ahmad.<br />
DW: Es spielt in einem <strong>zu</strong>sammenhängenden<br />
Gebiet in der Grenzregion von<br />
Pakistan, Afghanistan und Iran. Der rote<br />
Faden ist die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te eines Paars, das<br />
mit seiner Liebe gegen die Stammesregeln<br />
verstossen hat und auf der Flu<strong>ch</strong>t ist. Die<br />
beiden jungen Leute finden Unters<strong>ch</strong>lupf<br />
in einem Militärfort, wo sie au<strong>ch</strong> einen<br />
Sohn bekommen – Tor Baz, was so viel<br />
heisst wie s<strong>ch</strong>warzer Falke. Do<strong>ch</strong> das<br />
Paar wird aufgespürt und getötet. Tor<br />
Baz bleibt allein <strong>zu</strong>rück. Sein weiterer<br />
Lebensweg bietet dem Autor die Mögli<strong>ch</strong>keit,<br />
ganz vers<strong>ch</strong>iedene Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten <strong>zu</strong><br />
erzählen, die ka<strong>um</strong> in einem Zusammenhang<br />
<strong>zu</strong>einander stehen. Der rote Faden<br />
ist sehr fein; man könnte au<strong>ch</strong> sagen,<br />
es handle si<strong>ch</strong> bei diesem Bu<strong>ch</strong> <strong>um</strong> eine<br />
Sammlung von Kurzges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten.<br />
Wor<strong>um</strong> geht es in den Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten?<br />
DW: Um die Mens<strong>ch</strong>en, die in dieser Region<br />
leben. Ein Beispiel ist die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />
Bettina Zeidler, 48, lebt in St. Gallen. Sie<br />
arbeitet in der Abteilung Belletristik der St.<br />
Galler Bu<strong>ch</strong>handlung Rösslitor, die <strong>zu</strong> Orell<br />
Füssli gehört. Am liebsten liest sie skandinavis<strong>ch</strong>e<br />
Krimis und Thriller.<br />
Bettina Zeidler:<br />
«Den Anfang des<br />
Romans fand i<strong>ch</strong><br />
sehr gut, aber dana<strong>ch</strong><br />
häuften si<strong>ch</strong><br />
die Zufälle und<br />
Unwahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keiten.<br />
Das fand i<strong>ch</strong><br />
dann s<strong>ch</strong>on re<strong>ch</strong>t<br />
konstruiert.»<br />
Dario Widmer:<br />
«I<strong>ch</strong> fand das Bu<strong>ch</strong><br />
trotzdem spannend.<br />
Es liest si<strong>ch</strong> lei<strong>ch</strong>t,<br />
es geht s<strong>ch</strong>nell<br />
voran, viele Situationen<br />
werden s<strong>ch</strong>ön<br />
bes<strong>ch</strong>rieben.»<br />
Dario Widmer, 21, lebt in Bühler in<br />
Appenzell Ausserrhoden. Seine Lehre z<strong>um</strong><br />
Bu<strong>ch</strong>händler absolvierte er im Rösslitor,<br />
heute arbeitet er in der Abteilung Belletristik<br />
im Kramhof in Züri<strong>ch</strong>. Er hat s<strong>ch</strong>on seit<br />
jeher ein grosses Interesse an Literatur.<br />
von Familien, die her<strong>um</strong>ziehen müssen,<br />
damit ihr Vieh immer genug <strong>zu</strong> fressen<br />
hat. Diese Leute haben aber keine Pässe.<br />
Bislang spielten Landesgrenzen keine<br />
Rolle, jetzt aber können sie ni<strong>ch</strong>t mehr<br />
von einem Land ins andere ziehen – und<br />
werden beim Grenzübertritt ers<strong>ch</strong>ossen.<br />
Einmal geht es <strong>um</strong> Frauenhandel. Oder<br />
<strong>um</strong> Entführungen, mit denen si<strong>ch</strong> man<strong>ch</strong>e<br />
Familien über Wasser halten.<br />
Das klingt jetzt aber alles rei<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />
dramatis<strong>ch</strong> und ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> Literatur, die<br />
man si<strong>ch</strong> vor dem Eins<strong>ch</strong>lafen <strong>zu</strong> Gemüte<br />
führen will.<br />
DW: Das Bu<strong>ch</strong> geht einem weniger unter<br />
die Haut, <strong>als</strong> man aufgrund meiner S<strong>ch</strong>ilderung<br />
viellei<strong>ch</strong>t annehmen könnte. Der<br />
Autor hat eine gute Distanz <strong>zu</strong> seinem<br />
Thema gefunden: Seine Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten sind<br />
keine sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Dok<strong>um</strong>entationen, aber<br />
au<strong>ch</strong> keine ho<strong>ch</strong>dramatis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ilderungen,<br />
die Mitleid auslösen. Man nimmt<br />
einfa<strong>ch</strong> wahr, wie das Leben in dieser<br />
Region spielt. In einer Region notabene,<br />
von der wir sehr wenig wissen und über<br />
die es ka<strong>um</strong> Bü<strong>ch</strong>er gibt.<br />
BZ: Z<strong>um</strong> Genuss wird dieses Bu<strong>ch</strong> vor allem<br />
dur<strong>ch</strong> die Spra<strong>ch</strong>e; sie ist sehr s<strong>ch</strong>ön,<br />
sehr poetis<strong>ch</strong>. Alles fliesst, die Bes<strong>ch</strong>reibungen<br />
der kargen und öden Lands<strong>ch</strong>aften<br />
sind sehr bildhaft, man kann si<strong>ch</strong> alles<br />
genau vorstellen. Mi<strong>ch</strong> faszinierte vor<br />
allem die Rahmenhandlung mit Tor Baz,<br />
und i<strong>ch</strong> hätte gern no<strong>ch</strong> etwas mehr über<br />
ihn erfahren; man<strong>ch</strong>mal empfand i<strong>ch</strong> den<br />
S<strong>ch</strong>nitt von der Rahmenhandlung <strong>zu</strong>r<br />
nä<strong>ch</strong>sten Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te etwas hart.<br />
Aber alles in allem hast du das Bu<strong>ch</strong><br />
gern ge<strong>lesen</strong>?<br />
BZ: Ja, vor allem au<strong>ch</strong>, weil mir die<br />
Gegend, in der es spielt, überhaupt ni<strong>ch</strong>t<br />
bekannt war. Als i<strong>ch</strong> mit dem Bu<strong>ch</strong> fertig<br />
war, da<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong>: Jetzt habe i<strong>ch</strong> einen Roman<br />
in wunders<strong>ch</strong>öner Spra<strong>ch</strong>e ge<strong>lesen</strong><br />
und erst no<strong>ch</strong> viel gelernt.<br />
DW: Zu Beginn kam es mir fast ein wenig<br />
vor, <strong>als</strong> würde i<strong>ch</strong> ein Bu<strong>ch</strong> von Karl May<br />
<strong>lesen</strong>: Über den wilden Westen im Osten.<br />
Es war unterhaltsam und faszinierend.<br />
Als i<strong>ch</strong> das Bu<strong>ch</strong> erstm<strong>als</strong> in der Hand<br />
hatte, s<strong>ch</strong>lug i<strong>ch</strong> es irgendwo auf und las<br />
einen Abs<strong>ch</strong>nitt, der mir ziemli<strong>ch</strong> esoteris<strong>ch</strong><br />
vorkam, aber z<strong>um</strong> Glück war er eine<br />
Ausnahme – das Bu<strong>ch</strong> ist überhaupt ni<strong>ch</strong>t<br />
spirituell ausgeri<strong>ch</strong>tet.<br />
BZ: Ja, hier wird au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts glorifiziert.<br />
Jamil Ahmad bleibt bei den Fakten. Er<br />
will ni<strong>ch</strong>t moralisieren, sondern uns<br />
einfa<strong>ch</strong> zeigen, wie es dort ist. Er hat die<br />
Begabung, uns die Welt <strong>zu</strong> öffnen. Von mir<br />
aus hätte i<strong>ch</strong> dieses Bu<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ge<strong>lesen</strong>,
34 | Kaffeepause <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
jetzt bin i<strong>ch</strong> aber froh, dass i<strong>ch</strong> es für die<br />
Debatte <strong>lesen</strong> musste.<br />
Kommen wir z<strong>um</strong> dritten Bu<strong>ch</strong>, über das<br />
wir heute reden: «Gleis 4» von Franz<br />
Hohler, dem Zür<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>riftsteller, der<br />
gerade 70 Jahre alt wurde.<br />
BZ: Der Roman erzählt von Isabelle, die<br />
eine Italienreise antritt. In Oerlikon will<br />
sie in den Zug z<strong>um</strong> Flughafen steigen,<br />
der Koffer ist s<strong>ch</strong>wer, ein älterer Herr<br />
kommt und will ihr helfen. Als der Koffer<br />
an seinem Platz ist, bri<strong>ch</strong>t der Mann<br />
<strong>zu</strong>sammen und stirbt. Die Polizei kommt,<br />
Isabelle verpasst den Flieger und hat au<strong>ch</strong><br />
gar keine Lust mehr auf eine Ferienreise.<br />
Wieder daheim angekommen, merkt sie,<br />
dass sie aus Versehen eine braune Mappe<br />
des Toten mitgenommen hat. In dieser<br />
Mappe steckt ein Mobiltelefon, das immer<br />
wieder klingelt. Dieser Anfang ist s<strong>ch</strong>on<br />
einmal sehr gut, finde i<strong>ch</strong>.<br />
DW: Das Telefon klingelt immer wieder.<br />
Isabelle weiss, dass sie es eigentli<strong>ch</strong> <strong>zu</strong>r<br />
Polizei bringen sollte, aber ihre Neugier<br />
ist stärker: Irgendwann nimmt sie einen<br />
Anruf entgegen. Der Anrufer sagt nur,<br />
Marcel dürfe keinesfalls an der Beerdigung<br />
auftau<strong>ch</strong>en. Isabelle wird no<strong>ch</strong> neugieriger.<br />
S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> geht sie selber auf<br />
den Friedhof, findet heraus, <strong>um</strong> wel<strong>ch</strong>e<br />
Beerdigung es geht und wer der anonyme<br />
Anrufer war. Von da an entwickelt si<strong>ch</strong><br />
fast so etwas wie ein Krimi: Isabelle ermittelt<br />
auf eigene Faust, wel<strong>ch</strong>es Geheimnis<br />
den verstorbenen Marcel <strong>um</strong>weht.<br />
BZ: Dabei wird sie au<strong>ch</strong> von Marcels Frau<br />
begleitet, die aus Kanada angereist ist. Es<br />
stellt si<strong>ch</strong> heraus, dass Marcel einst Martin<br />
hiess – und dass er eine himmeltraurige<br />
Familienbiografie hat. Wie gesagt,<br />
den Anfang des Romans fand i<strong>ch</strong> sehr gut,<br />
aber dana<strong>ch</strong> häuften si<strong>ch</strong> die Zufälle und<br />
Unwahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keiten. Das hat mi<strong>ch</strong> gestört.<br />
Diese ganzen Funde immer wieder,<br />
plötzli<strong>ch</strong> steckt eine Telefonn<strong>um</strong>mer im<br />
Koffer oder tau<strong>ch</strong>t eine neue Person auf –<br />
das fand i<strong>ch</strong> dann s<strong>ch</strong>on re<strong>ch</strong>t konstruiert.<br />
DW: Da hast du Re<strong>ch</strong>t. Aber i<strong>ch</strong> fand das<br />
Bu<strong>ch</strong> trotzdem spannend. Es liest si<strong>ch</strong><br />
lei<strong>ch</strong>t, es geht s<strong>ch</strong>nell voran, viele Situationen<br />
werden s<strong>ch</strong>ön bes<strong>ch</strong>rieben. Und<br />
Franz Hohler ist ja au<strong>ch</strong> dafür bekannt,<br />
dass er groteske Elemente in seine Texte<br />
einbaut. Wie Isabelles To<strong>ch</strong>ter Sarah<br />
gegen S<strong>ch</strong>luss des Bu<strong>ch</strong>s wegen einer<br />
Voodoo-Puppe <strong>zu</strong> einem Medizinmann<br />
geht, fand i<strong>ch</strong> z<strong>um</strong> Beispiel sehr witzig.<br />
BZ: Jaja, das Bu<strong>ch</strong> ist ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t, aber<br />
die vielen Zufälle störten mi<strong>ch</strong> eben. I<strong>ch</strong><br />
kenne das Werk von Franz Hohler ni<strong>ch</strong>t<br />
gut, do<strong>ch</strong> i<strong>ch</strong> denke, seine Fans werden<br />
diese Neuers<strong>ch</strong>einung auf jeden Fall<br />
mögen.<br />
DW: Den Fans kann man es si<strong>ch</strong>er<br />
empfehlen. Hohlers beliebter Roman «Es<br />
klopft» ist re<strong>ch</strong>t ähnli<strong>ch</strong> wie «Gleis 4». Mir<br />
hat dieses Bu<strong>ch</strong> aber so gut gefallen, dass<br />
i<strong>ch</strong> jetzt si<strong>ch</strong>er no<strong>ch</strong> mehr von Hohler<br />
<strong>lesen</strong> werde.<br />
BZ: Für mi<strong>ch</strong> ist «Gleis 4» denno<strong>ch</strong> die<br />
N<strong>um</strong>mer drei unter den drei Bü<strong>ch</strong>ern, die<br />
wir hier vorgestellt haben. Aber das ist<br />
am Ende natürli<strong>ch</strong> Ges<strong>ch</strong>macksa<strong>ch</strong>e.<br />
DW: Man kann die Bü<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t miteinander<br />
verglei<strong>ch</strong>en. Die anderen beiden<br />
haben einen tiefgründigen Inhalt, «Gleis<br />
4» ist ein Unterhaltungsroman. Aber i<strong>ch</strong><br />
finde ihn eine perfekte Sommerlektüre –<br />
i<strong>ch</strong> habe ihn am See ge<strong>lesen</strong>, und i<strong>ch</strong><br />
kann allen nur empfehlen, das au<strong>ch</strong> <strong>zu</strong><br />
tun.<br />
Die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te des Kaffees<br />
erzählt in deinem Caffè Latte.<br />
Besu<strong>ch</strong>e au<strong>ch</strong> unsere Coffeehouses<br />
in den Orell Füssli Bu<strong>ch</strong>handlungen<br />
im Westside in Bern sowie im Kramhof<br />
und am Bellevue in Züri<strong>ch</strong>.
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf BUCHtipps | 35<br />
T. C. Boyle<br />
San Miguel<br />
Khaled Hosseini<br />
Tra<strong>um</strong>sammler<br />
Irena BreŽnÁ<br />
Die undankbare<br />
Fremde<br />
Uwe Timm<br />
Vogelweide<br />
Eine einsame Insel vor der Küste von<br />
Kalifornien: für die einen die Hölle,<br />
für die anderen das Paradies. Die<br />
s<strong>ch</strong>windsü<strong>ch</strong>tige Marantha vers<strong>ch</strong>lägt<br />
es 1888 na<strong>ch</strong> San Miguel. Während<br />
sie si<strong>ch</strong> – geplagt vom rauen Klima,<br />
von Monotonie und Einsamkeit – dem<br />
Leben entzieht, s<strong>ch</strong>afft es Adoptivto<strong>ch</strong>ter<br />
Edith, dem tyrannis<strong>ch</strong>en Vater<br />
und der verhassten Insel <strong>zu</strong> entfliehen.<br />
Jahrzehnte später zieht Elise Lester<br />
dorthin und findet mit ihrer Familie ihr<br />
Glück. Die Presse in den USA feiert<br />
die Lesters mitten in der Weltwirts<strong>ch</strong>aftskrise<br />
<strong>als</strong> Sinnbild vom Mythos<br />
der Pioniere, do<strong>ch</strong> die Idylle trügt.<br />
Boyle gelingt es meisterhaft, in dieser<br />
grossen Saga das S<strong>ch</strong>icksal dreier<br />
starker Frauen lebendig werden <strong>zu</strong><br />
lassen.<br />
Abdullah ist zehn und liebt seine<br />
kleine dreijährige S<strong>ch</strong>wester Pari über<br />
alles. Die beiden leben in den erhabenen<br />
kargen Weiten Afghanistans und<br />
für<strong>ch</strong>ten nur eines: den Dämon aus<br />
den fernen Bergen, der in Sturmnä<strong>ch</strong>ten<br />
auf die Dä<strong>ch</strong>er der Häuser klopft<br />
und si<strong>ch</strong> eines der Kinder holt. Eines<br />
Tages bringt der Vater die Ges<strong>ch</strong>wister<br />
auf einem Fussmars<strong>ch</strong> quer<br />
dur<strong>ch</strong> die Wüste na<strong>ch</strong> Kabul – in der<br />
grossen Stadt su<strong>ch</strong>t er na<strong>ch</strong> einem<br />
besseren Leben. Do<strong>ch</strong> die beiden<br />
Kinder werden getrennt ...<br />
Ein grosser Roman, dessen emotionale<br />
Intensität und Erzählkunst neue<br />
Massstäbe setzen. Fesselnder, rei<strong>ch</strong>er,<br />
persönli<strong>ch</strong>er <strong>als</strong> je <strong>zu</strong>vor – und no<strong>ch</strong><br />
bewegender <strong>als</strong> «Dra<strong>ch</strong>enläufer».<br />
Auf der Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> einer besseren<br />
Welt vers<strong>ch</strong>lägt es eine Jugendli<strong>ch</strong>e<br />
1968 in die S<strong>ch</strong>weiz, ins Land des<br />
harten Käses. Zuhause ist da, wo<br />
man motzen darf, hier aber soll sie<br />
dankbar sein. Die neue Umgebung<br />
s<strong>ch</strong>eint ihr sperrig, distanziert, sie<br />
rebelliert gegen das Gastland, das<br />
sie unter seine Regeln zwingt und sie<br />
ni<strong>ch</strong>t sie selbst sein lässt. Aber sie<br />
trifft au<strong>ch</strong> auf viele andere Gestrandete,<br />
die hoffen, etwas aus ihrem Leben<br />
ma<strong>ch</strong>en <strong>zu</strong> können: kleine Diebe,<br />
Depressive, S<strong>ch</strong>lawiner, Kriegsflü<strong>ch</strong>tlinge,<br />
Ausgebeutete, Überangepasste<br />
und Naive. Und sie lernt, Exil und<br />
Fremdheit <strong>als</strong> Rei<strong>ch</strong>t<strong>um</strong> <strong>zu</strong> erfahren,<br />
sie wird Brückenbauerin zwis<strong>ch</strong>en den<br />
Kulturen.<br />
Ein Mann hat alles verloren, seine Geliebte,<br />
seinen Beruf, seine Wohnung,<br />
er ist ho<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>uldet. Nun lebt er<br />
für eine Weile ganz allein auf einer<br />
Insel in der Elbmündung und versieht<br />
dort den Dienst <strong>als</strong> Vogelwart. Ein<br />
gerade<strong>zu</strong> eremitis<strong>ch</strong>es Dasein, das<br />
dur<strong>ch</strong> einen Anruf dur<strong>ch</strong>einandergewirbelt<br />
wird. Anna kündigt ihren<br />
Besu<strong>ch</strong> an – jene Anna, die vor se<strong>ch</strong>s<br />
Jahren vor ihm geflohen ist und <strong>zu</strong>vor<br />
sein Leben komplett aus den Angeln<br />
gehoben hatte. Während Es<strong>ch</strong>enba<strong>ch</strong><br />
si<strong>ch</strong> auf das Wiedersehen mit ihr<br />
vorbereitet und seinen Alltagsritualen<br />
folgt, besu<strong>ch</strong>en ihn die Geister der<br />
Vergangenheit ... Uwe Timm lässt ein<br />
konturs<strong>ch</strong>arfes Bild unserer Gegenwart<br />
entstehen, in der die Partnerwahl<br />
einerseits von Optimierungsstrategien,<br />
andererseits von entfesselter<br />
Irrationalität geleitet wird und immer<br />
auf dem Prüfstand steht.<br />
448 Seiten<br />
448 Seiten<br />
144 Seiten<br />
336 Seiten<br />
CHF 35.90<br />
CHF 31.90<br />
CHF 14.90<br />
CHF 29.90<br />
Hanser<br />
S. Fis<strong>ch</strong>er<br />
Kiepenheuer & Wits<strong>ch</strong><br />
Kiepenheuer & Wits<strong>ch</strong><br />
ISBN 978-3-446-24323-1<br />
ISBN 978-3-10-032910-3<br />
ISBN 978-3-462-04591-8<br />
ISBN 978-3-462-04571-0
36 | Fantastis<strong>ch</strong>! <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
Fantastis<strong>ch</strong>!<br />
Ein Mitarbeiter von Orell Füssli präsentiert Neuers<strong>ch</strong>einungen und Geheimtipps aus dem<br />
Fantasy-Genre: Bü<strong>ch</strong>er für alle, die si<strong>ch</strong> gern in fremde Welten entführen lassen.<br />
Marius Leutenegger<br />
«Heute stelle i<strong>ch</strong> drei Bü<strong>ch</strong>er vor, die <strong>zu</strong>fälligerweise<br />
alle im glei<strong>ch</strong>en Verlag ers<strong>ch</strong>ienen<br />
sind – Heyne trifft offenbar meinen<br />
aktuellen Ges<strong>ch</strong>mack. Die dickste der drei<br />
Neuers<strong>ch</strong>einungen ist ‹Der rote Krieger›<br />
von Miles Cameron. Die Mens<strong>ch</strong>en leben<br />
im dur<strong>ch</strong> hohe Mauern ges<strong>ch</strong>ützten Königrei<strong>ch</strong><br />
Alba. Ausserhalb der Mauern befindet<br />
si<strong>ch</strong> die Wildnis voller Dämonen und Dra<strong>ch</strong>en.<br />
Als eine Nonne in Alba bestialis<strong>ch</strong><br />
ermordet wird, ma<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> Angst breit –<br />
und alle fragen si<strong>ch</strong>, wie so viel Böses in<br />
den ges<strong>ch</strong>ützten Berei<strong>ch</strong> kommen konnte.<br />
S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> wenden si<strong>ch</strong> die Mens<strong>ch</strong>en an<br />
den roten Krieger. Sie trauen ihm zwar<br />
ni<strong>ch</strong>t ri<strong>ch</strong>tig und er ist ihnen au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
wirkli<strong>ch</strong> sympathis<strong>ch</strong>, aber der rote Krieger<br />
gilt <strong>als</strong> stark, klug und mutig. Er s<strong>ch</strong>eint<br />
der einzige <strong>zu</strong> sein, der diesen Mordfall<br />
aufklären kann. Bald zeigt si<strong>ch</strong>, dass ein<br />
Zauberer seine dunkle Seite in Alba auslebt.<br />
Und es kommt <strong>zu</strong> überras<strong>ch</strong>enden<br />
Wendungen, die i<strong>ch</strong> hier ni<strong>ch</strong>t verraten<br />
will. Es gibt grossartige, <strong>zu</strong>weilen etwas<br />
gar blutige S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>ten, die wunderbar<br />
plastis<strong>ch</strong> bes<strong>ch</strong>rieben sind – man kommt<br />
si<strong>ch</strong> vor wie im Kino. Und i<strong>ch</strong> bin mir au<strong>ch</strong><br />
ziemli<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>er, dass dieses Bu<strong>ch</strong> irgendwann<br />
verfilmt werden wird.<br />
‹Der rote Krieger› ist High-Fantasy vom<br />
Feinsten. Man sagt ja gern, ein Bu<strong>ch</strong> habe<br />
einen von der ersten Seite an gepackt, aber<br />
hier war das wirkli<strong>ch</strong> der Fall: I<strong>ch</strong> konnte<br />
das Bu<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr weglegen, ka<strong>um</strong> hatte<br />
i<strong>ch</strong> mit dem Lesen begonnen. Der S<strong>ch</strong>reibstil<br />
von Miles Cameron hat mi<strong>ch</strong> positiv<br />
überras<strong>ch</strong>t. Vieles wird zwar sehr detailliert<br />
und ausführli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>ildert, aber es<br />
gibt ka<strong>um</strong> Längen, au<strong>ch</strong> wenn si<strong>ch</strong> die Er-<br />
eignisse erst auf den letzten 400 Seiten<br />
überstürzen. Auf dem Bu<strong>ch</strong> steht, es werde<br />
allen Fans von ‹Games of Thrones› empfohlen,<br />
der Kultserie von George R.R. Martin,<br />
und das kann i<strong>ch</strong> <strong>als</strong> sol<strong>ch</strong>er nur unters<strong>ch</strong>reiben<br />
– ‹Der rote Krieger› kann man<br />
jedem Martin-Fan unbesehen in die Hand<br />
legen. Das Bu<strong>ch</strong> wird aber au<strong>ch</strong> sonst allen<br />
gefallen, die epis<strong>ch</strong>e Fantasy-Romane<br />
s<strong>ch</strong>ätzen. Es gibt ja viele Leute, denen kein<br />
Bu<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> dick ist!<br />
Martin-Fans sind wohl au<strong>ch</strong> mit meiner<br />
nä<strong>ch</strong>sten Empfehlung gut bedient: ‹Planetenwanderer›,<br />
ein Science-Fiction-Abenteuer<br />
des Meisters persönli<strong>ch</strong>. I<strong>ch</strong> liebe<br />
Martins Charaktere und ironis<strong>ch</strong>-tapferen<br />
Helden; der Engländer hat eine coole Art,<br />
seine Protagonisten lebhaft <strong>zu</strong> gestalten.<br />
Au<strong>ch</strong> der Planetenwanderer Haviland Tuf
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Fantastis<strong>ch</strong>! | 37<br />
ist ein s<strong>ch</strong>räger Antiheld. Der Katzenliebhaber<br />
reist mit einem Saats<strong>ch</strong>iff dur<strong>ch</strong> die<br />
Galaxien – das ist ein ehemaliges Kriegss<strong>ch</strong>iff,<br />
mit dem einst Genproben von in<br />
S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>ten einsetzbaren Monstern eingesammelt<br />
wurden. Diese Proben sind immer<br />
no<strong>ch</strong> da, Haviland Tuf nutzt sie aber,<br />
<strong>um</strong> damit Gutes <strong>zu</strong> tun – und <strong>um</strong> z<strong>um</strong> Beispiel<br />
einen Planeten von einer Riesenkraken-Plage<br />
<strong>zu</strong> befreien. Es passiert zwar<br />
ständig etwas, aber in diesem Bu<strong>ch</strong> geht’s<br />
ni<strong>ch</strong>t unbedingt <strong>um</strong> die Action. Haviland<br />
Tuf wird mit immer neuen Problemen konfrontiert,<br />
und man ist stets gespannt, wie<br />
er sie löst.<br />
«Der S<strong>ch</strong>reibstil<br />
von Miles Cameron<br />
hat mi<strong>ch</strong> positiv<br />
überras<strong>ch</strong>t. Vieles<br />
wird zwar sehr<br />
detailliert und ausführli<strong>ch</strong><br />
ges<strong>ch</strong>ildert,<br />
aber es gibt<br />
ka<strong>um</strong> Längen.»<br />
Auf das dritte Bu<strong>ch</strong>, das i<strong>ch</strong> vorstelle, bin<br />
i<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> den Klappentext gestossen. Dort<br />
wird eine Dystopie angekündigt, <strong>als</strong>o eine<br />
Anti-Utopie. ‹Das Testament der Jessie<br />
Lamb› von Jane Rogers erzählt davon,<br />
wie ein Virus in ni<strong>ch</strong>t all<strong>zu</strong> ferner Zukunft<br />
dafür sorgt, dass alle s<strong>ch</strong>wangeren Frauen<br />
mit ihren Föten sterben – das bedeutet,<br />
dass der Mens<strong>ch</strong>heit das baldige Ende<br />
droht. Mir gefallen sol<strong>ch</strong>e Endzeit-Dramen,<br />
bei denen die Autorin oder der Autor<br />
der Frage ‹Was wäre wenn› na<strong>ch</strong>geht. Es<br />
ma<strong>ch</strong>t mi<strong>ch</strong> oft neugierig, wel<strong>ch</strong>e Antworten<br />
angeboten werden. Ein gutes Beispiel<br />
für diese Art von Bü<strong>ch</strong>ern ist ‹Die Stadt der<br />
Blinden› von José Saramago. Bei Jane Rogers<br />
su<strong>ch</strong>en die Fors<strong>ch</strong>er mit Ho<strong>ch</strong>druck<br />
ein Mittel gegen den Virus. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />
wird klar, dass man wenigstens den Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>s<br />
retten kann, wenn si<strong>ch</strong> die Frauen<br />
in ein Wa<strong>ch</strong>koma versetzen lassen und am<br />
Ende ihr Leben hergeben. Die 16-jährige<br />
Protagonistin Jessie Lamb fällt den Ents<strong>ch</strong>eid,<br />
si<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> opfern und damit z<strong>um</strong> Weiterbestehen<br />
der Mens<strong>ch</strong>heit bei<strong>zu</strong>tragen.<br />
Ihre Eltern stehen dem völlig ma<strong>ch</strong>tlos gegenüber.<br />
Die Diskussionen zwis<strong>ch</strong>en ihnen<br />
und Jessie sind spannend und clever gema<strong>ch</strong>t.<br />
Das Bu<strong>ch</strong> eignet si<strong>ch</strong> für Leserinnen, die<br />
si<strong>ch</strong> mit einer 16-jährigen Hauptfigur identifizieren<br />
können. Denn es ist aus der Si<strong>ch</strong>t<br />
von Jessie ges<strong>ch</strong>rieben, und man<strong>ch</strong>mal<br />
hatte i<strong>ch</strong> etwas Mühe, deren Gedankengänge<br />
na<strong>ch</strong><strong>zu</strong>vollziehen. Darüber hinaus<br />
gefällt ‹Das Testament der Jessie Lamb›<br />
si<strong>ch</strong>er allen, die Dystopien mögen. I<strong>ch</strong> werde<br />
es daher jenen Kundinnen und Kunden<br />
empfehlen, die von der ‹Panem›-Trilogie<br />
angetan waren.»<br />
Marino Castelli, 28, wohnt in Ruswil<br />
und arbeitet bei Orell Füssli am Bellevue.<br />
Bu<strong>ch</strong>händler wurde er, weil «i<strong>ch</strong> ein leidens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er<br />
Leser bin und mein Hobby z<strong>um</strong><br />
Beruf ma<strong>ch</strong>en wollte». An seiner Tätigkeit<br />
s<strong>ch</strong>ätzt er vor allem, dass er immer neue<br />
Bü<strong>ch</strong>er entdecken kann – au<strong>ch</strong> dank<br />
der Kundinnen und Kunden, die etwas<br />
Bestimmtes su<strong>ch</strong>en. Marino liest querbeet,<br />
vor allem Krimis und Fantasy-Romane.<br />
«Jetzt will i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> aber no<strong>ch</strong> stärker der<br />
Literatur widmen – und die wi<strong>ch</strong>tigsten<br />
Bü<strong>ch</strong>er der bekanntesten Autoren <strong>lesen</strong>.»<br />
Der rote<br />
Krieger<br />
Miles Cameron<br />
1166 Seiten<br />
CHF 25.90<br />
Heyne<br />
Ges<strong>ch</strong>rieben wurde ‹Planetenwanderer›<br />
bereits in den 1980er-Jahren. Bis i<strong>ch</strong> erfuhr,<br />
dass die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten bereits 30 Jahre<br />
alt sind, habe i<strong>ch</strong> von ihrem Alter ni<strong>ch</strong>ts<br />
gespürt. Der Roman ers<strong>ch</strong>ien dam<strong>als</strong> in<br />
Fanzines <strong>als</strong> Fortset<strong>zu</strong>ngsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te; die<br />
Kapitel sind daher einzelne Episoden, die<br />
si<strong>ch</strong> aber <strong>zu</strong> einem grossen Ganzen mit<br />
Anfang und Ende fügen. Dass die Episoden<br />
jetzt erstm<strong>als</strong> <strong>zu</strong>sammen zwis<strong>ch</strong>en zwei<br />
Bu<strong>ch</strong>deckeln ers<strong>ch</strong>einen, hat mit dem ungeheuren<br />
Erfolg von Martins ‹Games of<br />
Thrones› <strong>zu</strong> tun. Da i<strong>ch</strong> diese Serie momentan<br />
gerade<strong>zu</strong> vers<strong>ch</strong>linge, habe i<strong>ch</strong><br />
mir jetzt au<strong>ch</strong> den ‹Planetenwanderer› <strong>zu</strong><br />
Gemüte geführt – <strong>als</strong> allerersten Sciencefiction-Roman,<br />
den i<strong>ch</strong> ge<strong>lesen</strong> habe. Jedenfalls<br />
würde i<strong>ch</strong> sofort wieder eine Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />
dieses Stils <strong>lesen</strong>.<br />
Planetenwanderer<br />
George R.R.<br />
Martin<br />
511 Seiten<br />
CHF 23.90<br />
Heyne<br />
Das Testament<br />
der Jessie<br />
Lamb<br />
Jane Rogers<br />
382 Seiten<br />
CHF 23.90<br />
Heyne
38 | Fantastis<strong>ch</strong>! <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
Junge Mitarbeitende von Orell Füssli<br />
geben weitere Tipps:<br />
Tim Lenny George,<br />
18, lebt in einem<br />
Dorf ausserhalb<br />
von Bern, hat gerade<br />
seine Bu<strong>ch</strong>händler-Lehre<br />
im<br />
Zür<strong>ch</strong>er Kramhof<br />
abges<strong>ch</strong>lossen<br />
und will jetzt die<br />
Berufsmatura ma<strong>ch</strong>en.<br />
Künftig arbeitet er in der Filiale<br />
Westside in Bern. Sein Tipp: «Silber» von<br />
Kerstin Gier. «Seltsame Trä<strong>um</strong>e lassen Liv<br />
immer wieder aufs<strong>ch</strong>recken. Sie handeln<br />
von grünen Türen, deren Türklinken aus<br />
Eide<strong>ch</strong>sen bestehen, und von Jungs, die<br />
<strong>um</strong> Mitterna<strong>ch</strong>t Rituale auf Friedhöfen<br />
dur<strong>ch</strong>ziehen. Wieso fühlen si<strong>ch</strong> diese Trä<strong>um</strong>e<br />
so besonders an? Und wieso s<strong>ch</strong>einen<br />
die mysteriösen Friedhofsjungen geheime<br />
Dinge über Liv <strong>zu</strong> wissen? Das ist rätselhaft<br />
– do<strong>ch</strong> Rätseln konnte Liv no<strong>ch</strong> nie<br />
widerstehen ... I<strong>ch</strong> habe das Bu<strong>ch</strong> auf<br />
Drängen einer Kollegin ge<strong>lesen</strong>, die davon<br />
absolut begeistert war. Mit seinem guten<br />
Mix aus High-S<strong>ch</strong>ool-Erlebnissen und zauberhaften<br />
Tra<strong>um</strong>welten hat es au<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong><br />
restlos überzeugt. Die Hauptperson Liv ist<br />
eher Mauerblüm<strong>ch</strong>en <strong>als</strong> Cheerleaderin;<br />
liebenswert-tollpats<strong>ch</strong>ig und selbstironis<strong>ch</strong><br />
stolpert, fällt und tapst sie dur<strong>ch</strong> die<br />
Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te. Kerstin Giers Talent, mit einfa<strong>ch</strong>er<br />
Spra<strong>ch</strong>e viel Emotion und Spannung<br />
<strong>zu</strong> erzeugen, gefällt mir sehr. Vor allem der<br />
Tittle-Tattle-Blog, das s<strong>ch</strong>uleigene Boulevardmagazin,<br />
hat mi<strong>ch</strong> immer wieder z<strong>um</strong><br />
S<strong>ch</strong>munzeln gebra<strong>ch</strong>t. ‹Silber› kreuzt ‹Inception›<br />
mit ‹Gossip Girl› – und eignet si<strong>ch</strong><br />
für alle Fans der ‹Edelsteintrilogie›, mit der<br />
Kerstin Gier au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on überzeugte, sowie<br />
für die Lesers<strong>ch</strong>aft von ‹Panem›. Meines<br />
Era<strong>ch</strong>tens ist dieser Auftakt <strong>zu</strong> einer Trilogie<br />
absolute Pfli<strong>ch</strong>tlektüre für Fantasy-<br />
Freundinnen und -Freunde!»<br />
Manuela Bigler,<br />
25, arbeitet in der<br />
Kinder- und Jugendbu<strong>ch</strong>abteilung<br />
von Orell<br />
Füssli im Berner<br />
Einkaufszentr<strong>um</strong><br />
Westside. Am<br />
liebsten mag sie<br />
Fantasy-Romane.<br />
«Bei diesem Genre kann i<strong>ch</strong> am besten abs<strong>ch</strong>alten»,<br />
sagt die Bernerin. Ihr Tipp:<br />
«Mystic City» von Theo Lawrence. «Dur<strong>ch</strong><br />
die Erderwärmung sind die Polkappen ges<strong>ch</strong>molzen,<br />
weite Flä<strong>ch</strong>en der Erde sind<br />
übers<strong>ch</strong>wemmt. In New York leben die Rei<strong>ch</strong>en<br />
und S<strong>ch</strong>önen glamourös ho<strong>ch</strong> oben in<br />
den Wolkenkratzern, der arme Teil der Bevölkerung,<br />
vorwiegend magiebegabte Mystiker,<br />
haust unten in der fast unerträgli<strong>ch</strong>en<br />
Hitze der Tiefe. Mystiker sorgen<br />
dur<strong>ch</strong> die gesetzli<strong>ch</strong> bestimmte Abs<strong>ch</strong>öpfung<br />
ihrer magis<strong>ch</strong>en Kraft für die Energieversorgung<br />
der Stadt. Aria, To<strong>ch</strong>ter aus<br />
rei<strong>ch</strong>em Haus, hat ihr Gedä<strong>ch</strong>tnis verloren.<br />
Nun steht sie an ihrer eigenen Verlobungsfeier<br />
und kennt ihren Verlobten ni<strong>ch</strong>t mehr.<br />
Aber sie muss ihn sehr geliebt haben –<br />
denn sie wollte für ihn alles aufgeben und<br />
mit ihm in die Tiefe fliehen. Als Aria auf der<br />
Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> des Rätsels Lösung na<strong>ch</strong> unten<br />
geht und den gut aussehenden Mystiker<br />
Hunter trifft, fühlt sie si<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> ihm hingezogen.<br />
Auf ihrer Su<strong>ch</strong>e stösst sie auf immer<br />
mehr Geheimnisse und Intrigen ... Eines<br />
der besten Bü<strong>ch</strong>er, die i<strong>ch</strong> dieses Jahr ge<strong>lesen</strong><br />
habe. Die Zutaten sind so einfa<strong>ch</strong> wie<br />
genial: eine Romanze à la Romeo und Julia,<br />
gepaart mit einer si<strong>ch</strong> stetig steigernden<br />
Spannung. Klar, die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te ist oft vorhersehbar,<br />
aber die wenigen Überras<strong>ch</strong>ungen<br />
sorgen dafür, dass der Spannungsbogen<br />
niem<strong>als</strong> abflaut. Spannend wie ein<br />
Thriller, bildgewaltig wie ein Film und<br />
kämpferis<strong>ch</strong> wie ‹Panem›.»<br />
Angelina Rubli,<br />
28, ist im Kanton<br />
S<strong>ch</strong>affhausen aufgewa<strong>ch</strong>sen,<br />
wohnt<br />
in Da<strong>ch</strong>sen und<br />
arbeitet bei Orell<br />
Füssli am Bellevue<br />
in der Kinder- und<br />
Jugendbu<strong>ch</strong>abteilung,<br />
weil «i<strong>ch</strong> das<br />
die spannendste Literatur finde – sie ist extrem<br />
vielseitig, jeden Monat gibt es neue Strömungen».<br />
Angelina liest etwa drei bis vier<br />
Bü<strong>ch</strong>er pro Wo<strong>ch</strong>e. Ihr Tipp: «Bitterzart»<br />
von Gabrielle Zevin. «New York im Jahr<br />
2083. Anya Balan<strong>ch</strong>ine ist die To<strong>ch</strong>ter des<br />
Mafiabosses, der in der <strong>zu</strong> dieser Zeit verbotenen<br />
S<strong>ch</strong>okoladenproduktion tätig ist. Der<br />
Boss wird allerdings ermordet, und nun<br />
stellt si<strong>ch</strong> die Frage na<strong>ch</strong> seiner Na<strong>ch</strong>folge.<br />
Anya verliebt si<strong>ch</strong> in Win, den Sohn des<br />
Oberstaatsanwalts, do<strong>ch</strong> den beiden ist vorerst<br />
kein Glück bes<strong>ch</strong>ieden: Unwillentli<strong>ch</strong><br />
verabrei<strong>ch</strong>t Anya nämli<strong>ch</strong> ihrem ehemaligen<br />
Freund Gable eine vergiftete S<strong>ch</strong>okolade, die<br />
Polizei ermittelt, und Anya wird in ein Mäd<strong>ch</strong>engefängnis<br />
gesteckt. Der Vater von Win<br />
haut sie zwar raus und kann au<strong>ch</strong> ihre Uns<strong>ch</strong>uld<br />
beweisen, do<strong>ch</strong> er verbietet seinem<br />
Sohn, mit dieser To<strong>ch</strong>ter eines Mafiabosses<br />
weiterhin Kontakt <strong>zu</strong> haben. Werden si<strong>ch</strong> die<br />
Verliebten über dieses Verbot hinwegsetzen?<br />
Wer übernimmt die Familienges<strong>ch</strong>äfte der<br />
Balan<strong>ch</strong>ine? I<strong>ch</strong> fand die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te super.<br />
Sie ist so süss wie S<strong>ch</strong>okolade und so herb<br />
wie ein guter Whiskey, der in der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />
ebenfalls verboten ist. Empfehlen würde i<strong>ch</strong><br />
‹Bitterzart› vor allem Mäd<strong>ch</strong>en, die gern Romane<br />
voller erstaunli<strong>ch</strong>er Wendungen <strong>lesen</strong><br />
und unübli<strong>ch</strong>e Liebesges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten mit starken<br />
Protagonistinnen sowie süssen Söhnen<br />
von Oberstaatsanwälten s<strong>ch</strong>ätzen. Wer diese<br />
Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te mag, kann si<strong>ch</strong> das Warten auf<br />
die Fortset<strong>zu</strong>ng mit der ‹Arkadien-Trilogie›<br />
von Kay Meyer verkürzen.»<br />
Silber<br />
Kerstin Gier<br />
410 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Fis<strong>ch</strong>er FJB<br />
Mystic City 01.<br />
Das gefangene Herz<br />
Theo Lawrence<br />
410 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Ravensburger<br />
Bitterzart<br />
Gabrielle Zevin<br />
540 Seiten<br />
CHF 26.90<br />
Fis<strong>ch</strong>er FJB
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf BUCHtipps | 39<br />
Gillian Flynn<br />
Gone Girl – Das<br />
perfekte Opfer<br />
Nora Roberts<br />
Sommerflammen<br />
Tom clancy<br />
Gegen alle<br />
Feinde<br />
Karin Slaughter<br />
Tote Augen<br />
«‹Was denkst du gerade, Amy?› Das<br />
habe i<strong>ch</strong> sie oft gefragt. Was denkst<br />
du? Wie geht es dir? Wer bist du?<br />
Wie gut kennt man eigentli<strong>ch</strong> den<br />
Mens<strong>ch</strong>en, den man liebt?» Genau<br />
das fragt si<strong>ch</strong> Nick Dunne am sonnigen<br />
Morgen seines fünften Ho<strong>ch</strong>zeitstags.<br />
An diesem Morgen vers<strong>ch</strong>windet<br />
seine Frau Amy spurlos. Die<br />
Polizei verdä<strong>ch</strong>tigt Nick sofort. Amys<br />
Freunde beri<strong>ch</strong>ten, dass sie Angst<br />
vor ihm hatte. Auf der Festplatte<br />
seines Computers entdeckt die Polizei<br />
merkwürdige E-Mails. Ausserdem hat<br />
Nick Amys Geld verwendet, <strong>um</strong> sein<br />
Ges<strong>ch</strong>äft auf<strong>zu</strong>bauen – und nebenbei<br />
ihre Lebensversi<strong>ch</strong>erung erhöht. Aber<br />
viellei<strong>ch</strong>t ist ja au<strong>ch</strong> alles gar ni<strong>ch</strong>t<br />
so, wie es s<strong>ch</strong>eint. Was ges<strong>ch</strong>ah mit<br />
Nicks wunderbarer Frau Amy?<br />
Liebe ist Spannung pur: der neue<br />
Roman von Nora Roberts erstm<strong>als</strong><br />
im Tas<strong>ch</strong>enbu<strong>ch</strong>!<br />
Rowan liebt die Gefahr. Wann immer<br />
die Feuerspringerin <strong>zu</strong> einem Einsatz<br />
mit Falls<strong>ch</strong>irmen gerufen wird, <strong>um</strong> die<br />
tödli<strong>ch</strong>en Flammen in den Wäldern<br />
Montanas <strong>zu</strong> bekämpfen, riskiert sie<br />
ihr Leben. Do<strong>ch</strong> dann stirbt ihr Kollege<br />
Jim bei einem Einsatz. War Rowan<br />
wirkli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>tlos, wie der attraktive<br />
Gull ihr immer wieder versi<strong>ch</strong>ert? Fast<br />
ist sie bereit, si<strong>ch</strong> Gulls Fürsorge hin<strong>zu</strong>geben,<br />
<strong>als</strong> kurz hintereinander zwei<br />
verkohlte Lei<strong>ch</strong>en gefunden werden.<br />
Der Verda<strong>ch</strong>t fällt auf Rowan. Wird<br />
sie ihre Uns<strong>ch</strong>uld beweisen und Gull<br />
je vertrauen können?<br />
Eine neue Bedrohung. Ein neuer Held.<br />
Ein neuer Tom Clancy.<br />
Seit Jahren tobt der Konflikt im<br />
Mittleren Osten. Nun sieht es dana<strong>ch</strong><br />
aus, <strong>als</strong> dass si<strong>ch</strong> der Kriegss<strong>ch</strong>auplatz<br />
verlagert hätte. Die Taliban bedienen<br />
si<strong>ch</strong> für ihre Ma<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>aften eines<br />
mexikanis<strong>ch</strong>en Drogenkartells und<br />
tragen den Kampf ins Heimatland des<br />
Erzfeinds: in die Vereinigten Staaten<br />
von Amerika. Tom Clancy, der Meister<br />
des internationalen Politthrillers,<br />
stellt uns seinen neuen Helden vor:<br />
Ex-Navy-SEAL Max Moore. Und<br />
dieser steht allein gegen alle Feinde.<br />
Dr. Sara Linton, Krankenhausärztin in<br />
Atlanta, Georgia, will ihr Leben neu<br />
ordnen. Do<strong>ch</strong> <strong>als</strong> es <strong>zu</strong> einer Reihe<br />
grausamer Folterungen und Morde<br />
kommt, kann die ehemalige Re<strong>ch</strong>tsmedizinerin<br />
aus Grant County ni<strong>ch</strong>t<br />
tatenlos <strong>zu</strong>sehen. Sie s<strong>ch</strong>altet si<strong>ch</strong> in<br />
die Ermittlungen von Will Trent und<br />
Faith Mit<strong>ch</strong>ell vom Georgia Bureau<br />
of Investigation ein – au<strong>ch</strong> wenn die<br />
Ereignisse s<strong>ch</strong>merzhafte Erinnerungen<br />
in ihr wecken, die sie eigentli<strong>ch</strong> hinter<br />
si<strong>ch</strong> lassen wollte. Die Ermittlerin<br />
Faith Mit<strong>ch</strong>ell hat neben dem Fall<br />
no<strong>ch</strong> ganz private Probleme, die sie in<br />
den Griff bekommen muss. Der Täter<br />
nimmt darauf aber keine Rücksi<strong>ch</strong>t<br />
und mordet einfa<strong>ch</strong> weiter ...<br />
576 Seiten<br />
623 Seiten<br />
864 Seiten<br />
587 Seiten<br />
CHF 27.90<br />
CHF 15.90<br />
CHF 15.90<br />
CHF 15.90<br />
FISCHER S<strong>ch</strong>erz<br />
Diana<br />
Heyne<br />
Blanvalet<br />
ISBN 978-3-502-10222-9<br />
ISBN 978-3-453-35740-2<br />
ISBN 978-3-453-43719-7<br />
ISBN 978-3-442-37478-6
40 | im s<strong>ch</strong>aufenster <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
Ein rei<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>atz<br />
an Leben<br />
Mit «Der Fäls<strong>ch</strong>er, die Spionin und der Bombenbauer» liefert Alex<br />
Capus einen weiteren Beleg seiner stupenden Erzählkunst.<br />
Marius Leutenegger<br />
Marco Grob<br />
ausgeprägtem Gespür für aussagekräftige<br />
Details. Und ähnli<strong>ch</strong> wie bei «Leon und<br />
Louise» s<strong>ch</strong>öpft Capus au<strong>ch</strong> beim neuen<br />
Roman aus tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>ehnissen –<br />
die drei Personen, die im Titel genannt<br />
werden, haben alle gelebt. Der Fäls<strong>ch</strong>er ist<br />
Emile Gilliéron, der 1851 in Villeneuve am<br />
Genfersee <strong>zu</strong>r Welt kam, mit dem Ar<strong>ch</strong>äologen<br />
Heinri<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>liemann na<strong>ch</strong> Grie<strong>ch</strong>enland<br />
ging und si<strong>ch</strong> dort <strong>als</strong> «Restaurator»<br />
betätigte – Gilliéron gestaltete die Fantasien<br />
seiner Auftraggeber, s<strong>ch</strong>uf Fresken oder<br />
entwarf anhand einzelner Fundstücke<br />
grandiose Altertümer, die es so wohl nie<br />
gab. «Steht man vor dem Palast von Knossos,<br />
an dem Gilliéron arbeitete, fühlt man<br />
si<strong>ch</strong> irgendwie an Art déco erinnert», erzählt<br />
Capus. «Kein Wunder: Das ist Art<br />
déco! Gilliéron und später au<strong>ch</strong> sein Sohn<br />
prägten mit ihrem Stil unsere Vorstellung<br />
vom alten Grie<strong>ch</strong>enland, sie erfanden eine<br />
ganze Ho<strong>ch</strong>kultur – und das ist eine Leistung,<br />
die Respekt verdient.»<br />
Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>iert in den USA<br />
Bei der Spionin im Bu<strong>ch</strong> handelt es si<strong>ch</strong> <strong>um</strong><br />
Laura d’Oriano, To<strong>ch</strong>ter von Musikanten,<br />
die im osmanis<strong>ch</strong>en Rei<strong>ch</strong> her<strong>um</strong>tingelten<br />
Das letzte Bu<strong>ch</strong> von Alex Capus, der Roman<br />
«Leon und Louise», war ein Knüller: Die<br />
Kritik übers<strong>ch</strong>lug si<strong>ch</strong> fast vor Euphorie,<br />
und die Verkaufszahlen s<strong>ch</strong>ossen so<strong>zu</strong>sagen<br />
dur<strong>ch</strong> die Decke des Bu<strong>ch</strong>handels. Die<br />
zarte, zwei ganze Mens<strong>ch</strong>enleben dauernde<br />
Liebesges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te von Leon und Louise,<br />
die vor dem Hintergrund eines s<strong>ch</strong>reckli<strong>ch</strong>en<br />
europäis<strong>ch</strong>en Jahrhunderts spielt,<br />
spra<strong>ch</strong> offenbar ein sehr breites Publik<strong>um</strong><br />
an. «Na<strong>ch</strong> einem sol<strong>ch</strong>en Bu<strong>ch</strong> ein neues<br />
Projekt an die Hand <strong>zu</strong> nehmen, ist ni<strong>ch</strong>t<br />
lei<strong>ch</strong>t», gibt Alex Capus un<strong>um</strong>wunden <strong>zu</strong>.<br />
Kein S<strong>ch</strong>riftsteller mö<strong>ch</strong>te s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> <strong>zu</strong><br />
hören bekommen, sein letztes Bu<strong>ch</strong> habe<br />
besser gefallen – daher ist au<strong>ch</strong> die Versu<strong>ch</strong>ung<br />
gross, ein Erfolgskonzept wieder<br />
und wieder <strong>zu</strong> kopieren. Alex Capus ist dieser<br />
Versu<strong>ch</strong>ung z<strong>um</strong> Glück ni<strong>ch</strong>t erlegen:<br />
Sein neuestes Bu<strong>ch</strong> «Der Fäls<strong>ch</strong>er, die Spionin<br />
und der Bombenbauer» – na<strong>ch</strong> seiner<br />
Aussage sein ungefähr fünfzehntes – ist in<br />
vielerlei Hinsi<strong>ch</strong>t ganz anders <strong>als</strong> «Leon<br />
und Louise».<br />
Bes<strong>ch</strong>reibungen, die haften bleiben<br />
Parallelen gibt es natürli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on: Au<strong>ch</strong><br />
mit dem neuen Bu<strong>ch</strong> zeigt Alex Capus,<br />
wel<strong>ch</strong> hervorragender S<strong>ch</strong>riftsteller er ist.<br />
Müsste man diesen Text kürzen, würde<br />
man wohl s<strong>ch</strong>eitern – jedes Wort sitzt, die<br />
Spra<strong>ch</strong>e s<strong>ch</strong>eint so ideal gemeisselt wie<br />
eine Statue von Praxiteles. Nie spürt man<br />
s<strong>ch</strong>riftstelleris<strong>ch</strong>e Koketterie, alles fliesst<br />
ganz wunderbar. Und immer wieder stösst<br />
man auf kurze Bes<strong>ch</strong>reibungen, die haften<br />
bleiben; Capus erweist si<strong>ch</strong> in diesen Passagen<br />
<strong>als</strong> aufmerksamer Beoba<strong>ch</strong>ter mit<br />
Alex Capus<br />
ml. Alex Capus kam 1961 in der Normandie<br />
<strong>als</strong> Sohn eines Franzosen und<br />
einer S<strong>ch</strong>weizerin <strong>zu</strong>r Welt. Die ersten<br />
fünf Lebensjahre verbra<strong>ch</strong>te er bei seinem<br />
Grossvater in Paris. Dann zog er mit seiner<br />
Mutter na<strong>ch</strong> Olten. Er studierte Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te,<br />
Philosophie und Ethnologie in Basel<br />
und arbeitete <strong>als</strong> Journalist und Redakteur<br />
bei vers<strong>ch</strong>iedenen Tageszeitungen sowie<br />
bei der S<strong>ch</strong>weizer Depes<strong>ch</strong>enagentur.<br />
Sein erster Erzählband ers<strong>ch</strong>ien 1994:<br />
«Diese verflu<strong>ch</strong>te S<strong>ch</strong>werkraft». Seither<br />
hat er rund ein Dutzend weiterer Bü<strong>ch</strong>er<br />
publiziert, die in viele Spra<strong>ch</strong>en übersetzt<br />
wurden und zahlrei<strong>ch</strong>e Preise gewannen.<br />
Oft verbindet Capus in seinen Werken<br />
sorgfältig re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>ierte Fakten mit fiktiven<br />
Erzählebenen; einige seiner Publikationen<br />
sind Sammlungen literaris<strong>ch</strong>er Porträts<br />
und historis<strong>ch</strong>er Miniaturen. Einen Namen<br />
gema<strong>ch</strong>t hat si<strong>ch</strong> Capus au<strong>ch</strong> <strong>als</strong> Übersetzer<br />
der Romane von John Fante und John<br />
Kennedy Toole.<br />
Alex Capus lebt no<strong>ch</strong> immer in Olten.<br />
Dort besitzt er mit dem «Flügelrad» au<strong>ch</strong><br />
eine eigene Beiz – gemeinsam mit seinem<br />
S<strong>ch</strong>riftstellerfreund Pedro Lenz («Der<br />
Goalie bin ig»). Capus ist verheiratet und<br />
Vater von fünf Kindern.<br />
und s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> in Südfrankrei<strong>ch</strong> sesshaft<br />
wurden. Laura wollte Sängerin werden,<br />
war aber ni<strong>ch</strong>t gut genug. Vom Studi<strong>um</strong> in<br />
Paris na<strong>ch</strong> Südfrankrei<strong>ch</strong> <strong>zu</strong>rückgekehrt,<br />
lernte sie einen S<strong>ch</strong>weizer kennen, mit<br />
dem sie während der Wirts<strong>ch</strong>aftskrise in
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf im s<strong>ch</strong>aufenster | 41<br />
dessen Heimatdorf Bottighofen zog. Weil<br />
ihr der Thurgau <strong>zu</strong> eng war, flü<strong>ch</strong>tete Laura<br />
na<strong>ch</strong> kurzer Zeit wieder <strong>zu</strong>rück ans Mittelmeer,<br />
wo sie dur<strong>ch</strong> Zufall Spionin für die<br />
Alliierten wurde. Do<strong>ch</strong> lange dauerte ihr<br />
Leben <strong>als</strong> Mata Hari ni<strong>ch</strong>t – 1943 kam ihr<br />
die zweifelhafte Ehre <strong>zu</strong>, <strong>als</strong> einzige Frau<br />
im Königrei<strong>ch</strong> Italien hingeri<strong>ch</strong>tet <strong>zu</strong> werden.<br />
«I<strong>ch</strong> las alle Verhörprotokolle», erzählt<br />
Capus, «eine sehr rei<strong>ch</strong>e Quelle! Leider<br />
s<strong>ch</strong>ickte mir das Ar<strong>ch</strong>iv in Rom Scans<br />
aller Protokolle auf einer CD, so dass si<strong>ch</strong><br />
meine geplante Italienreise erübrigte.»<br />
Trotzdem konnte Capus für sein neues<br />
Bu<strong>ch</strong> ins Ausland reisen: In den USA re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>ierte<br />
er über seine dritte Figur, den<br />
Bombenbauer. Dabei handelt es si<strong>ch</strong> <strong>um</strong><br />
den Zür<strong>ch</strong>er Felix Blo<strong>ch</strong>, der 1951 den Nobelpreis<br />
für Physik gewann. Die Gräuel des<br />
Ersten Weltkriegs stiessen Blo<strong>ch</strong> <strong>als</strong> jungen<br />
Mann derart ab, dass er eine Tätigkeit<br />
su<strong>ch</strong>te, die si<strong>ch</strong> mit Si<strong>ch</strong>erheit nie für den<br />
Krieg verwenden liesse. Er glaube, sie bei<br />
der jungen Quantenphysik gefunden <strong>zu</strong> haben<br />
– am Ende landete er aber denno<strong>ch</strong><br />
beim Manhattan-Projekt, das die erste<br />
Atombombe hervorbra<strong>ch</strong>te. «Blo<strong>ch</strong> steckte<br />
in einem ethis<strong>ch</strong>en Dilemma», sagt Alex<br />
Capus: «Sollte er helfen, die s<strong>ch</strong>limmste<br />
Waffe <strong>zu</strong> bauen, <strong>um</strong> damit den Holocaust<br />
<strong>zu</strong> stoppen? Immerhin gehörte er dann<br />
aber <strong>zu</strong> den wenigen Leuten, die aus dem<br />
Manhattan-Projekt ausstiegen.»<br />
Begegnung wäre denkbar gewesen<br />
Der neue Roman handelt <strong>als</strong>o von drei Leben<br />
und hat drei Handlungsfäden. Was haben<br />
die drei Figuren miteinander <strong>zu</strong> tun?<br />
Zur Antwort erzählt Alex Capus aus seiner<br />
Kindheit in Olten. «I<strong>ch</strong> sass oft am Bahnhof<br />
und beoba<strong>ch</strong>tete die Leute; es gefällt mir<br />
immer no<strong>ch</strong>, einfa<strong>ch</strong> dort <strong>zu</strong> sitzen und<br />
diesen rei<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>atz an Leben an mir<br />
vorbeiziehen <strong>zu</strong> lassen. Es hat mi<strong>ch</strong> immer<br />
beeindruckt, wie viele Mens<strong>ch</strong>en meinen<br />
Lebensweg kreuzen, ohne dass wir voneinander<br />
Notiz nehmen – und <strong>als</strong> Kind stellte<br />
i<strong>ch</strong> mir man<strong>ch</strong>mal vor, wie es wäre, einfa<strong>ch</strong><br />
einmal mit Leuten mit<strong>zu</strong>gehen und sie<br />
dur<strong>ch</strong>s Leben <strong>zu</strong> begleiten.» Mit dem neuen<br />
Bu<strong>ch</strong> ri<strong>ch</strong>tet er jetzt den Fokus auf drei<br />
Leute, deren Wege si<strong>ch</strong> viellei<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> einmal<br />
kreuzten – 1924 am Bahnhof in Züri<strong>ch</strong>.<br />
«Eine Begegnung wäre z<strong>um</strong>indest<br />
mögli<strong>ch</strong> gewesen», sagt der Autor. «I<strong>ch</strong><br />
halte allerdings s<strong>ch</strong>on ganz am Anfang des<br />
Bu<strong>ch</strong>s fest, dass die drei Handlungsstränge<br />
ni<strong>ch</strong>t <strong>zu</strong>sammenkommen werden.» Denno<strong>ch</strong><br />
bleiben die drei Hauptfiguren miteinander<br />
verbunden: «Am Ende dreht si<strong>ch</strong><br />
alles <strong>um</strong> die Frage, ob man seine Lebensträ<strong>um</strong>e<br />
und Ideale verwirkli<strong>ch</strong>en<br />
kann oder ni<strong>ch</strong>t. Der eine ist Künstler und<br />
will es ni<strong>ch</strong>t sein. Die andere will Künstlerin<br />
sein und ist es ni<strong>ch</strong>t. Der Dritte will einer<br />
Sa<strong>ch</strong>e auswei<strong>ch</strong>en und gerät dann<br />
do<strong>ch</strong> in sie hinein. I<strong>ch</strong> selber bin jetzt 52<br />
Jahre alt, und in diesem Alter stellt man<br />
si<strong>ch</strong> natürli<strong>ch</strong> gewisse Fragen: Hat man<br />
wirkli<strong>ch</strong> die Begabung, das <strong>zu</strong> tun, was<br />
man gern ma<strong>ch</strong>t? Tut man das Ri<strong>ch</strong>tige?»<br />
Als Leser glaubt man im Fall von Alex Capus<br />
die Antwort <strong>zu</strong> kennen: Als S<strong>ch</strong>riftsteller<br />
ist er am ri<strong>ch</strong>tigen Platz.<br />
Der Fäls<strong>ch</strong>er, die Spionin<br />
und der Bombenbauer<br />
272 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Hanser<br />
Neue Bü<strong>ch</strong>er bei Diogenes<br />
512 Seiten, Leinen, sFr 32.90*<br />
Ein junges marokkanis<strong>ch</strong>es Fußballteam<br />
hält Amsterdam in Atem. Ein dubioser<br />
jüdis<strong>ch</strong>er Ges<strong>ch</strong>äftsmann entdeckt plötzli<strong>ch</strong><br />
sein gutes Herz. Väter und Söhne<br />
finden s<strong>ch</strong>icksalhaft <strong>zu</strong>einander, eine alte<br />
Liebesges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te flackert wieder auf…<br />
Der neue atemberaubende Thriller von<br />
Leon de Winter!<br />
352 Seiten, Leinen, sFr 32.90* 336 Seiten, Leinen, sFr 32.90*<br />
»Kein S<strong>ch</strong>riftsteller, der bei Trost ist,<br />
s<strong>ch</strong>reibt eine Autobiographie«, lautet der<br />
erste Satz. Urs Widmer hat die eigene<br />
Warnung in den Wind ges<strong>ch</strong>lagen und<br />
ein großartiges Erinnerungsbu<strong>ch</strong> verfasst.<br />
Eine persönli<strong>ch</strong>e Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te aus<br />
den für die Weltges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te so ents<strong>ch</strong>eidenden<br />
Jahren 1938 – 1968.<br />
Eine Prinzessin von Sansibar, die mit<br />
einem Hamburger Kaufmann dur<strong>ch</strong>brennt.<br />
Mit dieser verbotenen Liebe<br />
beginnt die spannende Saga einer westöstli<strong>ch</strong>en<br />
Familie zwis<strong>ch</strong>en Europa und<br />
der arabis<strong>ch</strong>en Welt. Ein historis<strong>ch</strong>er<br />
Roman na<strong>ch</strong> der wahren Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te von<br />
Emily Ruete.<br />
*unverbindli<strong>ch</strong>e Preisempfehlung
42 | Kinderwelt <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
Z<strong>um</strong> La<strong>ch</strong>en!<br />
Kinder sind fröhli<strong>ch</strong>e Wesen – deshalb gibt es für sie au<strong>ch</strong> viele ausnehmend h<strong>um</strong>orvolle<br />
Bü<strong>ch</strong>er. Unsere Fa<strong>ch</strong>frau für Kinderbü<strong>ch</strong>er hat einige der witzigsten Neuers<strong>ch</strong>einungen aus<br />
dem Regal ge<strong>zu</strong>pft.<br />
Marius Leutenegger<br />
© Beltz & Gelberg<br />
Sol<strong>ch</strong>e Piraten will Polly im<br />
Bu<strong>ch</strong> von Matthias Weinert an<br />
ihrer Geburtstagsparty sehen.<br />
«Als Bu<strong>ch</strong>händlerin und Mutter weiss i<strong>ch</strong>,<br />
wie sehr Kinder und Jugendli<strong>ch</strong>e lustige<br />
Bü<strong>ch</strong>er mögen. Und i<strong>ch</strong> bewundere oft, mit<br />
wie viel H<strong>um</strong>or gute Autorinnen und Autoren<br />
au<strong>ch</strong> ernsthafte Themen behandeln<br />
können. Meine erste Empfehlung ist allerdings<br />
ein reiner Spass: ‹Pollys Piratenparty›<br />
des Hamburger Illustrators Matthias<br />
Weinert. Dieses comicartige Bilderbu<strong>ch</strong><br />
hat so viel Atmosphäre! Es erzählt von einer<br />
Gruppe von Piraten, die von der kleinen<br />
Polly <strong>zu</strong> einer Geburtstagsparty eingeladen<br />
werden – und die si<strong>ch</strong> jetzt riesig auf<br />
den Ku<strong>ch</strong>en freuen. Do<strong>ch</strong> Fred, der Bordkakadu,<br />
wird z<strong>um</strong> Spielverderber. ‹Kein<br />
Bad, kein Ku<strong>ch</strong>en›, sagt er. Also baden die<br />
Piraten. Do<strong>ch</strong> das rei<strong>ch</strong>t Fred ni<strong>ch</strong>t. ‹Kein<br />
S<strong>ch</strong>ick, kein Ku<strong>ch</strong>en›, ‹Kein Ges<strong>ch</strong>enk, kein<br />
Ku<strong>ch</strong>en› – so geht es ständig weiter. Als die<br />
Piraten dann ges<strong>ch</strong>niegelt und mit einer<br />
s<strong>ch</strong>ön eingepackten Puppe bei Polly eintreffen,<br />
ist das Mäd<strong>ch</strong>en ausser si<strong>ch</strong>: Es<br />
wollte mit einem Haufen Piraten feiern und<br />
ni<strong>ch</strong>t mit diesen sauberen Herren! Im Moment<br />
muss i<strong>ch</strong> dieses Bu<strong>ch</strong> meinem dreijährigen<br />
Bub jeden Abend erzählen. Ihm<br />
gefällt besonders, wie entsetzt die Piraten<br />
darüber sind, dass sie baden müssen. Und<br />
natürli<strong>ch</strong> liebt er, wie Fred am S<strong>ch</strong>luss an<br />
den Masten gefesselt wird.<br />
‹Pollys Piratenparty› ist das Lieblingsbu<strong>ch</strong><br />
meines Sohns – meine eigene Lieblings-<br />
Neuers<strong>ch</strong>einung ist ‹Familie Grunz hat<br />
Ärger› von Philip Ardagh, übersetzt von<br />
Harry Rowohlt und illustriert von Axel<br />
S<strong>ch</strong>effler. Vater und Mutter Grunz sind<br />
zwei stinkende, streitsü<strong>ch</strong>tige, betrügeris<strong>ch</strong>e<br />
Ekelpakete, die einem sofort ans Herz<br />
wa<strong>ch</strong>sen. Zusammen mit ihrem Sohnemann<br />
– der aber gar ni<strong>ch</strong>t ihr ri<strong>ch</strong>tiger<br />
Sohn ist – ma<strong>ch</strong>en sie si<strong>ch</strong> in einem Wohnwagen<br />
auf den Weg, einen Elefanten <strong>zu</strong><br />
kaufen. Unterwegs begegnen sie den seltsamsten<br />
Gestalten. Z<strong>um</strong> Beispiel einem<br />
Mann, der in einer grossen G<strong>um</strong>mitomate<br />
lebt. Oder dem Herrn S<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t, der einen<br />
gierigen Grossgrundbesitzer namens von<br />
Guuth bekämpft. Die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te führt <strong>zu</strong><br />
einem regelre<strong>ch</strong>ten Showdown, bei dem<br />
alle Handlungsfäden <strong>zu</strong>sammenkommen –<br />
für jedes skurrile Element und jede Figur<br />
gibt es dann eine Erklärung. Dieses Bu<strong>ch</strong><br />
ist spannend, witzig, liebenswert, h<strong>um</strong>orvoll,<br />
da steckt einfa<strong>ch</strong> alles drin. Man kann<br />
es Kindern ab dem Kindergartenalter vor<strong>lesen</strong>.<br />
Oder es glei<strong>ch</strong> selber vers<strong>ch</strong>lingen.<br />
Au<strong>ch</strong> das nä<strong>ch</strong>ste Bu<strong>ch</strong> ist ein Volltreffer:<br />
‹Pow!› von Mi<strong>ch</strong>ael Fry. Ein gutes Beispiel<br />
dafür, wie h<strong>um</strong>orvoll man ein eigentli<strong>ch</strong><br />
ernstes Thema behandeln kann – vor allem,<br />
wenn man Engländer ist. ‹Pow!› gefällt si<strong>ch</strong>er<br />
allen ‹Greg›-Lesern, denn es ist comicund<br />
tagebu<strong>ch</strong>artig gestaltet. Hauptfigur ist<br />
der elfjährige Paul, der leider viel <strong>zu</strong> klein<br />
ist für sein Alter. Er wird ständig von Roy<br />
gehänselt und jeden Morgen ins S<strong>ch</strong>liessfa<strong>ch</strong><br />
gesteckt. Irgendwann bes<strong>ch</strong>liesst die<br />
S<strong>ch</strong>ulpsy<strong>ch</strong>ologin, Paul <strong>zu</strong>sammen mit der<br />
Bohnenstange Molly und dem Nerd Karl in<br />
eine Bande <strong>zu</strong> stecken – in der Überzeugung:<br />
Halten die Unbeliebtesten <strong>zu</strong>sammen,<br />
werden sie stärker. Die drei bekommen<br />
den Wa<strong>ch</strong>dienst übertragen. Vor allem
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Kinderwelt | 43<br />
© NordSüd<br />
Im Bu<strong>ch</strong> von Autor Philip Ardagh und lllustrator<br />
Axel S<strong>ch</strong>effler hat die Familie Grunz tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />
viel Ärger!<br />
aber bes<strong>ch</strong>liessen sie, Roy auf eigene Faust<br />
das Handwerk <strong>zu</strong> legen ... An diesem Bu<strong>ch</strong><br />
gefällt mir besonders, dass der Autor seine<br />
Figuren ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>warz-weiss gestaltet. Roy<br />
ist ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> böse, sondern er hat einen<br />
Grund, war<strong>um</strong> er si<strong>ch</strong> so verhält. Darüber<br />
hinaus ist das Bu<strong>ch</strong> aber einfa<strong>ch</strong> <strong>um</strong>werfend<br />
komis<strong>ch</strong>.<br />
Dasselbe lässt si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> von der nä<strong>ch</strong>sten<br />
Neuers<strong>ch</strong>einung sagen: ‹Amanda Babbel<br />
und die platzende Paula› von Kjartan Poskitt.<br />
In der S<strong>ch</strong>ulklasse von Amanda war in<br />
diesem Jahr no<strong>ch</strong> niemand krank, und die<br />
Lehrerin verspri<strong>ch</strong>t: Wenn ihr das bis Ende<br />
Jahr dur<strong>ch</strong>haltet, gehen wir <strong>zu</strong>r Belohnung<br />
ins M<strong>um</strong>ienmuse<strong>um</strong>. Darauf freut si<strong>ch</strong> die<br />
ganze Klasse. Do<strong>ch</strong> eines Abends überes-<br />
Testleserinnen und Testleser von 8 bis 12 gesu<strong>ch</strong>t!<br />
Niemand weiss besser, was jungen Lesern gefällt, <strong>als</strong> die jungen Leser selbst. Deshalb<br />
su<strong>ch</strong>t Orell Füssli gemeinsam mit dem Kindermagazin «Spick» Buben und Mäd<strong>ch</strong>en<br />
für die Testleser-Gruppe. Sie dürfen während eines halben Jahrs bei uns so viele<br />
druckfris<strong>ch</strong>e Bü<strong>ch</strong>er ausleihen, wie sie mö<strong>ch</strong>ten. Zu jedem Bu<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>reiben sie eine<br />
kurze Bespre<strong>ch</strong>ung, die dann – <strong>zu</strong>sammen mit einem Porträtbild – in den Bu<strong>ch</strong>handlungen<br />
und im «Spick» veröffentli<strong>ch</strong>t wird.<br />
Si<strong>ch</strong> für die Testlese-Gruppe <strong>zu</strong> bewerben, ist ganz einfa<strong>ch</strong>: Bist du zwis<strong>ch</strong>en 8 und<br />
12 Jahre alt, s<strong>ch</strong>ickst du uns bitte ein Foto von dir und eine kurze Bespre<strong>ch</strong>ung deines<br />
Lieblingsbu<strong>ch</strong>s. Bitte sag uns in fünf Sätzen, wor<strong>um</strong> es im Bu<strong>ch</strong> geht, was dir daran<br />
gefallen hat und wem du dieses Bu<strong>ch</strong> empfiehlst. Foto und Bespre<strong>ch</strong>ung – sowie deine<br />
Adresse – kannst du uns per E-Mail oder Post s<strong>ch</strong>icken:<br />
isabel.hammer@books.<strong>ch</strong><br />
Orell Füssli Bu<strong>ch</strong>handlung, Kramhof, Füsslistrasse 4, 8001 Züri<strong>ch</strong><br />
sen si<strong>ch</strong> Amanda und zwei ihrer<br />
Freundinnen an einer Pizza. Paula<br />
geht es tags darauf hundsmiserabel,<br />
und sie kann ni<strong>ch</strong>t <strong>zu</strong>r S<strong>ch</strong>ule<br />
gehen. Amanda und ihre Freundin<br />
bauen darauf eine Paula aus Ballonen,<br />
damit niemand merkt, dass<br />
die e<strong>ch</strong>te Paula gar ni<strong>ch</strong>t da ist.<br />
Und diese Ballon-Paula, die ni<strong>ch</strong>t<br />
platzen darf, s<strong>ch</strong>leppen die Mäd<strong>ch</strong>en<br />
nun von einer Lektion <strong>zu</strong>r<br />
nä<strong>ch</strong>sten ... Diese grandiose Ausgangslage<br />
nutzt Kjartan Poskitt für<br />
geniale Szenen und Dialoge. Ein<br />
Jugendbu<strong>ch</strong> mit so originellen<br />
Ideen habe i<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> nie ge<strong>lesen</strong> –<br />
es ist einfa<strong>ch</strong> total unterhaltsam<br />
und eignet si<strong>ch</strong> vor allem für Mäd<strong>ch</strong>en<br />
ab etwa 10 Jahren.<br />
Au<strong>ch</strong> das nä<strong>ch</strong>ste Bu<strong>ch</strong> ri<strong>ch</strong>tet si<strong>ch</strong> wohl<br />
eher an Leserinnen: ‹Widerspru<strong>ch</strong> zwecklos<br />
oder Wie man eine polnis<strong>ch</strong>e Mutter<br />
überlebt› von Emmy Abrahamson. Grandios<br />
witzig! In erster Linie geht es <strong>um</strong> eine<br />
Mutter-To<strong>ch</strong>ter-Beziehung, der Vater arbeitet<br />
gerade irgendwo in Amerika. Dass<br />
die Mutter aus Polen stammt, spielt keine<br />
Rolle – sie ist einfa<strong>ch</strong> eine Frau, die in<br />
s<strong>ch</strong>wierigen Zeiten aufgewa<strong>ch</strong>sen, supersparsam<br />
und eigentli<strong>ch</strong> total s<strong>ch</strong>räg ist.<br />
To<strong>ch</strong>ter Alicja ist aber selber megas<strong>ch</strong>räg.<br />
Sie gerät ständig in superpeinli<strong>ch</strong>e Situationen,<br />
in die sie oft von ihrer Mutter getrieben<br />
wurde; einmal muss Alicja ihre Cousine<br />
z<strong>um</strong> Papstbesu<strong>ch</strong> begleiten, und da geht<br />
alles s<strong>ch</strong>ief. Trotzdem halten Mutter und<br />
To<strong>ch</strong>ter am Ende eisern <strong>zu</strong>sammen – denn<br />
man kann natürli<strong>ch</strong> nur so s<strong>ch</strong>ön streiten<br />
wie Alicja und ihre polnis<strong>ch</strong>e Mutter, wenn<br />
man einander wirkli<strong>ch</strong> liebt.»<br />
Nicole Stäuble, 40, ist Bu<strong>ch</strong>händlerin bei<br />
Orell Füssli in Frauenfeld; sie hat einen<br />
dreijährigen Sohn. «I<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>te bereits<br />
meine Lehre <strong>zu</strong>r Bu<strong>ch</strong>händlerin bei Orell<br />
Füssli», erzählt sie. S<strong>ch</strong>on in der Lehre<br />
seien Kinder- und Jugendbü<strong>ch</strong>er für sie das<br />
Grösste gewesen, denn «dieser Berei<strong>ch</strong><br />
ist so vielseitig – und fast so etwas wie<br />
eine Bu<strong>ch</strong>handlung in der Bu<strong>ch</strong>handlung!»<br />
Ausserdem könne man die Kundinnen<br />
und Kunden, die Kinderbü<strong>ch</strong>er su<strong>ch</strong>ten,<br />
ri<strong>ch</strong>tig beraten: «Die meisten Leute sind<br />
dankbar für Empfehlungen, weil sie si<strong>ch</strong><br />
mit den Neuers<strong>ch</strong>einungen ni<strong>ch</strong>t so gut<br />
auskennen.»<br />
Pollys Piratenparty<br />
Matthias Weinert<br />
32 Seiten<br />
CHF 23.90<br />
NordSüd<br />
Familie Grunz hat<br />
Ärger<br />
Philip Ardagh, Axel<br />
S<strong>ch</strong>effler (Illustrationen)<br />
240 Seiten<br />
CHF 19.90<br />
Beltz & Gelberg<br />
Pow!<br />
Mi<strong>ch</strong>ael Fry<br />
240 Seiten<br />
CHF 19.90<br />
Dressler<br />
Amanda Babbel<br />
und die platzende<br />
Paula<br />
Kjartan Poskitt,<br />
David Tazzyman<br />
(Illustrationen)<br />
208 Seiten<br />
CHF 21.90<br />
Sauerländer<br />
Widerspru<strong>ch</strong><br />
zwecklos oder Wie<br />
man eine polnis<strong>ch</strong>e<br />
Mutter überlebt<br />
Emmy Abrahamson<br />
214 Seiten<br />
CHF 19.90<br />
dtv
44 | Bu<strong>ch</strong>tipps <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
Marisha Pessl<br />
Die amerikanis<strong>ch</strong>e<br />
Na<strong>ch</strong>t<br />
Milena Moser<br />
Das wahre<br />
Leben<br />
Ka Hancock<br />
Tanz auf Glas<br />
Ni<strong>ch</strong>olas Sparks<br />
Mein Weg <strong>zu</strong> dir<br />
Ashley ist tot – gerade einmal 24 Jahre<br />
alt, eine Lei<strong>ch</strong>e in einer verlassenen<br />
Lagerhalle Manhattans. Tief unten im<br />
S<strong>ch</strong>a<strong>ch</strong>t leu<strong>ch</strong>tet rot ihr Mantel. Ein<br />
Unfall? Oder Selbstmord? Und was<br />
hat Cordova, der übermä<strong>ch</strong>tige Vater<br />
und besessene Filmema<strong>ch</strong>er, mit<br />
ihrem Tod <strong>zu</strong> tun? Der S<strong>ch</strong>lüssel z<strong>um</strong><br />
Geheimnis liegt in seinen magis<strong>ch</strong>en<br />
Filmen, die na<strong>ch</strong> und na<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> einer<br />
Wirkli<strong>ch</strong>keit werden, aus der es kein<br />
Entkommen gibt. «Die alltägli<strong>ch</strong>e<br />
Physik des Unglücks» ma<strong>ch</strong>te Marisha<br />
Pessl 2006 weltberühmt – jetzt kehrt<br />
die New Yorkerin mit einem donnernden<br />
Paukens<strong>ch</strong>lag <strong>zu</strong>rück.<br />
Zwei Frauen in der Mitte ihres<br />
Lebens, beide in der Krise: Nevada<br />
ist krank und lernt gerade damit<br />
<strong>um</strong><strong>zu</strong>gehen. Immer no<strong>ch</strong> unterri<strong>ch</strong>tet<br />
sie Yoga, und das so erfolgrei<strong>ch</strong>, dass<br />
ihr eine Klasse mit s<strong>ch</strong>wierigen, absturzgefährdeten<br />
Mäd<strong>ch</strong>en anvertraut<br />
wird. Erika dagegen bes<strong>ch</strong>liesst, angesi<strong>ch</strong>ts<br />
ihres Versagens <strong>als</strong> Mutter und<br />
Ehefrau das <strong>zu</strong> tun, was ihr niemand<br />
<strong>zu</strong>traut: Sie verlässt ihr luxuriöses Zuhause<br />
am Züri<strong>ch</strong>berg und zieht in eine<br />
heruntergekommene Vorstadtsiedlung.<br />
Dort lernt sie Nevada kennen,<br />
die si<strong>ch</strong> unverhofft verliebt.<br />
Mit Witz, Verve und voller Zuneigung<br />
lockt Moser ihre Figuren dur<strong>ch</strong><br />
existentielle Höhen und Tiefen. Eine<br />
intensive Liebesges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te rund <strong>um</strong><br />
S<strong>ch</strong>merz, Krankheit und Trennung.<br />
Viellei<strong>ch</strong>t hätten Lucy Houston und<br />
Mickey Chandler si<strong>ch</strong> nie verlieben<br />
dürfen. Und erst re<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t heiraten<br />
sollen. Denn beide haben ein<br />
s<strong>ch</strong>weres S<strong>ch</strong>icksal <strong>zu</strong> tragen. Do<strong>ch</strong><br />
die Liebe geht ihre eigenen Wege,<br />
und so führen Lucy und Mickey<br />
eine ungewöhnli<strong>ch</strong>e, aber glückli<strong>ch</strong>e<br />
Ehe. Als ihr Leben eine dramatis<strong>ch</strong>e<br />
Wendung nimmt, wird die Kraft ihrer<br />
Gefühle jedo<strong>ch</strong> einer harten Prüfung<br />
unterzogen.<br />
Mit 17 verlieben si<strong>ch</strong> Dawson und<br />
Amanda ineinander. Sie werden ein<br />
Paar – obwohl ihre Familien ni<strong>ch</strong>t<br />
unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er sein könnten und<br />
die Beziehung na<strong>ch</strong> Kräften bekämpfen.<br />
Ein Jahr lang hält die Liebe, dann<br />
trennen widrige Umstände und ein<br />
S<strong>ch</strong>icks<strong>als</strong>s<strong>ch</strong>lag die beiden. Erst <strong>als</strong><br />
25 Jahre später ein gemeinsamer<br />
Freund stirbt, sehen si<strong>ch</strong> Dawson und<br />
Amanda wieder. Erneut sind sie von<br />
den Gefühlen füreinander überwältigt,<br />
aber mit beiden hat es das Leben<br />
ni<strong>ch</strong>t nur gut gemeint. Sie haben wi<strong>ch</strong>tige<br />
Ents<strong>ch</strong>eidungen getroffen, die sie<br />
na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong> bereuen. Kann ihre Liebe,<br />
die s<strong>ch</strong>on einmal ihr Leben verändert<br />
hat, die Vergangenheit überwinden<br />
und die Zukunft von Dawson und<br />
Amanda prägen?<br />
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Heyne<br />
ISBN 978-3-10-060804-8<br />
ISBN 978-3-312-00576-5<br />
ISBN 978-3-426-65322-7<br />
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ein Bu<strong>ch</strong> kaufen<br />
Wir mö<strong>ch</strong>ten von Orell-Füssli-Kundinnen und -Kunden wissen: Wel<strong>ch</strong>es ist<br />
Ihr liebstes Bu<strong>ch</strong>? Heute antwortet Fabienne Dirba<strong>ch</strong> aus Züri<strong>ch</strong>.<br />
Erik Brühlmann<br />
Ferienzeit – Lesezeit! Das gilt au<strong>ch</strong> für die<br />
15-jährige Fabienne Dirba<strong>ch</strong>, die si<strong>ch</strong> <strong>zu</strong>sammen<br />
mit ihrer Mutter in der Orell Füssli<br />
Filiale am Flughafen Züri<strong>ch</strong> mit Ferienlektüre<br />
eindeckt. «In letzter Zeit bin i<strong>ch</strong><br />
ziemli<strong>ch</strong> oft hier, da wir öfter mal fliegen»,<br />
sagt sie. Diesmal geht es erst na<strong>ch</strong> London,<br />
dann na<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>weden und Finnland. «Und<br />
bald reisen wir sogar na<strong>ch</strong> Japan!», freut<br />
si<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>ülerin.<br />
Fabienne Dirba<strong>ch</strong> liest viel, z<strong>um</strong> Teil natürli<strong>ch</strong><br />
gezwungenermassen die Pfli<strong>ch</strong>tlektüre<br />
in der S<strong>ch</strong>ule. «In meiner Freizeit mag i<strong>ch</strong><br />
lieber Krimis und Fantasy-Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />
wie die ‹Panem›-Saga.» All<strong>zu</strong> viele Bü<strong>ch</strong>er<br />
stehen trotzdem ni<strong>ch</strong>t bei ihr <strong>zu</strong> Hause –<br />
viellei<strong>ch</strong>t, weil sie E-<strong>Books</strong> vorzieht? «Nein,<br />
denn vom Lesen von E-<strong>Books</strong> bekomme<br />
i<strong>ch</strong> Kopfs<strong>ch</strong>merzen», erzählt sie. Vielmehr<br />
sei es so, dass sie Bü<strong>ch</strong>er häufig aus der<br />
Bibliothek hole oder dass sie mit ihren Kameradinnen<br />
und Kameraden Bü<strong>ch</strong>er austaus<strong>ch</strong>e.<br />
«Mal hat jemand dieses Bu<strong>ch</strong>, ein<br />
anderer jene Trilogie – so hat man immer<br />
Lesestoff.» Apropos Trilogie: Fantasy-Autoren<br />
haben ja einen Hang, ihre Serien ins<br />
Unendli<strong>ch</strong>e fort<strong>zu</strong>setzen ... «Und meist folge<br />
i<strong>ch</strong> den Serien au<strong>ch</strong> bis z<strong>um</strong> S<strong>ch</strong>luss»,<br />
sagt Fabienne. An eine Serie könne sie si<strong>ch</strong><br />
allerdings erinnern, bei der sie vorzeitig<br />
aufgab. «Da habe i<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> dem fünften<br />
Band aufgehört, weil es irgendwie immer<br />
dasselbe war.»<br />
Für unsere Rubrik empfiehlt Fabienne Dirba<strong>ch</strong><br />
den Krimi «Flavia de Luce – Mord im<br />
Gurkenbeet» von Alan Bradley. «I<strong>ch</strong> habe<br />
das Bu<strong>ch</strong> vor ein oder zwei Jahren ge<strong>lesen</strong>,<br />
und die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te ist mir einfa<strong>ch</strong> geblieben<br />
– ni<strong>ch</strong>t nur, weil meine Cousine au<strong>ch</strong><br />
Flavia heisst!» In der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, die mit<br />
dem renommierten «Dagger Award» ausgezei<strong>ch</strong>net<br />
wurde, geht es <strong>um</strong> ein Mäd<strong>ch</strong>en,<br />
das eines Morgens im Gurkenbeet<br />
eine Lei<strong>ch</strong>e findet. Verdä<strong>ch</strong>tigt wird Flavias<br />
Vater, der si<strong>ch</strong> am Vortag mit dem Verstorbenen<br />
gestritten hat. Flavia ma<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> auf<br />
die Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> dem wahren Mörder. «Gefallen<br />
hat mir, wie Flavia mit der Wissens<strong>ch</strong>aft,<br />
vor allem mit Chemie, arbeitet, <strong>um</strong><br />
den Fall <strong>zu</strong> lösen», sagt Fabienne. «Und<br />
dass Flavia eine Giftmis<strong>ch</strong>erin ist, die ihren<br />
S<strong>ch</strong>western ständig Strei<strong>ch</strong>e spielt. Einmal<br />
stellt sie Enthaarungscrème her und<br />
taus<strong>ch</strong>t sie gegen das Shampoo ihrer<br />
S<strong>ch</strong>wester aus ...» Ein Roman, der Krimifans<br />
wohl ebenso begeistern wird wie Leserinnen<br />
und Leser, die mit ihren Ges<strong>ch</strong>wistern<br />
no<strong>ch</strong> ein Hühn<strong>ch</strong>en <strong>zu</strong> rupfen<br />
haben!<br />
Flavia de Luce – Mord im<br />
Gurkenbeet<br />
Alan Bradley<br />
382 Seiten<br />
CHF 14.90<br />
Blanvalet<br />
URSUS & NADESCHKIN<br />
«SECHSMINUTEN»<br />
DI 17. – FR 20. SEP /<br />
DI 26. – SA 30. NOV<br />
20.00 Uhr, CHF 60.– / 40.– / 30.–<br />
JOACHIM RITTMEYER<br />
«ZWISCHENSAFT»<br />
DI 24. / DO 26. – SA 28. SEP<br />
20.00 Uhr, CHF 50.– / 40.– / 30.–<br />
HUTZENLAUB & STÄUBLI<br />
«Reif für den Oskar»<br />
MI 16. OKT Premiere /<br />
DO 17. – SA 19. OKT<br />
20.00 Uhr, CHF 55.– / 45.– / 35.–<br />
Kartenbestellung und weitere Infos: www.casinotheater.<strong>ch</strong> oder Telefon 052 260 58 58
46 | Ko<strong>ch</strong>bü<strong>ch</strong>er <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
Guter Ges<strong>ch</strong>mack –<br />
und gutes Gewissen<br />
Beim Thema vegane Ernährung gingen die Meinungen bisher deutli<strong>ch</strong><br />
auseinander. Nun gibt es eine Trendwende. Au<strong>ch</strong> Fleis<strong>ch</strong>esser<br />
zeigen si<strong>ch</strong> interessiert: Es zählt, was s<strong>ch</strong>meckt. Neue Ko<strong>ch</strong>bü<strong>ch</strong>er<br />
animieren da<strong>zu</strong>, vegane Geri<strong>ch</strong>te aus<strong>zu</strong>probieren.<br />
Markus Ganz<br />
«Vergessen Sie alles, was Sie bisher über<br />
vegane Kü<strong>ch</strong>e gehört haben», heisst es in<br />
der Einführung <strong>zu</strong> Jérôme Eckmeiers neuem<br />
Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong> «Vegan. Tut gut – s<strong>ch</strong>meckt<br />
gut!». Bisher war die Meinung vorherrs<strong>ch</strong>end,<br />
der Verzi<strong>ch</strong>t auf Fleis<strong>ch</strong>, Eier und<br />
Mil<strong>ch</strong>produkte bedeute zwangsläufig au<strong>ch</strong><br />
ein Verzi<strong>ch</strong>t auf kulinaris<strong>ch</strong>en Genuss.<br />
Jérôme Eckmeier mö<strong>ch</strong>te mit seinem zweiten<br />
Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong> belegen, dass seine Rezepte<br />
in erster Linie von der Leidens<strong>ch</strong>aft für<br />
gutes Essen geprägt sind. Dass Mens<strong>ch</strong>,<br />
Tier und Umwelt von der veganen Ernährung<br />
profitieren, ist eher ein <strong>zu</strong>sätzli<strong>ch</strong>er<br />
Nebeneffekt.<br />
Mit dieser Arg<strong>um</strong>entation hat si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />
der Kreis der Mens<strong>ch</strong>en geöffnet, die si<strong>ch</strong><br />
z<strong>um</strong>indest hin und wieder vegan ernähren.<br />
Während Vegetarier heute re<strong>ch</strong>t verbreitet<br />
sind – sie essen au<strong>ch</strong> Eier und trinken<br />
Mil<strong>ch</strong> –, bleiben reine Veganer, die oft<br />
au<strong>ch</strong> aus weltans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>en Gründen<br />
gänzli<strong>ch</strong> auf Tieris<strong>ch</strong>es verzi<strong>ch</strong>ten, na<strong>ch</strong><br />
wie vor selten: In Deuts<strong>ch</strong>land wurde ihr<br />
Anteil 2008 auf 0,1 Prozent der Bevölkerung<br />
ges<strong>ch</strong>ätzt. Do<strong>ch</strong> mittlerweile probieren<br />
au<strong>ch</strong> Fleis<strong>ch</strong>esser vegane Geri<strong>ch</strong>te aus<br />
und bauen sie na<strong>ch</strong> Lust und Laune in den<br />
Speiseplan ein. Hauptsa<strong>ch</strong>e, es s<strong>ch</strong>meckt;<br />
wenn es au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> sinnvoll ist, <strong>um</strong>so besser.<br />
«In Berlin floriert der vegane Lifestyle»,<br />
s<strong>ch</strong>rieb «Der Tagesspiegel». Vegane<br />
Supermärkte verbreiten si<strong>ch</strong> mittlerweile<br />
in ganz Deuts<strong>ch</strong>land, und au<strong>ch</strong> im «S<strong>ch</strong>nitzel-Land»<br />
Österrei<strong>ch</strong> hat der erste Laden<br />
seine Türen geöffnet. Und mit «Eva's Apples»<br />
gibt es seit diesem Frühling au<strong>ch</strong> in<br />
Züri<strong>ch</strong> einen Laden, der si<strong>ch</strong> auf rein vegane<br />
Produkte bes<strong>ch</strong>ränkt.<br />
Jérôme Eckmeier betont in «Vegan. Tut gut<br />
– s<strong>ch</strong>meckt gut!», dass für seine Rezepte<br />
alle Zutaten im normalen Supermarkt oder<br />
im Bioladen erhältli<strong>ch</strong> seien. Ni<strong>ch</strong>t immer<br />
vorhanden und bei veganen Geri<strong>ch</strong>ten besonders<br />
wi<strong>ch</strong>tig sind hingegen Fantasie<br />
und Erfahrung. Und über die verfügt Jérôme<br />
Eckmeier, ko<strong>ch</strong>te er do<strong>ch</strong> einst in renommierten<br />
Restaurants für Gäste wie<br />
Prince Charles und Helmut Kohl. Trotzdem<br />
verspri<strong>ch</strong>t er, dass all seine Rezepte wie<br />
etwa vegane Pizzatas<strong>ch</strong>en oder «Pikanter<br />
Wirsing-Auflauf mit getrockneten Aprikosen»<br />
lei<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong><strong>zu</strong>ko<strong>ch</strong>en und alltagstaugli<strong>ch</strong><br />
seien. Dabei helfen au<strong>ch</strong> Grundrezepte<br />
und Tipps, wie man beispielsweise am besten<br />
Mil<strong>ch</strong>produkte ersetzt.<br />
Spass mit der Punk-Kü<strong>ch</strong>e<br />
Au<strong>ch</strong> Us<strong>ch</strong>i Herzer und Joa<strong>ch</strong>im Hiller<br />
liegt viel daran, die vegane Kü<strong>ch</strong>e von ihrem<br />
s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten Ruf <strong>zu</strong> befreien. «Veganismus<br />
ist nur cool, wenn er ohne erhobenen<br />
Zeigefinger auskommt», s<strong>ch</strong>reiben sie in<br />
«Ko<strong>ch</strong>en ohne Kno<strong>ch</strong>en – Das Ox-Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong><br />
5». Entspre<strong>ch</strong>end munter und witzig<br />
präsentieren sie ihre Rezepte, die «von<br />
Punks und ni<strong>ch</strong>t nur für Punks» seien. So<br />
führen sie <strong>zu</strong> den Geri<strong>ch</strong>ten jeweils passende<br />
Songs an, und ni<strong>ch</strong>t etwa nur von<br />
Punk-Musikern: Beim «Maulwurf-Tiramisu»<br />
darf es au<strong>ch</strong> Eros Ramazzotti sein. Musiker<br />
und bekannte Figuren der Vegan-<br />
Szene haben Gastrezepte beigesteuert.<br />
Mille von der bekannten Thrash-Band Kreator<br />
verrät, wie er Tofus<strong>ch</strong>eiben mit Wurzelgemüse<br />
<strong>zu</strong>bereitet. Und Kriminalbiologe<br />
Mark Benecke zeigt, wie man einen<br />
s<strong>ch</strong>mackhaften «Reste-Auflauf» <strong>zu</strong>bereitet.<br />
Trotz des unkonventionellen Ansatzes bieten<br />
die beiden Autoren ein seriöses und<br />
<strong>um</strong>fassendes Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong>. Sie präsentieren<br />
neben Grundlagen au<strong>ch</strong> komplette Menüs<br />
und aufwändigere Geri<strong>ch</strong>te – und zeigen,<br />
dass es gar ni<strong>ch</strong>t so s<strong>ch</strong>wer ist, ohne Eier,<br />
Käse und andere Tierprodukte aus<strong>zu</strong>kommen.<br />
Da<strong>zu</strong> gehört, wie man Fleis<strong>ch</strong>alterna-<br />
tiven aus Soja und Seitan einsetzt. Die Autoren<br />
stellen aber au<strong>ch</strong> Rezepte vor, die<br />
ohne Anlehnung an Geri<strong>ch</strong>te mit Fleis<strong>ch</strong><br />
und Mil<strong>ch</strong>produkten auskommen. Z<strong>um</strong><br />
Bu<strong>ch</strong> gehören au<strong>ch</strong> «Das Einmaleins der<br />
veganen Ernährung» von Dr. Markus Keller<br />
sowie allgemeine Infos z<strong>um</strong> Veganismus.<br />
Aus aller Welt<br />
Justin P. Moore ist Veganer und Weltenb<strong>um</strong>mler,<br />
der auf seinen Reisen in über 40<br />
Länder viele lokale Geri<strong>ch</strong>te kennen- und<br />
liebengelernt hat. Man<strong>ch</strong>e waren bereits<br />
vegan, bei anderen wandelte er das Rezept<br />
entspre<strong>ch</strong>end ab; oft liess er si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> <strong>zu</strong><br />
Eigenkreationen inspirieren. Über 100<br />
dieser Rezepte hat er <strong>zu</strong> seinem neuen<br />
Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong> «The Lotus and the Arti<strong>ch</strong>oke<br />
– Vegane Entdeckungen eines Weltreisenden»<br />
<strong>zu</strong>sammengefasst. Darunter findet<br />
man au<strong>ch</strong> vegane Varianten von Klassikern<br />
wie der vietnamesis<strong>ch</strong>en Pho-Suppe<br />
oder des russis<strong>ch</strong>en Bœuf Stroganoff. Ergänzt<br />
werden die Rezepte mit persönli<strong>ch</strong>en<br />
Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten und Anekdoten.<br />
Au<strong>ch</strong> Surdham Göb lässt si<strong>ch</strong> von den Esserfahrungen<br />
in fremden Ländern inspirieren.<br />
Der deuts<strong>ch</strong>e Autor, der Bali seine<br />
zweite Heimat nennt, ist seit 16 Jahren<br />
Chefko<strong>ch</strong> in vers<strong>ch</strong>iedenen veganen Restaurants.<br />
Dank dieses Hintergrunds kann<br />
er in seinem Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong> «Meine veganen<br />
Superfoods» eine euro-asiatis<strong>ch</strong>e Kü<strong>ch</strong>e<br />
präsentieren, die neue Ges<strong>ch</strong>mackserlebnisse<br />
eröffnet. Dies ist au<strong>ch</strong> auf die Verwendung<br />
sogenannter «Superfoods» <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>führen.<br />
Damit meint Göb Lebensmittel wie<br />
Rohkakao, Luc<strong>um</strong>a, Maca und Gojibeeren,<br />
die über einen besonders hohen und konzentrierten<br />
Anteil an wertvollen Nährstoffen<br />
verfügen. Die 70 Rezepte rei<strong>ch</strong>en von<br />
originellen Frühstücksideen und Snacks<br />
über spezielle Drinks und Suppen bis <strong>zu</strong><br />
abwe<strong>ch</strong>slungsrei<strong>ch</strong>en Hauptspeisen.<br />
Gesund für Körper und Geist<br />
Der Bestseller-Autor Ruediger Dahlke hat<br />
mit seinen Bü<strong>ch</strong>ern Brücken zwis<strong>ch</strong>en<br />
S<strong>ch</strong>ulmedizin und Naturheilkunde sowie<br />
zwis<strong>ch</strong>en Religion und spiritueller Philosophie<br />
ges<strong>ch</strong>lagen. In «Peace Food – Das vegane<br />
Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong>» überträgt der Arzt und<br />
Psy<strong>ch</strong>otherapeut seine Erkenntnisse auf<br />
die praktis<strong>ch</strong>e Ernährung. Eine rein<br />
pflanzli<strong>ch</strong>e Ernährung bringe ni<strong>ch</strong>t nur<br />
dem Planeten und seinen tieris<strong>ch</strong>en wie<br />
mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Bewohnern Frieden. Als Arg<strong>um</strong>ente<br />
führt er in seiner ausführli<strong>ch</strong>en<br />
Einleitung an, dass Mens<strong>ch</strong>en «keinen natürli<strong>ch</strong>en<br />
Impuls» hätten, Tiere <strong>zu</strong> essen,
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Ko<strong>ch</strong>bü<strong>ch</strong>er | 47<br />
und dass Tierprotein <strong>zu</strong>dem s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong> sei.<br />
Wer si<strong>ch</strong> vegan ernähre, baue ein «regelre<strong>ch</strong>tes<br />
S<strong>ch</strong>utzs<strong>ch</strong>ild gegen die gravierendsten<br />
Krankheitsbilder der Moderne»<br />
auf. Sein Fazit: Eine ausgewogene pflanzli<strong>ch</strong>e<br />
Kost sei der beste Garant für ein langes<br />
gesundes Leben. Deshalb hat Dahlke seine<br />
Lieblingskö<strong>ch</strong>e gebeten, für dieses Bu<strong>ch</strong><br />
ihre besten veganen Rezepte preis<strong>zu</strong>geben:<br />
Unter den 90 vorgestellten Geri<strong>ch</strong>ten<br />
findet man au<strong>ch</strong> bekannt klingende wie<br />
Veggie-Burger, Scrambled (V)eggs und<br />
Spaghetti Sojanese.<br />
Szegediner Gulas<strong>ch</strong> –<br />
rustikal und deluxe<br />
(Rezept aus dem nebenan vorgestellten Bu<strong>ch</strong> «Ko<strong>ch</strong>en ohne Kno<strong>ch</strong>en»)<br />
Vegan. Tut gut – s<strong>ch</strong>meckt<br />
gut!<br />
Jérôme Eckmeier<br />
192 Seiten<br />
CHF 31.90<br />
Dorling Kindersley<br />
Für 2 Personen<br />
Ko<strong>ch</strong>en ohne Kno<strong>ch</strong>en –<br />
Das Ox-Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong> 5<br />
Us<strong>ch</strong>i Herzer und Joa<strong>ch</strong>im<br />
Hiller<br />
192 Seiten<br />
CHF 16.90<br />
Ventil<br />
The Lotus and the Arti<strong>ch</strong>oke<br />
– Vegane Entdeckungen<br />
eines Weltreisenden<br />
Justin P. Moore<br />
216 Seiten<br />
CHF 31.90<br />
Ventil<br />
Meine veganen Superfoods<br />
Surdham Göb<br />
122 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
AT<br />
Peace Food – Das vegane<br />
Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong><br />
Dahlke, Ruediger<br />
192 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Gräfe & Unzer<br />
Zutaten:<br />
600 g Weinsauerkraut<br />
2 mittelgrosse Zwiebeln<br />
1 rote Spitzpeperoni<br />
400 g Seitan<br />
Olivenöl<br />
0,5 l dunkles Hefeweissbier<br />
Wa<strong>ch</strong>olderbeeren<br />
2 Lorbeerblätter<br />
Kreuzkümmel<br />
gemahlener Kreuzkümmel<br />
1-2 EL Gemüsebouillon<br />
s<strong>ch</strong>warzer und roter Pfeffer<br />
s<strong>ch</strong>arfer und süsser Paprika<br />
1 kleine Dose ges<strong>ch</strong>älte Tomaten<br />
500 ml Tomatenpassata<br />
Sojasahne<br />
Sojasauce<br />
Zubereitung:<br />
Tag 1:<br />
1. Klein ges<strong>ch</strong>nittene Zwiebeln und<br />
Knoblau<strong>ch</strong> mit Kreuzkümmel und<br />
Wa<strong>ch</strong>olderbeeren mit etwas Olivenöl<br />
in einem grossen Topf lei<strong>ch</strong>t<br />
andünsten. Die Spitzpeperoni in<br />
kleine S<strong>ch</strong>eiben s<strong>ch</strong>neiden und<br />
da<strong>zu</strong>geben.<br />
2. Das Weinsauerkraut plus Lorbeerblätter<br />
da<strong>zu</strong> geben und weiter<br />
andünsten. Na<strong>ch</strong> etwa 5 Minuten mit<br />
ca. 0,2 l Hefeweissbier aufs<strong>ch</strong>ütten<br />
und den Rest na<strong>ch</strong> und na<strong>ch</strong> im Lauf<br />
des Ko<strong>ch</strong>vorgangs da<strong>zu</strong>geben. Mit<br />
Gemüsebouillon abs<strong>ch</strong>mecken (ca.<br />
1-2 EL).<br />
3. Na<strong>ch</strong> ca. 10 Minuten die ges<strong>ch</strong>älten<br />
Tomaten und das Tomatenpassata<br />
daz<strong>um</strong>is<strong>ch</strong>en. Mit süssem und<br />
s<strong>ch</strong>arfem Paprika, s<strong>ch</strong>warzem und<br />
rotem Pfeffer sowie Chili würzen.<br />
Das Ganze mit etwas gemahlenem<br />
Kreuzkümmel verfeinern.<br />
4. In der Zwis<strong>ch</strong>enzeit den gewürfelten<br />
und ans<strong>ch</strong>liessend in Sojasauce<br />
eingelegten Seitan in einer Pfanne<br />
kurz anbraten und dana<strong>ch</strong> das<br />
Gulas<strong>ch</strong> beimengen. Bei fertig<br />
gekauftem Seitan entfällt das<br />
Einlegen in Sojasauce, diesen <strong>als</strong>o<br />
nur würfeln und anbraten.<br />
5. Vorgeko<strong>ch</strong>te Kartoffel grob s<strong>ch</strong>neiden<br />
und in einer Pfanne mit etwas<br />
Olivenöl und Rosmarin anbraten.<br />
6. Das Gulas<strong>ch</strong> in einem fla<strong>ch</strong>en Teller<br />
nebst den Kartoffeln anri<strong>ch</strong>ten.<br />
Tag 2:<br />
1. Den Rest Szegediner Gulas<strong>ch</strong> vom<br />
Vortag mit ca. 120 ml Sojasahne<br />
verfeinern und im Topf langsam<br />
erhitzen.<br />
2. In der Zwis<strong>ch</strong>enzeit die Kamuthörn<strong>ch</strong>en<br />
na<strong>ch</strong> Ko<strong>ch</strong>anweisung in etwas<br />
Salzwasser ko<strong>ch</strong>en (ca. 10 Minuten).<br />
3. Kamuthörn<strong>ch</strong>en in Olivenöl s<strong>ch</strong>wenken,<br />
in einen Pastateller geben und<br />
das Gulas<strong>ch</strong> draufpacken.
48 | WETTBEWERB <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
Das Literatur-Kreuzworträtsel<br />
Unter den ri<strong>ch</strong>tigen Lösungen verlosen wir Guts<strong>ch</strong>einkarten von Orell Füssli:<br />
1. Preis: CHF 200.–, 2. Preis: CHF 100.–, 3. Preis: CHF 50.–, 4. bis 10. Preis: je CHF 20.–.<br />
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Lösungswort:<br />
Vorname / Name<br />
Adresse<br />
Bis z<strong>um</strong> 15. November 2013 in einer der Orell-Füssli-Filialen in Züri<strong>ch</strong>, Basel, Bern,<br />
Winterthur, Frauenfeld, am Flughafen Züri<strong>ch</strong> oder bei Rösslitor Bü<strong>ch</strong>er in St. Gallen<br />
abgeben – oder per E-Mail senden an: books@books.<strong>ch</strong>.<br />
Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt.<br />
PLZ / Ort<br />
Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf VERANSTALTUNGEN | 49<br />
Veranstaltungen von Orell Füssli<br />
September<br />
bis 30.<br />
16.<br />
18.<br />
Filiale Kramhof, Züri<strong>ch</strong><br />
20-Jahr-Jubilä<strong>um</strong><br />
Diverse Veranstaltungen<br />
Kellerbühne St. Gallen, St.Georgen-Str. 3, 20 h<br />
«Laure Wyss»<br />
Lesung und Gesprä<strong>ch</strong> mit der Biografin Barbara<br />
Kopp, veranstaltet von der Kellerbühne in<br />
Zusammenarbeit mit der Filiale Rösslitor<br />
Filiale Kramhof, Züri<strong>ch</strong> 14-15 h<br />
«Das verwuns<strong>ch</strong>ene Ges<strong>ch</strong>enk»<br />
Katja Alves und Boni Koller erzählen aus ihrem<br />
Kinderbu<strong>ch</strong>; Kinderveranstaltung im Rahmen<br />
des 20-Jahr-Jubilä<strong>um</strong>s des Kramhofs<br />
20. Filiale Rösslitor, St.Gallen 20 h<br />
«Der Fäls<strong>ch</strong>er, die Spionin und<br />
der Bombenbauer»<br />
Lesung mit Alex Capus<br />
21.<br />
23.<br />
Kaufleuten, Pelikanplatz, Züri<strong>ch</strong> 20 h<br />
L-Reihe: «Spre<strong>ch</strong>en wir über<br />
Eulen – und Diabetes»<br />
Lesung mit David Sedaris, veranstaltet mit der<br />
Filiale Kramhof<br />
Kellerbühne St. Gallen, St.Georgen-Str. 3 20 h<br />
«Gleis 4»<br />
Lesung mit Franz Hohler, veranstaltet von der<br />
Kellerbühne in Zusammenarbeit mit der Filiale<br />
Rösslitor<br />
24. Filiale am Bellevue, Züri<strong>ch</strong> 20.30 h<br />
«Maria Rosenblatt»<br />
Bu<strong>ch</strong>vernissage mit Corinna T. Sievers.<br />
Moderation: Denis S<strong>ch</strong>eck<br />
25.<br />
Filiale Kramhof, Züri<strong>ch</strong> 13-14.30 / 15-16.30 Uhr<br />
Zei<strong>ch</strong>nen mit Greg<br />
Kinderveranstaltung im Rahmen des<br />
20-Jahr-Jubilä<strong>um</strong>s des Kramhofs<br />
26. Filiale The <strong>Books</strong>hop, Züri<strong>ch</strong> 13-16 h<br />
«Diary of a Wimpy Kid»<br />
Drawing Class<br />
28. Filiale Frauenfeld 10.30 h<br />
Märlis<strong>ch</strong>tund<br />
30.<br />
Hotel Einstein, Berneggstrasse 2, St. Gallen 20 h<br />
Gabriel Palacios<br />
Bu<strong>ch</strong>präsentation und Demonstration<br />
Oktober<br />
2.<br />
4.<br />
5.<br />
5.<br />
Filiale Kramhof, Züri<strong>ch</strong> 13-16 h<br />
Papa Moll und sein Zei<strong>ch</strong>ner<br />
kommen <strong>zu</strong> Besu<strong>ch</strong><br />
Filiale Kramhof, Züri<strong>ch</strong> 20.15 h<br />
Spannung z<strong>um</strong> Geburtstag<br />
Z<strong>um</strong> 20-Jahr-Jubilä<strong>um</strong> veranstaltet der Kramhof<br />
einen grossen Krimiabend mit Bestseller-<br />
Autorin Ingrid Noll, Ri<strong>ch</strong>terin Barbara Sales<strong>ch</strong><br />
und Forensikerin Lydia Benecke. Teilnahme<br />
kostenlos, nur mit Anmeldung:<br />
veranstaltungen.kramhof@books.<strong>ch</strong><br />
Filiale Marktgasse, Winterthur Na<strong>ch</strong>mittag<br />
Theo der Bär kommt <strong>zu</strong> Besu<strong>ch</strong><br />
Filiale Kramhof, Züri<strong>ch</strong> 13-15 h<br />
Theo der Bär kommt <strong>zu</strong> Besu<strong>ch</strong><br />
10. Filiale Marktgasse, Winterthur 17-20 h<br />
Handanalysen mit Monika Hauser<br />
17.<br />
25.<br />
25.<br />
25.<br />
25.<br />
Kaufleuten, Pelikanplatz, Züri<strong>ch</strong> 20 h<br />
L-Reihe: Lesung mit<br />
Daniel Kehlmann<br />
Veranstaltet mit der Filiale Kramhof<br />
Filiale Kramhof, Züri<strong>ch</strong> 18-20 h<br />
Züri<strong>ch</strong> liest:<br />
«Stressfrei glückli<strong>ch</strong> sein»<br />
Bu<strong>ch</strong>präsentation mit Alain Sutter<br />
Filiale Marktgasse, Winterthur 19 h<br />
Züri<strong>ch</strong> liest: Lesung und<br />
Diskussion mit Milena Moser<br />
und Katharina Faber<br />
Filiale The <strong>Books</strong>hop, Züri<strong>ch</strong> 20.15-22 h<br />
Züri<strong>ch</strong> liest: «The Whatnot»<br />
Reading with Stefan Ba<strong>ch</strong>mann<br />
Filiale Bellevue, Züri<strong>ch</strong> 20.30 h<br />
Züri<strong>ch</strong> liest: «In Küstennähe»<br />
Lesung mit Joa<strong>ch</strong>im B. S<strong>ch</strong>midt<br />
26. Filiale am Bellevue, Züri<strong>ch</strong> 18.30 h<br />
Züri<strong>ch</strong> liest: «Carola & Heinz»<br />
Lesung mit Bernd S<strong>ch</strong>roeder, Peter Gaymann<br />
zei<strong>ch</strong>net live da<strong>zu</strong><br />
26. Filiale The <strong>Books</strong>hop, Züri<strong>ch</strong> 18.30-22 h<br />
Züri<strong>ch</strong> liest:<br />
Saturday Night Special<br />
Music, Drinks and Discount<br />
26. Filiale Frauenfeld 10.30 h<br />
Märlis<strong>ch</strong>tund<br />
27.<br />
29.<br />
30.<br />
Tonhalle Züri<strong>ch</strong> 11 h<br />
Züri<strong>ch</strong> liest: «Musik mit Globi –<br />
Eine Reise in die Welt der Töne».<br />
Erstaufführung des Kinderkonzerts und Bu<strong>ch</strong>vernissage,<br />
veranstaltet vom Globi Verlag und<br />
von der Filiale Bellevue<br />
Kellerbühne St. Gallen, St.Georgen-Str. 3 20 h<br />
«Das wahre Leben»<br />
Lesung mit Milena Moser, veranstaltet von der<br />
Kellerbühne in Zusammenarbeit mit der Filiale<br />
Rösslitor<br />
Filiale Frauenfeld 19 h<br />
Lesezirkel<br />
Anmeldung direkt im Laden oder unter<br />
info.frauenfeld@books.<strong>ch</strong><br />
November<br />
2.<br />
2.<br />
11.<br />
Filiale Marktgasse, Winterthur 13-16 h<br />
Globi kommt <strong>zu</strong> Besu<strong>ch</strong><br />
Filiale Kramhof, Züri<strong>ch</strong> 13-15 h<br />
Theo der Bär kommt <strong>zu</strong> Besu<strong>ch</strong><br />
Filiale Rösslitor St.Gallen 20 h<br />
Literaturcafé mit der<br />
Frauenzentrale<br />
Bu<strong>ch</strong>händlerinnen und Bu<strong>ch</strong>händler stellen<br />
Bü<strong>ch</strong>er vor<br />
14. Filiale Marktgasse, Winterthur 17-20 h<br />
Handanalysen mit Monika Hauser<br />
23.<br />
Märlis<strong>ch</strong>tund<br />
Filiale Frauenfeld 10.30 h<br />
23.<br />
Globi kommt <strong>zu</strong> Besu<strong>ch</strong><br />
25.<br />
Filiale Rosenberg, Winterthur 13-16 h<br />
Kaufleuten, Pelikanplatz, Züri<strong>ch</strong> 20 h<br />
L-Reihe: «Ein gutes Herz»<br />
Lesung mit Leon de Winter, veranstaltet mit<br />
der Filiale Kramhof<br />
Dezember<br />
9.<br />
Kaufleuten, Pelikanplatz, Züri<strong>ch</strong> 20 h<br />
L-Reihe: Lesung mit Hans Magnus<br />
Enzensberger<br />
Veranstaltet mit der Filiale Kramhof<br />
Mehr Veranstaltungen und Informationen finden Sie auf www.books.<strong>ch</strong>
50 | Kol<strong>um</strong>ne <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />
S<strong>ch</strong>weizer Autorinnen und<br />
Autoren erzählen in «<strong>Books</strong>»,<br />
war<strong>um</strong> sie s<strong>ch</strong>reiben.<br />
Heute: Corinna T. Sievers<br />
I<strong>ch</strong> habe einen Brotberuf. I<strong>ch</strong> bin Kieferorthopädin.<br />
Ärztin kann man ni<strong>ch</strong>t ein biss<strong>ch</strong>en<br />
sein. Mein Handy ist sieben Tage die<br />
Wo<strong>ch</strong>e empfangsbereit, rund <strong>um</strong> die Uhr.<br />
Hat jemand am Sonntagna<strong>ch</strong>mittag ein<br />
Problem, eile i<strong>ch</strong> in die Praxis.<br />
Ausserdem bin i<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>riftstellerin.<br />
I<strong>ch</strong> habe gelernt, na<strong>ch</strong>ts <strong>zu</strong> s<strong>ch</strong>reiben.<br />
Wenn die Kinder s<strong>ch</strong>lafen und alles still ist,<br />
setze i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> an den Laptop. Der steht auf<br />
einem winzigen, runden Tis<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en ho<strong>ch</strong><br />
oben auf dem Da<strong>ch</strong>stock eines Bauernhauses<br />
von 1659 (die Zahl ist in den gewaltigen<br />
Balken ges<strong>ch</strong>nitzt, der si<strong>ch</strong> über meinem<br />
Kopf befindet). Aus dem Fenster blicke i<strong>ch</strong><br />
über den s<strong>ch</strong>warzen See. Neben mir steht<br />
ein Glas Wein. Ab vier Uhr morgens Kaffee.<br />
Der Stoff kommt z<strong>um</strong> S<strong>ch</strong>riftsteller, ni<strong>ch</strong>t<br />
<strong>um</strong>gekehrt.<br />
I<strong>ch</strong> habe eine allenfalls vage Vorstellung<br />
von der Handlung meines Romans, skizziere<br />
ihn auf weniger <strong>als</strong> einer halben Seite<br />
und warte. Beethoven hat gesagt, der liebe<br />
Gott habe ihm seine Musik nä<strong>ch</strong>tens ins<br />
Ohr gebrüllt. Au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong>, <strong>als</strong> er längst taub<br />
war. Er, Beethoven, brau<strong>ch</strong>e sie morgens<br />
bloss no<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> notieren.<br />
So ähnli<strong>ch</strong> geht es mir au<strong>ch</strong>. Meine Figuren<br />
kommen <strong>um</strong> Mitterna<strong>ch</strong>t. I<strong>ch</strong> rufe sie ni<strong>ch</strong>t.<br />
Plötzli<strong>ch</strong> sind sie da und erzählen mir ihre<br />
Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten. Bisweilen sind es traurige Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />
oder gewaltsame. Fast immer<br />
unartige. Häufig sehen die Figuren aus wie<br />
Mens<strong>ch</strong>en, die i<strong>ch</strong> all<strong>zu</strong> gut kenne. Der<br />
Mann, den i<strong>ch</strong> liebe, ist dabei, Freunde,<br />
Kollegen. Meine Kinder.<br />
Die Figuren lassen ni<strong>ch</strong>t locker. I<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>reibe<br />
auf, was sie <strong>zu</strong> sagen haben. Dabei s<strong>ch</strong>one<br />
i<strong>ch</strong> niemanden. Man<strong>ch</strong>mal la<strong>ch</strong>e i<strong>ch</strong>,<br />
man<strong>ch</strong>mal weine i<strong>ch</strong>. Gelegentli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>äme<br />
i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong>. Um mit Kafka <strong>zu</strong> spre<strong>ch</strong>en: «Ein<br />
Bu<strong>ch</strong> muss die Axt sein für das gefrorene<br />
Meer in uns.» Literatur muss brutal ehrli<strong>ch</strong><br />
sein, sonst ist sie wertlos. Damit ist gemeint,<br />
dass der S<strong>ch</strong>riftsteller sein Inneres<br />
na<strong>ch</strong> aussen kehrt, sei es vordergründig<br />
oder zwis<strong>ch</strong>en den Zeilen.<br />
Jedo<strong>ch</strong> – im Prozess des S<strong>ch</strong>reibens entfernen<br />
si<strong>ch</strong> die Romanfiguren von ihren leibhaftigen<br />
Vorbildern. Was diese gesagt oder<br />
getan haben, unterliegt einer immer stärkeren<br />
Verwandlung. Gegen die der Autor<br />
ma<strong>ch</strong>tlos ist. Die s<strong>ch</strong>riftstelleris<strong>ch</strong>e Fantasie<br />
drängt si<strong>ch</strong> in die Realität.<br />
Die an Tors<strong>ch</strong>lusspanik leidende Ärztin<br />
Phoebe aus meinem ersten Roman «Samenklau»<br />
hat nur no<strong>ch</strong> entfernt mit mir <strong>zu</strong><br />
tun, das Kind Ute aus «S<strong>ch</strong>ön ist das Leben<br />
und Gottes Herrli<strong>ch</strong>keit in seiner S<strong>ch</strong>öpfung»<br />
ist ni<strong>ch</strong>t mehr jenes behinderte Mäd<strong>ch</strong>en<br />
aus meinem Dorf, das sieben Mal tötete,<br />
<strong>um</strong> si<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> befreien. Gerade ers<strong>ch</strong>ienen<br />
ist mein Krimi «Maria Rosenblatt», der<br />
au<strong>ch</strong> eine Liebesges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te ist. I<strong>ch</strong> habe<br />
mir einige skurrile Eigens<strong>ch</strong>aften meines<br />
Ehemanns geborgt (er hat <strong>zu</strong>gestimmt), i<strong>ch</strong><br />
s<strong>ch</strong>öpfe aus dem Fundus einer zwanzigjährigen<br />
Beziehung, aber es ist ni<strong>ch</strong>t unsere<br />
Ehe, die i<strong>ch</strong> dort bes<strong>ch</strong>reibe.<br />
Irgendwann tippe i<strong>ch</strong> das letzte Wort. Dann<br />
beginnt die eigentli<strong>ch</strong>e Arbeit. Hat die erste<br />
Nieders<strong>ch</strong>rift ein Jahr in Anspru<strong>ch</strong> genommen,<br />
dauert es mindestens ebenso lange,<br />
den Text <strong>zu</strong> überarbeiten. I<strong>ch</strong> gehe ihn unzählige<br />
Male dur<strong>ch</strong>. I<strong>ch</strong> verknüpfe die Worte<br />
<strong>zu</strong> einer Melodie.<br />
Zwei Jahre sind vergangen. 300 Liter Kaffee<br />
getrunken. S<strong>ch</strong>on lange bin i<strong>ch</strong> des Textes<br />
überdrüssig. I<strong>ch</strong> verna<strong>ch</strong>lässige meine<br />
Kinder und den Mann, den i<strong>ch</strong> liebe. Es ist<br />
an der Zeit, mi<strong>ch</strong> vom Text <strong>zu</strong> trennen. Der<br />
Roman geht an den Lektor (und kehrt dana<strong>ch</strong><br />
no<strong>ch</strong> viele Male <strong>zu</strong> mir <strong>zu</strong>rück).<br />
Es war Inspiration und Kno<strong>ch</strong>enarbeit.<br />
S<strong>ch</strong>riftsteller sind manis<strong>ch</strong>. Sie müssen es<br />
sein. Aus ihrer Besessenheit entsteht im<br />
besten Fall Literatur. Sol<strong>ch</strong>e erhoffe i<strong>ch</strong> mir<br />
in den Nä<strong>ch</strong>ten an meinem winzigen, runden<br />
Tis<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en oberhalb des s<strong>ch</strong>warzen Züri<strong>ch</strong>sees.<br />
Den S<strong>ch</strong>laf hole i<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>, wann<br />
immer es geht.<br />
Corinna T. Sievers<br />
Corinna T. Sievers, 48, studierte Politik,<br />
Medizin und Zahnmedizin. Sie betreibt am<br />
Züri<strong>ch</strong>see eine Praxis <strong>als</strong> Kieferorthopädin.<br />
2010 ers<strong>ch</strong>ien ihr Debütroman «Samenklau»,<br />
jetzt hat sie einen Krimi verfasst – er<br />
feiert am 24. September 2013 <strong>um</strong> 20.30<br />
Uhr in der Filiale am Bellevue Premiere.<br />
Maria Rosenblatt<br />
144 Seiten<br />
CHF 24.90<br />
Edition Nautilus
GESCHICHTEN<br />
SPINNEN<br />
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2 Überna<strong>ch</strong>tungen für<br />
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Literaturkü<strong>ch</strong>e in<br />
Bad Zurza<strong>ch</strong><br />
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