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Ihr persönli<strong>ch</strong>es<br />

Exemplar –<br />

mit Wettbewerb!<br />

Das <strong>Magazin</strong> der<br />

Orell Füssli Bu<strong>ch</strong>handlungen<br />

Nr. 3/2013<br />

Es kommt Dicker<br />

Sprung über den Rös<strong>ch</strong>tigraben:<br />

Joël Dicker startet dur<strong>ch</strong><br />

«Es ist einfa<strong>ch</strong>er,<br />

für Erwa<strong>ch</strong>sene<br />

<strong>zu</strong> s<strong>ch</strong>reiben»<br />

Interview mit<br />

Federica dE Cesco<br />

Ein rei<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>atz an Leben<br />

Der neue Roman<br />

von Alex Capus<br />

Und ausserdem:<br />

Graphic Novels, Kinderbü<strong>ch</strong>er,<br />

Fantasy-Romane


Bü<strong>ch</strong>er erzählen die besten Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />

Feiern Sie mit uns vom 9. September bis 5. Oktober !<br />

Alle Veranstaltungen und Aktionen finden Sie unter<br />

www.books.<strong>ch</strong>/kramhof


Editorial | 3<br />

Inhalt<br />

Was vom Heute<br />

übrigbleibt<br />

Liebe Leserin<br />

Lieber Leser<br />

Eine News-Welle na<strong>ch</strong> der anderen überrollt<br />

uns. Kurz bevor sie die Küste der Wahrnehmung<br />

errei<strong>ch</strong>en, bre<strong>ch</strong>en sie und nennen si<strong>ch</strong> «Breaking<br />

News». Dann überfluten sie besonders penetrant<br />

blinkend die Bilds<strong>ch</strong>irme. Denn im Fernsehen<br />

und Internet können News – wie nannte man sie<br />

eigentli<strong>ch</strong>, bevor man diesen Anglizismus verwendete?<br />

– besonders s<strong>ch</strong>nell und ungehindert fliessen.<br />

Ein grosser Teil dessen, was uns <strong>als</strong> News tägli<strong>ch</strong><br />

über dem Kopf <strong>zu</strong>sammens<strong>ch</strong>lägt, ist aber von sehr<br />

begrenzter Dauer oder Bedeutung.<br />

Das Spezial in dieser Ausgabe von «<strong>Books</strong>» trägt<br />

den Titel «Zeitges<strong>ch</strong>ehen». Dieser s<strong>ch</strong>wer <strong>zu</strong> fassende<br />

Begriff steht viellei<strong>ch</strong>t für jene Themen, die übrig<br />

bleiben, wenn News s<strong>ch</strong>on wieder kalter Kaffee<br />

geworden sind. Das Zeitges<strong>ch</strong>ehen ist so<strong>zu</strong>sagen<br />

das Destillat einer Zeit; es gibt ihr ihren Ges<strong>ch</strong>mack<br />

und Geru<strong>ch</strong>. Um diese Eigenheiten <strong>zu</strong> erkennen,<br />

brau<strong>ch</strong>t es eine feine Nase, einen geübten Ga<strong>um</strong>en<br />

und etwas Zeit.<br />

Sind elektronis<strong>ch</strong>e Medien der ri<strong>ch</strong>tige Kanal für<br />

News, so ist das Zeitges<strong>ch</strong>ehen in Bü<strong>ch</strong>ern besonders<br />

gut aufgehoben. Denn die Materialität von Bü<strong>ch</strong>ern<br />

prägt au<strong>ch</strong> ihre Produktion: Sie dauert etwas<br />

länger. Und Zeit kann ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>aden, wenn man das<br />

Wesentli<strong>ch</strong>e und Beständige erkennen will – ob <strong>als</strong><br />

Autor oder <strong>als</strong> Leserin und Leser.<br />

Ihr Mi<strong>ch</strong>ele Bomio<br />

CEO Orell Füssli Thalia AG<br />

Graphic novels<br />

Kein Kinderzeugs<br />

Seite 14<br />

Zeitges<strong>ch</strong>ehen-Spezial<br />

Das Heute festhalten<br />

Seite 23<br />

Brasilien<br />

Literatur vom Gastland<br />

der Bu<strong>ch</strong>messe<br />

Seite 20<br />

4 Notizen<br />

10 «Es ist einfa<strong>ch</strong>er, für<br />

Erwa<strong>ch</strong>sene <strong>zu</strong> s<strong>ch</strong>reiben»<br />

Interview mit<br />

Federica de Cesco<br />

18 Im S<strong>ch</strong>aufenster<br />

«Die Wahrheit über den Fall<br />

Harry Quebert» von Joël<br />

Dicker<br />

32 kaffeepause Die Debatte<br />

36 Fantastis<strong>ch</strong>!<br />

Fantasy-Neuers<strong>ch</strong>einungen<br />

40 Im S<strong>ch</strong>aufenster<br />

«Der Fäls<strong>ch</strong>er, die Spionin<br />

und der Bombenbauer» von<br />

Alex Capus<br />

42 Kinderwelt Z<strong>um</strong> La<strong>ch</strong>en!<br />

45 Mein Bu<strong>ch</strong><br />

46 Ko<strong>ch</strong>bü<strong>ch</strong>er<br />

Trendthema vegan<br />

48 Kreuzworträtsel<br />

49 Veranstaltungen<br />

50 Kol<strong>um</strong>ne<br />

Dar<strong>um</strong> s<strong>ch</strong>reibe i<strong>ch</strong> – von<br />

Corinna T. Sievers<br />

Jetzt Fan werden:<br />

www.facebook.com/OrellFuessli<br />

Die nä<strong>ch</strong>ste Ausgabe von <strong>Books</strong>, dem <strong>Magazin</strong> der Orell-Füssli-Bu<strong>ch</strong>handlungen,<br />

ers<strong>ch</strong>eint am 15. November 2013. Sie erhalten <strong>Books</strong> kostenlos in jeder Filiale.<br />

Bestellungen nehmen wir gern entgegen über www.books.<strong>ch</strong>, orders@books.<strong>ch</strong><br />

und Telefon 0848 849 848. Bu<strong>ch</strong>handlungen von Orell Füssli finden Sie in Basel,<br />

Bern, Frauenfeld, St.Gallen, Winterthur und Züri<strong>ch</strong> sowie am Flughafen Züri<strong>ch</strong>.<br />

Preisänderungen vorbehalten. Unsere aktuellen Verkaufspreise und eine <strong>um</strong>fassende<br />

Auswahl an Bü<strong>ch</strong>ern, Filmen und Spielen finden Sie auf www.books.<strong>ch</strong>.<br />

Impress<strong>um</strong><br />

Herausgeber:<br />

Orell Füssli Bu<strong>ch</strong>handlungs AG, Dietzingerstrasse 3, Postfa<strong>ch</strong>, 8036 Züri<strong>ch</strong><br />

Gesamtherstellung: Media Tune AG, Züri<strong>ch</strong><br />

Redaktion: Die Blattma<strong>ch</strong>er GmbH, Züri<strong>ch</strong><br />

Gestaltungskonzept/Layout: Stri<strong>ch</strong>punkt GmbH, Winterthur<br />

Coverfoto: Jeremy Spierer<br />

Alle so gekennzei<strong>ch</strong>neten Bü<strong>ch</strong>er sind auf www.books.<strong>ch</strong><br />

au<strong>ch</strong> <strong>als</strong> eBook erhältli<strong>ch</strong>.


4 | NOTIZEN <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

Notizen<br />

Marius Leutenegger<br />

Es soll no<strong>ch</strong> immer Leute geben, denen Reisen im Kopf ni<strong>ch</strong>t rei<strong>ch</strong>en – und die ni<strong>ch</strong>t allein<br />

von s<strong>ch</strong>önen Destinationen <strong>lesen</strong>, sondern diese au<strong>ch</strong> besu<strong>ch</strong>en wollen. Sol<strong>ch</strong>e Unverbesserli<strong>ch</strong>en<br />

sollten den Weg in die Europaallee beim Hauptbahnhof Züri<strong>ch</strong> unter die Füsse<br />

nehmen, denn dort hat der Transa Flagship Store seine Tore geöffnet. Er bietet alles, was<br />

man für einen Ausflug in die nahen Berge oder ans Ende der Welt brau<strong>ch</strong>t: Bekleidung und<br />

Kletterausrüstung, Zelte oder Rucksäcke. Und natürli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> das passende Informationsmaterial:<br />

Orell Füssli unterhält im Laden auf 160 Quadratmetern die Bu<strong>ch</strong>abteilung<br />

Transa<strong>Books</strong> mit einer berghohen und suezkanalbreiten Auswahl an Reiseführern, Outdoorguides<br />

und Bildbänden <strong>zu</strong> allen Destinationen der Erde. Eine re<strong>ch</strong>te Weltreise beginnt<br />

<strong>als</strong>o fortan immer an der Europaallee!<br />

«<strong>Books</strong>» kennt für Fantasy-Bü<strong>ch</strong>er zwar<br />

die Rubrik «Fantastis<strong>ch</strong>!» – Sie finden sie<br />

in dieser Ausgabe ab Seite 36 –, ausnahmsweise<br />

s<strong>ch</strong>afft es eine fantastis<strong>ch</strong>e<br />

Neuers<strong>ch</strong>einung aber in die «Notizen».<br />

Dann nämli<strong>ch</strong>, wenn sie si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> für ein<br />

Publik<strong>um</strong> eignet, das mit Gnomen, Zaubers<strong>ch</strong>ulen<br />

und Vampiren wenig<br />

anfangen kann. Zwar enthält<br />

au<strong>ch</strong> der Roman «Ein<br />

Wispern unter Baker Street»<br />

von Ben Aaronovit<strong>ch</strong>, der bei<br />

dtv ers<strong>ch</strong>ienen ist, genau sol<strong>ch</strong>e<br />

Zutaten. Aber der englis<strong>ch</strong>e<br />

Bestseller ist von so viel<br />

Witz und derart hübs<strong>ch</strong>en Bes<strong>ch</strong>reibungen<br />

des Alltags in<br />

London geprägt, dass ihm selbst Harry-<br />

Potter-Verä<strong>ch</strong>ter eine Chance geben sollten.<br />

Hauptfigur ist der junge dunkelhäutige<br />

Polizist Peter Grant. Er wird einer<br />

Sondereinheit <strong>zu</strong>geteilt, die si<strong>ch</strong> mit unerklärli<strong>ch</strong>en<br />

Ereignissen auseinandersetzt.<br />

Bislang bestand diese Abteilung aus genau<br />

einer Person, nämli<strong>ch</strong> aus dem letzten<br />

Zauberer Englands. Grant lernt von<br />

diesem distinguierten Herrn das Zauberhandwerk<br />

mehr s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t <strong>als</strong> re<strong>ch</strong>t, trotzdem<br />

tau<strong>ch</strong>t der junge Polizist liebend gern<br />

in die Welt des Mysteriösen<br />

ein. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> wird diese<br />

ni<strong>ch</strong>t nur von einigen wirkli<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>rägen Kreaturen, sondern<br />

au<strong>ch</strong> von allerhand faszinierenden<br />

Damen bevölkert. Autor<br />

Ben Aaronovit<strong>ch</strong> ist eigentli<strong>ch</strong><br />

ein Drehbu<strong>ch</strong>autor;<br />

mit den Peter-Grant-Romanen<br />

lässt er einen ziemli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>nell<br />

ges<strong>ch</strong>nittenen Film laufen. «Ein Wispern<br />

unter Baker Street» ist bereits der dritte<br />

Band der Reihe. Wer si<strong>ch</strong> an die Bü<strong>ch</strong>er<br />

heranwagen mö<strong>ch</strong>te, sollte mit dem Erstling<br />

beginnen: «Die Flüsse von London».<br />

Die Lebensges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te von Emily<br />

Ruete ist bereits in mehreren Romanen<br />

verarbeitet worden. Kein Wunder,<br />

denn diese Biografie ist mehr <strong>als</strong><br />

ungewöhnli<strong>ch</strong>: Emily kam 1844 in<br />

Sansibar <strong>als</strong> Sayyida <strong>zu</strong>r Welt – <strong>als</strong><br />

Prinzessin des Inselrei<strong>ch</strong>s. Ihre Liebe<br />

<strong>zu</strong> einem Hamburger Kaufmann<br />

bra<strong>ch</strong>te sie <strong>als</strong> junge Frau na<strong>ch</strong><br />

Deuts<strong>ch</strong>land, wo sie einen neuen<br />

Namen annahm und drei Kinder<br />

gebar. Vorübergehend wurde die früh<br />

verwitwete Sayyida-Emily <strong>zu</strong> einem<br />

Spielball der Politik, <strong>als</strong> mehrere<br />

europäis<strong>ch</strong>e Mä<strong>ch</strong>te die Herrs<strong>ch</strong>aft<br />

über Sansibar anstrebten. Die Frau,<br />

die immer an der<br />

S<strong>ch</strong>welle zwis<strong>ch</strong>en<br />

zwei Kulturen stand,<br />

starb 1924 in Jena.<br />

Lukas Hartmann hat<br />

si<strong>ch</strong> jetzt ebenfalls des<br />

spannenden Stoffs<br />

angenommen. In<br />

«Abs<strong>ch</strong>ied von<br />

Sansibar», ers<strong>ch</strong>ienen bei Diogenes,<br />

ri<strong>ch</strong>tet er den Fokus vor allem auf die<br />

drei Kinder der Prinzessin, die beiden<br />

Tö<strong>ch</strong>ter Antonie und Rosalie sowie<br />

den Sohn Said, der si<strong>ch</strong> später<br />

Rudolph nannte. Kunstvoll springt<br />

Hartmann zwis<strong>ch</strong>en seinen Figuren<br />

und ihren vers<strong>ch</strong>iedenen Lebensabs<strong>ch</strong>nitten<br />

hin und her, bis si<strong>ch</strong> die<br />

vers<strong>ch</strong>iedenen Nahaufnahmen <strong>zu</strong><br />

einem grossen Familiengemälde<br />

vereinigen. So etwas kann der Berner<br />

Autor gut, und es gelingt ihm, dur<strong>ch</strong><br />

den Perspektivenwe<strong>ch</strong>sel zeitlos<br />

grosse Fragen <strong>zu</strong>r Identität und<br />

Zugehörigkeit oder über die Bedeutung<br />

von Liebe und Familie vielfältig<br />

<strong>zu</strong> beleu<strong>ch</strong>ten. Stellenweise brau<strong>ch</strong>t<br />

man <strong>als</strong> Leserin oder Leser einen<br />

etwas längeren Atem, man wird aber<br />

fürs Dur<strong>ch</strong>halten belohnt: Hartmann<br />

lässt einen immer tiefer in eine Welt<br />

eintau<strong>ch</strong>en, die längst untergegangen<br />

ist und alles andere <strong>als</strong> eine «gute alte<br />

Zeit» war.


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf NOTIZEN | 5<br />

Leute, die das mögen,<br />

mögen au<strong>ch</strong> ...<br />

© Niklas Lello<br />

Oft ist die letzte Seite eines Bu<strong>ch</strong>s jene,<br />

die man am wenigsten mag – weil man<br />

ni<strong>ch</strong>t mö<strong>ch</strong>te, dass das Lesevergnügen<br />

s<strong>ch</strong>on <strong>zu</strong> Ende ist. Glückli<strong>ch</strong>erweise<br />

gibt es Fa<strong>ch</strong>leute, die einem in sol<strong>ch</strong>en<br />

Momenten Bü<strong>ch</strong>er mit verglei<strong>ch</strong>baren<br />

Qualitäten empfehlen können – Fa<strong>ch</strong>leute<br />

wie Désirée Stucki von Orell Füssli<br />

Frauenfeld. Die 30-<br />

Jährige ist so begeisterte<br />

Bu<strong>ch</strong>händlerin<br />

wie Leserin, «und wie<br />

viele andere habe au<strong>ch</strong><br />

i<strong>ch</strong> Hermann Hesses<br />

‹Siddhartha› vers<strong>ch</strong>lungen.<br />

Das ist ja<br />

ein Bu<strong>ch</strong>, das man immer<br />

wieder <strong>lesen</strong> kann<br />

– und das einem bei jeder<br />

Wiederholung etwas<br />

anderes gibt. Als<br />

Bu<strong>ch</strong>händlerin bin i<strong>ch</strong><br />

oft gefragt worden, ob<br />

i<strong>ch</strong> etwas Ähnli<strong>ch</strong>es<br />

empfehlen könne. Vor<br />

ein paar Jahren entdeckte<br />

i<strong>ch</strong> den Roman ‹Kaito oder Die<br />

Lei<strong>ch</strong>tigkeit des Glücks› von Hans Kruppa,<br />

der mi<strong>ch</strong> wegen seiner Mär<strong>ch</strong>enhaftigkeit<br />

sehr an ‹Siddhartha› erinnerte.<br />

Lange Zeit war das Bu<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr<br />

erhältli<strong>ch</strong>; jetzt aber ist bei Coppenrath<br />

eine wunders<strong>ch</strong>ön gema<strong>ch</strong>te neue Ausgabe<br />

ers<strong>ch</strong>ienen, die i<strong>ch</strong> sehr empfehle.<br />

Kruppa erzählt die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te des Buben<br />

Kaito, der in einer mausarmen Familie<br />

aufwä<strong>ch</strong>st und das Gefühl hat,<br />

ni<strong>ch</strong>t am ri<strong>ch</strong>tigen Platz <strong>zu</strong> sein. Als er<br />

si<strong>ch</strong> aufma<strong>ch</strong>t in die Welt, erhält er von<br />

der Familie ein Medaillon mit auf den<br />

Weg. Dieses Medaillon enthält eine Bes<strong>ch</strong>riftung,<br />

die niemand <strong>lesen</strong> kann –<br />

ausser einem fahrenden Musikanten,<br />

dem Kaito auf seinem Weg begegnet.<br />

Der Musikant eröffnet dem Jungen, das<br />

Medaillon gehöre dem bekanntesten<br />

Flötisten des Landes. Gemeinsam ma<strong>ch</strong>en<br />

si<strong>ch</strong> die beiden auf den Weg <strong>zu</strong><br />

diesem Flötisten. Unterwegs lernt Kaito<br />

ein st<strong>um</strong>mes Mäd<strong>ch</strong>en kennen, mit dem<br />

er si<strong>ch</strong> sofort tief verbunden<br />

fühlt. Als er<br />

beim Flötisten ankommt,<br />

spielt ihm dieser<br />

ein Musikstück vor.<br />

Kaito ist so tief berührt,<br />

dass ihn der Flötist <strong>zu</strong><br />

seinem S<strong>ch</strong>üler ma<strong>ch</strong>t.<br />

Das eröffnet dem Jungen<br />

die Mögli<strong>ch</strong>keit, <strong>zu</strong><br />

einer besonderen Erleu<strong>ch</strong>tung<br />

<strong>zu</strong> gelangen<br />

– und das st<strong>um</strong>me Mäd<strong>ch</strong>e<br />

auf aussergewöhnli<strong>ch</strong>e<br />

Weise für si<strong>ch</strong> <strong>zu</strong><br />

gewinnen ... Die Parallelen<br />

<strong>zu</strong> ‹Siddhartha›<br />

liegen auf der Hand:<br />

Hier wie dort lässt einer alles hinter<br />

si<strong>ch</strong>, <strong>um</strong> seine Bestimmung <strong>zu</strong> finden.<br />

Hier wie dort findet einer dur<strong>ch</strong> intensive<br />

Lehrjahre z<strong>um</strong> Glück. Aber es gibt<br />

au<strong>ch</strong> Unters<strong>ch</strong>iede: Die Spra<strong>ch</strong>e von<br />

Hesse ist viel literaris<strong>ch</strong>er <strong>als</strong> jene von<br />

Kruppa. ‹Kaito oder Die Lei<strong>ch</strong>tigkeit des<br />

Glücks› eignet si<strong>ch</strong> deshalb au<strong>ch</strong> für<br />

Leute, die niem<strong>als</strong> ein Bu<strong>ch</strong> von Hesse<br />

<strong>zu</strong>r Hand nähmen, weil es ihnen <strong>zu</strong><br />

kompliziert s<strong>ch</strong>eint. Und ein Unters<strong>ch</strong>ied<br />

ist au<strong>ch</strong>, dass Kruppa ni<strong>ch</strong>t so<br />

deutli<strong>ch</strong> den Zeigefinger hebt, wie es<br />

Hesse <strong>zu</strong>weilen tut. Er erzählt einfa<strong>ch</strong><br />

eine sehr s<strong>ch</strong>öne Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, von der<br />

man si<strong>ch</strong> verzaubern lassen kann.»<br />

«Sofies Welt» des Norwegers Jostein<br />

Gaarder ist ein Dauerbrenner: Das 1991<br />

ers<strong>ch</strong>ienene Bu<strong>ch</strong> wurde mittlerweile in<br />

95 Spra<strong>ch</strong>en übersetzt. Es erzählt die<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der 14-jährigen Sofie, die<br />

eines Tages einen mysteriösen Brief<br />

erhält und darin gefragt wird, wer sie<br />

eigentli<strong>ch</strong> sei. Darauf beginnt für Sofie<br />

und die Lesers<strong>ch</strong>aft eine Reise dur<strong>ch</strong> die<br />

Welt der Philosophie – denn das Mäd<strong>ch</strong>en<br />

erhält weitere Briefe, die immer einer<br />

bestimmten Denkri<strong>ch</strong>tung oder einem<br />

berühmten Philosophen gewidmet sind.<br />

«Sofies Welt» war eigentli<strong>ch</strong> für ältere<br />

Kinder geda<strong>ch</strong>t; weil es einen so <strong>ch</strong>armanten<br />

wie nützli<strong>ch</strong>en Crash-Kurs in<br />

Philosophie-Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te bietet, haben aber<br />

au<strong>ch</strong> Erwa<strong>ch</strong>sene den Roman gerade<strong>zu</strong><br />

vers<strong>ch</strong>lungen. Jetzt, 22 Jahre später, hat<br />

Gaarder sein Erfolgskonzept no<strong>ch</strong> einmal<br />

angewendet. «Noras Welt» handelt jedo<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t von Philosophie, sondern von<br />

aktuellen Umweltproblemen. Die 16-jährige<br />

Protagonistin Nora reist trä<strong>um</strong>end ins<br />

Jahr 2084 und erlebt dort <strong>als</strong> ihre eigene<br />

Urenkelin Nova, was wir Heutigen der<br />

Erde angetan haben. Diesen eher simplen<br />

Plot nutzt der Autor, <strong>um</strong> Kindern und<br />

Jugendli<strong>ch</strong>en ökologis<strong>ch</strong>e Zusammenhänge<br />

<strong>zu</strong> erklären und den Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>s <strong>zu</strong><br />

einem naturgere<strong>ch</strong>ten Handeln <strong>zu</strong><br />

bewegen. Erneut gelingt es Gaarder, ein<br />

ho<strong>ch</strong>komplexes Thema ans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong> <strong>zu</strong><br />

behandeln; diesmal s<strong>ch</strong>immern die<br />

pädagogis<strong>ch</strong>en Absi<strong>ch</strong>ten des Autors aber<br />

etwas stark zwis<strong>ch</strong>en den Zeilen hindur<strong>ch</strong>,<br />

was die Attraktivität des Romans<br />

für Erwa<strong>ch</strong>sene stellenweise<br />

reduziert – aber<br />

«Noras Welt» ist ja au<strong>ch</strong><br />

<strong>als</strong> Kinderbu<strong>ch</strong> geda<strong>ch</strong>t<br />

und sollte ni<strong>ch</strong>t unbedingt<br />

an «Sofies Welt»<br />

gemessen werden.


6 | NOTIZEN <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

Was <strong>lesen</strong> Sie gerade?<br />

Marco Frits<strong>ch</strong>e, TV-Moderator:<br />

Vom 24. bis 27. Oktober 2013 findet<br />

z<strong>um</strong> dritten Mal das grösste Literaturfestival<br />

der S<strong>ch</strong>weiz statt: «Züri<strong>ch</strong><br />

liest». Es bietet in diesem Jahr 140<br />

Lesungen und literaris<strong>ch</strong>e Veranstaltungen<br />

mit über 200 nationalen und<br />

internationalen Autorinnen und Autoren.<br />

Mit dabei sind z<strong>um</strong> Beispiel Milena<br />

Moser und Franz Hohler, angekündigt<br />

ist au<strong>ch</strong> der S<strong>ch</strong>auspieler Bruno<br />

© Adrian Portmann<br />

«Lesen dient mir sowohl dem kontemplativen<br />

‹Ni<strong>ch</strong>tstun› <strong>als</strong> au<strong>ch</strong> der Informationsbes<strong>ch</strong>affung.<br />

Daher lese i<strong>ch</strong> neben<br />

den drei mir wi<strong>ch</strong>tigen Sonntagszeitungen<br />

– was s<strong>ch</strong>on mal bis <strong>zu</strong>r Wo<strong>ch</strong>enmitte<br />

dauern kann – au<strong>ch</strong> oft vers<strong>ch</strong>iedene Bü<strong>ch</strong>er<br />

parallel und aus ganz unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en<br />

Gründen.<br />

Da i<strong>ch</strong> erst seit kurzem mein Glück <strong>als</strong><br />

Hobby-Ko<strong>ch</strong> versu<strong>ch</strong>e, s<strong>ch</strong>mökere i<strong>ch</strong> immer<br />

wieder in ‹Querbeet›, dem neuen<br />

Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong> von Susanne Blo<strong>ch</strong>-Hänseler.<br />

Ein rei<strong>ch</strong> bebildertes und inspirierendes<br />

S<strong>ch</strong>ätzkäst<strong>ch</strong>en, wenn es <strong>um</strong> originelle<br />

und für mi<strong>ch</strong> einigermassen gut <strong>zu</strong> bewältigende<br />

Ko<strong>ch</strong>-Rezepte geht. Mein<br />

neustes ‹Coffee Table Book›, das mi<strong>ch</strong> im<br />

<strong>ch</strong>armanten und einzigartigen Bu<strong>ch</strong>laden<br />

von Carol Forster in Appenzell auf<br />

den ersten Blick verzaubert hat, ist ‹Worte<br />

ni<strong>ch</strong>t in giftige Bu<strong>ch</strong>staben einwickeln›<br />

von und über Meret Oppenheim – ja genau,<br />

das ist die mit der Fell-Tee-Tasse!<br />

Das Bu<strong>ch</strong> ist ni<strong>ch</strong>t nur hö<strong>ch</strong>st dekorativ<br />

im Wohnzimmer, sondern nimmt mir<br />

au<strong>ch</strong> das s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Gewissen, wenn i<strong>ch</strong><br />

faul auf meinem Sofa liege, weil i<strong>ch</strong> dann<br />

immer wieder darin stöbern kann. Dieses<br />

autobiografis<strong>ch</strong>e Alb<strong>um</strong> mit unveröffentli<strong>ch</strong>ten<br />

Briefwe<strong>ch</strong>seln ist ni<strong>ch</strong>t nur etwas<br />

für Kunstinteressierte. Au<strong>ch</strong> wer einfa<strong>ch</strong><br />

gern ‹im Leben eines Mens<strong>ch</strong>en blättert›,<br />

wird viel Erstaunli<strong>ch</strong>es erfahren. Zu guter<br />

Letzt liegt neben meinem Bett no<strong>ch</strong><br />

‹Der Geisterfahrer›, ein Bu<strong>ch</strong> mit Erzählungen<br />

von Franz Hohler. Anregend und<br />

man<strong>ch</strong>mal au<strong>ch</strong> wohltuend irritierend,<br />

wie Hohler z<strong>um</strong> Glück ist!»<br />

Querbeet<br />

Susanne Blo<strong>ch</strong>-Hänseler<br />

317 Seiten<br />

CHF 58.00<br />

Hänseler<br />

Worte ni<strong>ch</strong>t in giftige Bu<strong>ch</strong>staben<br />

einwickeln<br />

Meret Oppenheim<br />

400 Seiten<br />

CHF 80.00<br />

S<strong>ch</strong>eidegger & Spiess<br />

Der Geisterfahrer<br />

Franz Hohler<br />

576 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Lu<strong>ch</strong>terhand<br />

Ganz. Als besondere Attraktion werden<br />

«Lesungen an ungewohnten Orten»<br />

dur<strong>ch</strong>geführt: im Prime Tower, in<br />

der Sternwarte, im Staatsar<strong>ch</strong>iv oder<br />

in der Hafenkneipe. Au<strong>ch</strong> bei Orell<br />

Füssli gibt es vers<strong>ch</strong>iedene Veranstaltungen.<br />

Zur glei<strong>ch</strong>en Zeit findet übrigens<br />

au<strong>ch</strong> «Bu<strong>ch</strong>Basel» statt. Die beiden<br />

Festiv<strong>als</strong> haben eine strategis<strong>ch</strong>e<br />

Partners<strong>ch</strong>aft vereinbart und arbeiten<br />

fortan eng <strong>zu</strong>sammen.<br />

S<strong>ch</strong>öne Ar<strong>ch</strong>itekturbü<strong>ch</strong>er gibt es<br />

glückli<strong>ch</strong>erweise so viele wie Ameisen<br />

im Wald. Ein besonders kunstvolles<br />

bes<strong>ch</strong>äftigt si<strong>ch</strong> jetzt aber genau<br />

mit diesen Ameisen – und allen<br />

anderen Tier<strong>ch</strong>en und Tieren, von<br />

denen wir bezügli<strong>ch</strong> Ar<strong>ch</strong>itektur<br />

no<strong>ch</strong> viel lernen können. «Ar<strong>ch</strong>itektier»,<br />

gerade bei Knesebeck ers<strong>ch</strong>ienen,<br />

zeigt die Werke der Ba<strong>um</strong>eister<br />

der Natur in herrli<strong>ch</strong>en Nahaufnahmen.<br />

Der renommierte<br />

Naturfotograf<br />

Ingo Arndt hat<br />

gesto<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>arfe<br />

Bilder von Vogelnestern,<br />

Spinnennetzen,<br />

Termitenbauten und<br />

Kalks<strong>ch</strong>alen ges<strong>ch</strong>ossen,<br />

der Verhaltensfors<strong>ch</strong>er<br />

Jürgen Tautz begleitet die<br />

Bildstrecken mit spannenden Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />

<strong>zu</strong> den vielbeinigen Ar<strong>ch</strong>itekten,<br />

ihren Werken, Methoden und<br />

Tricks. Ein Bu<strong>ch</strong>, an dem man si<strong>ch</strong><br />

ka<strong>um</strong> sattsehen kann.


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf NOTIZEN | 7<br />

Ein e<strong>ch</strong>tes Bu<strong>ch</strong> aus s<strong>ch</strong>önem Papier hat viele Vorteile, do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> das<br />

eBook kann zahlrei<strong>ch</strong>e Pluspunkte für si<strong>ch</strong> verbu<strong>ch</strong>en. Wofür soll man<br />

si<strong>ch</strong> <strong>als</strong>o ents<strong>ch</strong>eiden? Die gute Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>t: Man muss keine Wahl mehr<br />

treffen – z<strong>um</strong>indest ni<strong>ch</strong>t, wenn man einen Titel von Kein & Aber haben<br />

will. Denn seit diesem Frühjahr erhalten alle Käuferinnen und Käufer eines Hardcovers<br />

aus diesem Verlag glei<strong>ch</strong> kostenlos das entspre<strong>ch</strong>ende eBook da<strong>zu</strong>. In jedem<br />

gekauften Bu<strong>ch</strong> ist ein individueller Code angegeben; er kann auf der Internetseite<br />

des Verlags <strong>zu</strong>sammen mit einer E-Mail-Adresse eingetippt werden – und s<strong>ch</strong>on<br />

lässt si<strong>ch</strong> das eBook herunterladen. So ist ein guter Mix mögli<strong>ch</strong>: Daheim auf dem<br />

Sofa kann man die s<strong>ch</strong>öne Druckausgabe <strong>zu</strong>r Hand nehmen, unterwegs greift man<br />

z<strong>um</strong> eReader.<br />

Cartoon-Romane<br />

z<strong>um</strong> Wegla<strong>ch</strong>en<br />

Respektlos,<br />

liebenswert,<br />

unwiderstehli<strong>ch</strong>:<br />

Der absolut witzigste<br />

Detektiv der Welt<br />

ermittelt.<br />

«Es gab kein anderes<br />

Bu<strong>ch</strong> in mir», hielt Urs<br />

Widmer kürzli<strong>ch</strong> in einem<br />

NZZ-Beitrag über<br />

sein neuestes Werk «Reise<br />

an den Rand des Univers<strong>um</strong>s»<br />

fest. «I<strong>ch</strong> hatte<br />

in den letzten Jahrzehnten<br />

beim S<strong>ch</strong>reiben meiner<br />

Bü<strong>ch</strong>er so radikal alle Stollen meiner<br />

Erinnerung ausgerä<strong>um</strong>t, dass mir nur<br />

no<strong>ch</strong> eine Mögli<strong>ch</strong>keit übrig <strong>zu</strong> bleiben<br />

s<strong>ch</strong>ien: The truth, the truth, the truth<br />

and nothing but the truth.» Im Bu<strong>ch</strong><br />

selbst begründet der 75-jährige Basler<br />

etwas anders, war<strong>um</strong> sein neues Bu<strong>ch</strong><br />

ausgere<strong>ch</strong>net eine Autobiografie ist.<br />

«Erst trä<strong>um</strong>en wir von der Zukunft, dann<br />

leben wir sie, und am Ende, wenn diese<br />

gelebte Zukunft vergangen ist, erzählen<br />

wir sie uns no<strong>ch</strong> einmal.» Das klingt allerdings<br />

weit melan<strong>ch</strong>olis<strong>ch</strong>er, <strong>als</strong> die<br />

Autobiografie jetzt tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> daherkommt<br />

– diese rie<strong>ch</strong>t nämli<strong>ch</strong> weder<br />

na<strong>ch</strong> Aufguss no<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Abs<strong>ch</strong>luss, sondern<br />

ist, typis<strong>ch</strong> Urs Widmer, von einer<br />

lei<strong>ch</strong>ten Ironie dur<strong>ch</strong>zogen und von einem<br />

lebhaft-weisen Ton geprägt. Der Autobiograf<br />

bes<strong>ch</strong>ränkt si<strong>ch</strong> auf die ersten<br />

30 Jahre seines Lebens, er gelangt <strong>als</strong>o<br />

nur bis <strong>zu</strong> jenem Punkt, an dem er sein<br />

erstes Bu<strong>ch</strong> veröffentli<strong>ch</strong>t hat. Über die<br />

jüngere Vergangenheit wollte Widmer<br />

ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>reiben, weil es dann «links und<br />

re<strong>ch</strong>ts von meinem S<strong>ch</strong>reibweg <strong>zu</strong> viele<br />

Verwundete, Gekränkte, Si<strong>ch</strong>-verraten-<br />

Fühlende» geben könnte. So bleibt uns<br />

<strong>als</strong>o nur dieses Porträt des Künstlers <strong>als</strong><br />

junger Mann. Ob Widmer hier wirkli<strong>ch</strong><br />

«nothing but the truth» erzählt, muss im<br />

Ra<strong>um</strong> stehen bleiben. Die frühkindli<strong>ch</strong>en<br />

und sogar vorgeburtli<strong>ch</strong>en Erinnerungen<br />

stammen aus mindestens zweiter<br />

Hand, folgen aber dem s<strong>ch</strong>önen Grundsatz<br />

«Se non è vero, è ben trovato» – Widmer<br />

ist s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>riftsteller und<br />

kein Ar<strong>ch</strong>ivar.<br />

«Glück» war so etwas wie ein<br />

heimli<strong>ch</strong>er Bestseller unter den<br />

Ges<strong>ch</strong>enkbü<strong>ch</strong>ern: 100 Glücksfors<strong>ch</strong>er<br />

aus der ganzen Welt gaben in<br />

je 1000 Worten Einblick in die<br />

Resultate ihrer Arbeit. Jetzt hat Leo<br />

Bormans, der Herausgeber von<br />

«Glück», bei D<strong>um</strong>ont so etwas wie<br />

eine Fortset<strong>zu</strong>ng vorgelegt: «Liebe».<br />

Das Bu<strong>ch</strong> ist genauso faszinierend<br />

wie sein Vorgänger. 100 gestandene<br />

Fors<strong>ch</strong>er und Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>swissens<strong>ch</strong>aftler<br />

geben in wieder<strong>um</strong> je 1000<br />

Worten mögli<strong>ch</strong>e Antworten auf<br />

Fragen wie «War<strong>um</strong> verlieben wir<br />

uns – und wie?», «Wel<strong>ch</strong>es sind die<br />

besten Partner?», «Was passiert im<br />

Körper, wenn wir verliebt sind?»,<br />

«Wel<strong>ch</strong>e Rolle spielen Hollywood<br />

und Co. für unsere Gefühlswelt?»,<br />

«War<strong>um</strong> lügen wir in der Liebe?»<br />

oder «Wie wi<strong>ch</strong>tig ist Sex?». Die so<br />

fundierten wie flockig-lei<strong>ch</strong>t abgefassten<br />

Beiträge sind erst no<strong>ch</strong><br />

hübs<strong>ch</strong> illustriert und am Ende<br />

lesefreundli<strong>ch</strong> in<br />

wenigen Worten<br />

<strong>zu</strong>sammengefasst<br />

– es s<strong>ch</strong>eint ka<strong>um</strong><br />

vorstellbar, dass<br />

dieses Bu<strong>ch</strong> jemanden<br />

ni<strong>ch</strong>t interessiert.<br />

ISBN 978-3-7891-4506-3<br />

Ab 8 Jahren · 304 Seiten<br />

Volle Power ins Chaos! Brüllkomis<strong>ch</strong>e<br />

Protagonisten im<br />

s<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>en Alltagswahnsinn.<br />

ISBN 978-3-7915-0707-1<br />

Ab 10 Jahren · 240 Seiten


8 | NOTIZEN <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

Jahrestage<br />

© Roland Gretler<br />

Am 22. September jährt si<strong>ch</strong> der Tod des<br />

1940 in St. Gallen geborenen Journalisten<br />

Niklaus Meienberg z<strong>um</strong> 20. Mal. Wenn Wikipedia<br />

behauptet, Meienbergs Werk habe<br />

«massgebli<strong>ch</strong> <strong>zu</strong>r öffentli<strong>ch</strong>en Meinungsbildung<br />

der S<strong>ch</strong>weiz im 20. Jahrhundert beigetragen»,<br />

ist das ni<strong>ch</strong>t all<strong>zu</strong> übertrieben. In<br />

einer Zeit, in der man auf so etwas no<strong>ch</strong><br />

stolz sein durfte, arbeitete Meienberg fünf<br />

Jahre lang für «Die Weltwo<strong>ch</strong>e» – <strong>als</strong> Korrespondent<br />

in Paris. Später wurde er Mitarbeiter<br />

des S<strong>ch</strong>weizer Fernsehens, des «Tages-Anzeigers»,<br />

des <strong>Magazin</strong>s «Stern» und<br />

der «Wo<strong>ch</strong>enzeitung». Diese Engagements<br />

endeten selten friedli<strong>ch</strong>, denn Meienberg<br />

war ni<strong>ch</strong>t nur ein brillanter Kopf, sondern<br />

au<strong>ch</strong> ein streitbarer und äusserst kritis<strong>ch</strong>er<br />

Zeitgenosse mit Hang <strong>zu</strong>r Provokation und<br />

Polterei. Eine besonders innige Feinds<strong>ch</strong>aft<br />

verband ihn mit der Familie des superautoritären<br />

Gener<strong>als</strong> der S<strong>ch</strong>weizer Armee während<br />

des Ersten Weltkriegs, Ulri<strong>ch</strong> Wille. Im<br />

Bu<strong>ch</strong> «Die Welt <strong>als</strong> Wille und Wahn» dur<strong>ch</strong>leu<strong>ch</strong>tete<br />

Meienberg den Wille-Clan. Die<br />

Söhne des Gener<strong>als</strong> zerrten den Journalisten<br />

s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> vor Geri<strong>ch</strong>t, vor allem wegen<br />

dessen Hauptwerk «Die Ers<strong>ch</strong>iessung des<br />

Landesverräters Ernst S.», in dem Wille<br />

ebenfalls eine Rolle spielte. Na<strong>ch</strong> mehreren<br />

S<strong>ch</strong>icks<strong>als</strong>s<strong>ch</strong>lägen nahm si<strong>ch</strong> Meienberg<br />

1993 das Leben. Sein Werk ers<strong>ch</strong>eint im<br />

Limmat-Verlag.<br />

Am 5. Oktober haben alle französis<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen<br />

Bü<strong>ch</strong>erfreundinnen und -freunde etwas<br />

<strong>zu</strong> feiern – aber ni<strong>ch</strong>t nur sie. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />

zählt der Pariser Denis Diderot, dessen<br />

Geburtstag si<strong>ch</strong> an diesem Dat<strong>um</strong> z<strong>um</strong> 300.<br />

Mal jährt, <strong>zu</strong> den wi<strong>ch</strong>tigsten europäis<strong>ch</strong>en<br />

Denkern der Aufklärung. Gemeinsam mit<br />

zahlrei<strong>ch</strong>en Mitstreitern, darunter au<strong>ch</strong><br />

Montesquieu und Voltaire, s<strong>ch</strong>uf Diderot die<br />

grosse französis<strong>ch</strong>e «Encylopédie ou dictionnaire<br />

raisonné des sciences, des arts et<br />

des métiers»; von den 72 000 Artikeln, die<br />

dieses Lexikon enthielt, verfasste er selber<br />

rund 6000. Diderot wu<strong>ch</strong>s in der Bis<strong>ch</strong>ofsstadt<br />

Langres auf und kam <strong>als</strong> junger Mann<br />

na<strong>ch</strong> Paris, <strong>um</strong> dort ein Theologie-Vorstudi<strong>um</strong><br />

<strong>zu</strong> absolvieren. Ans<strong>ch</strong>liessend lebte er in<br />

der Hauptstadt <strong>als</strong> Bohémien, Intellektueller<br />

und Übersetzer englis<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>iger Bü<strong>ch</strong>er.<br />

Diese Tätigkeit öffnete ihm au<strong>ch</strong> die Tür z<strong>um</strong><br />

«Encylopédie»-Projekt: Ein Verleger wollte<br />

ein englis<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>iges Lexikon ins Französis<strong>ch</strong>e<br />

übertragen lassen und kam damit<br />

ni<strong>ch</strong>t re<strong>ch</strong>t vorwärts. Er ma<strong>ch</strong>te Diderot<br />

z<strong>um</strong> Gesamtleiter – und dieser weitete das<br />

Projekt massiv aus. Die Encyclopédie wollte<br />

in über einem Dutzend Bänden das gesamte<br />

Wissen ihrer Zeit abbilden. Den Autoren<br />

ging es aber ni<strong>ch</strong>t <strong>um</strong> die Anhäufung von<br />

Fakten, sondern <strong>um</strong> die Verbesserung der<br />

Welt dur<strong>ch</strong> Bildung. Das kam bei der Lesers<strong>ch</strong>aft<br />

extrem gut an – das Lexikon war ein<br />

kostspieliger Bestseller –, beim Adel und<br />

Klerus wegen seines aufkläreris<strong>ch</strong>en Geists<br />

aber äusserst s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t. Der Papst setzte das<br />

Werk sogar auf den Index der verbotenen<br />

Bü<strong>ch</strong>er. Na<strong>ch</strong> 20 Jahren Arbeit s<strong>ch</strong>ied Diderot<br />

im Streit mit den knauserigen Verlegern<br />

aus dem Projekt aus. Er s<strong>ch</strong>rieb zeitlebens<br />

au<strong>ch</strong> Dramen, bedeutende philosophis<strong>ch</strong>e<br />

S<strong>ch</strong>riften, naturwissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Bü<strong>ch</strong>er,<br />

Rezensionen und Essays. Do<strong>ch</strong> die Encyclopédie<br />

blieb sein Hauptwerk. Jetzt gerade hat<br />

«Die andere Bibliothek» die Zusammenstellung<br />

«Diderots Enzyklopädie» veröffentli<strong>ch</strong>t;<br />

sie enthält jene Lexikon-Beiträge von<br />

Diderot, die laut Verlag «z<strong>um</strong> geistigen<br />

Handgepäck für das dritte Jahrtausend gehören».<br />

Georg Bü<strong>ch</strong>ner kam am 17. Oktober 1813<br />

<strong>zu</strong>r Welt, <strong>als</strong>o vor genau 200 Jahren. Er wurde<br />

zwar nur 23 Jahre alt, do<strong>ch</strong> es blieb ihm<br />

genug Zeit, glei<strong>ch</strong> drei Stücke <strong>zu</strong> verfassen,<br />

die z<strong>um</strong> internationalen Kanon gehören:<br />

«Dantons Tod», «Leonce und Lena» sowie<br />

«Woyzeck». Eigentli<strong>ch</strong> sollte Bü<strong>ch</strong>ner Arzt<br />

werden; während seines Medizinstudi<strong>um</strong>s<br />

in Strassburg kam er aber mit dem liberalen<br />

Gedankengut der Juli-Revolution in Kontakt.<br />

In seine Heimatregion Hessen <strong>zu</strong>rückgekehrt,<br />

rief er die Landbevölkerung z<strong>um</strong><br />

Umsturz auf – mit dem berühmten Slogan<br />

«Friede den Hütten! Krieg den Palästen!».<br />

Innerhalb von nur fünf Wo<strong>ch</strong>en verfasste er<br />

«Dantons Tod», in dem er das S<strong>ch</strong>eitern der<br />

Revolution verarbeitete; no<strong>ch</strong> vor der ersten<br />

Aufführung des<br />

Stücks musste er<br />

aber fliehen, weil<br />

er <strong>als</strong> Aufwiegler<br />

galt. Erst gelangte<br />

er na<strong>ch</strong> Strassburg,<br />

dann kam<br />

er na<strong>ch</strong> Züri<strong>ch</strong>.<br />

Die hiesige Universität<br />

ma<strong>ch</strong>te<br />

ihn aufgrund seiner<br />

Dissertation «Abhandlung über das<br />

Nervensystem der Barbe» z<strong>um</strong> Doktor der<br />

Philosophie und ernannte ihn z<strong>um</strong> Dozenten<br />

für Anatomie. Do<strong>ch</strong> der junge Professor<br />

erkrankte an Typhus; im Februar 1837<br />

starb Bü<strong>ch</strong>ner in Züri<strong>ch</strong>, no<strong>ch</strong> ehe er sein<br />

Drama «Woyzeck» beenden konnte. Das<br />

Grab des Dramatikers befindet si<strong>ch</strong> im<br />

Oberstrass-Quartier und wird in wohl jedem<br />

Züri<strong>ch</strong>-Reiseführer erwähnt. Im Horlemann-Verlag<br />

ist anlässli<strong>ch</strong> des Jubilä<strong>um</strong>s<br />

der Roman «Das Herz so rot» von Udo Weinbörner<br />

<strong>als</strong> Tas<strong>ch</strong>enbu<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>ienen; darin<br />

geht es ebenso <strong>um</strong> die bewundernswert<br />

emanzipierte Braut des Frühverstorbenen<br />

wie <strong>um</strong> diesen selbst. Die Verlobte ist au<strong>ch</strong><br />

ein wi<strong>ch</strong>tiges Thema in der dtv-Neuers<strong>ch</strong>einung<br />

«Georg Bü<strong>ch</strong>ners Frauen» von Jan-<br />

Christoph Haus<strong>ch</strong>ild. Wer es <strong>um</strong>fassend<br />

mag, ist wohl mit der Bü<strong>ch</strong>ner-Biografie<br />

«Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te eines Genies» von Hermann<br />

Kurze gut bedient; sie ist gerade bei C.H.<br />

Beck ers<strong>ch</strong>ienen.<br />

Jener Geburtstag, der in diesem Bü<strong>ch</strong>erherbst<br />

wohl die meisten Neuers<strong>ch</strong>einungen<br />

auslöst, ist jener von Albert Camus. Der<br />

Franzose wäre am 7. November 100 Jahre<br />

alt geworden. Zur Welt kam er in Algerien,<br />

das dam<strong>als</strong> <strong>zu</strong> Frankrei<strong>ch</strong> gehörte. Obwohl<br />

seine Familie arm war und er an Tuberkulose<br />

erkrankte, konnte Camus dank seiner<br />

vielfältigen Begabungen die Matura ma<strong>ch</strong>en;<br />

dana<strong>ch</strong> studierte er Philosophie an<br />

der Universität von Algier. Eigentli<strong>ch</strong> wollte<br />

er Gymnasiallehrer werden, wegen seiner<br />

Tuberkulose wurde er aber ni<strong>ch</strong>t <strong>zu</strong> den<br />

Prüfungen <strong>zu</strong>gelassen. Seinem Frust über<br />

das berufli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>eitern, das Ende seiner<br />

ersten Ehe und die politis<strong>ch</strong>en Entwicklungen<br />

ma<strong>ch</strong>te er Luft, indem er einen Roman<br />

über einen tuberkulosekranken Mann<br />

s<strong>ch</strong>rieb: «La Mort heureuse». Das Bu<strong>ch</strong><br />

wurde zwar nie fertig, Camus arbeitete das<br />

Material aber später <strong>um</strong> – z<strong>um</strong> Roman «Der


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf NOTIZEN | 9<br />

... und ausserdem<br />

Fremde», der <strong>als</strong> eines der Hauptwerke des<br />

Existenzialismus’ gilt. Während Camus <strong>zu</strong>erst<br />

no<strong>ch</strong> <strong>als</strong> Journalist und Aushilfslehrer<br />

arbeitete, erlaubte ihm sein literaris<strong>ch</strong>er Erfolg,<br />

si<strong>ch</strong> ab Mitte des Zweiten Weltkriegs<br />

ganz auf die S<strong>ch</strong>riftstellerei <strong>zu</strong> konzentrieren.<br />

Mit seinen Werken <strong>zu</strong> den grossen Themen<br />

Freiheit, S<strong>ch</strong>uld und Verantwortung<br />

prägte er s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> das Lebensgefühl einer<br />

ganzen Generation. Zu seiner Prominenz<br />

trug bei, dass er si<strong>ch</strong> –<br />

wie Jean-Paul Sartre,<br />

der andere wi<strong>ch</strong>tige<br />

Existenzialist – au<strong>ch</strong><br />

<strong>als</strong> Philosoph und politis<strong>ch</strong><br />

betätigte: Er engagierte<br />

si<strong>ch</strong> in der<br />

Résistance und setzte<br />

si<strong>ch</strong> gegen Krieg oder<br />

Kolonialismus ein. Mit<br />

46 Jahren kam Camus<br />

bei einem Autounfall<br />

<strong>um</strong>s Leben. Aus den vielen Neuers<strong>ch</strong>einungen<br />

anlässli<strong>ch</strong> des Hundertsten seien vier<br />

herausgegriffen: Martin Meyer, Leiter des<br />

Feuilletons der «Neuen Zür<strong>ch</strong>er Zeitung»,<br />

zeigt in seiner bei Hanser ers<strong>ch</strong>ienenen Biografie<br />

«Die Freiheit leben», wa r<strong>um</strong> Autor<br />

und Werk seine Zeitgenossen derart stark<br />

faszinierten und war<strong>um</strong> man Camus immer<br />

wieder entdecken sollte. Ebenso eindrückli<strong>ch</strong><br />

ist die von Rowohlt veröffentli<strong>ch</strong>te Biografie<br />

«Das Ideal der Einfa<strong>ch</strong>heit»; Autorin<br />

ist Iris Radis<strong>ch</strong>, die Literaturkritikerin der<br />

«Zeit». Und das Hörbu<strong>ch</strong> «Leben heisst handeln»,<br />

ers<strong>ch</strong>ienen bei DHV, bietet Originalton-Einspielungen<br />

des Nobelpreisträgers<br />

von 1957. Ganz besonders s<strong>ch</strong>ön – und passend<br />

<strong>zu</strong> unserem Beitrag über Graphic Novels<br />

ab Seite 14 dieser Ausgabe – ist s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />

die visuelle Umset<strong>zu</strong>ng der<br />

Camus-Novelle «Jonas oder der Künstler bei<br />

der Arbeit» von Katia Fouquet, ers<strong>ch</strong>ienen<br />

bei der Edition Bü<strong>ch</strong>ergilde.<br />

Wer ein Rezept aus einem ausländis<strong>ch</strong>en<br />

Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong> ausprobieren<br />

will, steht man<strong>ch</strong>mal vor dem Problem,<br />

dass man die erwähnten Zutaten<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz ni<strong>ch</strong>t kaufen<br />

kann. In englis<strong>ch</strong>en Ko<strong>ch</strong>bü<strong>ch</strong>ern<br />

wird z<strong>um</strong> Beispiel oft eine bestimmte<br />

Art Mehl erwähnt, die bei uns<br />

ka<strong>um</strong> <strong>zu</strong> finden ist. In «The <strong>Books</strong>hop»<br />

von Orell Füssli an der Zür<strong>ch</strong>er<br />

Bahnhofstrasse steht dieses<br />

Mehl aber direkt neben dem Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong>regal<br />

– gemeinsam mit «Marmite»-<br />

und «Vegemite»-Würzpasten,<br />

der Barbecue-Sauce von «Jack<br />

Daniels», dem «Buckwud»-Ahorn-<br />

Wettbewerbs-Gewinner<br />

sirup und vielen anderen Spezialitäten.<br />

Dass die Food-Abteilung der<br />

Bu<strong>ch</strong>handlung au<strong>ch</strong> Esswaren anbietet,<br />

ist ni<strong>ch</strong>t neu – damit hat<br />

man im <strong>Books</strong>hop vor etwa fünf<br />

Jahren begonnen. «Inzwis<strong>ch</strong>en ist<br />

diese Abteilung aber ein regelre<strong>ch</strong>ter<br />

Magnet für Mens<strong>ch</strong>en aus England,<br />

den USA und Australien»,<br />

sagt Assistant Manager Nick<br />

S<strong>ch</strong>orp. Was in der grössten englis<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen<br />

Bu<strong>ch</strong>handlung auf<br />

dem europäis<strong>ch</strong>en Festland <strong>als</strong><br />

kundenfreundli<strong>ch</strong>e Dienstleistung<br />

geda<strong>ch</strong>t gewesen sei, habe si<strong>ch</strong> <strong>zu</strong><br />

einem e<strong>ch</strong>ten Hit entwickelt.<br />

In der letzten Ausgabe von «<strong>Books</strong>» verlosten wir unter den Teilnehmenden unseres<br />

Kreuzworträtsel-Wettbewerbs drei Bü<strong>ch</strong>erguts<strong>ch</strong>eine. Gewonnen haben:<br />

1. Preis: Verena Reist, 8460 Marthalen<br />

2. Preis: Rosmarie Spei<strong>ch</strong>, 8405 Winterthur<br />

3. Preis: Eva Horvath, 8406 Winterthur<br />

Herzli<strong>ch</strong>e Gratulation!<br />

Das Lösungswort lautete übrigens «Liebesgeheimnisse». Die Gewinnerinnen und Gewinner<br />

der Preise 4 bis 10 werden s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong> bena<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tigt. Das aktuelle Kreuzworträtsel finden<br />

Sie in dieser Ausgabe auf Seite 48.


10 | Interview <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

«Es ist einfa<strong>ch</strong>er, für Erwa<strong>ch</strong>sene<br />

<strong>zu</strong> s<strong>ch</strong>reiben»<br />

Federica de Cesco gehen die Ideen niem<strong>als</strong> aus. Ihr neuer Erwa<strong>ch</strong>senenroman «To<strong>ch</strong>ter des<br />

Windes» vereinigt einmal mehr alle Elemente, die das Publik<strong>um</strong> an den Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten der<br />

S<strong>ch</strong>weizer Autorin so liebt.<br />

Erik Brühlmann<br />

Peter Peits<strong>ch</strong><br />

<strong>Books</strong>: Federica de Cesco, «To<strong>ch</strong>ter des<br />

Windes» erzählt die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te des<br />

Deuts<strong>ch</strong>en Rainer, der si<strong>ch</strong> in die Japanerin<br />

Mia verliebt, ihr in die Heimat<br />

folgt und dort ein in jeder Hinsi<strong>ch</strong>t völlig<br />

neues Leben entdeckt. Dieser Roman<br />

liest si<strong>ch</strong> wie eine Einführung in die<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und Kultur Japans ...<br />

Federica de Cesco: Eine lockere Einführung,<br />

ja. Es gibt ja viele sol<strong>ch</strong>e Romane,<br />

Essays und so weiter, die viel komplizierter<br />

sind. I<strong>ch</strong> hingegen habe versu<strong>ch</strong>t,<br />

das Thema mit dem H<strong>um</strong>or an<strong>zu</strong>gehen,<br />

der den Japanern eigen ist. Hört man<br />

Japanern <strong>zu</strong>, wie sie über ihre Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

spre<strong>ch</strong>en, la<strong>ch</strong>t man si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ief!<br />

Haben Sie wegen des Charakters der<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te auf eine klassis<strong>ch</strong>e Hauptfigur<br />

verzi<strong>ch</strong>tet und stattdessen eine<br />

Gruppe wi<strong>ch</strong>tiger Figuren eingeführt,<br />

von denen jede einen glei<strong>ch</strong>wertigen<br />

Platz einnimmt?<br />

Genau! I<strong>ch</strong> wollte Japan anhand von<br />

Protagonisten aus vielen vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten und Positionen porträtieren.<br />

Eine der Hauptfiguren ist Rainer Steckborn,<br />

ein Ausländer. Er für<strong>ch</strong>tet, von<br />

einem Fettnäpf<strong>ch</strong>en ins andere <strong>zu</strong> treten,<br />

<strong>als</strong> er si<strong>ch</strong> auf das Abenteuer Japan<br />

einlässt. Es geht wohl vielen Ausländern<br />

so ...<br />

Ja, alle Gaijin – Ni<strong>ch</strong>tjapaner – erleben<br />

die erste Begegnung mit Japan auf diese<br />

Weise. Als i<strong>ch</strong> vor 40 Jahren das erste<br />

Mal na<strong>ch</strong> Japan ging, fragte i<strong>ch</strong> meinen<br />

japanis<strong>ch</strong>en Mann Ka<strong>zu</strong>yuki Kitamura:<br />

Chéri, was darf i<strong>ch</strong> in Japan ni<strong>ch</strong>t<br />

ma<strong>ch</strong>en? Seine Antwort: Du darfst alles<br />

ma<strong>ch</strong>en, was du willst, ausser in den<br />

Hauspantoffeln <strong>zu</strong>r Toilette gehen. Dafür<br />

gibt es spezielle Plastikpantoffeln. I<strong>ch</strong><br />

da<strong>ch</strong>te erst an hygienis<strong>ch</strong>e Gründe, do<strong>ch</strong><br />

mein Mann klärte mi<strong>ch</strong> auf, dass die<br />

Toilette ein heiliger Ort sei, den man ni<strong>ch</strong>t<br />

mit normalen Pantoffeln verunreinigen<br />

dürfe. Eigentli<strong>ch</strong> kann man si<strong>ch</strong> <strong>als</strong> Gaijin<br />

mühelos in Japan <strong>zu</strong>re<strong>ch</strong>tfinden, wenn<br />

man eines in Erinnerung behält: Leistet<br />

man si<strong>ch</strong> einen Fauxpas, bre<strong>ch</strong>en die Einheimis<strong>ch</strong>en<br />

zwar in s<strong>ch</strong>allendes Gelä<strong>ch</strong>ter<br />

aus. Allerdings la<strong>ch</strong>en sie ni<strong>ch</strong>t über<br />

einen, sondern mit einem. Ans<strong>ch</strong>liessend<br />

erklären sie einem geduldig, was man<br />

f<strong>als</strong><strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t hat.<br />

Eine sol<strong>ch</strong>e Erfahrung ma<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> Rainer.<br />

Sind die Japaner <strong>als</strong>o ni<strong>ch</strong>t so kühl<br />

und ernst, wie man immer denkt?<br />

Im Gegenteil ist es so, dass die Japaner<br />

die Ernsthaftigkeit der Gaijin ni<strong>ch</strong>t mögen!<br />

Die Japaner sind sehr stolz und sehr<br />

s<strong>ch</strong>eu und ma<strong>ch</strong>en deshalb fast nie den<br />

ersten S<strong>ch</strong>ritt auf einen <strong>zu</strong>. Das empfinden<br />

wir mitunter <strong>als</strong> Reserviertheit. Geht<br />

man aber auf Japaner <strong>zu</strong>, sind sie sehr<br />

herzli<strong>ch</strong> und geben si<strong>ch</strong> die grösste Mühe,<br />

si<strong>ch</strong> auf die Eigenheiten der Ausländer<br />

ein<strong>zu</strong>stellen.<br />

Überzei<strong>ch</strong>nen Sie <strong>zu</strong>weilen Ihre Figuren,<br />

<strong>um</strong> Ihre Anliegen deutli<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> ma<strong>ch</strong>en?<br />

Mia, Rainers japanis<strong>ch</strong>e Freundin, wird<br />

ja z<strong>um</strong> Beispiel <strong>als</strong> s<strong>ch</strong>on fast tölpelhaft<br />

ges<strong>ch</strong>ildert.<br />

I<strong>ch</strong> habe in 40 Jahren nur einmal eine<br />

unges<strong>ch</strong>ickte Japanerin getroffen!<br />

Japanerinnen beherrs<strong>ch</strong>en in der Regel<br />

ihre Hände und Finger so gut, dass man<br />

si<strong>ch</strong> wie ein Trampeltier vorkommt. Eine<br />

unges<strong>ch</strong>ickte Japanerin ist <strong>als</strong>o tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

eine Exotin, da brau<strong>ch</strong>e i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts <strong>zu</strong><br />

überzei<strong>ch</strong>nen.<br />

Federica de Cesco<br />

br. Federica de Cesco wurde 1938 in<br />

Pordenone, Italien, geboren. Als To<strong>ch</strong>ter<br />

eines Italieners und einer Deuts<strong>ch</strong>en<br />

wu<strong>ch</strong>s sie mehrspra<strong>ch</strong>ig auf. Mit ihren<br />

Eltern bereiste sie die Welt von Äthiopien<br />

bis Deuts<strong>ch</strong>land, Frankrei<strong>ch</strong> und Belgien.<br />

An der Universität Lütti<strong>ch</strong> studierte sie<br />

Kunstges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und Psy<strong>ch</strong>ologie, bevor<br />

sie 1962 mit ihrem ersten Ehemann in die<br />

S<strong>ch</strong>weiz zog. Aus dieser Ehe stammen ihre<br />

beiden Kinder. Ihren jetzigen Ehemann,<br />

den japanis<strong>ch</strong>en Fotografen Ka<strong>zu</strong>yuki<br />

Kitamura, heiratete sie 1973.<br />

Ihre literaris<strong>ch</strong>e Karriere begann Federica<br />

de Cesco 1957 mit dem Jugendbu<strong>ch</strong> «Der<br />

rote Seidens<strong>ch</strong>al». Fast 40 Jahre lang<br />

widmete sie si<strong>ch</strong> fast auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> der<br />

Kinder- und Jugendliteratur; im deuts<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen<br />

Ra<strong>um</strong> gilt sie <strong>als</strong> meistge<strong>lesen</strong>e<br />

Jugendbu<strong>ch</strong>autorin. Ihre Bü<strong>ch</strong>er erzählen<br />

meist von fremden Ländern, fremden<br />

Kulturen, Religionen oder von anderen<br />

Weltans<strong>ch</strong>auungen. 1994 veröffentli<strong>ch</strong>te<br />

sie mit «Silbermus<strong>ch</strong>el» ihr erstes Bu<strong>ch</strong> für<br />

Erwa<strong>ch</strong>sene. Mittlerweile hat Federica de<br />

Cesco über 80 Bü<strong>ch</strong>er veröffentli<strong>ch</strong>t – und<br />

hat bereits eine Idee für den nä<strong>ch</strong>sten<br />

Roman.<br />

Und wie steht es mit Tante Azai, die<br />

trotz ihrer extrem s<strong>ch</strong>roffen, abweisenden<br />

Art von Mia fast s<strong>ch</strong>on verehrt<br />

wird?<br />

Au<strong>ch</strong> hier bes<strong>ch</strong>reibe i<strong>ch</strong> nur die japanis<strong>ch</strong>e<br />

Mentalität. Das Alter ist verehrungswürdig,<br />

denn Alter bedeutet Erfahrung –<br />

und diese gilt <strong>als</strong> kostbares Gut. Deshalb<br />

haben die Seniorinnen und Senioren in<br />

Japan au<strong>ch</strong> Narrenfreiheit, sie können<br />

si<strong>ch</strong> «ungestraft» über Konventionen<br />

hinwegsetzen und werden trotzdem<br />

respektiert. Diesen Respekt fordern sie


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Interview | 11


12 | Interview <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

Gefahr bevorsteht. Stirbt eine Frau aber<br />

im Zorn, kann sie au<strong>ch</strong> viel Unheil anri<strong>ch</strong>ten,<br />

wie i<strong>ch</strong> es in «Die Augen des S<strong>ch</strong>metterlings»<br />

bes<strong>ch</strong>rieben habe.<br />

Glauben Sie an sol<strong>ch</strong>e übernatürli<strong>ch</strong>en<br />

Begebenheiten?<br />

Einmal fragte mi<strong>ch</strong> eine Leserin, ob i<strong>ch</strong><br />

einen Draht z<strong>um</strong> Übersinnli<strong>ch</strong>en habe.<br />

I<strong>ch</strong> sagte: Ja, aber der hängt locker! Im<br />

Allgemeinen halte i<strong>ch</strong> es mit Shakespeare:<br />

«Es gibt mehr Dinge zwis<strong>ch</strong>en Himmel<br />

und Erde, <strong>als</strong> Eure S<strong>ch</strong>ulweisheit si<strong>ch</strong><br />

erträ<strong>um</strong>en lässt.»<br />

In ihrem neuen Roman porträtiert Federica de Cesco Japan anhand von Protagonisten aus vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten und Positionen.<br />

Fast s<strong>ch</strong>on übernatürli<strong>ch</strong> wirkt au<strong>ch</strong> die<br />

Szene am Ende der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, <strong>als</strong> die<br />

Katzen die Bewohner der Insel Tashiro-<br />

Jima vor der Katastrophe warnen<br />

wollen, die letztli<strong>ch</strong> z<strong>um</strong> Unglück in<br />

Fukushima führte ...<br />

Diese Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te ist authentis<strong>ch</strong>! Die Katzen<br />

retteten die Inselbewohner, indem sie<br />

mit ihren Jungen z<strong>um</strong> Katzens<strong>ch</strong>rein auf<br />

dem hö<strong>ch</strong>sten Punkt der Insel rannten.<br />

Da merkten die Mens<strong>ch</strong>en, dass etwas im<br />

Argen liegt, und folgten den Tieren z<strong>um</strong><br />

Glück. In Japan herrs<strong>ch</strong>t sowieso eine<br />

«Neko-Mania», eine Katzenbegeisterung.<br />

au<strong>ch</strong> unverhohlen ein. Allerdings ist die<br />

Lebenserwartung in Japan sehr ho<strong>ch</strong>,<br />

sodass die ganz Alten den jüngeren Alten<br />

damit au<strong>ch</strong> gehörig auf die Nerven gehen<br />

können.<br />

Sowohl Tante Azai <strong>als</strong> au<strong>ch</strong> Mia entstammen<br />

einer Familie von Ninja. Wie<br />

kamen Sie auf diese Idee?<br />

Weil wir zwei Frauen in unserem Bekanntenkreis<br />

haben, die aus sol<strong>ch</strong>en Familien<br />

stammen. Eine ist wie Mia Ar<strong>ch</strong>itektin, die<br />

andere betreibt eine Sake-Brauerei.<br />

Allerdings stellen Sie die «Windmens<strong>ch</strong>en»,<br />

wie die Ninja au<strong>ch</strong> genannt werden,<br />

ni<strong>ch</strong>t <strong>als</strong> hinterhältige, Wurfsterne<br />

s<strong>ch</strong>leudernde S<strong>ch</strong>attenkrieger dar ...<br />

Das waren sie s<strong>ch</strong>on au<strong>ch</strong>. Ninja wurden<br />

häufig von Shogunen und Samurai dafür<br />

eingesetzt, ihnen den Weg <strong>zu</strong> ebnen, und<br />

sie arbeiteten au<strong>ch</strong> <strong>als</strong> Spione. Aber sie<br />

waren eben au<strong>ch</strong> hervorragende Ar<strong>ch</strong>itekten,<br />

Ärzte, Planer und Apotheker – diese<br />

Traditionen leben bei ihren Na<strong>ch</strong>kommen<br />

fort. Ninja waren in der Regel überdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong><br />

intelligente Mens<strong>ch</strong>en, was<br />

dam<strong>als</strong> eine Frage des Überlebens war.<br />

Uns Europäer fasziniert Japan au<strong>ch</strong><br />

deswegen, weil es uns wie eine unmögli-<br />

<strong>ch</strong>e Mis<strong>ch</strong>ung aus Zukunftsgläubigkeit,<br />

Konzentration auf den Moment und<br />

Verwurzelung in der Vergangenheit vorkommt.<br />

Diese «Dreifaltigkeit» kommt<br />

in «To<strong>ch</strong>ter des Windes» immer wieder<br />

z<strong>um</strong> Ausdruck.<br />

Sie ist au<strong>ch</strong> Teil des japanis<strong>ch</strong>en Alltags.<br />

Ein Beispiel: Ein junger Mann kann <strong>zu</strong><br />

einem S<strong>ch</strong>rein gehen und ganz profan<br />

dar<strong>um</strong> bitten, dass er sein Examen<br />

besteht. Damit beleidigt man die Götter<br />

ni<strong>ch</strong>t, denn sie sind ja dafür da, uns <strong>zu</strong><br />

helfen. Im Gegen<strong>zu</strong>g dafür ma<strong>ch</strong>t man die<br />

Götter glückli<strong>ch</strong>, indem man ihnen zeigt,<br />

wie s<strong>ch</strong>ön und perfekt sie die Mens<strong>ch</strong>en<br />

ges<strong>ch</strong>affen haben, wenn man ausgelassen<br />

feiert oder seiner Freude freien Lauf<br />

lässt. Si<strong>ch</strong> vor den Göttern in den Staub <strong>zu</strong><br />

werfen, kommt gar ni<strong>ch</strong>t in Frage! Etwas<br />

ernster wird es bei der Ahnenverehrung,<br />

denn die Ahnen lösen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong><br />

in Luft auf, sondern sind allgegenwärtig,<br />

leben in ihren Na<strong>ch</strong>kommen weiter.<br />

... und melden si<strong>ch</strong> man<strong>ch</strong>mal in der<br />

Gegenwart – wie Yodo-dono, die Ahnin<br />

von Mia und Tante Azai ...<br />

Man s<strong>ch</strong>reibt Frauen besondere Kräfte<br />

<strong>zu</strong>, die es ihnen erlauben, positiv in<br />

die Gegenwart ein<strong>zu</strong>greifen. Yodo-dono<br />

ers<strong>ch</strong>eint daher jeweils warnend, wenn<br />

Sie haben ja selbst au<strong>ch</strong> eine Katze!<br />

Sie heisst Ninja und ist unsere Maneki-<br />

Neko – unsere Glückskatze.<br />

In diesem dramatis<strong>ch</strong>en Höhepunkt des<br />

Bu<strong>ch</strong>s zeigen Sie au<strong>ch</strong> wieder einige<br />

typis<strong>ch</strong> japanis<strong>ch</strong>e Eigens<strong>ch</strong>aften.<br />

Ja, die enorme Fähigkeit der Japaner <strong>zu</strong>r<br />

Resilienz, ihren Fatalismus und wieder<strong>um</strong><br />

die Wi<strong>ch</strong>tigkeit der Älteren. Na<strong>ch</strong> der Katastrophe<br />

wussten die Älteren – wie z<strong>um</strong><br />

Beispiel Mias Onkel Matsuo –, was <strong>zu</strong> tun<br />

ist. Sie bra<strong>ch</strong>ten die Jungen da<strong>zu</strong> an<strong>zu</strong>packen,<br />

s<strong>ch</strong>ützten sie aber glei<strong>ch</strong>zeitig vor<br />

dem S<strong>ch</strong>limmsten. Das zeigt die Szene, in<br />

der die älteren Inselbewohner die Jungen<br />

daran hindern, ihnen beim Bergen der<br />

Lei<strong>ch</strong>en <strong>zu</strong> helfen. Dass es <strong>zu</strong> sol<strong>ch</strong>en<br />

Katastrophen kommen kann, nimmt man<br />

hin. Japan ist eben anfällig für Erdbeben,<br />

damit lebt man. Es ist zwar entsetzli<strong>ch</strong>,<br />

aber ni<strong>ch</strong>t <strong>zu</strong> ändern.<br />

War Fukushima für Sie der Auslöser,<br />

«To<strong>ch</strong>ter des Windes» <strong>zu</strong> s<strong>ch</strong>reiben?<br />

Nein, au<strong>ch</strong> wenn mein Mann und i<strong>ch</strong> zwei<br />

Wo<strong>ch</strong>en vor dem Ereignis in der Region<br />

waren und wir viele Betroffene kennen.<br />

Mein Mann gab mir vor etwa drei Jahren<br />

den Anstoss für das Bu<strong>ch</strong>, <strong>als</strong> er mir sagte,<br />

dass der Genbaku-Dom – heute eine<br />

Gedenkstätte für den amerikanis<strong>ch</strong>en


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Interview | 13<br />

Atombombenangriff – vom ts<strong>ch</strong>e<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en<br />

Ar<strong>ch</strong>itekten Jan Letzel erbaut wurde. Das<br />

fand i<strong>ch</strong> so interessant, dass mein Mann<br />

und i<strong>ch</strong> z<strong>um</strong> Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>ieren na<strong>ch</strong> Prag<br />

fuhren und dort feststellten, dass Letzel<br />

in seiner Heimat gar ni<strong>ch</strong>t bekannt ist.<br />

Daraus entstand s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> das Bu<strong>ch</strong>.<br />

Trotz allem Positiven, über das wir<br />

bisher gespro<strong>ch</strong>en haben, üben Sie in<br />

«To<strong>ch</strong>ter des Windes» au<strong>ch</strong> Kritik an<br />

der japanis<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aft.<br />

Natürli<strong>ch</strong>, das muss au<strong>ch</strong> so sein. Japan<br />

ist keine perfekte Gesells<strong>ch</strong>aft. Vor allem<br />

die Te<strong>ch</strong>nokraten und Politiker stehen bei<br />

der Bevölkerung alles andere <strong>als</strong> ho<strong>ch</strong> im<br />

Kurs. Das bekommt man <strong>als</strong> Aussenstehender<br />

jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mit, da es den Japanern<br />

ni<strong>ch</strong>t liegt, mit Plakaten und Parolen<br />

auf die Strasse <strong>zu</strong> gehen und ihrem Ärger<br />

Luft <strong>zu</strong> ma<strong>ch</strong>en. Szenen, wie sie si<strong>ch</strong> in<br />

Grie<strong>ch</strong>enland und in der Türkei abgespielt<br />

haben, sind in Japan undenkbar.<br />

Au<strong>ch</strong> den Te<strong>ch</strong>nikglauben beurteilen Sie<br />

kritis<strong>ch</strong> ...<br />

Ebenso wie die Japaner na<strong>ch</strong> Fukushima,<br />

<strong>als</strong> klar wurde, dass Te<strong>ch</strong>nik eben ni<strong>ch</strong>t<br />

nur Gutes bringt und dass man re<strong>ch</strong>t hilflos<br />

sein kann, wenn die Te<strong>ch</strong>nik im ents<strong>ch</strong>eidenden<br />

Moment ni<strong>ch</strong>t mehr funktioniert.<br />

Das merken au<strong>ch</strong> Rainer und Mia, <strong>als</strong> sie<br />

na<strong>ch</strong> dem Beben auf der Insel festsitzen<br />

und alle Hände voll damit <strong>zu</strong> tun haben,<br />

einen Tag na<strong>ch</strong> dem anderen <strong>zu</strong> überleben.<br />

Also glauben Sie, dass die Natur am<br />

Ende – Te<strong>ch</strong>nik hin oder her – das letzte<br />

Wort haben wird?<br />

Aber natürli<strong>ch</strong>! Wobei i<strong>ch</strong> sowieso ziemli<strong>ch</strong><br />

überzeugt bin, dass der Mens<strong>ch</strong> es<br />

irgendwann s<strong>ch</strong>affen wird, si<strong>ch</strong> selbst<br />

<strong>zu</strong> zerstören, ohne dass die Natur dabei<br />

na<strong>ch</strong>helfen muss.<br />

Steht für diese Überma<strong>ch</strong>t der Natur in<br />

gewissem Sinn das intelligente Haus,<br />

in dem Mia wohnt und das na<strong>ch</strong> dem<br />

Beben eigentli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t viel mehr<br />

<strong>als</strong> eine Wohnhöhle ist?<br />

Genau – und das Haus funktioniert ja<br />

allein deshalb ni<strong>ch</strong>t mehr, weil es keinen<br />

Strom mehr gibt. Die Szenen, die i<strong>ch</strong><br />

bes<strong>ch</strong>reibe, sind wirkli<strong>ch</strong> passiert: Na<strong>ch</strong><br />

dem Beben in Tokyo funktionierte bei<br />

all den s<strong>ch</strong>önen, teuren, intelligenten<br />

Häusern ohne Strom ni<strong>ch</strong>ts mehr. Also<br />

mussten die Mens<strong>ch</strong>en mit ihren Einkäufen<br />

30 oder mehr Stockwerke <strong>zu</strong> Fuss<br />

ho<strong>ch</strong>gehen, nur <strong>um</strong> dann glei<strong>ch</strong> wieder<br />

mit gefüllten Na<strong>ch</strong>ttöpfen na<strong>ch</strong> unten <strong>zu</strong><br />

mars<strong>ch</strong>ieren.<br />

Szenen, die einen s<strong>ch</strong>munzeln lassen,<br />

au<strong>ch</strong> wenn sie im Grunde tragis<strong>ch</strong> sind ...<br />

So ist do<strong>ch</strong> das Leben. Tragik und Komik<br />

liegen man<strong>ch</strong>mal so di<strong>ch</strong>t beieinander!<br />

Genau das habe i<strong>ch</strong> in «To<strong>ch</strong>ter des Windes»<br />

dar<strong>zu</strong>stellen versu<strong>ch</strong>t.<br />

«To<strong>ch</strong>ter des Windes» ist – au<strong>ch</strong> wenn<br />

der Titel viellei<strong>ch</strong>t anderes vermuten<br />

lässt – ein Bu<strong>ch</strong> für Erwa<strong>ch</strong>sene. Ist das<br />

s<strong>ch</strong>wieriger <strong>zu</strong> s<strong>ch</strong>reiben <strong>als</strong> ein Bu<strong>ch</strong><br />

für Jugendli<strong>ch</strong>e?<br />

Es stimmt, der Titel ist etwas unglückli<strong>ch</strong><br />

und deutet auf Mäd<strong>ch</strong>enliteratur hin.<br />

Aber auf den Titel kann man <strong>als</strong> Autorin<br />

ni<strong>ch</strong>t immer Einfluss nehmen. Do<strong>ch</strong> <strong>um</strong><br />

die Frage <strong>zu</strong> beantworten: Erwa<strong>ch</strong>senenges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />

sind wesentli<strong>ch</strong> einfa<strong>ch</strong>er<br />

<strong>zu</strong> s<strong>ch</strong>reiben. Das liegt z<strong>um</strong> einen<br />

daran, dass i<strong>ch</strong> für Erwa<strong>ch</strong>sene einfa<strong>ch</strong><br />

drauflos s<strong>ch</strong>reiben kann in der Annahme,<br />

dass die Lesenden es dann s<strong>ch</strong>on<br />

verstehen werden. Für Jugendli<strong>ch</strong>e muss<br />

i<strong>ch</strong> meine Spra<strong>ch</strong>e anpassen, sie bis<br />

<strong>zu</strong> einem gewissen Grad vereinfa<strong>ch</strong>en.<br />

Au<strong>ch</strong> die Themensu<strong>ch</strong>e gestaltet si<strong>ch</strong> für<br />

Jugendli<strong>ch</strong>e s<strong>ch</strong>wieriger. Man kann nur<br />

Themen behandeln, wel<strong>ch</strong>e die Jugendli<strong>ch</strong>en<br />

bes<strong>ch</strong>äftigen, und muss glei<strong>ch</strong>zeitig<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten finden, die aus dem Leben<br />

gegriffen sind.<br />

Im Bu<strong>ch</strong> fragt si<strong>ch</strong> Rainer, wie und in<br />

wel<strong>ch</strong>er Umgebung Autoren überhaupt<br />

s<strong>ch</strong>reiben. Wie s<strong>ch</strong>reiben Sie denn?<br />

I<strong>ch</strong> brau<strong>ch</strong>e Kaffee, s<strong>ch</strong>warze S<strong>ch</strong>okolade<br />

und einen Computer. Da<strong>zu</strong> kommen ein<br />

solider Lebenswandel und ein Mass an<br />

Selbstdisziplin, das i<strong>ch</strong> von meiner Mutter<br />

vermittelt bekam. Das ist im Grund s<strong>ch</strong>on<br />

alles!<br />

To<strong>ch</strong>ter des Windes<br />

445 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Blanvalet<br />

Weiter<strong>lesen</strong>: Ausgewählte<br />

Bü<strong>ch</strong>er von<br />

Federica de Cesco<br />

Kinder- und Jugendbü<strong>ch</strong>er<br />

Der rote Seidens<strong>ch</strong>al<br />

(1957)<br />

200 Seiten<br />

CHF 11.90<br />

Arena<br />

Das Bu<strong>ch</strong>, mit dem für Federica de Cesco<br />

die Laufbahn <strong>als</strong> S<strong>ch</strong>riftstellerin begann: Ein<br />

im Zug liegen gelassener Seidens<strong>ch</strong>al bietet<br />

Ann Morrison Gelegenheit, aus ihrem alten<br />

Leben aus<strong>zu</strong>bre<strong>ch</strong>en und Neues <strong>zu</strong> erleben.<br />

Shana, das Wolfsmäd<strong>ch</strong>en<br />

(2000)<br />

248 Seiten<br />

CHF 15.90<br />

Arena<br />

Die bewegende Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te eines jungen<br />

Indianermäd<strong>ch</strong>ens und deren aussergewöhnli<strong>ch</strong>e<br />

Freunds<strong>ch</strong>aft <strong>zu</strong> einer Wölfin.<br />

Die goldene Kriegerin<br />

(2009)<br />

377 Seiten<br />

CHF 14.90<br />

Blanvalet<br />

Die junge Tomoe ist eine Samurai, die si<strong>ch</strong><br />

beim Versu<strong>ch</strong>, den Respekt des Feldherrn<br />

Yoshinaka <strong>zu</strong> erringen, in ihn verliebt. Dieser<br />

begehrt allerdings Tomoes S<strong>ch</strong>wester.<br />

Erwa<strong>ch</strong>senenliteratur<br />

Silbermus<strong>ch</strong>el (1994)<br />

764 Seiten<br />

CHF 11.90<br />

Blanvalet<br />

Im fernen Japan entflieht Julie ni<strong>ch</strong>t nur<br />

ihrer unglückli<strong>ch</strong>en Ehe – sie verliebt si<strong>ch</strong><br />

au<strong>ch</strong> in einen japanis<strong>ch</strong>en Trommler und<br />

entfa<strong>ch</strong>t das Feuer der Leidens<strong>ch</strong>aft neu.<br />

Federica de Cescos Debüt <strong>als</strong> Autorin für<br />

Erwa<strong>ch</strong>sene.<br />

Die Augen des<br />

S<strong>ch</strong>metterlings (2005)<br />

509 Seiten<br />

CHF 14.90<br />

Blanvalet<br />

Die Finnin Agneta Pacius wird unvermittelt<br />

<strong>zu</strong>r Kämpferin im Rei<strong>ch</strong> der Ahnen, <strong>als</strong><br />

sie mit der magis<strong>ch</strong>en Weisheit des Sami-<br />

Volkes gegen böse japanis<strong>ch</strong>e Na<strong>ch</strong>tgeister<br />

angeht.<br />

Mondtänzerin (2011)<br />

541 Seiten<br />

CHF 13.90<br />

Blanvalet<br />

Vier maltesis<strong>ch</strong>e Freunde s<strong>ch</strong>wören einander<br />

ewige Treue, do<strong>ch</strong> das Leben zerstreut<br />

sie in alle Winde. Als sie Jahre später wieder<br />

aufeinander treffen, ist einiges glei<strong>ch</strong>,<br />

aber au<strong>ch</strong> vieles anders.


14 | Graphic Novels <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

Kein Kinderzeugs<br />

Beim S<strong>ch</strong>lendern dur<strong>ch</strong> eine Filiale von Orell Füssli fällt auf: Graphic Novels haben si<strong>ch</strong> aus dem<br />

Comicständer verabs<strong>ch</strong>iedet und tau<strong>ch</strong>en mittlerweile überall auf – bei der Belletristik ebenso<br />

wie bei den Biografien und Sa<strong>ch</strong>bü<strong>ch</strong>ern. Mit den klassis<strong>ch</strong>en Superhelden- oder Entencomics<br />

haben die Bildges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten ka<strong>um</strong> no<strong>ch</strong> etwas <strong>zu</strong> tun.<br />

Marius Leutenegger<br />

Kein vernünftiger Mens<strong>ch</strong> würde heute<br />

no<strong>ch</strong> unters<strong>ch</strong>reiben, was einst unsere<br />

Grosseltern behaupteten: dass Comics per<br />

se S<strong>ch</strong>und seien. Carl Barks, der Erfinder<br />

von Dagobert Duck und S<strong>ch</strong>öpfer vieler<br />

hundert erstklassiger Donald-Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten,<br />

ist s<strong>ch</strong>on seit Jahren eine regelre<strong>ch</strong>te Kultfigur.<br />

Über das Werk von Charles M. S<strong>ch</strong>ulz,<br />

den Vater der Peanuts, werden mittlerweile<br />

Doktorarbeiten ges<strong>ch</strong>rieben. Und Hergé,<br />

dessen Tim-und-Struppi-Bü<strong>ch</strong>er ganze Generationen<br />

von Leserinnen und Lesern –<br />

und erst re<strong>ch</strong>t von Zei<strong>ch</strong>nern – prägten,<br />

wurde im Pariser Centre Georges Pompidou<br />

mit einer grossen Ausstellung gewürdigt.<br />

Neues Image dank neuem Namen<br />

Trotzdem: So ri<strong>ch</strong>tig den Kinders<strong>ch</strong>uhen<br />

entwa<strong>ch</strong>sen sind Comics wohl immer no<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t. Sie gelten weiterhin eher <strong>als</strong> Freizeitunterhaltung<br />

für Halbwü<strong>ch</strong>sige denn<br />

<strong>als</strong> ernst<strong>zu</strong>nehmende literaris<strong>ch</strong>e Gattung,<br />

die au<strong>ch</strong> Erwa<strong>ch</strong>sene begeistern kann –<br />

z<strong>um</strong>indest in unserem Kulturkreis. Wer<br />

si<strong>ch</strong> mit Bilderges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten auskennt, weiss<br />

zwar, wie wenig dieser Ruf der Comics gere<strong>ch</strong>tfertigt<br />

ist: Es gibt s<strong>ch</strong>on seit eh und je<br />

herausragende Werke, die au<strong>ch</strong> hohen Ansprü<strong>ch</strong>en<br />

genügen. Do<strong>ch</strong> weil si<strong>ch</strong> das Vorurteil,<br />

Comics seien Kinderkram, so hartnäckig<br />

hält, wollten si<strong>ch</strong> man<strong>ch</strong>e Verleger<br />

und Zei<strong>ch</strong>ner von Superman & Co. abgrenzen.<br />

Sie kreierten deshalb vor einigen<br />

Jahrzehnten einen neuen Begriff für eine<br />

Untergattung des Medi<strong>um</strong>s: «Graphic Novel».<br />

Damit werden gezei<strong>ch</strong>nete, erzähleris<strong>ch</strong><br />

komplexe Romane für ein erwa<strong>ch</strong>senes<br />

Publik<strong>um</strong> bezei<strong>ch</strong>net. Jede Graphic<br />

Novel ist ein Comic, aber ni<strong>ch</strong>t jeder Comic<br />

ist eine Graphic Novel.<br />

Wurzeln in den 1920er-Jahren<br />

Die Grenzen der Gattung sind allerdings<br />

uns<strong>ch</strong>arf – <strong>um</strong> so mehr, seit die Graphic<br />

Novels kommerziell erfolgrei<strong>ch</strong> sind und<br />

viele auf diesen Zug aufspringen wollen.<br />

Die Uns<strong>ch</strong>ärfe ma<strong>ch</strong>t es au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong>,<br />

eine Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der Graphic Novels <strong>zu</strong><br />

skizzieren. Zu den Vätern der Gattung gehört<br />

si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> der belgis<strong>ch</strong>e Grafiker<br />

Frans Masereel, der in den 1920-Jahren<br />

Zyklen von Holzs<strong>ch</strong>nitten veröffentli<strong>ch</strong>te.<br />

Seine Arbeiten inspirierten den US-Amerikaner<br />

Lynd Ward in den 1930er-Jahren,<br />

ebenfalls Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten mit Holzs<strong>ch</strong>nitten<br />

und ohne Worte <strong>zu</strong> erzählen. Wards se<strong>ch</strong>s<br />

Bü<strong>ch</strong>er mit Holzs<strong>ch</strong>nitten zwis<strong>ch</strong>en Expressionismus<br />

und Jugendstil kommen<br />

s<strong>ch</strong>on sehr nah an die modernen Graphic<br />

Novels heran. Gemeinhin gilt aber das<br />

Bu<strong>ch</strong> «Ein Vertrag mit Gott» <strong>als</strong> erstes


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Graphic Novels | 15<br />

Werk der Gattung. Es ers<strong>ch</strong>ien 1978 und<br />

stammt von Will Eisner. Der 1917 geborene<br />

US-Amerikaner verwendete auf dem<br />

Cover von «Ein Vertrag mit Gott» erstm<strong>als</strong><br />

den Begriff «Graphic Novel», <strong>um</strong> si<strong>ch</strong> von<br />

den Comics ab<strong>zu</strong>grenzen. Er war allerdings<br />

kein Comic-Verä<strong>ch</strong>ter, denn von ihm<br />

stammte au<strong>ch</strong> die Detektiv-Serie «The Spirit»<br />

– ein Comic-Klassiker, der von 1940 bis<br />

1952 in Zeitungen ers<strong>ch</strong>ien. Do<strong>ch</strong> bereits<br />

«The Spirit» hob si<strong>ch</strong> inhaltli<strong>ch</strong>, erzähleris<strong>ch</strong><br />

und grafis<strong>ch</strong> von den übli<strong>ch</strong>en Tierfiguren-<br />

und Muskelprotz-Bildges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />

jener Zeit ab. Eisner arbeitete mit ungewöhnli<strong>ch</strong>en<br />

Perspektiven und Blickwinkeln,<br />

beri<strong>ch</strong>tete vom Innenleben seiner Figuren<br />

und thematisierte den Alltag in der<br />

Grossstadt.<br />

Formale Freiheiten<br />

In «Ein Vertrag mit Gott» erzählt Eisner<br />

vier Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten aus einer Mietskaserne in<br />

New York. Die Figuren sind zwar lei<strong>ch</strong>t karikierend<br />

gezei<strong>ch</strong>net, ihre Erlebnisse spielen<br />

si<strong>ch</strong> aber in einem glaubwürdigen Alltag<br />

ab. «Jede dieser Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten wurde<br />

ohne Rücksi<strong>ch</strong>t darauf ges<strong>ch</strong>rieben, wie<br />

viel Platz sie brau<strong>ch</strong>t, und jede konnte ihre<br />

Gestalt aus si<strong>ch</strong> selbst entwickeln», hielt<br />

Eisner im Vorwort des Bu<strong>ch</strong>s fest. Diese<br />

Abkehr von den Comic-Regeln prägt die<br />

meisten Graphic Novels. Während jeder<br />

Asterix- oder Lucky-Luke Band genau<br />

glei<strong>ch</strong> lang ist – nämli<strong>ch</strong> 48 Seiten –, sind<br />

Graphic Novels so <strong>um</strong>fangrei<strong>ch</strong>, wie sie<br />

aufgrund der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te sein müssen; für<br />

sie gibt es so wenig eine Standardlänge wie<br />

für einen ges<strong>ch</strong>riebenen Roman. Und während<br />

bei Comics die Seiten z<strong>um</strong>eist in klassis<strong>ch</strong>e<br />

Panels eingeteilt sind, <strong>als</strong>o in re<strong>ch</strong>teckige<br />

Bilder, kennen die Graphic Novels<br />

au<strong>ch</strong> diesbezügli<strong>ch</strong> keine Standards. In<br />

«Ein Vertrag mit Gott» gibt es oft überhaupt<br />

keine Bilderrahmen, man<strong>ch</strong>e Seiten<br />

zeigen nur eine einzige Situation, andere<br />

geben Abläufe so<strong>zu</strong>sagen im Zeitraffer mit<br />

vielen kleinen Bildern wieder. Die Form<br />

folgt ganz dem Inhalt.<br />

Die Autoren stehen im Vordergrund<br />

Als Eisner 1978 «Ein Vertrag mit Gott» veröffentli<strong>ch</strong>te,<br />

war die Zeit für diese neue<br />

Form der Comics offenbar reif – denn nur<br />

drei Jahre später wurde in Züri<strong>ch</strong> der<br />

wi<strong>ch</strong>tigste S<strong>ch</strong>weizer Verlag für Graphic<br />

Novels gegründet: die Edition Moderne.<br />

Drei ho<strong>ch</strong>karätige Graphic Novels. Links: «Jimmy<br />

Corrigan – der klügste Junge der Welt» von Chris<br />

Ware. Mitte: «Persepolis» von Marjane Satrapi.<br />

Re<strong>ch</strong>ts: «Tod eines Bankiers» von Matthias<br />

Gnehm.<br />

Ihr grösster Erfolg sind zwar klassis<strong>ch</strong>e<br />

Comics, nämli<strong>ch</strong> die Bände «Züri<strong>ch</strong> by<br />

Mike» des 2009 verstorbenen Mike van<br />

Audenhove. Daneben publiziert die Edition<br />

Moderne aber vor allem Graphic Novels<br />

einer s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en und internationalen<br />

Autorens<strong>ch</strong>aft; <strong>zu</strong> ihren bekanntesten<br />

Künstlern gehören Matthias Gnehm, Jacques<br />

Tardi oder Marjane Satrapi. David<br />

Basler war Mitbegründer der Edition Moderne,<br />

inzwis<strong>ch</strong>en gehört ihm der Verlag.<br />

«Bei Graphic Novels gefällt mir vor allem,<br />

dass sie eine zweite Si<strong>ch</strong>tweise eröffnen»,<br />

meint der 59-Jährige. «Bei einem literaris<strong>ch</strong>en<br />

Roman muss i<strong>ch</strong> mir die Bilder im<br />

Kopf <strong>zu</strong>sammenbauen, bei einer Graphic<br />

Novel bekomme i<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> die Zei<strong>ch</strong>nungen


16 | Graphic Novels <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

Empfehlenswerte Neuers<strong>ch</strong>einungen. Links: «Reportagen» von<br />

Joe Sacco. Re<strong>ch</strong>ts: «Bleierne Hitze» von Baru.<br />

eine zweite Dimension geliefert – und dadur<strong>ch</strong><br />

entsteht eine ganz besondere Atmosphäre.»<br />

Als Fan der ersten Stunde kann<br />

David Basler genau sagen, was eine Graphic<br />

Novel auszei<strong>ch</strong>net: «Anders <strong>als</strong> bei<br />

Comicserien wie Lucky Luke oder Micky<br />

Maus, die oft von vers<strong>ch</strong>iedenen Zei<strong>ch</strong>nern<br />

und Autoren oder gar ganzen Studios produziert<br />

werden, stehen bei Graphic Novels<br />

die Autoren und deren persönli<strong>ch</strong>er Stil im<br />

Vordergrund. Eine Graphic Novel erzählt<br />

in der Regel eine abges<strong>ch</strong>lossene Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te,<br />

sie ist oft kleinformatig und eher dick –<br />

ab 80 Seiten aufwärts.» Vor allem aber<br />

ri<strong>ch</strong>te si<strong>ch</strong> eine Graphic Novel an ein Publik<strong>um</strong><br />

ab mindestens 16, 17 Jahren – und<br />

sie behandle andere Stoffe <strong>als</strong> ein Comic.<br />

«Graphic Novels verkaufen si<strong>ch</strong> übers Thema»,<br />

sagt der Verleger. So seien z<strong>um</strong> Beispiel<br />

die gezei<strong>ch</strong>neten Reportagen von Joe<br />

Sacco, die in der Edition Moderne ers<strong>ch</strong>einen,<br />

ein Dauerbrenner – denn sie bes<strong>ch</strong>äftigen<br />

si<strong>ch</strong> unter anderem mit Palästina und<br />

interessieren daher viele Leute.<br />

Holocaust <strong>als</strong> Fabel – das funktioniert!<br />

Generell zählen historis<strong>ch</strong>e Themen <strong>zu</strong><br />

den wi<strong>ch</strong>tigsten Stoffen von Graphic Novels.<br />

Au<strong>ch</strong> das international wohl bekannteste<br />

Werk der Gattung bereitet ein tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es<br />

Ges<strong>ch</strong>ehen auf: In «Maus – die<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te eines Überlebenden» erzählt<br />

der New Yorker Autor Art Spiegelman die<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te seiner jüdis<strong>ch</strong>en Familie im<br />

Holocaust. Er nutzt da<strong>zu</strong> die Form der Fabel:<br />

Die Juden sind Mäuse, die Nazis Katzen,<br />

die Polen S<strong>ch</strong>weine. Für den aufwühlenden,<br />

erzähleris<strong>ch</strong> perfekt gebauten und<br />

zei<strong>ch</strong>neris<strong>ch</strong> aufs Minim<strong>um</strong> reduzierten<br />

Roman erhielt Spiegelman 1992 den Pulitzerpreis,<br />

die wi<strong>ch</strong>tigste Literaturauszei<strong>ch</strong>nung<br />

der USA. Spiegelman hat wohl mehr<br />

<strong>als</strong> jeder andere <strong>zu</strong>r breiten Akzeptanz der<br />

Graphic Novels beigetragen – indem er<br />

zeigte, dass es nun wirkli<strong>ch</strong> kein Thema<br />

gibt, dass si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t auf künstleris<strong>ch</strong> ho<strong>ch</strong>wertige<br />

Weise mit Zei<strong>ch</strong>nungen und<br />

Spre<strong>ch</strong>blasen <strong>um</strong>setzen lässt. Dur<strong>ch</strong> die<br />

Tür, die Spiegelman weit aufstiess, sind<br />

seither viele Künstler gegangen. Und viele<br />

Künstlerinnen: Während der klassis<strong>ch</strong>e<br />

Comic vorwiegend eine Männerangelegenheit<br />

war, gibt es au<strong>ch</strong> zahlrei<strong>ch</strong>e erfolgrei<strong>ch</strong>e<br />

Graphic-Novel-Autorinnen. Eine davon<br />

ist Marjane Satrapi. In «Persepolis»<br />

behandelt sie ihre Kindheit und Jugend im<br />

Iran; das Bu<strong>ch</strong> ist der Bestseller unter den<br />

Graphic Novels, die bislang bei der Edition<br />

Moderne ers<strong>ch</strong>ienen sind.<br />

Trotz Erfolg ein Randprodukt<br />

Dass «Persepolis» seinen Sieges<strong>zu</strong>g von<br />

Frankrei<strong>ch</strong> aus antrat, hat ni<strong>ch</strong>t nur damit<br />

<strong>zu</strong> tun, dass Marjane Satrapi in Paris lebt.<br />

Die Heimat von Asterix und Spirou ist seit<br />

jeher ein guter Nährboden für Bildges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten.<br />

David Basler: «In Frankrei<strong>ch</strong> haben<br />

Comics nie einfa<strong>ch</strong> <strong>als</strong> Kinderzeugs gegolten,<br />

es gibt dort eine ganz andere Tradition.»<br />

Als in Frankrei<strong>ch</strong> kürzli<strong>ch</strong> die neue<br />

Graphic Novel von Jacques Tardi ers<strong>ch</strong>ien –<br />

«Stalag» –, war die Startauflage von 60'000<br />

Stück innerhalb einer Wo<strong>ch</strong>e ausverkauft.<br />

Auf Deuts<strong>ch</strong> verlegt die Edition Moderne<br />

die Werke von Tardi – und David Basler ist<br />

froh, wenn er von den deuts<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen<br />

Bü<strong>ch</strong>ern jeweils eine Auflage von 3000<br />

Stück absetzen kann. «Trotz aller Erfolgs-


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Graphic Novels | 17<br />

meldungen muss man festhalten, dass<br />

Graphic Novels bei uns na<strong>ch</strong> wie vor ein<br />

Randprodukt sind», sagt der Verleger. «Die<br />

erfolgrei<strong>ch</strong>sten davon verkaufen si<strong>ch</strong> auf<br />

Deuts<strong>ch</strong> viellei<strong>ch</strong>t 20'000 Mal.» Do<strong>ch</strong> die<br />

Gesamtauflage von Graphic Novels steigt<br />

unentwegt. Längst sind es ni<strong>ch</strong>t mehr nur<br />

Kleinverlage, die auf dieses Medi<strong>um</strong> setzen<br />

– au<strong>ch</strong> Suhrkamp oder Knesebeck und<br />

Carlsen publizieren Graphic Novels. «Die<br />

«S<strong>ch</strong>weizer<br />

Graphic Novels<br />

können international<br />

mithalten.»<br />

Strategie, mit dem Begriff ‹Graphic Novel›<br />

diese Art von Bü<strong>ch</strong>ern aus den Kinderabteilungen<br />

und aus dem Comicständer heraus<strong>zu</strong>holen,<br />

ist auf jeden Fall aufgegangen»,<br />

meint David Basler überzeugt. Das<br />

Publik<strong>um</strong> reagiere heute ganz anders auf<br />

Graphic Novels <strong>als</strong> no<strong>ch</strong> vor einigen Jahren.<br />

«An Bu<strong>ch</strong>messen kam es früher oft<br />

vor, dass Leute ein Bu<strong>ch</strong> sofort weglegten,<br />

wenn sie sahen, dass es eine Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te in<br />

Bildern erzählt. Heute kommt es ka<strong>um</strong><br />

no<strong>ch</strong> vor, dass si<strong>ch</strong> jemand an der Form<br />

stört.»<br />

S<strong>ch</strong>weiz ein gutes Pflaster<br />

Das Interesse an Graphic Novels ist <strong>als</strong>o da –<br />

do<strong>ch</strong> die Produktion ist vorderhand no<strong>ch</strong> immer<br />

eher gering. David Basler s<strong>ch</strong>ätzt, dass<br />

pro Jahr ka<strong>um</strong> 500 neue Titel auf Deuts<strong>ch</strong><br />

ers<strong>ch</strong>einen. Der Aufwand, ein sol<strong>ch</strong>es Bu<strong>ch</strong><br />

<strong>zu</strong> zei<strong>ch</strong>nen, sei eben sehr gross –<br />

und nur wenige talentierte Künstlerinnen<br />

und Künstler würden wirkli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>halten.<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz ist aber ein re<strong>ch</strong>t gutes<br />

Pflaster für Kunsts<strong>ch</strong>affende. Anders <strong>als</strong><br />

z<strong>um</strong> Beispiel in Deuts<strong>ch</strong>land gibt es bei uns<br />

einigen Support für Graphic Novels. David<br />

Basler verweist auf Druck<strong>zu</strong>s<strong>ch</strong>üsse dur<strong>ch</strong><br />

die Stadt Züri<strong>ch</strong>, die Migros oder den Kanton<br />

Aargau. Sol<strong>ch</strong>e Unterstüt<strong>zu</strong>ng habe<br />

das Niveau zweifellos angehoben, sagt der<br />

Verleger. «S<strong>ch</strong>weizer Graphic Novels können<br />

international mithalten, was si<strong>ch</strong> allein<br />

s<strong>ch</strong>on in der Tatsa<strong>ch</strong>e zeigt, dass die<br />

Werke von Matthias Gnehm jetzt au<strong>ch</strong> in<br />

Frankrei<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>einen.» Also dort, wo<br />

Graphic Novels s<strong>ch</strong>on lange das sind, was<br />

sie bei uns allmähli<strong>ch</strong> werden: eine Selbstverständli<strong>ch</strong>keit.<br />

5 Klassiker,<br />

die alle haben sollten<br />

Ein Vertrag mit Gott<br />

Will Eisner<br />

508 Seiten<br />

CHF 53.00<br />

Carlsen<br />

Will Eisners «Miethausges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten»<br />

von 1978 gelten <strong>als</strong> erste<br />

Graphic Novel überhaupt – und<br />

sind in diesem Band mit zwei weiteren literaris<strong>ch</strong>en<br />

Bilderges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten des Pioniers vereint worden. Ein idealer<br />

Einstieg ins Graphic-Novel-Univers<strong>um</strong>!<br />

Maus<br />

Art Spiegelman<br />

293 Seiten<br />

CHF 24.90<br />

Fis<strong>ch</strong>er<br />

Das Unausspre<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Tieren in<br />

den Mund gelegt: Art Spiegelman<br />

erzählt die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te seines<br />

Vaters, der Aus<strong>ch</strong>witz überlebte, <strong>als</strong> Fabel. Dafür gewann<br />

er 1992 den Pulitzer-Preis – und damit ebnete er der<br />

Graphic Novel den Weg ins Feuilleton und <strong>zu</strong> einem<br />

erwa<strong>ch</strong>senen Publik<strong>um</strong>.<br />

Jimmy Corrigan – der<br />

klügste Junge der Welt<br />

Chris Ware<br />

384 Seiten<br />

CHF 55.00<br />

Reprodukt<br />

Chris Ware ist ein Meister der minutiösen Gestaltung: Er<br />

zieht auf Papier alle filmis<strong>ch</strong>en Register vom Zoom über<br />

die Totale bis z<strong>um</strong> Zeitraffer und konzipiert jede Seite <strong>als</strong><br />

Bild für si<strong>ch</strong>. Ein feiner Stil für eine feinsinnige Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

über einen linkis<strong>ch</strong>en Enddreissiger. Endli<strong>ch</strong> liegt dieses<br />

Meisterwerk au<strong>ch</strong> auf Deuts<strong>ch</strong> vor!<br />

Persepolis<br />

Marjane Satrapi<br />

356 Seiten<br />

CHF 39.90<br />

Edition Moderne<br />

Eine gerade<strong>zu</strong> prototypis<strong>ch</strong>e Graphic<br />

Novel: In holzs<strong>ch</strong>nittartigen<br />

Bildern beri<strong>ch</strong>tet Marjane Satrapi<br />

von ihrer Kindheit in Iran <strong>zu</strong>r Zeit der Revolution. Die<br />

Künstlerin hat das lei<strong>ch</strong>t <strong>zu</strong>gängli<strong>ch</strong>e Bu<strong>ch</strong>, das man ka<strong>um</strong><br />

no<strong>ch</strong> aus der Hand legen will, selber verfilmt.<br />

Stadt aus Glas<br />

Paul Auster und<br />

David Maz<strong>zu</strong>c<strong>ch</strong>elli<br />

135 Seiten<br />

CHF 23.90<br />

Reprodukt<br />

Viele Graphic Novels adaptieren<br />

literaris<strong>ch</strong>e Vorlagen. Ein geglücktes<br />

Beispiel dafür ist «Stadt aus Glas» – dem früheren<br />

Superhelden-Zei<strong>ch</strong>ner David Maz<strong>zu</strong>c<strong>ch</strong>elli gelang hier die<br />

kongeniale Umset<strong>zu</strong>ng eines Romans aus Paul Austers<br />

New-York-Trilogie.<br />

Herausragende<br />

Neuers<strong>ch</strong>einungen<br />

Reportagen<br />

Joe Sacco<br />

196 Seiten<br />

CHF 33.90<br />

Edition Moderne<br />

Joe Sacco bezei<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> <strong>als</strong> zei<strong>ch</strong>nenden<br />

Journalisten und gilt <strong>als</strong><br />

Erfinder der Comic-Reportage: Er<br />

verbindet tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e aktuelle Ereignisse mit subjektiven<br />

Eindrücken. Der neue Band vereint seine Doku-Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />

aus Den Haag, Palästina, Irak, Malta, Indien und dem<br />

Kaukasus.<br />

Marx<br />

Corinne Maier und Anne Simon<br />

64 Seiten<br />

CHF 31.90<br />

Knesebeck<br />

Biografien zählen <strong>zu</strong> den beliebtesten<br />

Stoffen von Graphic Novels.<br />

Eine geglückte Neuers<strong>ch</strong>einung in<br />

diesem Berei<strong>ch</strong> ist «Marx»: Die französis<strong>ch</strong>en Autorinnen<br />

bringen einem auf lei<strong>ch</strong>te Weise das Leben und die Überzeugungen<br />

des Philosophen näher.<br />

Huck Finn<br />

Olivia Vieweg<br />

141 Seiten<br />

CHF 31.90<br />

Suhrkamp<br />

Suhrkamp fährt vor allem mit<br />

Literatur-Adaptionen auf dem<br />

Graphic-Novel-Zug mit. Die junge<br />

Zei<strong>ch</strong>nerin Olivia Vieweg hat Mark Twains Klassiker<br />

na<strong>ch</strong> Ostdeuts<strong>ch</strong>land verlegt – und das funktioniert<br />

überras<strong>ch</strong>end gut.<br />

Bleierne Hitze<br />

Baru<br />

109 Seiten<br />

CHF 32.90<br />

Edition 52<br />

Der Franzose Baru gehört <strong>zu</strong> den<br />

wi<strong>ch</strong>tigsten europäis<strong>ch</strong>en Graphic-<br />

Novel-Autoren. Sein neuestes,<br />

s<strong>ch</strong>ön buntes Werk erzählt von einem Bauernbub, der<br />

von einer Karriere <strong>als</strong> Mafiaboss trä<strong>um</strong>t – und wegen<br />

eines geheimnisvollen Funds tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> auf die s<strong>ch</strong>iefe<br />

Bahn gerät.<br />

Game of Thrones 1.<br />

Das Lied von Eis und Feuer<br />

GEORGE R.R. MARTIN<br />

DANIEL ABRAHAM<br />

109 Seiten<br />

CHF 31.90<br />

Panini Manga und Comics<br />

Martins epis<strong>ch</strong>es Fantasy-Werk <strong>als</strong> Comic – geeignet au<strong>ch</strong><br />

für alle, die mit mögli<strong>ch</strong>st wenig Aufwand wissen wollen,<br />

war<strong>um</strong> «Game of Thrones» gegenwärtig derart abrä<strong>um</strong>t.


18 | Im S<strong>ch</strong>aufenster <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

Es kommt Dicker<br />

Der Genfer Autor Joël Dicker erzählt den Fall Harry Quebert –<br />

und dana<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> die Wahrheit über den Fall<br />

Harry Quebert. Der Krimi ist ein viels<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tiges, unterhaltendes<br />

Verwirrspiel.<br />

Benjamin Gygax<br />

Jeremy Spierer<br />

ren – Nolas Vater und Freundinnen, ihre<br />

Arbeitgeberin im lokalen Diner, die Polizeibeamten.<br />

Na<strong>ch</strong> und na<strong>ch</strong> erfahren wir mit<br />

Marcus Goldman, dass viele von ihnen etwas<br />

mehr wissen oder ein biss<strong>ch</strong>en stärker<br />

in die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te verwickelt sind, <strong>als</strong> es<br />

<strong>zu</strong>nä<strong>ch</strong>st den Ans<strong>ch</strong>ein ma<strong>ch</strong>t. Joël Dicker<br />

deckt seinen Plot S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t <strong>um</strong> S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t auf<br />

und vollzieht dabei mehr <strong>als</strong> einmal eine<br />

atemberaubende Kehrtwende, bis Marcus<br />

Goldmann si<strong>ch</strong> endli<strong>ch</strong> von seiner S<strong>ch</strong>reibblockade<br />

lösen und «Die Wahrheit über den<br />

Fall Harry Quebert» s<strong>ch</strong>reiben kann.<br />

Im kleinen S<strong>ch</strong>weizer Literaturzirkus sind<br />

Sensationen eher selten. 2012 gab es aber<br />

eine <strong>zu</strong> bestaunen: «La verité sur l’affaire<br />

Harry Quebert» des Genfers Joël Dicker.<br />

Der 700 Seiten starke Krimi wurde in der<br />

Romandie begeistert aufgenommen und in<br />

Frankrei<strong>ch</strong> mit Lob und Preisen überhäuft.<br />

Der erst 28-jährige Autor erhielt den<br />

Grand Prix du Roman der Académie Française<br />

<strong>zu</strong>gespro<strong>ch</strong>en und glei<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong><br />

den Prix Goncourt des Lycéens und den<br />

Prix littéraire de la Vocation. Die Ver leihung<br />

dieser renommierten Auszei<strong>ch</strong>nungen<br />

blieb ni<strong>ch</strong>t folgenlos: Joël Dickers Roman<br />

ging in Frankrei<strong>ch</strong> über 600'000-mal über<br />

die Verkaufstheke, die Überset<strong>zu</strong>ngsre<strong>ch</strong>te<br />

wurden in über 30 Spra<strong>ch</strong>en verkauft.<br />

Jetzt errei<strong>ch</strong>t die Sensation au<strong>ch</strong> die<br />

Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weiz: Piper hat die Überset<strong>zu</strong>ng<br />

«Die Wahrheit über den Fall Harry<br />

Quebert» herausgebra<strong>ch</strong>t.<br />

Asyl in Neuengland<br />

Womit hat der Autor sol<strong>ch</strong>e Begeisterungsstürme<br />

entfa<strong>ch</strong>t? Thema und Ort der<br />

Handlung erinnern ein wenig an die grossen<br />

amerikanis<strong>ch</strong>en Autoren Philip Roth<br />

oder Jonathan Franzen: Der junge S<strong>ch</strong>riftsteller<br />

Marcus Goldman brütet in New York<br />

über seinem zweiten Werk. «Zu Beginn des<br />

Jahres 2008, <strong>als</strong>o rund anderthalb Jahre<br />

na<strong>ch</strong>dem i<strong>ch</strong> dank meines ersten Romans<br />

z<strong>um</strong> neuen Häts<strong>ch</strong>elkind der amerikanis<strong>ch</strong>en<br />

Literaturszene geworden war, ereilte<br />

mi<strong>ch</strong> eine für<strong>ch</strong>terli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>affenskrise,<br />

ein Syndrom, das bei S<strong>ch</strong>riftstellern, die<br />

einen sofortigen, dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>lagenden Erfolg<br />

erlebt haben, offenbar ni<strong>ch</strong>t selten vorkommt»,<br />

beri<strong>ch</strong>tet der Protagonist. «Die<br />

Krankheit befiel mi<strong>ch</strong> allerdings ni<strong>ch</strong>t<br />

s<strong>ch</strong>lagartig, sondern nistete si<strong>ch</strong> ganz<br />

langsam ein. Es war, <strong>als</strong> würde mein Gehirn,<br />

einmal befallen, na<strong>ch</strong> und na<strong>ch</strong> einfrieren.»<br />

Jetzt sitzt Goldman sein Agent im<br />

Genick und sein Verleger wirft ihm an den<br />

Kopf: «Verstehst du was von Wirts<strong>ch</strong>aft,<br />

Marc? Bü<strong>ch</strong>er sind ein austaus<strong>ch</strong>bares<br />

Produkt geworden. Die Leute wollen ein<br />

Bu<strong>ch</strong>, das ihnen gefällt, sie ablenkt und<br />

unterhält. Und wenn du ihnen das ni<strong>ch</strong>t<br />

lieferst, tut es dein Na<strong>ch</strong>bar, und du bist<br />

abgemeldet.» In seiner Not besinnt si<strong>ch</strong><br />

Marcus Goldman auf Harry Quebert. Dieser<br />

war ni<strong>ch</strong>t nur sein College-Professor<br />

und Boxtrainer, sondern ist selber einer<br />

der angesehensten Autoren Amerikas und<br />

hatte Marcus <strong>als</strong> Mentor da<strong>zu</strong> gebra<strong>ch</strong>t,<br />

seinen Tra<strong>um</strong> vom S<strong>ch</strong>reiben mit Biss <strong>zu</strong><br />

verfolgen. Also fährt der Jungautor <strong>zu</strong> seinem<br />

Mentor in die vers<strong>ch</strong>lafene Küstenstadt<br />

Aurora in New Hampshire.<br />

«Joël Dicker deckt<br />

seinen Plot S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t<br />

<strong>um</strong> S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t auf<br />

und vollzieht dabei<br />

mehr <strong>als</strong> einmal<br />

eine atemberaubende<br />

Kehrtwende.»<br />

Eine verbotene Liebe und ihre Folgen<br />

Während si<strong>ch</strong> Marcus bei Harry in dessen<br />

Strandhaus ausweint, platzt die Bombe:<br />

Auf dem Anwesen wird die Lei<strong>ch</strong>e von Nola<br />

Kellergan gefunden. Sie vers<strong>ch</strong>wand 1975,<br />

erst 15-jährig. Seither liegt ein S<strong>ch</strong>atten<br />

über der bes<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>e Gemeinde. Und jetzt<br />

erfährt Marcus: Den Teenager und den arrivierten<br />

Autor in seinen Dreissigern verband<br />

eine innige Beziehung – und Harry<br />

Queberts gefeierter Roman «Der Ursprung<br />

des Übels» ist die literaris<strong>ch</strong>e Verarbeitung<br />

jener verbotenen Liebe. Quebert ist der<br />

Hauptverdä<strong>ch</strong>tige und wird in Haft genommen.<br />

Gegen jeden gutgemeinten Rat bleibt<br />

Marcus in Aurora und re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>iert auf eigene<br />

Faust, weil er ni<strong>ch</strong>t an die S<strong>ch</strong>uld seines<br />

väterli<strong>ch</strong>en Freunds glauben will. Also<br />

befragt er alle Bewohner der kleinen Stadt,<br />

die vor 33 Jahren s<strong>ch</strong>on hier ansässig wa-<br />

Das Spiel mit dem Alter Ego<br />

Ein Bu<strong>ch</strong> im Bu<strong>ch</strong> und beide mit identis<strong>ch</strong>em<br />

Titel. Ein junger Erfolgsautor mit<br />

seinem zweiten Werk: Die Parallelen s<strong>ch</strong>einen<br />

offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>! Ist Marcus Goldman<br />

das Alter Ego von Joël Dicker? Der Genfer<br />

verneint ausdrückli<strong>ch</strong> und sagt, er habe<br />

über einen Erfolgsautor ges<strong>ch</strong>rieben, während<br />

<strong>zu</strong> dieser Zeit mehrere seiner Manuskripte<br />

abgelehnt worden waren. «Was<br />

mi<strong>ch</strong> mit Marcus verbindet, ist die Begeisterung<br />

für Sport, aber au<strong>ch</strong> die obsessive<br />

Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> der Wahrheit und seinen Blick<br />

auf das Leben, der <strong>zu</strong>weilen no<strong>ch</strong> etwas<br />

vers<strong>ch</strong>wommen ist.» Dicker dementiert<br />

<strong>als</strong>o und s<strong>ch</strong>eint Verglei<strong>ch</strong>e denno<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>gerade<br />

<strong>zu</strong> provozieren. Er spielt vergnügt<br />

mit der Erwartung seiner Leserinnen und<br />

Leser, vieles davon spiegelt si<strong>ch</strong> in kurzen<br />

Rückblenden auf die Vergangenheit von<br />

Mentor und S<strong>ch</strong>üler. Einmal lässt Dicker<br />

Harry sagen: «I<strong>ch</strong> werde Ihnen einunddreissig<br />

Rats<strong>ch</strong>läge geben, und zwar im<br />

Lauf der nä<strong>ch</strong>sten Jahre. Ni<strong>ch</strong>t alle auf einmal.»<br />

Und auf Marcus Frage hin, wieso es<br />

gerade einunddreissig sind: «Weil einunddreissig<br />

ein wi<strong>ch</strong>tiges Alter ist. Das erste<br />

Jahrzehnt formt Sie <strong>als</strong> Kind. Das zweite<br />

<strong>als</strong> Erwa<strong>ch</strong>sener. Und das dritte ma<strong>ch</strong>t Sie<br />

z<strong>um</strong> Mann oder au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t. Mit einunddreissig<br />

sind Sie aus dem Gröbsten raus.»<br />

Joël Dicker ist zwar erst 28 Jahre alt,<br />

s<strong>ch</strong>eint aber das Gröbste au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on hinter<br />

si<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> haben. Er sagt: «I<strong>ch</strong> habe das<br />

Gefühl, in den letzten zwei Monaten <strong>um</strong><br />

zehn Jahre gealtert <strong>zu</strong> sein und glei<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong><br />

einmal zehn am Tag der Preisverkündigung<br />

des Goncourt.» Der Sohn eines Französis<strong>ch</strong>lehrers<br />

und einer Bu<strong>ch</strong>händlerin<br />

gründete mit zehn Jahren eine Tierzeits<strong>ch</strong>rift,<br />

die immerhin fünf Jahre lang ers<strong>ch</strong>ien.<br />

Na<strong>ch</strong> der Matura zog er na<strong>ch</strong> Paris,<br />

wo er ein Jahr lang am Cours Florent<br />

S<strong>ch</strong>auspiel studierte. 2010 s<strong>ch</strong>loss er an<br />

der Universität Genf sein Jurastudi<strong>um</strong> ab.<br />

2012 ers<strong>ch</strong>ien sein Erstling «Les Derniers<br />

Jours de nos pères», ein historis<strong>ch</strong>er Roman<br />

aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Im S<strong>ch</strong>aufenster | 19<br />

«Wenn Sie die<br />

Nase mal in diesen<br />

grossen Roman gesteckt<br />

haben, sind<br />

Sie hin und weg.»<br />

weg.» Ein anderes Jurymitglied, der Autor<br />

Patrick Rambaud, fand glei<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> der<br />

Preisverkündigung weniger s<strong>ch</strong>mei<strong>ch</strong>elhafte<br />

Worte. Er bezei<strong>ch</strong>nete das Bu<strong>ch</strong> <strong>als</strong><br />

«Strandlektüre mit s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten Dialogen».<br />

Abgesehen davon, dass Lesen am Strand<br />

eine s<strong>ch</strong>öne Sa<strong>ch</strong>e ist, hat er einen wunden<br />

Punkt erwis<strong>ch</strong>t: Die Szenen zwis<strong>ch</strong>en dem<br />

unglei<strong>ch</strong>en Liebespaar Harry und Nola wirken<br />

hin und wieder tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> etwas pathetis<strong>ch</strong>.<br />

Ob das wirkli<strong>ch</strong> Joël Dickers Vers<strong>ch</strong>ulden<br />

ist, ob es an der Überset<strong>zu</strong>ng liegt<br />

oder ob der Autor mit diesem Stil sogar das<br />

Alter des Mäd<strong>ch</strong>ens hervorheben will,<br />

muss der Leser selbst beurteilen. Dass si<strong>ch</strong><br />

der S<strong>ch</strong>riftsteller in diesen Teenager verlieben<br />

soll, wird mit diesen Dialogen ni<strong>ch</strong>t<br />

plausibler. Definitiv unglaubwürdig ist dagegen,<br />

dass si<strong>ch</strong> der bärbeissige Ermittler<br />

so auf Marcus einlässt, ihn über Ermittlungsergebnisse<br />

informiert und ihn gar an<br />

offiziellen Zeugeneinvernahmen teilnehmen<br />

lässt. Aber wen kümmert das bei einem<br />

Krimi? Bei einem so vol<strong>um</strong>inösen und<br />

viels<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tigen Bu<strong>ch</strong> wäre es kleinli<strong>ch</strong>, dem<br />

Autor eine Ungenauigkeit vor<strong>zu</strong>halten, die<br />

eine packende Kriminalges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te vorwärts<br />

treibt – bis <strong>zu</strong>r verblüffenden Wahrheit<br />

im Fall Harry Quebert.<br />

Vom Leben, S<strong>ch</strong>reiben und Fallen<br />

Bei einem so raffiniert vers<strong>ch</strong>lungenen Plot<br />

wie jenem von «Die Wahrheit über den Fall<br />

Harry Quebert» kann man ka<strong>um</strong> glauben,<br />

dass er ni<strong>ch</strong>t auf dem Reissbrett entworfen<br />

wurde. Do<strong>ch</strong> Dicker beteuert: «Es gibt keinen<br />

Plan. Meine Methode besteht vielmehr<br />

darin, mir <strong>zu</strong> vertrauen und voran <strong>zu</strong> gehen.<br />

Das ist eine lange und bisweilen entmutigende<br />

Arbeit.» Viellei<strong>ch</strong>t hat diese Arbeitsweise<br />

<strong>zu</strong> einem Motiv geführt, wel<strong>ch</strong>es<br />

das ganze Bu<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>zieht. Harry verglei<strong>ch</strong>t<br />

das Leben und das S<strong>ch</strong>reiben mit<br />

dem Fallen: «S<strong>ch</strong>auen Sie si<strong>ch</strong> do<strong>ch</strong> an,<br />

Marcus: Sie trauen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t <strong>zu</strong> fallen. Und<br />

genau deshalb werden Sie, wenn Sie das<br />

ni<strong>ch</strong>t ändern, ein hohler, ni<strong>ch</strong>tssagender<br />

Mens<strong>ch</strong> werden. Wie kann man leben,<br />

wenn man ni<strong>ch</strong>t fallen kann?» Es sind sol<strong>ch</strong>e<br />

Abs<strong>ch</strong>nitte, die den Krimi <strong>zu</strong> einer interessanten<br />

Reflexion über das S<strong>ch</strong>reiben<br />

ma<strong>ch</strong>en. Andere Leserinnen und Leser sehen<br />

ihn vor allem <strong>als</strong> Spiegel Amerikas, wo<br />

Metropolen und Kleinstädte, Offenheit und<br />

Bigotterie oder Erfolg und Verdammnis so<br />

nahe nebeneinander existieren. Joël Dicker<br />

kennt Neuengland von regelmässigen<br />

und längeren Aufenthalten gut und liebt es.<br />

Grosser Roman oder Strandlektüre?<br />

Bei allem Erfolg – «Die Wahrheit über den<br />

Fall Harry Quebert» fand ni<strong>ch</strong>t nur Gefallen.<br />

Zwar sagte Bernard Pivot, Literaturjournalist<br />

und Jurymitglied des Goncourt:<br />

«Wenn Sie die Nase mal in diesen grossen<br />

Roman gesteckt haben, sind Sie hin und<br />

Die Wahrzeit über den<br />

Fall Harry Quebert<br />

724 Seiten<br />

CHF 35.90<br />

Piper


20 | Brasilien <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

Zeugnisse einer<br />

Welt im Wandel<br />

Die brasilianis<strong>ch</strong>e Literatur bietet weit mehr <strong>als</strong> den Exports<strong>ch</strong>lager Paulo Coelho. Nun kann man<br />

ihre Vielfalt no<strong>ch</strong> besser erkunden – denn anlässli<strong>ch</strong> der Frankfurter Bu<strong>ch</strong>messe, an der Brasilien<br />

z<strong>um</strong> zweiten Mal Ehrengast ist, wurden viele Bü<strong>ch</strong>er neu ins Deuts<strong>ch</strong>e übersetzt.<br />

Markus Ganz<br />

Eine eigenständige S<strong>ch</strong>riftkultur hat Brasilien<br />

no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t sehr lang. Im Jahr 1500 soll<br />

der Steuermann des portugiesis<strong>ch</strong>en Seefahrers<br />

und Brasilien-Entdeckers Pedro<br />

Alvares Cabral <strong>als</strong> erster über diese Weltgegend<br />

ges<strong>ch</strong>rieben haben. In einem 27<br />

Seiten langen Brief bes<strong>ch</strong>rieb er dem portugiesis<strong>ch</strong>en<br />

König Manuel I. die Tropenwelt<br />

und deren Bewohner, wel<strong>ch</strong>e die<br />

S<strong>ch</strong>iffmanns<strong>ch</strong>aft an der Küste von Salvador<br />

da Bahia vorfand. No<strong>ch</strong> lange sollte der<br />

portugiesis<strong>ch</strong>e Blickwinkel die s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>e<br />

Wahrnehmung von Brasilien prägen, denn<br />

es waren <strong>zu</strong>nä<strong>ch</strong>st vor allem portugiesis<strong>ch</strong>e<br />

Reisende und Missionare, die Land<br />

und Leute bes<strong>ch</strong>rieben. Aber au<strong>ch</strong> die ersten<br />

S<strong>ch</strong>riftsteller urteilten meist aus kolonialer<br />

Si<strong>ch</strong>t.<br />

Als der portugiesis<strong>ch</strong>e König Joao IV. 1808<br />

auf der Flu<strong>ch</strong>t vor Napoleon in Brasilien<br />

ankam, soll es dort no<strong>ch</strong> keine gedruckte<br />

Presse gegeben haben. Erst <strong>als</strong> das Land<br />

1822 unabhängig wurde, begann man si<strong>ch</strong><br />

von europäis<strong>ch</strong>en Traditionen <strong>zu</strong> emanzipieren.<br />

Es entstand eine brasilianis<strong>ch</strong>e<br />

S<strong>ch</strong>riftkultur, die stark vom S<strong>ch</strong>melztiegel-<br />

Charakter des Lands geprägt ist und au<strong>ch</strong><br />

den Hintergrund der afrikanis<strong>ch</strong>en und<br />

indigenen Minderheiten aufgenommen<br />

hat. Ges<strong>ch</strong>rieben wird allerdings bis heute<br />

Portugiesis<strong>ch</strong> – die Spra<strong>ch</strong>e der ehemaligen<br />

Kolonialma<strong>ch</strong>t, wenn au<strong>ch</strong> in brasilianis<strong>ch</strong>er<br />

Ausprägung. 97 Prozent der Einwohner<br />

bezei<strong>ch</strong>nen das brasilianis<strong>ch</strong>e<br />

Portugiesis<strong>ch</strong> <strong>als</strong> Mutterspra<strong>ch</strong>e, nur<br />

0,1 Prozent spre<strong>ch</strong>en eine Indianerspra<strong>ch</strong>e.<br />

Uns<strong>ch</strong>lagbare Klassiker<br />

Paulo Coelho ist ni<strong>ch</strong>t nur der bekannteste<br />

S<strong>ch</strong>riftsteller Brasiliens, sondern au<strong>ch</strong> einer<br />

der erfolgrei<strong>ch</strong>sten Autoren der Welt.<br />

Bereits mit seinem zweiten Bu<strong>ch</strong> gelang<br />

dem 1947 geborenen S<strong>ch</strong>riftsteller der<br />

ganz grosse Wurf. Der Roman «Der Al<strong>ch</strong>imist»<br />

ers<strong>ch</strong>ien 1988, entwickelte si<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong><br />

erst in den 1990er-Jahren z<strong>um</strong> weltweiten<br />

Bestseller, der in über 60 Spra<strong>ch</strong>en<br />

übersetzt wurde. Rund 30 Millionen Exemplare<br />

sollen si<strong>ch</strong> bisher verkauft haben,<br />

davon eine Million in deuts<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e.<br />

Anfangs dieses Jahrs ers<strong>ch</strong>ien der neuste<br />

Roman von Coelho: «Die S<strong>ch</strong>riften von<br />

Accra». Er handelt von einem geheimnisvollen<br />

Fremden, der auf der Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong><br />

Abenteuern und Rei<strong>ch</strong>t<strong>um</strong> in die Welt geht<br />

und Antworten auf die grossen Fragen der<br />

Mens<strong>ch</strong>heit findet.<br />

Zu den populärsten lateinamerikanis<strong>ch</strong>en<br />

Autoren des 20. Jahrhunderts gehört au<strong>ch</strong><br />

der 1912 geborene Jorge Amado. Bis <strong>zu</strong><br />

seinem Tod 2001 gelang es ihm immer<br />

wieder, ernste Anliegen in Komödien <strong>zu</strong><br />

verpacken. Derart thematisierte er in seinen<br />

35 Bü<strong>ch</strong>ern immer wieder au<strong>ch</strong> die<br />

rassistis<strong>ch</strong>e Diskriminierung in seiner Heimat.<br />

«Zwei Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten von der See» zeigt,<br />

wie zeitlos und hö<strong>ch</strong>st vergnügli<strong>ch</strong> seine<br />

lebensnahen S<strong>ch</strong>ilderungen sind. Komis<strong>ch</strong><br />

ist besonders die neu übersetzte Erzählung<br />

«Der Tod und der Tod des Quincas Berro<br />

Dágua» von 1959. Heisst es bei James<br />

Bond, man lebe nur zweimal, so muss der<br />

Antiheld hier glei<strong>ch</strong> dreimal sterben. Die<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te bekundet z<strong>um</strong> einen die absolute<br />

Sympathie für die Aussenseiter dieser<br />

Welt. Sie ist aber au<strong>ch</strong> ein Manifest für das<br />

Anre<strong>ch</strong>t aller Mens<strong>ch</strong>en, ihre Lebensweise<br />

selber bestimmen <strong>zu</strong> können – und da<strong>zu</strong><br />

gehört au<strong>ch</strong> die Art ihres Tods.<br />

Leidens<strong>ch</strong>aft und Tod<br />

Neben existentiellen Fragen spielt in der<br />

brasilianis<strong>ch</strong>en Literatur au<strong>ch</strong> die Liebe<br />

immer wieder eine herausragende Rolle.<br />

Brasilien<br />

mg. Die Dimensionen von Brasilien sind<br />

in man<strong>ch</strong>erlei Hinsi<strong>ch</strong>t aussergewöhnli<strong>ch</strong>.<br />

Das südamerikanis<strong>ch</strong>e Land ist sowohl<br />

bezügli<strong>ch</strong> der Flä<strong>ch</strong>e wie au<strong>ch</strong> der Bevölkerung<br />

der fünftgrösste Staat der Erde. Es<br />

leben dort fast 25-mal mehr Leute <strong>als</strong> in<br />

der S<strong>ch</strong>weiz, unser Land fände allerdings<br />

200-mal Platz in Brasilien. Rund die Hälfte<br />

der fast 200 Millionen Brasilianer haben<br />

afrikanis<strong>ch</strong>e Vorfahren, die zwis<strong>ch</strong>en dem<br />

16. und 19. Jahrhundert <strong>als</strong> Sklaven na<strong>ch</strong><br />

Südamerika kamen. 2005 bezei<strong>ch</strong>nete si<strong>ch</strong><br />

die Hälfte der Brasilianer <strong>als</strong> Weisse, 43<br />

Prozent <strong>als</strong> Mis<strong>ch</strong>linge, 6,3 Prozent <strong>als</strong><br />

S<strong>ch</strong>warze und 0,7 Prozent <strong>als</strong> Asiaten oder<br />

Indigene. Brasilien erlebte in den letzten<br />

Jahrzehnten einen gewaltigen Aufstieg <strong>zu</strong>r<br />

se<strong>ch</strong>stgrössten Volkswirts<strong>ch</strong>aft der Welt.<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftsexperten gehen aber davon<br />

aus, dass die goldenen Zeiten für Brasiliens<br />

Wirts<strong>ch</strong>aft bereits wieder vorbei sind.<br />

Marçal Aquino verbindet in seinem Roman<br />

«Flieh. Und nimm die Dame mit.»<br />

die beiden Themenkomplexe dramatis<strong>ch</strong>.<br />

Im Mittelpunkt des Bu<strong>ch</strong>s steht eine Frau,<br />

die zwei Seiten hat: eine dunkle selbstzerstöreris<strong>ch</strong>e<br />

und eine helle verführeris<strong>ch</strong>e.<br />

Zwei Männer verfallen ihr: ein am Fernsehen<br />

vor der gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Fäulnis warnender<br />

Pater und der Erzähler, ein Journalist<br />

in der Sinnkrise. Dem 1958 geborenen<br />

Autor gelingt es, die abgründige Art dieser<br />

Beziehungen mit der spannungsgeladenen<br />

Stimmung in einer Goldgräberstadt <strong>zu</strong><br />

grundieren.<br />

Spiegel der Entwicklung<br />

Goldgräberstädte gibt es zwar no<strong>ch</strong> heute<br />

im modernen, boomenden Brasilien. Der<br />

Literaturkritiker Manuel da Costa Pinto


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Brasilien | 21<br />

© KEYSTONE / Ayse Yavas<br />

© Marcelo Correa<br />

Brasilien ist ein riesiges Land – und seine Literatur daher ausserordentli<strong>ch</strong> vielseitig. Brasilianis<strong>ch</strong>e Autorinnen und Autoren im Uhrzeigersinn von links oben:<br />

Paulo Coelho, Ana Paula Maia, Jorge Amado, Marçal Aquino, Luiz Ruffato, Andréa del Fuego und Daniel Galera.


22 | Brasilien <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

betonte in einer Vors<strong>ch</strong>au auf die Frankfurter<br />

Bu<strong>ch</strong>messe aber, wie rasant si<strong>ch</strong><br />

Brasilien seit Mitte des 20. Jahrhunderts<br />

modernisiert und urbanisiert habe. Viele<br />

Autoren wirkten <strong>als</strong> Chronisten dieses dynamis<strong>ch</strong>en<br />

Prozesses, der si<strong>ch</strong> faszinierend<br />

in der Gesells<strong>ch</strong>aft widerspiegle. Zu<br />

diesen S<strong>ch</strong>riftstellern darf man au<strong>ch</strong> Andréa<br />

del Fuego zählen, die 1975 geboren<br />

wurde und aus dem Journalismus kommt.<br />

In «Ges<strong>ch</strong>wister des Wassers» erzählt sie<br />

ni<strong>ch</strong>t nur das berührende S<strong>ch</strong>icksal dreier<br />

Ges<strong>ch</strong>wister, die in einer ar<strong>ch</strong>ais<strong>ch</strong> gebliebenen<br />

Welt plötzli<strong>ch</strong> ihre Eltern verlieren.<br />

Luiz Ruffato entwirft<br />

in 69 Szenen<br />

ein kaleidoskopis<strong>ch</strong>es<br />

Abbild der<br />

Megacity São Paulo<br />

mit ihrem Glamour<br />

und ihrem Elend.<br />

Sie s<strong>ch</strong>ildert au<strong>ch</strong> beklemmend die Verstrickungen<br />

dieser Familie mit dem Gutsbesitzer,<br />

der so herris<strong>ch</strong> über die Kinder wie<br />

über das Leben seiner Angestellten verfügt.<br />

Der Bau einer Sta<strong>um</strong>auer verändert<br />

das Leben aller, do<strong>ch</strong> trotz Ein<strong>zu</strong>g der<br />

Elektrizität verlieren die Mens<strong>ch</strong>en ihren<br />

Sinn für das Übersinnli<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t.<br />

Zei<strong>ch</strong>en der Moderne<br />

Au<strong>ch</strong> Daniel Galera gehört mit Jahrgang<br />

1979 <strong>zu</strong>r jüngeren Generation der brasilianis<strong>ch</strong>en<br />

S<strong>ch</strong>riftsteller. Das merkt man<br />

au<strong>ch</strong> seinen Themen an; sie haben oft mit<br />

Problemen von Jugendli<strong>ch</strong>en im modernen<br />

Brasilien <strong>zu</strong> tun. Im Mittelpunkt von<br />

Galeras Roman «Flut» steht ein junger<br />

Mann, dessen Vater si<strong>ch</strong> direkt vor ihm<br />

ers<strong>ch</strong>iesst. Daraufhin lässt der junge Mann<br />

die s<strong>ch</strong>werverletzte Hündin des Vaters<br />

ni<strong>ch</strong>t eins<strong>ch</strong>läfern, wie dieser von ihm verlangt<br />

hat. Er päppelt sie vielmehr auf und<br />

zieht mit ihr in den Süden. Dort will er ergründen,<br />

wieso sein Grossvater einst vers<strong>ch</strong>wand.<br />

In die Quere kommt ihm dabei,<br />

dass er Gesi<strong>ch</strong>ter vergisst, sie ni<strong>ch</strong>t wiedererkennen<br />

kann. Dies führt im Alltag <strong>zu</strong><br />

s<strong>ch</strong>wierigen, man<strong>ch</strong>mal aber au<strong>ch</strong> angenehmen<br />

Situationen. Einer Freundin s<strong>ch</strong>ildert<br />

er die eigenartigen Folgen so: «I<strong>ch</strong><br />

kann mi<strong>ch</strong> erinnern, dass du sehr s<strong>ch</strong>ön<br />

warst. Da freue i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> natürli<strong>ch</strong>, di<strong>ch</strong><br />

wieder<strong>zu</strong>sehen».<br />

Es wundert einen ni<strong>ch</strong>t, dass Ana Paula<br />

Maia <strong>als</strong> Jugendli<strong>ch</strong>e in einer Punkband<br />

gespielt hat. Denn in «Krieg der Bastarde»<br />

spart die 1977 geborene S<strong>ch</strong>riftstellerin<br />

ni<strong>ch</strong>t mit drastis<strong>ch</strong>en Bildern und direkter<br />

Spra<strong>ch</strong>e. Sie bes<strong>ch</strong>reibt die<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te von Amadeu, der eine Tas<strong>ch</strong>e<br />

voll Kokain aus der Pornoproduktionsfirma<br />

entwendet, für die er arbeitet. Er ma<strong>ch</strong>t<br />

den Stoff <strong>zu</strong> Bargeld, <strong>um</strong> seine Geliebte –<br />

eine illegale Preisboxerin – von ihren<br />

S<strong>ch</strong>ulden <strong>zu</strong> befreien und mit ihr ein neues<br />

Leben <strong>zu</strong> beginnen. Do<strong>ch</strong> dann wird Amadeu<br />

überfahren. Und da dies ka<strong>um</strong> jemand<br />

weiss, führt die Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> ihm <strong>zu</strong> immer<br />

groteskeren Situationen.<br />

Megacity und Fussball<br />

Luiz Ruffato gilt <strong>als</strong> Ausnahmetalent. Mit<br />

seinem ersten Roman «Es waren viele<br />

Pferde» habe er die brasilianis<strong>ch</strong>e Literatur<br />

revolutioniert. Eine Jury von Literaturkritikern<br />

der Zeitung «Globo» bezei<strong>ch</strong>nete<br />

das 2001 ers<strong>ch</strong>ienene und nun au<strong>ch</strong> auf<br />

Deuts<strong>ch</strong> erhältli<strong>ch</strong>e Bu<strong>ch</strong> <strong>als</strong> einen der<br />

zehn besten brasilianis<strong>ch</strong>en Romane der<br />

letzten Dekade. Der 1961 geborene S<strong>ch</strong>riftsteller<br />

entwirft in 69 Szenen ein kaleidoskopis<strong>ch</strong>es<br />

Abbild der Megacity São Paulo<br />

mit ihrem Glamour und ihrem Elend, ihrer<br />

Verlogenheit und ihrem S<strong>ch</strong>merz. Die vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

S<strong>ch</strong>lagli<strong>ch</strong>ter fügen si<strong>ch</strong> <strong>zu</strong>r<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te eines Lands, das von Gewalt<br />

und Entwurzelung gezei<strong>ch</strong>net ist.<br />

Brasilien ist ohne den Fussball undenkbar<br />

– und <strong>um</strong>gekehrt. Luiz Ruffato hat<br />

15 brasilianis<strong>ch</strong>e Kolleginnen und Kollegen<br />

gebeten, darüber Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten <strong>zu</strong> verfassen.<br />

In der Anthologie «Der s<strong>ch</strong>warze<br />

Sohn Gottes. 15 Fussballges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten aus<br />

Brasilien» bes<strong>ch</strong>reiben die S<strong>ch</strong>riftstellerinnen<br />

und S<strong>ch</strong>riftsteller ni<strong>ch</strong>t nur die <strong>zu</strong>weilen<br />

zauberhafte Magie des Balls und die<br />

Unvorhersehbarkeiten eines Spielverlaufs,<br />

sie erzählen au<strong>ch</strong> von den Trä<strong>um</strong>en, Hoffnungen<br />

und Wüns<strong>ch</strong>en, die mit dem Fussball<br />

verbunden sind. Dabei kann man <strong>zu</strong>r<br />

tröstli<strong>ch</strong>en Erkenntnis kommen, dass sogar<br />

Fussballnieten imstande sind, ein<br />

glückli<strong>ch</strong>es Leben <strong>zu</strong> führen.<br />

Die S<strong>ch</strong>riften von<br />

Accra<br />

Paulo Coelho<br />

CHF 27.90<br />

183 Seiten<br />

Diogenes<br />

Zwei Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />

von der See.<br />

Der Tod und der<br />

Tod des Quincas<br />

Berro Dágua. Die<br />

Abenteuer des<br />

Kapitäns Vasco<br />

Moscoso<br />

Jorge Amado<br />

500 Seiten<br />

CHF 39.90<br />

S. Fis<strong>ch</strong>er<br />

Flieh. Und nimm<br />

die Dame mit.<br />

Marçal Aquino<br />

284 Seiten<br />

CHF 21.90<br />

Unionsverlag<br />

Ges<strong>ch</strong>wister des<br />

Wassers<br />

Andréa del Fuego<br />

203 Seiten<br />

CHF 28.90<br />

Hanser<br />

Flut<br />

Daniel Galera<br />

425 Seiten<br />

CHF 36.90<br />

Suhrkamp<br />

Krieg der<br />

Bastarde<br />

Ana Paula Maia<br />

208 Seiten<br />

CHF 28.90<br />

A 1<br />

Es waren viele<br />

Pferde<br />

Luiz Ruffato<br />

158 Seiten<br />

CHF 28.90<br />

Assoziation A<br />

Der s<strong>ch</strong>warze<br />

Sohn Gottes. 15<br />

Fussballges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />

aus Brasilien<br />

Diverse, Luiz Ruffato<br />

(Hrsg.)<br />

144 Seiten<br />

CHF 22.90<br />

Assoziation A


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Spezial – Zeitges<strong>ch</strong>ehen | 23<br />

<strong>Books</strong><br />

Spezial<br />

Felsen in der<br />

Brandung<br />

der Zeit<br />

Elektronis<strong>ch</strong>e Medien wie Internet oder Fernsehen sind dem Sa<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong><br />

immer ein paar S<strong>ch</strong>ritte voraus. Do<strong>ch</strong> sie sind im Grunde ni<strong>ch</strong>ts<br />

anderes <strong>als</strong> ein nie endender News ticker. Hintergrundinformationen,<br />

Zusammenhänge und vertiefte Betra<strong>ch</strong>tungen bleiben oft auf der Strecke.<br />

Vorteil: Bu<strong>ch</strong>! Natürli<strong>ch</strong> dauert es Wo<strong>ch</strong>en oder gar Monate, bis<br />

Bü<strong>ch</strong>er <strong>zu</strong> einem aktuellen Ereignis in den Regalen stehen. Dafür erhalten<br />

diese dann au<strong>ch</strong> gründli<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>ierte Fakten, Zusammenhänge,<br />

Karten, Bilder, Meinungen, Grafiken und Statistiken, eben alles,<br />

wofür in der digitalen Hektik einfa<strong>ch</strong> keine Zeit bleibt. Auf den<br />

folgenden Seiten zeigen wir Ihnen wi<strong>ch</strong>tige Neuers<strong>ch</strong>einungen im<br />

Berei<strong>ch</strong> des Zeitges<strong>ch</strong>ehens – und su<strong>ch</strong>en Antworten auf die Frage,<br />

wie sol<strong>ch</strong>e Bü<strong>ch</strong>er entstehen.


24 | Spezial – Zeitges<strong>ch</strong>ehen <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

Das Heute festhalten<br />

Was wir <strong>als</strong> «Zeitges<strong>ch</strong>ehen» bezei<strong>ch</strong>nen, soll ein deutli<strong>ch</strong>es Bild<br />

der Gegenwart zei<strong>ch</strong>nen. Was eignet si<strong>ch</strong> heute für diese Kategorie?<br />

«<strong>Books</strong>» hat aus der Fülle der Neuers<strong>ch</strong>einungen <strong>zu</strong> Gesells<strong>ch</strong>aft,<br />

Politik und Kultur einige Themen herausgegriffen.<br />

Benjamin Gygax<br />

s<strong>ch</strong>aftlerin, «Befunde aus vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tsepo<strong>ch</strong>en und kulturellen Berei<strong>ch</strong>en<br />

<strong>zu</strong> besi<strong>ch</strong>tigen in der Erwartung, dass<br />

si<strong>ch</strong> aus diesen konkreten Fragmenten ein<br />

Bild dessen aufbaut, was i<strong>ch</strong> mit einem<br />

abstrakten Begriff das ‹Zeitregime der Moderne›<br />

nenne». Der Niedergang dieses<br />

Zeitregimes sei der Grund für ein temporales<br />

Chaos in unserer Zeit. Bisher hatte es<br />

uns auf die Zukunft ausgeri<strong>ch</strong>tet und liess<br />

uns die Vergangenheit vergessen. Heute sei<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te «Vergangenheit, die nie vergeht»<br />

und uns damit ni<strong>ch</strong>t mehr loslässt –<br />

und der Glaube an die Zukunft ist vielen<br />

abhanden gekommen.<br />

Zeit ist ein faszinierendes Phänomen, das<br />

ni<strong>ch</strong>t nur Sportler, Philosophen und Physiker<br />

bes<strong>ch</strong>äftigt, sondern uns alle im Alltag.<br />

Viellei<strong>ch</strong>t hat die deuts<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e deshalb<br />

in Kombination mit dem Wort «Zeit»<br />

einige ebenso eigentümli<strong>ch</strong>e wie prägnante<br />

Begriffe hervorgebra<strong>ch</strong>t. Der Di<strong>ch</strong>ter<br />

und Philosoph Johann Gottfried Herder<br />

prägte 1769 den Begriff «Zeitgeist» für die<br />

vorherrs<strong>ch</strong>ende und typis<strong>ch</strong>e Art, wie <strong>zu</strong><br />

einer bestimmten Zeit geda<strong>ch</strong>t und gefühlt<br />

wird. Seine Worts<strong>ch</strong>öpfung war so eingängig,<br />

dass sie es sogar <strong>als</strong> Lehnwort in mehrere<br />

andere Spra<strong>ch</strong>en ges<strong>ch</strong>afft hat, z<strong>um</strong><br />

Beispiel ins Englis<strong>ch</strong>e. Hans Magnus<br />

Enzensberger äusserte si<strong>ch</strong> zwar verä<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />

über diesen ominösen Geist, der eine<br />

Zeit dur<strong>ch</strong>weht: «Etwas Bornierteres <strong>als</strong><br />

den Zeitgeist gibt es ni<strong>ch</strong>t. Wer nur die<br />

Gegenwart kennt, muss verblöden.» Viellei<strong>ch</strong>t<br />

verkennt Enzensberger dabei aber,<br />

dass man den «Zeitgeist» oft nur unter einer<br />

Lupe erkennen kann, die «Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tsbewusstsein»<br />

heisst – s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>t ja<br />

erst der Verglei<strong>ch</strong> eine Besonderheit erkennbar.<br />

Ein Bild der Gegenwart zei<strong>ch</strong>nen<br />

Mit dem «Zeitgeist» verwandt ist au<strong>ch</strong> das<br />

«Zeitges<strong>ch</strong>ehen». Dieser Begriff hat die<br />

Aufgabe, aktuelle Ereignisse von historis<strong>ch</strong>en<br />

ab<strong>zu</strong>grenzen. Deshalb findet er au<strong>ch</strong><br />

rege Verwendung dort, wo es <strong>um</strong> Aktualität<br />

geht: Als Rubrik in Zeitungen und Zeits<strong>ch</strong>riften.<br />

Daraus <strong>zu</strong> s<strong>ch</strong>liessen, dass alles<br />

gerade Aktuelle si<strong>ch</strong> <strong>als</strong> «Zeitges<strong>ch</strong>ehen»<br />

qualifiziert, wäre f<strong>als</strong><strong>ch</strong>. Die Kategorie<br />

«Zeitges<strong>ch</strong>ehen» adelt so<strong>zu</strong>sagen jene Aktualität,<br />

die prägend und dauerhaft, ja viellei<strong>ch</strong>t<br />

sogar epo<strong>ch</strong>enbildend ist. «Zeitges<strong>ch</strong>ehen»<br />

soll mit wenigen klaren und<br />

kräftigen Stri<strong>ch</strong>en ein Bild der Gegenwart<br />

skizzieren.<br />

«Zeit» ist zeitlos<br />

Was <strong>ch</strong>arakterisiert unsere Zeit? Ein Thema,<br />

das zwar in gewisser Weise zeitlos ist,<br />

uns heut<strong>zu</strong>tage aber besonders stark bes<strong>ch</strong>äftigt,<br />

ist die Zeit selber. Einen äusserst<br />

anregenden und au<strong>ch</strong> anspru<strong>ch</strong>svollen<br />

Blick auf dieses Phänomen präsentiert<br />

Aleida Assmann mit «Ist die Zeit aus den<br />

Fugen?» Sie ist Professorin für Anglistik<br />

und Literaturwissens<strong>ch</strong>aften in Konstanz<br />

und vertritt eine interessante These. Ihr<br />

Ausgangspunkt: «Das Auseinanderbre<strong>ch</strong>en<br />

und neu Zusammensetzen des temporalen<br />

Zeitgefüges von Vergangenheit,<br />

Gegenwart und Zukunft.» Sie mute ihren<br />

Lesern <strong>zu</strong>, s<strong>ch</strong>reibt die Kulturwissen-<br />

Der Einzelne und das Imperi<strong>um</strong><br />

Viellei<strong>ch</strong>t lässt si<strong>ch</strong> diese These z<strong>um</strong> Zeitregime<br />

gerade anhand des nä<strong>ch</strong>sten Bu<strong>ch</strong>s<br />

illustrieren? Swetlana Alexijewits<strong>ch</strong>, die<br />

1948 in der Ukraine geboren wurde, hat<br />

ihr neues Bu<strong>ch</strong> «Secondhand-Zeit» genannt.<br />

Die Journalistin und Bu<strong>ch</strong>autorin<br />

ist eine der profiliertesten Zeitzeuginnen<br />

der postsowjetis<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aft. Ihre Bü<strong>ch</strong>er<br />

wurden unter anderem mit dem<br />

«Kurt-Tu<strong>ch</strong>olsky-Preis» des s<strong>ch</strong>wedis<strong>ch</strong>en<br />

PEN, mit dem «Tri<strong>um</strong>ph-Preis für Kunst<br />

und Literatur Russlands» und mit dem<br />

«Leipziger Bu<strong>ch</strong>preis <strong>zu</strong>r Europäis<strong>ch</strong>en<br />

Verständigung» ausgezei<strong>ch</strong>net. 2013 erhält<br />

Swetlana Alexijewits<strong>ch</strong> den Friedenspreis<br />

des Deuts<strong>ch</strong>en Bu<strong>ch</strong>handels. Für ihr<br />

Werk hat die Autorin Gesprä<strong>ch</strong>e mit Männern<br />

und Frauen aufgezei<strong>ch</strong>net, die si<strong>ch</strong> an<br />

die Sowjetzeit erinnern. Zwar sehen jüngere<br />

Mens<strong>ch</strong>en diese Ära nur im Nebel der<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, do<strong>ch</strong> der Kalte Krieg, die Sowjetunion<br />

und der kommunistis<strong>ch</strong>e Staatsterror<br />

leben in der Erinnerung vieler Russinnen<br />

und Russen weiter. «I<strong>ch</strong> kenne<br />

diesen Mens<strong>ch</strong>en, er ist mir vertraut, i<strong>ch</strong><br />

habe viele Jahre Seite an Seite mit ihm<br />

gelebt. Er ist i<strong>ch</strong>», s<strong>ch</strong>reibt die Autorin.<br />

Diesem «I<strong>ch</strong>» ist sie auf der Spur – und sie<br />

nähert si<strong>ch</strong> ihm mit den Mitteln der Journalistin.<br />

«I<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>reibe mit, i<strong>ch</strong> su<strong>ch</strong>e Körn<strong>ch</strong>en<br />

für Körn<strong>ch</strong>en, Kr<strong>um</strong>e für Kr<strong>um</strong>e na<strong>ch</strong><br />

der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te unseres ‹alltägli<strong>ch</strong>en›, unseres<br />

‹inneren› Sozialismus. Dana<strong>ch</strong>, wie<br />

er in der Seele der Mens<strong>ch</strong>en wirkte. Dieser<br />

Massstab hat mi<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on immer fasziniert<br />

– der Mens<strong>ch</strong> ... der einzelne Mens<strong>ch</strong>.<br />

Denn im Grunde passiert dort alles.» Und<br />

was passiert <strong>zu</strong>rzeit? Vielen gilt Stalin wieder<br />

<strong>als</strong> grosser Staatsmann, die sozialistis<strong>ch</strong>e<br />

Vergangenheit wird nostalgis<strong>ch</strong> verklärt.<br />

Dieses Leben mit gebrau<strong>ch</strong>ten Ideen<br />

und Worten nennt Swetlana Alexijewits<strong>ch</strong><br />

«Secondhand-Zeit». In ihren Gesprä<strong>ch</strong>en<br />

stellt sie die Brutalisierung von Mens<strong>ch</strong>en<br />

fest, die «immer entweder gekämpft oder


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Spezial – Zeitges<strong>ch</strong>ehen | 25<br />

si<strong>ch</strong> auf einen Krieg vorbereitet haben».<br />

Das Bu<strong>ch</strong> ist keine lei<strong>ch</strong>te Kost, aber vielfältig<br />

und berührend. Es zeigt, wie die Sowjetunion<br />

bis ins Heute na<strong>ch</strong>wirkt.<br />

Kapitalismus oder Demokratie?<br />

Der Kalte Krieg ist Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und die Konkurrenz<br />

zwis<strong>ch</strong>en kommunistis<strong>ch</strong>em und<br />

kapitalistis<strong>ch</strong>em Block weitgehend vorüber.<br />

Do<strong>ch</strong> damit rückt <strong>zu</strong>nehmend eine andere<br />

Bru<strong>ch</strong>stelle ins Bewusstsein: jene zwis<strong>ch</strong>en<br />

Kapitalismus und Demokratie. So<br />

z<strong>um</strong>indest sieht es Jakob Augstein in seinem<br />

Bu<strong>ch</strong> «Sabotage». Der Sohn von<br />

«Spiegel»-Gründer Rudolf Augstein ist im<br />

Untertitel sehr klar: «War<strong>um</strong> wir uns zwis<strong>ch</strong>en<br />

Demokratie und Kapitalismus ents<strong>ch</strong>eiden<br />

müssen». Der streitbare und <strong>um</strong>strittene<br />

linke Publizist hält ein Plädoyer<br />

dafür, Gere<strong>ch</strong>tigkeit, Gesetz, Glei<strong>ch</strong>heit,<br />

Demokratie und Freiheit <strong>zu</strong> verteidigen,<br />

sonst gehe die Gesells<strong>ch</strong>aft kaputt. «Aber<br />

wenn die Gesells<strong>ch</strong>aft kaputt ist, geht au<strong>ch</strong><br />

der Mens<strong>ch</strong> kaputt. Das wollten die Ideologen<br />

des Neoliberalismus lange Zeit ni<strong>ch</strong>t<br />

wahrhaben.» Die Bedrohung sieht er im<br />

Finanzkapitalismus. Au<strong>ch</strong> wenn Augstein<br />

von der Deuts<strong>ch</strong>en Politik ausgeht, wirft er<br />

Fragen auf, die von globaler Bedeutung<br />

sind. Die Lösungsvors<strong>ch</strong>läge sind ni<strong>ch</strong>t so<br />

eindeutig, do<strong>ch</strong> Augstein kreist <strong>um</strong> den Begriff<br />

der Gewalt und bringt den französis<strong>ch</strong>en<br />

Begriff der «Sabotage» ins Spiel:<br />

Dieser bezei<strong>ch</strong>net ni<strong>ch</strong>t Gewalt gegen Mens<strong>ch</strong>en,<br />

sondern gegen Sa<strong>ch</strong>en.<br />

Das Leben <strong>zu</strong>rückgewinnen<br />

Kapitalismus oder Demokratie? Diese gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Frage könnte auf individueller<br />

Ebene viellei<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> lauten: Arbeit<br />

oder Leben? So legt es uns z<strong>um</strong>indest Ulri<strong>ch</strong><br />

Renz in «Die Tyrannei der Arbeit»<br />

nahe. Und diese oder eine ähnli<strong>ch</strong>e Frage<br />

hat uns alle in der rastlosen Leistungsgesells<strong>ch</strong>aft<br />

s<strong>ch</strong>on einmal bes<strong>ch</strong>äftigt. Ulri<strong>ch</strong><br />

Renz’ Bu<strong>ch</strong> verspri<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t weniger <strong>als</strong><br />

die Antwort darauf, «wie wir die Herrs<strong>ch</strong>aft<br />

über unser Leben <strong>zu</strong>rückgewinnen».<br />

Do<strong>ch</strong> <strong>zu</strong>nä<strong>ch</strong>st <strong>zu</strong>r Problemstellung:<br />

Heute ist das, was wir einen Lebenslauf<br />

«Aber wenn die<br />

Gesells<strong>ch</strong>aft kaputt<br />

ist, geht au<strong>ch</strong> der<br />

Mens<strong>ch</strong> kaputt. Das<br />

wollten die Ideologen<br />

des Neoliberalismus<br />

lange Zeit<br />

ni<strong>ch</strong>t wahrhaben.»<br />

nennen, in Wirkli<strong>ch</strong>keit ein Berufslauf. Arbeit<br />

bestimmt unser ganzes Dasein. Mit<br />

dieser Feststellung provoziert der Autor<br />

zwei Fragen: Was soll daran s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t sein?<br />

Und wie sollen wir sonst unsere Bedürfnisse<br />

erfüllen? Ulri<strong>ch</strong> Renz s<strong>ch</strong>reibt in seiner<br />

Einleitung: «Zwar ist der Autor hoffnungsloser<br />

Romantiker und Freund von Utopien.<br />

Aber er ist ni<strong>ch</strong>t doof. Er weiss, dass wir<br />

alle von unserer Hände Arbeit leben, <strong>als</strong><br />

Einzelne wie <strong>als</strong> Gesells<strong>ch</strong>aft.» Do<strong>ch</strong> die<br />

Glaubensgewissheiten der Leistungsgesells<strong>ch</strong>aft<br />

seien inzwis<strong>ch</strong>en so fest in die<br />

Hirne einbetoniert, dass wir sie bedenkenlos<br />

an unsere Kinder weitergäben: Ihr<br />

Spiel soll sinnvoll sein, wir «fördern» sie<br />

und merken gar ni<strong>ch</strong>t, dass wir ihnen ihre<br />

Kindheit nehmen, indem wir sie <strong>zu</strong> Hoffnungsträgern<br />

auf dem Arbeitsmarkt ma<strong>ch</strong>en.<br />

Der Autor prangert aber an, dass wir<br />

uns keine Pausen mehr gönnen, weil wir<br />

glauben, das Rad bleibe dann stehen. Seine<br />

eigene Auflehnung gegen die Tyrannei der<br />

Arbeit hat der Arzt Ulri<strong>ch</strong> Renz hinter si<strong>ch</strong>:<br />

Er s<strong>ch</strong>miss seinen Job <strong>als</strong> Leiter eines medizinis<strong>ch</strong>en<br />

Fa<strong>ch</strong>verlags und wurde freier<br />

Autor. Das ist keine Lösung für alle. Wi<strong>ch</strong>tig<br />

sei aber, si<strong>ch</strong> aus der Erfolgsfalle <strong>zu</strong> befreien:<br />

«Es gehört <strong>zu</strong> den Gründungsmythen<br />

der Leistungsgesells<strong>ch</strong>aft, dass Erfolg mit<br />

Glück, ja mit Seelenheil identis<strong>ch</strong> ist.»<br />

Nur die Fakten<br />

Seelenheil ist ein gutes Sti<strong>ch</strong>wort für das<br />

nä<strong>ch</strong>ste Bu<strong>ch</strong>, denn es könnte diesem beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />

S<strong>ch</strong>aden <strong>zu</strong>fügen. Zu Beginn<br />

seines Bu<strong>ch</strong>s «Zehn Milliarden» gestattet<br />

si<strong>ch</strong> Stephen Emmott Emotionen: «Dies<br />

ist ein Bu<strong>ch</strong> über uns. Es ist ein Bu<strong>ch</strong> über<br />

Sie, Ihre Kinder, Ihre Eltern, Ihre Freunde.<br />

Es geht <strong>um</strong> jeden Einzelnen von uns. Und<br />

<strong>um</strong> unser Versagen. Unser Versagen <strong>als</strong> Individuen,<br />

das Versagen der Wirts<strong>ch</strong>aft und<br />

das unserer Politiker. Es geht <strong>um</strong> einen<br />

beispiellosen Notfall planetaris<strong>ch</strong>en Ausmasses.<br />

Und <strong>um</strong> unsere Zukunft.» Der<br />

Mann, der si<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> so alarmistis<strong>ch</strong>en Tönen<br />

hinreissen lässt, ist kein ideologieverblendeter<br />

Umweltaktivist, sondern Professor in<br />

Oxford und Leiter eines von Microsoft aufgebauten<br />

Fors<strong>ch</strong>ungslabors für computer-<br />

ISBN 978-3-404-16833-0


26 | Spezial – Zeitges<strong>ch</strong>ehen <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

gestützte Naturwissens<strong>ch</strong>aften. Deshalb<br />

wird er na<strong>ch</strong> der Einleitung ganz sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>.<br />

Er präsentiert neueste, z<strong>um</strong> Teil no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

veröffentli<strong>ch</strong>te Fakten <strong>zu</strong>r Lage des Planeten<br />

und seiner Bewohner. Er leitet her, wie<br />

die Erdbevölkerung in kürzester Zeit von<br />

einer auf sieben Milliarden Mens<strong>ch</strong>en angewa<strong>ch</strong>sen<br />

ist und s<strong>ch</strong>on bald die S<strong>ch</strong>welle<br />

von zehn Milliarden übers<strong>ch</strong>reiten wird.<br />

Für die Herstellung eines Burgers brau<strong>ch</strong>t<br />

man 3000 Liter Wasser. Wir produzieren in<br />

einem Jahr mehr Russ <strong>als</strong> die Mens<strong>ch</strong>heit<br />

im gesamten Mittelalter und fliegen allein<br />

in diesem Jahr se<strong>ch</strong>s Billionen Kilometer.<br />

Besserung verspri<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> Emmott weniger<br />

von der Te<strong>ch</strong>nik <strong>als</strong> von einem radikal<br />

<strong>um</strong>gekrempelten Wirts<strong>ch</strong>aftssystem, Kinder<br />

sollten wir mögli<strong>ch</strong>st wenige in die<br />

Welt setzen. Der faktengestützte Pessimist<br />

meint: «I<strong>ch</strong> glaube, wir sind ni<strong>ch</strong>t <strong>zu</strong> retten.<br />

I<strong>ch</strong> hoffe ja selbst, dass i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> irre.<br />

Aber alle Erkenntnisse, die die Wissens<strong>ch</strong>aft<br />

uns derzeit liefert, deuten darauf<br />

hin, dass i<strong>ch</strong> ri<strong>ch</strong>tig liege.» Das Bu<strong>ch</strong> ist<br />

lei<strong>ch</strong>t <strong>zu</strong> <strong>lesen</strong> und überzeugt – aber viellei<strong>ch</strong>t<br />

sollte man es bei depressiven Verstimmungen<br />

ni<strong>ch</strong>t <strong>zu</strong>r Hand nehmen.<br />

Ist die Zeit aus den Fugen?<br />

Aufstieg und Fall des Zeitregimes<br />

der Moderne<br />

Aleida Assmann<br />

272 Seiten<br />

CHF 36.90<br />

Hanser<br />

Secondhand-Zeit<br />

Leben auf den Trümmern des<br />

Sozialismus<br />

Swetlana Alexijewits<strong>ch</strong><br />

592 Seiten<br />

CHF 42.90<br />

Hanser<br />

Sabotage<br />

War<strong>um</strong> wir uns zwis<strong>ch</strong>en Demokratie<br />

und Kapitalismus ents<strong>ch</strong>eiden<br />

müssen<br />

Jakob Augstein<br />

304 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Hanser<br />

Die Tyrannei der Arbeit<br />

Wie wir die Herrs<strong>ch</strong>aft über unser<br />

Leben <strong>zu</strong>rückgewinnen<br />

Ulri<strong>ch</strong> Renz<br />

240 Seiten<br />

CHF 28.90<br />

Ludwig<br />

Zehn Milliarden<br />

Stephen Emmott<br />

220 Seiten<br />

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Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Spezial – Zeitges<strong>ch</strong>ehen | 27<br />

«Der Erste erzielt<br />

höhere Auflagen»<br />

Zeitges<strong>ch</strong>ehen in Bu<strong>ch</strong>form fest<strong>zu</strong>halten, ist eine Kunst für si<strong>ch</strong> –<br />

eine Kunst, die ni<strong>ch</strong>t nur von den Autorinnen und Autoren, sondern<br />

au<strong>ch</strong> von den Verlagen viel abverlangt. Sebastian Ullri<strong>ch</strong>, Lektor für<br />

Zeitges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und Politik im Verlag C.H.Beck sowie Programmleiter<br />

Paperback, gewährt einen Einblick in seine Arbeit.<br />

Erik Brühlmann<br />

«<strong>Books</strong>»: Sebastian Ullri<strong>ch</strong>, was z<strong>um</strong><br />

«Zeitges<strong>ch</strong>ehen» gehört, ist s<strong>ch</strong>ier uferlos.<br />

Wie definieren Sie den Begriff?<br />

Sebastian Ullri<strong>ch</strong>: I<strong>ch</strong> würde ihn so<br />

uferlos belassen, wie er ist. Für die Programmma<strong>ch</strong>er<br />

der Verlage geht es dar<strong>um</strong>,<br />

in den unendli<strong>ch</strong>en Weiten des Zeitges<strong>ch</strong>ehens<br />

die Inseln des Publik<strong>um</strong>sinteresses<br />

ausz<strong>um</strong>a<strong>ch</strong>en. Und selbst wenn man<br />

diese Inseln dur<strong>ch</strong> das Fernrohr erspäht<br />

hat, ist ni<strong>ch</strong>t gesagt, dass man sie mit<br />

den vom Stapel gelassenen Bü<strong>ch</strong>ern au<strong>ch</strong><br />

errei<strong>ch</strong>t.<br />

Wer ents<strong>ch</strong>eidet na<strong>ch</strong> wel<strong>ch</strong>en Kriterien,<br />

wel<strong>ch</strong>e Themen für ein Bu<strong>ch</strong> in Frage<br />

kommen?<br />

Um im Glei<strong>ch</strong>nis <strong>zu</strong> bleiben: Man kann<br />

si<strong>ch</strong> das vorstellen wie eine frühneuzeitli<strong>ch</strong>e<br />

Entdeckungsfahrt in die aussereuropäis<strong>ch</strong>e<br />

Welt. Natürli<strong>ch</strong> gibt es grobe<br />

Vorstellungen davon, wel<strong>ch</strong>e Themen<br />

si<strong>ch</strong> eher für ein Bu<strong>ch</strong> eignen und für<br />

wel<strong>ch</strong>e ein Zeits<strong>ch</strong>riftenartikel ausrei<strong>ch</strong>t.<br />

Langjährige Erfahrungen mit aktuellen<br />

Bü<strong>ch</strong>ern und ausgiebige Zeitungslektüre<br />

helfen <strong>zu</strong>dem, ein Gespür für marktgängige<br />

Themen und Bu<strong>ch</strong>typen <strong>zu</strong> entwickeln.<br />

Aber es ist do<strong>ch</strong> jedes Mal ein Aufbru<strong>ch</strong><br />

ins Ungewisse. S<strong>ch</strong>eitern und S<strong>ch</strong>iffbru<strong>ch</strong><br />

sind immer mögli<strong>ch</strong>, ebenso wie au<strong>ch</strong><br />

Zufallsfunde und unerwartete Erfolge.<br />

Wer Si<strong>ch</strong>erheit will und feste Kriterien<br />

für seine Ents<strong>ch</strong>eidungsfindung brau<strong>ch</strong>t,<br />

sollte vom aktuellen Sa<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong> eher die<br />

Finger lassen. Ein biss<strong>ch</strong>en Neugierde<br />

und Risikobereits<strong>ch</strong>aft gehören da<strong>zu</strong>. Mit<br />

dem Erwartbaren wird man eher keinen<br />

Erfolg haben – es sei denn, der Autor oder<br />

die Autorin ist so beliebt, dass man au<strong>ch</strong><br />

ein Telefonbu<strong>ch</strong> aus ihrer oder seiner<br />

Feder kaufen würde.<br />

Wie kommt man <strong>zu</strong> den entspre<strong>ch</strong>enden<br />

Autoren? Werden z<strong>um</strong> Beispiel na<strong>ch</strong><br />

einem Ereignis wie 9/11 automatis<strong>ch</strong><br />

mehr Manuskripte <strong>zu</strong> diesem Thema<br />

eingerei<strong>ch</strong>t, oder geht man <strong>als</strong> Verlag<br />

au<strong>ch</strong> aktiv auf die Su<strong>ch</strong>e?<br />

Na<strong>ch</strong> meiner Erfahrung taugen gerade<br />

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Rösslitor Bü<strong>ch</strong>er St.Gallen


28 | Spezial – Zeitges<strong>ch</strong>ehen <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

«Man brau<strong>ch</strong>t in<br />

diesem Segment<br />

Titel, die s<strong>ch</strong>nell<br />

hohe Auflagen<br />

erzielen. Themenwahl<br />

und Design<br />

der Bü<strong>ch</strong>er müssen<br />

<strong>als</strong>o sitzen und einen<br />

Nerv treffen.»<br />

im Segment des aktuellen Sa<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong>s die<br />

unverlangt eingesandten Manuskripte<br />

nur äusserst selten <strong>zu</strong>r Veröffentli<strong>ch</strong>ung.<br />

In der Regel gehen die Anregungen von<br />

den Verlagen oder den Agenten aus, die<br />

gezielt geeignete Autorinnen und Autoren<br />

für die von ihnen für attraktiv gehaltenen<br />

Themen su<strong>ch</strong>en.<br />

Wie s<strong>ch</strong>nell muss man reagieren können,<br />

<strong>um</strong> ein Thema ni<strong>ch</strong>t <strong>zu</strong> verpassen? Und<br />

werden Manuskripte <strong>zu</strong> ho<strong>ch</strong>aktuellen<br />

Themen s<strong>ch</strong>neller bearbeitet <strong>als</strong> sol<strong>ch</strong>e<br />

<strong>zu</strong> «zeitlosen» Themen?<br />

Der Zeitfaktor spielt bei aktuellen Themen<br />

eine sehr grosse Rolle. Es ist ein biss<strong>ch</strong>en<br />

wie bei den grossen Konquistadoren:<br />

Wer <strong>zu</strong>erst seine Flagge in die Erde der<br />

neuen Welt rammte, dem gehörte das<br />

Gebiet. Wer bei einem aktuellen Thema<br />

<strong>als</strong> erster auf dem Markt ist, der erzielt<br />

deutli<strong>ch</strong> höhere Auflagen. Deswegen sind<br />

natürli<strong>ch</strong> die Produktionsfristen in diesem<br />

Segment viel kürzer. Man muss dann den<br />

S<strong>ch</strong>reibtis<strong>ch</strong> frei rä<strong>um</strong>en und das Bu<strong>ch</strong><br />

in kürzester Zeit dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>leusen – na<strong>ch</strong><br />

Mögli<strong>ch</strong>keit ohne Abstri<strong>ch</strong>e bei der Qualität<br />

<strong>zu</strong> ma<strong>ch</strong>en. Das ist für alle Beteiligten<br />

jedes Mal aufs Neue eine grosse Herausforderung.<br />

Wie ist die «Halbwertszeit» sol<strong>ch</strong>er Bü<strong>ch</strong>er,<br />

oder anders: Geht man davon aus,<br />

dass es von den allermeisten Veröffentli<strong>ch</strong>ungen<br />

nur eine Auflage geben wird?<br />

Die Halbwertszeit ist deutli<strong>ch</strong> kürzer <strong>als</strong><br />

etwa bei einer Gesamtdarstellung <strong>zu</strong>r<br />

römis<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te. Aktuelle Themen<br />

unterliegen einer s<strong>ch</strong>nellen Veränderung,<br />

und in unserer Mediengesells<strong>ch</strong>aft ist die<br />

Aufmerksamkeitsspanne ni<strong>ch</strong>t mehr all<strong>zu</strong><br />

lang, au<strong>ch</strong> bei wi<strong>ch</strong>tigen Themen. Das<br />

heisst aber ni<strong>ch</strong>t, dass man generell nur<br />

mit einer Auflage re<strong>ch</strong>net. Wäre das titelübergreifend<br />

der Fall, liessen si<strong>ch</strong> diese<br />

Bü<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t kalkulieren. Man brau<strong>ch</strong>t<br />

in diesem Segment Titel, die s<strong>ch</strong>nell hohe<br />

Auflagen erzielen. Themenwahl und<br />

Design der Bü<strong>ch</strong>er müssen <strong>als</strong>o sitzen und<br />

einen Nerv treffen.<br />

Kommt man <strong>als</strong> Bu<strong>ch</strong>verlag gegen die<br />

Ges<strong>ch</strong>windigkeit des Internets no<strong>ch</strong> an?<br />

Wie hebt man si<strong>ch</strong> von den Internet-<br />

Infos ab?<br />

In der Tat ist das Internet neben Zeitungen<br />

und Zeits<strong>ch</strong>riften eine grosse<br />

Konkurrenz für das aktuelle Sa<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong>.<br />

Bloss die wi<strong>ch</strong>tigsten Informationen <strong>zu</strong><br />

einem aktuellen Thema <strong>zu</strong>sammen <strong>zu</strong><br />

stellen, rei<strong>ch</strong>t daher s<strong>ch</strong>on lange ni<strong>ch</strong>t<br />

mehr aus. Damit ein Bu<strong>ch</strong> in diesem<br />

Segment erfolgrei<strong>ch</strong> ist, muss mehr da<strong>zu</strong><br />

kommen. Eine originelle These etwa oder<br />

ein neuer Blickwinkel, die geeignet sind,<br />

BILDBAND<br />

SWISS VISION<br />

Mit Swiss Vision hat der renommierte Lands<strong>ch</strong>aftsfotograf<br />

Patrick Loerts<strong>ch</strong>er ein wahres Meisterwerk der Extraklasse<br />

ges<strong>ch</strong>affen, so<strong>zu</strong>sagen eine Liebeserklärung an seine Heimat,<br />

das die besonderen Werte der S<strong>ch</strong>weiz in ihrer ganzen<br />

Ursprüngli<strong>ch</strong>keit und S<strong>ch</strong>önheit festhält.<br />

Ein aussergewöhnli<strong>ch</strong>er Bildband, der si<strong>ch</strong> an alle Mens<strong>ch</strong>en<br />

wendet, wel<strong>ch</strong>e die S<strong>ch</strong>weiz lieben und mit viel Freude<br />

die visuelle S<strong>ch</strong>önheit dieses einzigartigen Landes mitten in<br />

Europa geniessen oder weiterrei<strong>ch</strong>en mö<strong>ch</strong>ten.<br />

Bildband Swiss Vision von Patrick Loerts<strong>ch</strong>er<br />

mit einem Vorwort von Adolf Ogi<br />

dur<strong>ch</strong>gehend deuts<strong>ch</strong>/englis<strong>ch</strong><br />

gekürzte Fassung im Anhang: f, i, sp, jap, <strong>ch</strong>in, r<br />

208 Seiten, ca. 150 Farbabbildungen<br />

Gegliedert in 14 S<strong>ch</strong>weizer Regionen<br />

30.5 x 24 cm, Leinenband mit S<strong>ch</strong>utz<strong>um</strong>s<strong>ch</strong>lag<br />

ISBN: 978-3-905987-12-6<br />

In allen Orell Füssli-<br />

Fillialen ist au<strong>ch</strong> der<br />

grossformatige Kalender<br />

Li<strong>ch</strong>tvisionen S<strong>ch</strong>weiz 2014<br />

von Patrick Loerts<strong>ch</strong>er<br />

erhältli<strong>ch</strong>.


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Spezial – Zeitges<strong>ch</strong>ehen | 29<br />

gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e oder politis<strong>ch</strong>e Debatten<br />

an<strong>zu</strong>stossen. Sehr wi<strong>ch</strong>tig ist au<strong>ch</strong> der<br />

Autor oder die Autorin. Er oder sie muss<br />

das Thema oder die These glaubwürdig<br />

vertreten können. Und au<strong>ch</strong> die Art der<br />

Darbietung ist wi<strong>ch</strong>tig. Die Zeiten, in<br />

denen man si<strong>ch</strong> auf eine Art Bildungsverpfli<strong>ch</strong>tung<br />

des Publik<strong>um</strong>s <strong>zu</strong>rückziehen<br />

konnte, sind definitiv vorbei. Wer sein<br />

Publik<strong>um</strong> errei<strong>ch</strong>en will, sollte <strong>zu</strong>gängli<strong>ch</strong><br />

und unterhaltsam s<strong>ch</strong>reiben können.<br />

Insgesamt bin i<strong>ch</strong> aber sehr optimistis<strong>ch</strong>,<br />

was die Zukunft des aktuellen Sa<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong>s<br />

angeht. Immer wieder regen sol<strong>ch</strong>e<br />

Bü<strong>ch</strong>er au<strong>ch</strong> in unserer auf das Internet<br />

fixierten Zeit Debatten an und halten das<br />

Publik<strong>um</strong> in Atem. Mir s<strong>ch</strong>eint sogar, dass<br />

sie dies besser s<strong>ch</strong>affen <strong>als</strong> etwa Zeitungen<br />

und Zeits<strong>ch</strong>riften.<br />

Wel<strong>ch</strong>es sind die gerade aktuellen<br />

Themen?<br />

Da gibt es viele. Bei uns ers<strong>ch</strong>eint etwa in<br />

den nä<strong>ch</strong>sten Tagen ein aktuelles Bu<strong>ch</strong> <strong>zu</strong><br />

Syrien aus der Feder von Rupert Neudeck,<br />

dem Gründer der Hilfsorganisationen<br />

Cap Anamur und Grünhelme. Er hat<br />

dort unter s<strong>ch</strong>wierigsten Bedingungen<br />

h<strong>um</strong>anitäre Hilfe geleistet. Ein dramatis<strong>ch</strong>er<br />

und berührender Beri<strong>ch</strong>t aus dem<br />

Inneren eines Bürgerkriegs. Innenpolitis<strong>ch</strong><br />

ist natürli<strong>ch</strong> die wa<strong>ch</strong>sende gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Unglei<strong>ch</strong>heit ein wi<strong>ch</strong>tiges<br />

Thema. Das Bu<strong>ch</strong> des grossen Historikers<br />

Hans-Ulri<strong>ch</strong> Wehler über «Die neue Umverteilung»<br />

etwa ist seit Wo<strong>ch</strong>en auf der<br />

deuts<strong>ch</strong>en Bestsellerliste. Und wir haben<br />

die erste zeithistoris<strong>ch</strong>e Einordnung der<br />

rot-grünen Jahre unter Bundeskanzler<br />

Gerhard S<strong>ch</strong>röder im Programm. Der<br />

Historiker Edgar Wolfr<strong>um</strong> hat si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong><br />

Berge exklusiven Ar<strong>ch</strong>ivmateri<strong>als</strong> gewühlt<br />

und mit allen Protagonisten ausführli<strong>ch</strong><br />

gespro<strong>ch</strong>en. Aber da sieht man s<strong>ch</strong>on,<br />

wie sehr die Aktualität eines Themas von<br />

Land <strong>zu</strong> Land unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> sein kann.<br />

In Deuts<strong>ch</strong>land steht Rot-Grün im Zentr<strong>um</strong><br />

aktueller Debatten – wie das in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz aussieht, kann i<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on ni<strong>ch</strong>t<br />

mehr beurteilen.<br />

Sebastian Ullri<strong>ch</strong>, Lektor für Zeitges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

und Politik im Verlag C.H.Beck<br />

sowie Programmleiter Paperback.<br />

C.H.Beck<br />

Der Verlag C.H.Beck – benannt na<strong>ch</strong> seinem<br />

Gründer Carl Gottlob Beck – zählt <strong>zu</strong><br />

den grössten und renommiertesten Verlagen<br />

Deuts<strong>ch</strong>lands. Bekannt ist er vor allem<br />

für seine Publikationen in den Berei<strong>ch</strong>en<br />

(Zeit-)Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, Ethnologie, Literatur-<br />

und Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aften, Religion,<br />

Philosophie, Politik- und Sozialwissens<strong>ch</strong>aften<br />

sowie Kunst und Ar<strong>ch</strong>itektur. C.H.Beck<br />

wurde 1763 gegründet und feiert somit<br />

dieses Jahr sein 250-jähriges Bestehen.<br />

«Wohlbefinden ist für<br />

mi<strong>ch</strong> der S<strong>ch</strong>lüssel<br />

<strong>zu</strong>r Lebensfreude.»<br />

«I<strong>ch</strong><br />

«I<strong>ch</strong><br />

mö<strong>ch</strong>te<br />

mö<strong>ch</strong>te<br />

mein<br />

mein Leben<br />

Leben<br />

individuell<br />

individuell<br />

und<br />

und<br />

exklusiv<br />

exklusiv<br />

gestalten.<br />

gestalten.<br />

Deshalb<br />

Deshalb<br />

habe<br />

habe<br />

i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong><br />

i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong><br />

für eine<br />

für<br />

TERTIANUM<br />

eine TER-<br />

TIANUM Residenz Residenz ents<strong>ch</strong>ieden. ents<strong>ch</strong>ieden. Hier lebe i<strong>ch</strong> Hier na<strong>ch</strong> lebe meinen i<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Vorstellungen meinen Vorstellungen und Komfortansprü<strong>ch</strong>en, und Komfortansprü<strong>ch</strong>en, profitiere von<br />

profitiere <strong>um</strong>fassenden von <strong>um</strong>fassenden Dienstleistungen Dienstleistungen und lasse mi<strong>ch</strong> und von lasse vielseitigen mi<strong>ch</strong> von Aktivitäten vielseitigen inspirieren.» Aktivitäten inspirieren.»<br />

TERTIANUM<br />

TERTIANUM Residenzen<br />

Residenzen<br />

gibt<br />

gibt<br />

es an an guten guten Adressen Adressen in in der der<br />

Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weiz und und im im Tessin. Tessin.<br />

www.tertian<strong>um</strong>.<strong>ch</strong> Telefon: 043 544 15 15


30 | Bu<strong>ch</strong>tipps <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

Thomas Koebner<br />

Roman Polanski –<br />

Der Blick der<br />

Verfolgten. Eine<br />

Biographie<br />

Susannah Cahalan<br />

Feuer im Kopf<br />

Daniela S<strong>ch</strong>wegler<br />

Tra<strong>um</strong> Alp –<br />

Älplerinnen im<br />

Porträt<br />

Gabriela Vetter<br />

Fremdgehen<br />

– Was dann?<br />

Die Filme von Roman Polanski<br />

haben selten ein Happy End, aber<br />

sie baden au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t in der Lust an<br />

der Katastrophe. Die Konstellation<br />

von Verfolger und Verfolgten, Ma<strong>ch</strong>t<br />

und Ohnma<strong>ch</strong>t prägt alle grossen<br />

Filme des Regisseurs, und eines bleibt<br />

immer glei<strong>ch</strong>: Polanski sieht die Welt<br />

dur<strong>ch</strong> die Augen der Opfer. Ka<strong>um</strong><br />

einem Künstler seiner Generation<br />

wurde so viel Ruhm und Glück für<br />

sein <strong>um</strong>fangrei<strong>ch</strong>es S<strong>ch</strong>affen <strong>zu</strong>teil –<br />

und keinem sind in seinem Leben so<br />

tiefe Wunden ges<strong>ch</strong>lagen worden.<br />

Die grosse Biografie z<strong>um</strong> 80. Geburtstag<br />

des gebürtigen Polen nimmt<br />

die we<strong>ch</strong>selvolle Lebenserfahrung und<br />

das vielgestaltige Werk <strong>zu</strong>sammen in<br />

den Blick und lässt es si<strong>ch</strong> we<strong>ch</strong>selseitig<br />

erklären.<br />

Kann man über Na<strong>ch</strong>t verrückt werden?<br />

Ja, man kann. Dies hat die junge<br />

Journalistin Susannah Cahalan am<br />

eigenen Leib – oder besser: im eigenen<br />

Kopf – erlebt. Auf s<strong>ch</strong>merzhafte,<br />

lebensbedrohli<strong>ch</strong>e und s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> gut<br />

ausgehende Art und Weise.<br />

In «Feuer im Kopf» erzählt sie<br />

ihre Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te zwis<strong>ch</strong>en Leben,<br />

Wahnsinn und Rettung mitreissend,<br />

eindrucksvoll und fesselnd.<br />

Ihr authentis<strong>ch</strong>er Erfahrungs- und<br />

S<strong>ch</strong>icks<strong>als</strong>beri<strong>ch</strong>t ist so spannend wie<br />

bewegend. Hier bri<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> ein großes<br />

S<strong>ch</strong>reibtalent Bahn!<br />

Mit dem Alpauftrieb zieht es jedes<br />

Jahr etli<strong>ch</strong>e Stadt- und Landmens<strong>ch</strong>en<br />

hinauf auf die Alp – besonders<br />

Frauen. Dort ma<strong>ch</strong>en sie den<br />

Sommer über Käse und hüten sie<br />

Ziegen, Kühe, Rinder, Pferde, S<strong>ch</strong>afe<br />

oder neuerdings au<strong>ch</strong> Lamas. Daniela<br />

S<strong>ch</strong>wegler hat Älplerinnen unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>ster<br />

Couleur auf der Alp<br />

besu<strong>ch</strong>t. Die 15 Frauen zwis<strong>ch</strong>en 20<br />

und 75 Jahren erzählen, wie sie den<br />

Alpsommer erleben und erleiden und<br />

wie sie si<strong>ch</strong> an Natur, Tieren, Sonne<br />

und dem Himmel erfreuen. Das Bu<strong>ch</strong><br />

gibt Einblicke in den gelebten Tra<strong>um</strong><br />

von der Alp, der für einige all<strong>zu</strong><br />

Blauäugige au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>nell z<strong>um</strong> Albtra<strong>um</strong><br />

werden kann. Jedes Porträt wird mit<br />

einem attraktiven Wandervors<strong>ch</strong>lag<br />

von der jeweiligen Alp aus und mit einem<br />

Älplerinnen-Rezept abgerundet.<br />

Mit 180 Farbfotos von Vanessa<br />

Püntener.<br />

Sie stecken in einer s<strong>ch</strong>wierigen<br />

Lebenssituation, die Sie verheimli<strong>ch</strong>en<br />

müssen. Sie fühlen si<strong>ch</strong> allein,<br />

ausgeliefert und verloren. Ihr «böses»<br />

Geheimnis quält Sie. Es spri<strong>ch</strong>t Ihnen<br />

jemand in dieser Angelegenheit<br />

aus der Seele, sieht Auswege, die<br />

Sie ermutigen, Ihr Leiden konkret<br />

an<strong>zu</strong>gehen. Es werden Ihnen Wege<br />

aufgezeigt, sowohl die momentane<br />

Situation <strong>als</strong> au<strong>ch</strong> deren Ursa<strong>ch</strong>en <strong>zu</strong><br />

klären. Das Bu<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ildert mit der<br />

Liebesges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te zwis<strong>ch</strong>en Dagmar<br />

und Fabian eine gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong><br />

verpönte, versteckte Beziehung: eine<br />

Aussenbeziehung. Es will die Angelegenheit<br />

ni<strong>ch</strong>t gutheissen, sondern bietet<br />

dem Leser mittels psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>er<br />

Betra<strong>ch</strong>tungen und Übungen Impulse<br />

an, si<strong>ch</strong> selbst <strong>zu</strong> helfen und si<strong>ch</strong> neu<br />

<strong>zu</strong> orientieren. Dem ni<strong>ch</strong>t persönli<strong>ch</strong><br />

betroffenen Leser kann es helfen<br />

inne<strong>zu</strong>halten und <strong>zu</strong> si<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> finden.<br />

256 Seiten<br />

CHF 37.90<br />

Reclam<br />

ISBN 978-3-15-010936-6<br />

304 Seiten<br />

CHF 28.90<br />

MVG<br />

ISBN 978-3-86882-467-4<br />

256 Seiten<br />

CHF 41.90<br />

Rotpunktverlag<br />

ISBN 978-3-85869-557-4<br />

138 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

FO-Publishing<br />

ISBN 978-3-905681-80-2


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf BUCHtipps | 31<br />

Peter Allmend<br />

Elision – Begegnung<br />

mit einer<br />

Weisen<br />

Ein Zür<strong>ch</strong>er Anwalt zieht si<strong>ch</strong> für<br />

einige Tage in die Berge <strong>zu</strong>rück und<br />

trifft dort vor einer Almhütte völlig<br />

unerwartet eine ungewöhnli<strong>ch</strong>e Frau.<br />

Er erkennt allmähli<strong>ch</strong>, dass er es mit<br />

einer Meisterseele <strong>zu</strong> tun hat, die ihn<br />

in die grossen Geheimnisse des Lebens<br />

einweiht. Was diese Wesenheit,<br />

die si<strong>ch</strong> ihm gegenüber Elision nennt,<br />

ihm über Verzeihen und Güte, über<br />

Glück und den Sinn des Lebens, über<br />

Tiere und Pflanzen, über die Geistige<br />

Welt und das innere Erwa<strong>ch</strong>en oder<br />

über das Geheimnis der Liebe erzählt,<br />

lässt ihn <strong>zu</strong> einem neuen Mens<strong>ch</strong>en<br />

reifen. «Das grösste Glück jedo<strong>ch</strong><br />

ist, überhaupt die Fähigkeit <strong>zu</strong> haben,<br />

glückli<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> sein. Vielen Mens<strong>ch</strong>en begegnet<br />

das Glück, aber sie sind ni<strong>ch</strong>t<br />

in der Lage, es <strong>zu</strong> erkennen.»<br />

Christine Fivian<br />

Das Bild<br />

«Das Bild» ist ein Bu<strong>ch</strong> über die Ambivalenz<br />

des Lebens und der Liebe;<br />

über Ma<strong>ch</strong>tverhältnisse zwis<strong>ch</strong>en<br />

den Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tern; über Beziehungen<br />

– zwis<strong>ch</strong>en Paul, dem Maler<br />

des Bildes, und drei Frauen: Alma,<br />

seiner Lebenspartnerin, Lisa, seiner<br />

ersten Liebe, und Mona, mit der er<br />

eine leidens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Affäre hatte.<br />

Und zwis<strong>ch</strong>en den drei Frauen, die<br />

so vers<strong>ch</strong>ieden und do<strong>ch</strong> untrennbar<br />

miteinander verbunden sind. Sie<br />

erinnern si<strong>ch</strong> an Brü<strong>ch</strong>e in ihrem Leben.<br />

Brü<strong>ch</strong>e, die ni<strong>ch</strong>t nur das Leben<br />

verändern, sondern si<strong>ch</strong> prägend auf<br />

die Vorstellungswelt auswirken. Eine<br />

Vorstellungswelt, die man<strong>ch</strong>mal so<br />

ganz anders aussieht, <strong>als</strong> die Realität.<br />

Oder die vermeintli<strong>ch</strong>e Realität.<br />

Wanderwelt & Co.:<br />

Die s<strong>ch</strong>önsten<br />

Wanderungen<br />

S<strong>ch</strong>weiz<br />

Der nä<strong>ch</strong>ste Herbst kommt bestimmt –<br />

und damit au<strong>ch</strong> die s<strong>ch</strong>önste Zeit,<br />

die S<strong>ch</strong>weiz auf einer Wanderung <strong>zu</strong><br />

entdecken. Mit diesem bebilderten<br />

Führer wird bereits die Auswahl der<br />

nä<strong>ch</strong>sten Tour z<strong>um</strong> wahren Vergnügen<br />

und ma<strong>ch</strong>t Lust auf mehr. Die<br />

Auswahl an vers<strong>ch</strong>iedenen Routen ist<br />

gross: Das handli<strong>ch</strong>e Werk stellt 50<br />

Touren vor, verteilt über die ganze<br />

S<strong>ch</strong>weiz. Keine wi<strong>ch</strong>tige Information<br />

fehlt. S<strong>ch</strong>wierigkeitsgrade, Wanderzeit,<br />

Anfahrtsroute sowie Verpflegungs-<br />

und Überna<strong>ch</strong>tungsmögli<strong>ch</strong>keiten<br />

werden bes<strong>ch</strong>rieben. Praktis<strong>ch</strong>e<br />

Kartenauss<strong>ch</strong>nitte, Erklärungen <strong>zu</strong><br />

den Signalisationen der Wanderwege<br />

und selbst ein kleines Handbu<strong>ch</strong> <strong>zu</strong>r<br />

Wetterkunde sind in diesem unverzi<strong>ch</strong>tbaren<br />

Führer <strong>zu</strong> finden.<br />

Niklas Böwer<br />

tiptoi ® Wieso?<br />

Weshalb?<br />

War<strong>um</strong>?<br />

Die Welt der<br />

Fahrzeuge<br />

S<strong>ch</strong>on ganz kleine Jungs – und man<strong>ch</strong>mal<br />

au<strong>ch</strong> Mäd<strong>ch</strong>en – sind fasziniert<br />

von allem, was einen Motor hat. Ob<br />

Formel-1-Rennwagen, Sattels<strong>ch</strong>lepper<br />

oder Traktor, hier br<strong>um</strong>mt, knattert<br />

und röhrt es. Mit tiptoi ® , dem interaktiven<br />

klingenden Lernspiel, erfahren<br />

die Kinder Wissenswertes über die<br />

vers<strong>ch</strong>iedenen Fahrzeuge und ihre<br />

Aufgaben. Beim Besu<strong>ch</strong> in einer<br />

Autofabrik sind sie bei der Produktion<br />

eines Autos hautnah dabei. Dann<br />

nehmen sie die Rettungsfahrzeuge<br />

ganz genau unter die Lupe. Und beim<br />

Formel-1-Rennen flitzen die Autos<br />

nur so an ihnen vorbei, und sie hören<br />

beim Boxenstopp die gut abgestimmten<br />

Befehlsrufe des Rennteams.<br />

160 Seiten<br />

CHF 23.90<br />

Aquamarin<br />

ISBN 978-3-89427-625-6<br />

160 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Xanthippe<br />

ISBN 978-3-905795-26-4<br />

140 Seiten<br />

CHF 21.90<br />

Hallwag Kümmerly + Frey<br />

ISBN 978-3-259-03721-8<br />

Ab 4 Jahren, 16 Seiten<br />

CHF 35.90<br />

Ravensburger<br />

ISBN 978-3-473-32912-0


32 | Kaffeepause <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

Die Debatte<br />

Was ma<strong>ch</strong>en Bu<strong>ch</strong>händler in der Kaffeepause? Sie plaudern<br />

über Bü<strong>ch</strong>er. «<strong>Books</strong>» hat si<strong>ch</strong> im Starbucks im Kramhof<br />

an der Zür<strong>ch</strong>er Bahnhofstrasse <strong>zu</strong> den Orell-Füssli-Mitarbeitenden<br />

Bettina Zeidler und Dario Widmer gesetzt.<br />

Marius Leutenegger<br />

Erik Brühlmann<br />

Last Exit to El Paso<br />

Fritz Rudolf Fries<br />

192 Seiten<br />

CHF 31.90<br />

Wallstein<br />

Der Weg des Falken<br />

Jamil Ahmad<br />

186 Seiten<br />

CHF 34.90<br />

Hoffmann und Campe<br />

Gleis 4<br />

Franz Hohler<br />

219 Seiten<br />

CHF 26.90<br />

Lu<strong>ch</strong>terhand<br />

«<strong>Books</strong>»: Ladies first: Bettina, wel<strong>ch</strong>es<br />

Bu<strong>ch</strong> hast du mitgebra<strong>ch</strong>t?<br />

Bettina Zeidler (BZ): «Last Exit to El<br />

Paso» des ostdeuts<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riftstellers<br />

Fritz Rudolf Fries. Die Hauptfigur, Pierre<br />

Arronax, ist wohl etwa so alt wie der<br />

77-jährige Autor. Er lebt <strong>zu</strong>rückgezogen<br />

in seinem Haus, betreut von seinem<br />

Hausmäd<strong>ch</strong>en Kathleen, mit der er gern<br />

eine erotis<strong>ch</strong>e Beziehung hätte. Regelmässig<br />

trifft si<strong>ch</strong> Arronax mit seinem alten<br />

Freund Arcimboldo, mit dem er fantastis<strong>ch</strong>e<br />

Szenarien für nie ges<strong>ch</strong>riebene<br />

Romane oder Filmdrehbü<strong>ch</strong>er entwirft.<br />

Eines Tages erfahren die beiden per<br />

Telefon, dass sie eine Weltreise gewonnen<br />

haben. Diese Reise entpuppt si<strong>ch</strong> aber <strong>als</strong><br />

Wettrennen von New York na<strong>ch</strong> El Paso –<br />

Arronax wird von Kathleen begleitet und<br />

nimmt die Ostroute, Arcimboldo reist<br />

mit seinem Sohn, einem Drehbu<strong>ch</strong>autor,<br />

die Westküste hinunter. Die Reisenden<br />

kommen in billigen Hotelketten unter,<br />

werden in einen Kunstraub verwickelt,<br />

bei dem viellei<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> Kathleen ihre<br />

Hände im Spiel hat, es geht <strong>um</strong> Spionage<br />

und Affären. Allerdings weiss man nie<br />

genau, was si<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong> ereignet und was<br />

nur eine Vision von Arronax ist. «Last Exit<br />

to El Paso» ist ein S<strong>ch</strong>elmenroman, bei<br />

dem uns der Autor immer wieder in die<br />

Irre führt.<br />

Und ein Road Movie?<br />

Dario Widmer (DW): Ja, auf jeden Fall.<br />

Ein wi<strong>ch</strong>tiges Element des Bu<strong>ch</strong>s sind die<br />

zahlrei<strong>ch</strong>en Bezüge auf literaris<strong>ch</strong>e Werke<br />

und Filme. Eine Rolle spielt z<strong>um</strong> Beispiel<br />

das Kritikertrio aus dem Roman «2666»<br />

von Roberto Bolaño. Der Aufbau des<br />

Bu<strong>ch</strong>s erinnert mi<strong>ch</strong> an Fellinis Filme,<br />

bei man<strong>ch</strong>en Szenen sehe i<strong>ch</strong> Bogart vor<br />

mir – und über der ganzen Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

steht ein Motto aus dem Mär<strong>ch</strong>en mit den<br />

Bremer Stadtmusikanten: «Etwas Besseres<br />

<strong>als</strong> den Tod findest du überall.»<br />

BZ: Au<strong>ch</strong> die Figuren selbst sind Anlehnungen:<br />

Pierre Arronax ist der Name<br />

der Hauptfigur in Jules Vernes Roman<br />

«20‘000 Meilen unter dem Meer»; dort<br />

ist Arronax ein Fors<strong>ch</strong>er, der in die<br />

Tiefe geht. Und Arcimboldo ist jener<br />

Renaissance-Maler, der auf seinen Bildern<br />

Gemüse so arrangierte, dass daraus ein<br />

Porträt wurde. In Bolaños «2666» nennt<br />

si<strong>ch</strong> eine Figur na<strong>ch</strong> diesem Maler. Der<br />

Autor führt uns <strong>als</strong>o ständig wieder auf<br />

neue Fährten, lässt uns in fantastis<strong>ch</strong>e<br />

Welten reisen – und am Ende ist ni<strong>ch</strong>t<br />

einmal mehr klar, ob diese Reise überhaupt<br />

stattfindet. Das Bu<strong>ch</strong> ist s<strong>ch</strong>wierig<br />

<strong>zu</strong> bes<strong>ch</strong>reiben, man muss si<strong>ch</strong> einfa<strong>ch</strong><br />

darauf einlassen.<br />

Du hast di<strong>ch</strong> darauf einlassen müssen,<br />

Dario. Wie hast du das denn erlebt?<br />

DW: Am Anfang wusste i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t re<strong>ch</strong>t,<br />

wie i<strong>ch</strong> mit diesem Bu<strong>ch</strong> <strong>um</strong>gehen sollte.<br />

I<strong>ch</strong> da<strong>ch</strong>te, das ist ähnli<strong>ch</strong> wie der Bestseller<br />

«Der Hundertjährige, der aus dem<br />

Fenster stieg und vers<strong>ch</strong>wand» von Jonas<br />

Jonasson. Au<strong>ch</strong> der Klappentext des<br />

Bu<strong>ch</strong>s verspri<strong>ch</strong>t einen Roman in diese<br />

Ri<strong>ch</strong>tung. Aber der Verglei<strong>ch</strong> stimmt ni<strong>ch</strong>t.<br />

«El Paso» ist wesentli<strong>ch</strong> anspru<strong>ch</strong>svoller<br />

<strong>als</strong> der «Hundertjährige». Fries hätte mit<br />

seinem Stoff einen Riesenroman s<strong>ch</strong>reiben<br />

können – hat jetzt aber unglaubli<strong>ch</strong><br />

viele Informationen in ein kleines Bu<strong>ch</strong><br />

gepackt.<br />

BZ: Es ist wirkli<strong>ch</strong> faszinierend, wie viele<br />

Hinweise auf Literatur und Film er untergebra<strong>ch</strong>t<br />

hat. Mi<strong>ch</strong> hat das <strong>zu</strong> Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>en<br />

animiert; i<strong>ch</strong> begann im Internet na<strong>ch</strong><strong>zu</strong>-


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Kaffeepause | 33<br />

fors<strong>ch</strong>en, woher er die Figuren hat.<br />

DW: Bei mir hat er die Fantasie angeregt<br />

und Interesse an anderen Stoffen geweckt.<br />

I<strong>ch</strong> werde z<strong>um</strong> Beispiel jetzt au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong><br />

den Bolaño <strong>lesen</strong>. Die vielen Andeutungen<br />

ma<strong>ch</strong>en neugierig, und man merkt, wie<br />

sehr si<strong>ch</strong> der Autor selber für die Dinge<br />

interessiert, die er thematisiert.<br />

BZ: Für mi<strong>ch</strong> sprengt das s<strong>ch</strong>male Bu<strong>ch</strong><br />

sämtli<strong>ch</strong>e Rahmen – es hat mi<strong>ch</strong> e<strong>ch</strong>t<br />

gefordert.<br />

DW: Ja, es ist anspru<strong>ch</strong>svoll, das kannst<br />

du ni<strong>ch</strong>t jedem in die Hand drücken. Aber<br />

wenn man einmal mit Lesen begonnen<br />

hat, s<strong>ch</strong>lägt es einen in den Bann. Am<br />

Anfang hat mi<strong>ch</strong> genervt, dass Bettina<br />

dieses Bu<strong>ch</strong> für unsere Debatte aussu<strong>ch</strong>te;<br />

jetzt bin i<strong>ch</strong> froh darüber. I<strong>ch</strong> finde, alle<br />

Bu<strong>ch</strong>händler sollten «Last Exit to El Paso»<br />

<strong>lesen</strong>, weil es so viele literaris<strong>ch</strong>e Bezüge<br />

hat.<br />

Wie bist du denn auf dieses Bu<strong>ch</strong> gestossen,<br />

Bettina?<br />

BZ: Zuerst hat mi<strong>ch</strong> einfa<strong>ch</strong> das Cover<br />

angespro<strong>ch</strong>en. Dann las i<strong>ch</strong> den Klappentext,<br />

mir fiel ein, dass i<strong>ch</strong> von diesem Autor<br />

s<strong>ch</strong>on einmal gehört habe, i<strong>ch</strong> begann<br />

ein paar Seiten <strong>zu</strong> <strong>lesen</strong> – und konnte<br />

ni<strong>ch</strong>t mehr aufhören.<br />

Für wen eignet si<strong>ch</strong> der Roman?<br />

BZ: Für alle, die einen gewissen Zugang<br />

<strong>zu</strong>r Literatur haben. Man kann das Bu<strong>ch</strong><br />

au<strong>ch</strong> ohne Vorwissen <strong>lesen</strong>, aber es ma<strong>ch</strong>t<br />

si<strong>ch</strong>er viel mehr Spass, wenn man die<br />

Andeutungen ents<strong>ch</strong>lüsseln kann.<br />

Kommen wir z<strong>um</strong> Bu<strong>ch</strong>, das Dario mitgebra<strong>ch</strong>t<br />

hat: «Der Weg des Falken» von<br />

Jamil Ahmad.<br />

DW: Es spielt in einem <strong>zu</strong>sammenhängenden<br />

Gebiet in der Grenzregion von<br />

Pakistan, Afghanistan und Iran. Der rote<br />

Faden ist die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te eines Paars, das<br />

mit seiner Liebe gegen die Stammesregeln<br />

verstossen hat und auf der Flu<strong>ch</strong>t ist. Die<br />

beiden jungen Leute finden Unters<strong>ch</strong>lupf<br />

in einem Militärfort, wo sie au<strong>ch</strong> einen<br />

Sohn bekommen – Tor Baz, was so viel<br />

heisst wie s<strong>ch</strong>warzer Falke. Do<strong>ch</strong> das<br />

Paar wird aufgespürt und getötet. Tor<br />

Baz bleibt allein <strong>zu</strong>rück. Sein weiterer<br />

Lebensweg bietet dem Autor die Mögli<strong>ch</strong>keit,<br />

ganz vers<strong>ch</strong>iedene Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten <strong>zu</strong><br />

erzählen, die ka<strong>um</strong> in einem Zusammenhang<br />

<strong>zu</strong>einander stehen. Der rote Faden<br />

ist sehr fein; man könnte au<strong>ch</strong> sagen,<br />

es handle si<strong>ch</strong> bei diesem Bu<strong>ch</strong> <strong>um</strong> eine<br />

Sammlung von Kurzges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten.<br />

Wor<strong>um</strong> geht es in den Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten?<br />

DW: Um die Mens<strong>ch</strong>en, die in dieser Region<br />

leben. Ein Beispiel ist die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

Bettina Zeidler, 48, lebt in St. Gallen. Sie<br />

arbeitet in der Abteilung Belletristik der St.<br />

Galler Bu<strong>ch</strong>handlung Rösslitor, die <strong>zu</strong> Orell<br />

Füssli gehört. Am liebsten liest sie skandinavis<strong>ch</strong>e<br />

Krimis und Thriller.<br />

Bettina Zeidler:<br />

«Den Anfang des<br />

Romans fand i<strong>ch</strong><br />

sehr gut, aber dana<strong>ch</strong><br />

häuften si<strong>ch</strong><br />

die Zufälle und<br />

Unwahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keiten.<br />

Das fand i<strong>ch</strong><br />

dann s<strong>ch</strong>on re<strong>ch</strong>t<br />

konstruiert.»<br />

Dario Widmer:<br />

«I<strong>ch</strong> fand das Bu<strong>ch</strong><br />

trotzdem spannend.<br />

Es liest si<strong>ch</strong> lei<strong>ch</strong>t,<br />

es geht s<strong>ch</strong>nell<br />

voran, viele Situationen<br />

werden s<strong>ch</strong>ön<br />

bes<strong>ch</strong>rieben.»<br />

Dario Widmer, 21, lebt in Bühler in<br />

Appenzell Ausserrhoden. Seine Lehre z<strong>um</strong><br />

Bu<strong>ch</strong>händler absolvierte er im Rösslitor,<br />

heute arbeitet er in der Abteilung Belletristik<br />

im Kramhof in Züri<strong>ch</strong>. Er hat s<strong>ch</strong>on seit<br />

jeher ein grosses Interesse an Literatur.<br />

von Familien, die her<strong>um</strong>ziehen müssen,<br />

damit ihr Vieh immer genug <strong>zu</strong> fressen<br />

hat. Diese Leute haben aber keine Pässe.<br />

Bislang spielten Landesgrenzen keine<br />

Rolle, jetzt aber können sie ni<strong>ch</strong>t mehr<br />

von einem Land ins andere ziehen – und<br />

werden beim Grenzübertritt ers<strong>ch</strong>ossen.<br />

Einmal geht es <strong>um</strong> Frauenhandel. Oder<br />

<strong>um</strong> Entführungen, mit denen si<strong>ch</strong> man<strong>ch</strong>e<br />

Familien über Wasser halten.<br />

Das klingt jetzt aber alles rei<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

dramatis<strong>ch</strong> und ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> Literatur, die<br />

man si<strong>ch</strong> vor dem Eins<strong>ch</strong>lafen <strong>zu</strong> Gemüte<br />

führen will.<br />

DW: Das Bu<strong>ch</strong> geht einem weniger unter<br />

die Haut, <strong>als</strong> man aufgrund meiner S<strong>ch</strong>ilderung<br />

viellei<strong>ch</strong>t annehmen könnte. Der<br />

Autor hat eine gute Distanz <strong>zu</strong> seinem<br />

Thema gefunden: Seine Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten sind<br />

keine sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Dok<strong>um</strong>entationen, aber<br />

au<strong>ch</strong> keine ho<strong>ch</strong>dramatis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ilderungen,<br />

die Mitleid auslösen. Man nimmt<br />

einfa<strong>ch</strong> wahr, wie das Leben in dieser<br />

Region spielt. In einer Region notabene,<br />

von der wir sehr wenig wissen und über<br />

die es ka<strong>um</strong> Bü<strong>ch</strong>er gibt.<br />

BZ: Z<strong>um</strong> Genuss wird dieses Bu<strong>ch</strong> vor allem<br />

dur<strong>ch</strong> die Spra<strong>ch</strong>e; sie ist sehr s<strong>ch</strong>ön,<br />

sehr poetis<strong>ch</strong>. Alles fliesst, die Bes<strong>ch</strong>reibungen<br />

der kargen und öden Lands<strong>ch</strong>aften<br />

sind sehr bildhaft, man kann si<strong>ch</strong> alles<br />

genau vorstellen. Mi<strong>ch</strong> faszinierte vor<br />

allem die Rahmenhandlung mit Tor Baz,<br />

und i<strong>ch</strong> hätte gern no<strong>ch</strong> etwas mehr über<br />

ihn erfahren; man<strong>ch</strong>mal empfand i<strong>ch</strong> den<br />

S<strong>ch</strong>nitt von der Rahmenhandlung <strong>zu</strong>r<br />

nä<strong>ch</strong>sten Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te etwas hart.<br />

Aber alles in allem hast du das Bu<strong>ch</strong><br />

gern ge<strong>lesen</strong>?<br />

BZ: Ja, vor allem au<strong>ch</strong>, weil mir die<br />

Gegend, in der es spielt, überhaupt ni<strong>ch</strong>t<br />

bekannt war. Als i<strong>ch</strong> mit dem Bu<strong>ch</strong> fertig<br />

war, da<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong>: Jetzt habe i<strong>ch</strong> einen Roman<br />

in wunders<strong>ch</strong>öner Spra<strong>ch</strong>e ge<strong>lesen</strong><br />

und erst no<strong>ch</strong> viel gelernt.<br />

DW: Zu Beginn kam es mir fast ein wenig<br />

vor, <strong>als</strong> würde i<strong>ch</strong> ein Bu<strong>ch</strong> von Karl May<br />

<strong>lesen</strong>: Über den wilden Westen im Osten.<br />

Es war unterhaltsam und faszinierend.<br />

Als i<strong>ch</strong> das Bu<strong>ch</strong> erstm<strong>als</strong> in der Hand<br />

hatte, s<strong>ch</strong>lug i<strong>ch</strong> es irgendwo auf und las<br />

einen Abs<strong>ch</strong>nitt, der mir ziemli<strong>ch</strong> esoteris<strong>ch</strong><br />

vorkam, aber z<strong>um</strong> Glück war er eine<br />

Ausnahme – das Bu<strong>ch</strong> ist überhaupt ni<strong>ch</strong>t<br />

spirituell ausgeri<strong>ch</strong>tet.<br />

BZ: Ja, hier wird au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts glorifiziert.<br />

Jamil Ahmad bleibt bei den Fakten. Er<br />

will ni<strong>ch</strong>t moralisieren, sondern uns<br />

einfa<strong>ch</strong> zeigen, wie es dort ist. Er hat die<br />

Begabung, uns die Welt <strong>zu</strong> öffnen. Von mir<br />

aus hätte i<strong>ch</strong> dieses Bu<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ge<strong>lesen</strong>,


34 | Kaffeepause <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

jetzt bin i<strong>ch</strong> aber froh, dass i<strong>ch</strong> es für die<br />

Debatte <strong>lesen</strong> musste.<br />

Kommen wir z<strong>um</strong> dritten Bu<strong>ch</strong>, über das<br />

wir heute reden: «Gleis 4» von Franz<br />

Hohler, dem Zür<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>riftsteller, der<br />

gerade 70 Jahre alt wurde.<br />

BZ: Der Roman erzählt von Isabelle, die<br />

eine Italienreise antritt. In Oerlikon will<br />

sie in den Zug z<strong>um</strong> Flughafen steigen,<br />

der Koffer ist s<strong>ch</strong>wer, ein älterer Herr<br />

kommt und will ihr helfen. Als der Koffer<br />

an seinem Platz ist, bri<strong>ch</strong>t der Mann<br />

<strong>zu</strong>sammen und stirbt. Die Polizei kommt,<br />

Isabelle verpasst den Flieger und hat au<strong>ch</strong><br />

gar keine Lust mehr auf eine Ferienreise.<br />

Wieder daheim angekommen, merkt sie,<br />

dass sie aus Versehen eine braune Mappe<br />

des Toten mitgenommen hat. In dieser<br />

Mappe steckt ein Mobiltelefon, das immer<br />

wieder klingelt. Dieser Anfang ist s<strong>ch</strong>on<br />

einmal sehr gut, finde i<strong>ch</strong>.<br />

DW: Das Telefon klingelt immer wieder.<br />

Isabelle weiss, dass sie es eigentli<strong>ch</strong> <strong>zu</strong>r<br />

Polizei bringen sollte, aber ihre Neugier<br />

ist stärker: Irgendwann nimmt sie einen<br />

Anruf entgegen. Der Anrufer sagt nur,<br />

Marcel dürfe keinesfalls an der Beerdigung<br />

auftau<strong>ch</strong>en. Isabelle wird no<strong>ch</strong> neugieriger.<br />

S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> geht sie selber auf<br />

den Friedhof, findet heraus, <strong>um</strong> wel<strong>ch</strong>e<br />

Beerdigung es geht und wer der anonyme<br />

Anrufer war. Von da an entwickelt si<strong>ch</strong><br />

fast so etwas wie ein Krimi: Isabelle ermittelt<br />

auf eigene Faust, wel<strong>ch</strong>es Geheimnis<br />

den verstorbenen Marcel <strong>um</strong>weht.<br />

BZ: Dabei wird sie au<strong>ch</strong> von Marcels Frau<br />

begleitet, die aus Kanada angereist ist. Es<br />

stellt si<strong>ch</strong> heraus, dass Marcel einst Martin<br />

hiess – und dass er eine himmeltraurige<br />

Familienbiografie hat. Wie gesagt,<br />

den Anfang des Romans fand i<strong>ch</strong> sehr gut,<br />

aber dana<strong>ch</strong> häuften si<strong>ch</strong> die Zufälle und<br />

Unwahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keiten. Das hat mi<strong>ch</strong> gestört.<br />

Diese ganzen Funde immer wieder,<br />

plötzli<strong>ch</strong> steckt eine Telefonn<strong>um</strong>mer im<br />

Koffer oder tau<strong>ch</strong>t eine neue Person auf –<br />

das fand i<strong>ch</strong> dann s<strong>ch</strong>on re<strong>ch</strong>t konstruiert.<br />

DW: Da hast du Re<strong>ch</strong>t. Aber i<strong>ch</strong> fand das<br />

Bu<strong>ch</strong> trotzdem spannend. Es liest si<strong>ch</strong><br />

lei<strong>ch</strong>t, es geht s<strong>ch</strong>nell voran, viele Situationen<br />

werden s<strong>ch</strong>ön bes<strong>ch</strong>rieben. Und<br />

Franz Hohler ist ja au<strong>ch</strong> dafür bekannt,<br />

dass er groteske Elemente in seine Texte<br />

einbaut. Wie Isabelles To<strong>ch</strong>ter Sarah<br />

gegen S<strong>ch</strong>luss des Bu<strong>ch</strong>s wegen einer<br />

Voodoo-Puppe <strong>zu</strong> einem Medizinmann<br />

geht, fand i<strong>ch</strong> z<strong>um</strong> Beispiel sehr witzig.<br />

BZ: Jaja, das Bu<strong>ch</strong> ist ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t, aber<br />

die vielen Zufälle störten mi<strong>ch</strong> eben. I<strong>ch</strong><br />

kenne das Werk von Franz Hohler ni<strong>ch</strong>t<br />

gut, do<strong>ch</strong> i<strong>ch</strong> denke, seine Fans werden<br />

diese Neuers<strong>ch</strong>einung auf jeden Fall<br />

mögen.<br />

DW: Den Fans kann man es si<strong>ch</strong>er<br />

empfehlen. Hohlers beliebter Roman «Es<br />

klopft» ist re<strong>ch</strong>t ähnli<strong>ch</strong> wie «Gleis 4». Mir<br />

hat dieses Bu<strong>ch</strong> aber so gut gefallen, dass<br />

i<strong>ch</strong> jetzt si<strong>ch</strong>er no<strong>ch</strong> mehr von Hohler<br />

<strong>lesen</strong> werde.<br />

BZ: Für mi<strong>ch</strong> ist «Gleis 4» denno<strong>ch</strong> die<br />

N<strong>um</strong>mer drei unter den drei Bü<strong>ch</strong>ern, die<br />

wir hier vorgestellt haben. Aber das ist<br />

am Ende natürli<strong>ch</strong> Ges<strong>ch</strong>macksa<strong>ch</strong>e.<br />

DW: Man kann die Bü<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t miteinander<br />

verglei<strong>ch</strong>en. Die anderen beiden<br />

haben einen tiefgründigen Inhalt, «Gleis<br />

4» ist ein Unterhaltungsroman. Aber i<strong>ch</strong><br />

finde ihn eine perfekte Sommerlektüre –<br />

i<strong>ch</strong> habe ihn am See ge<strong>lesen</strong>, und i<strong>ch</strong><br />

kann allen nur empfehlen, das au<strong>ch</strong> <strong>zu</strong><br />

tun.<br />

Die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te des Kaffees<br />

erzählt in deinem Caffè Latte.<br />

Besu<strong>ch</strong>e au<strong>ch</strong> unsere Coffeehouses<br />

in den Orell Füssli Bu<strong>ch</strong>handlungen<br />

im Westside in Bern sowie im Kramhof<br />

und am Bellevue in Züri<strong>ch</strong>.


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf BUCHtipps | 35<br />

T. C. Boyle<br />

San Miguel<br />

Khaled Hosseini<br />

Tra<strong>um</strong>sammler<br />

Irena BreŽnÁ<br />

Die undankbare<br />

Fremde<br />

Uwe Timm<br />

Vogelweide<br />

Eine einsame Insel vor der Küste von<br />

Kalifornien: für die einen die Hölle,<br />

für die anderen das Paradies. Die<br />

s<strong>ch</strong>windsü<strong>ch</strong>tige Marantha vers<strong>ch</strong>lägt<br />

es 1888 na<strong>ch</strong> San Miguel. Während<br />

sie si<strong>ch</strong> – geplagt vom rauen Klima,<br />

von Monotonie und Einsamkeit – dem<br />

Leben entzieht, s<strong>ch</strong>afft es Adoptivto<strong>ch</strong>ter<br />

Edith, dem tyrannis<strong>ch</strong>en Vater<br />

und der verhassten Insel <strong>zu</strong> entfliehen.<br />

Jahrzehnte später zieht Elise Lester<br />

dorthin und findet mit ihrer Familie ihr<br />

Glück. Die Presse in den USA feiert<br />

die Lesters mitten in der Weltwirts<strong>ch</strong>aftskrise<br />

<strong>als</strong> Sinnbild vom Mythos<br />

der Pioniere, do<strong>ch</strong> die Idylle trügt.<br />

Boyle gelingt es meisterhaft, in dieser<br />

grossen Saga das S<strong>ch</strong>icksal dreier<br />

starker Frauen lebendig werden <strong>zu</strong><br />

lassen.<br />

Abdullah ist zehn und liebt seine<br />

kleine dreijährige S<strong>ch</strong>wester Pari über<br />

alles. Die beiden leben in den erhabenen<br />

kargen Weiten Afghanistans und<br />

für<strong>ch</strong>ten nur eines: den Dämon aus<br />

den fernen Bergen, der in Sturmnä<strong>ch</strong>ten<br />

auf die Dä<strong>ch</strong>er der Häuser klopft<br />

und si<strong>ch</strong> eines der Kinder holt. Eines<br />

Tages bringt der Vater die Ges<strong>ch</strong>wister<br />

auf einem Fussmars<strong>ch</strong> quer<br />

dur<strong>ch</strong> die Wüste na<strong>ch</strong> Kabul – in der<br />

grossen Stadt su<strong>ch</strong>t er na<strong>ch</strong> einem<br />

besseren Leben. Do<strong>ch</strong> die beiden<br />

Kinder werden getrennt ...<br />

Ein grosser Roman, dessen emotionale<br />

Intensität und Erzählkunst neue<br />

Massstäbe setzen. Fesselnder, rei<strong>ch</strong>er,<br />

persönli<strong>ch</strong>er <strong>als</strong> je <strong>zu</strong>vor – und no<strong>ch</strong><br />

bewegender <strong>als</strong> «Dra<strong>ch</strong>enläufer».<br />

Auf der Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> einer besseren<br />

Welt vers<strong>ch</strong>lägt es eine Jugendli<strong>ch</strong>e<br />

1968 in die S<strong>ch</strong>weiz, ins Land des<br />

harten Käses. Zuhause ist da, wo<br />

man motzen darf, hier aber soll sie<br />

dankbar sein. Die neue Umgebung<br />

s<strong>ch</strong>eint ihr sperrig, distanziert, sie<br />

rebelliert gegen das Gastland, das<br />

sie unter seine Regeln zwingt und sie<br />

ni<strong>ch</strong>t sie selbst sein lässt. Aber sie<br />

trifft au<strong>ch</strong> auf viele andere Gestrandete,<br />

die hoffen, etwas aus ihrem Leben<br />

ma<strong>ch</strong>en <strong>zu</strong> können: kleine Diebe,<br />

Depressive, S<strong>ch</strong>lawiner, Kriegsflü<strong>ch</strong>tlinge,<br />

Ausgebeutete, Überangepasste<br />

und Naive. Und sie lernt, Exil und<br />

Fremdheit <strong>als</strong> Rei<strong>ch</strong>t<strong>um</strong> <strong>zu</strong> erfahren,<br />

sie wird Brückenbauerin zwis<strong>ch</strong>en den<br />

Kulturen.<br />

Ein Mann hat alles verloren, seine Geliebte,<br />

seinen Beruf, seine Wohnung,<br />

er ist ho<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>uldet. Nun lebt er<br />

für eine Weile ganz allein auf einer<br />

Insel in der Elbmündung und versieht<br />

dort den Dienst <strong>als</strong> Vogelwart. Ein<br />

gerade<strong>zu</strong> eremitis<strong>ch</strong>es Dasein, das<br />

dur<strong>ch</strong> einen Anruf dur<strong>ch</strong>einandergewirbelt<br />

wird. Anna kündigt ihren<br />

Besu<strong>ch</strong> an – jene Anna, die vor se<strong>ch</strong>s<br />

Jahren vor ihm geflohen ist und <strong>zu</strong>vor<br />

sein Leben komplett aus den Angeln<br />

gehoben hatte. Während Es<strong>ch</strong>enba<strong>ch</strong><br />

si<strong>ch</strong> auf das Wiedersehen mit ihr<br />

vorbereitet und seinen Alltagsritualen<br />

folgt, besu<strong>ch</strong>en ihn die Geister der<br />

Vergangenheit ... Uwe Timm lässt ein<br />

konturs<strong>ch</strong>arfes Bild unserer Gegenwart<br />

entstehen, in der die Partnerwahl<br />

einerseits von Optimierungsstrategien,<br />

andererseits von entfesselter<br />

Irrationalität geleitet wird und immer<br />

auf dem Prüfstand steht.<br />

448 Seiten<br />

448 Seiten<br />

144 Seiten<br />

336 Seiten<br />

CHF 35.90<br />

CHF 31.90<br />

CHF 14.90<br />

CHF 29.90<br />

Hanser<br />

S. Fis<strong>ch</strong>er<br />

Kiepenheuer & Wits<strong>ch</strong><br />

Kiepenheuer & Wits<strong>ch</strong><br />

ISBN 978-3-446-24323-1<br />

ISBN 978-3-10-032910-3<br />

ISBN 978-3-462-04591-8<br />

ISBN 978-3-462-04571-0


36 | Fantastis<strong>ch</strong>! <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

Fantastis<strong>ch</strong>!<br />

Ein Mitarbeiter von Orell Füssli präsentiert Neuers<strong>ch</strong>einungen und Geheimtipps aus dem<br />

Fantasy-Genre: Bü<strong>ch</strong>er für alle, die si<strong>ch</strong> gern in fremde Welten entführen lassen.<br />

Marius Leutenegger<br />

«Heute stelle i<strong>ch</strong> drei Bü<strong>ch</strong>er vor, die <strong>zu</strong>fälligerweise<br />

alle im glei<strong>ch</strong>en Verlag ers<strong>ch</strong>ienen<br />

sind – Heyne trifft offenbar meinen<br />

aktuellen Ges<strong>ch</strong>mack. Die dickste der drei<br />

Neuers<strong>ch</strong>einungen ist ‹Der rote Krieger›<br />

von Miles Cameron. Die Mens<strong>ch</strong>en leben<br />

im dur<strong>ch</strong> hohe Mauern ges<strong>ch</strong>ützten Königrei<strong>ch</strong><br />

Alba. Ausserhalb der Mauern befindet<br />

si<strong>ch</strong> die Wildnis voller Dämonen und Dra<strong>ch</strong>en.<br />

Als eine Nonne in Alba bestialis<strong>ch</strong><br />

ermordet wird, ma<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> Angst breit –<br />

und alle fragen si<strong>ch</strong>, wie so viel Böses in<br />

den ges<strong>ch</strong>ützten Berei<strong>ch</strong> kommen konnte.<br />

S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> wenden si<strong>ch</strong> die Mens<strong>ch</strong>en an<br />

den roten Krieger. Sie trauen ihm zwar<br />

ni<strong>ch</strong>t ri<strong>ch</strong>tig und er ist ihnen au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

wirkli<strong>ch</strong> sympathis<strong>ch</strong>, aber der rote Krieger<br />

gilt <strong>als</strong> stark, klug und mutig. Er s<strong>ch</strong>eint<br />

der einzige <strong>zu</strong> sein, der diesen Mordfall<br />

aufklären kann. Bald zeigt si<strong>ch</strong>, dass ein<br />

Zauberer seine dunkle Seite in Alba auslebt.<br />

Und es kommt <strong>zu</strong> überras<strong>ch</strong>enden<br />

Wendungen, die i<strong>ch</strong> hier ni<strong>ch</strong>t verraten<br />

will. Es gibt grossartige, <strong>zu</strong>weilen etwas<br />

gar blutige S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>ten, die wunderbar<br />

plastis<strong>ch</strong> bes<strong>ch</strong>rieben sind – man kommt<br />

si<strong>ch</strong> vor wie im Kino. Und i<strong>ch</strong> bin mir au<strong>ch</strong><br />

ziemli<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>er, dass dieses Bu<strong>ch</strong> irgendwann<br />

verfilmt werden wird.<br />

‹Der rote Krieger› ist High-Fantasy vom<br />

Feinsten. Man sagt ja gern, ein Bu<strong>ch</strong> habe<br />

einen von der ersten Seite an gepackt, aber<br />

hier war das wirkli<strong>ch</strong> der Fall: I<strong>ch</strong> konnte<br />

das Bu<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr weglegen, ka<strong>um</strong> hatte<br />

i<strong>ch</strong> mit dem Lesen begonnen. Der S<strong>ch</strong>reibstil<br />

von Miles Cameron hat mi<strong>ch</strong> positiv<br />

überras<strong>ch</strong>t. Vieles wird zwar sehr detailliert<br />

und ausführli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>ildert, aber es<br />

gibt ka<strong>um</strong> Längen, au<strong>ch</strong> wenn si<strong>ch</strong> die Er-<br />

eignisse erst auf den letzten 400 Seiten<br />

überstürzen. Auf dem Bu<strong>ch</strong> steht, es werde<br />

allen Fans von ‹Games of Thrones› empfohlen,<br />

der Kultserie von George R.R. Martin,<br />

und das kann i<strong>ch</strong> <strong>als</strong> sol<strong>ch</strong>er nur unters<strong>ch</strong>reiben<br />

– ‹Der rote Krieger› kann man<br />

jedem Martin-Fan unbesehen in die Hand<br />

legen. Das Bu<strong>ch</strong> wird aber au<strong>ch</strong> sonst allen<br />

gefallen, die epis<strong>ch</strong>e Fantasy-Romane<br />

s<strong>ch</strong>ätzen. Es gibt ja viele Leute, denen kein<br />

Bu<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> dick ist!<br />

Martin-Fans sind wohl au<strong>ch</strong> mit meiner<br />

nä<strong>ch</strong>sten Empfehlung gut bedient: ‹Planetenwanderer›,<br />

ein Science-Fiction-Abenteuer<br />

des Meisters persönli<strong>ch</strong>. I<strong>ch</strong> liebe<br />

Martins Charaktere und ironis<strong>ch</strong>-tapferen<br />

Helden; der Engländer hat eine coole Art,<br />

seine Protagonisten lebhaft <strong>zu</strong> gestalten.<br />

Au<strong>ch</strong> der Planetenwanderer Haviland Tuf


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Fantastis<strong>ch</strong>! | 37<br />

ist ein s<strong>ch</strong>räger Antiheld. Der Katzenliebhaber<br />

reist mit einem Saats<strong>ch</strong>iff dur<strong>ch</strong> die<br />

Galaxien – das ist ein ehemaliges Kriegss<strong>ch</strong>iff,<br />

mit dem einst Genproben von in<br />

S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>ten einsetzbaren Monstern eingesammelt<br />

wurden. Diese Proben sind immer<br />

no<strong>ch</strong> da, Haviland Tuf nutzt sie aber,<br />

<strong>um</strong> damit Gutes <strong>zu</strong> tun – und <strong>um</strong> z<strong>um</strong> Beispiel<br />

einen Planeten von einer Riesenkraken-Plage<br />

<strong>zu</strong> befreien. Es passiert zwar<br />

ständig etwas, aber in diesem Bu<strong>ch</strong> geht’s<br />

ni<strong>ch</strong>t unbedingt <strong>um</strong> die Action. Haviland<br />

Tuf wird mit immer neuen Problemen konfrontiert,<br />

und man ist stets gespannt, wie<br />

er sie löst.<br />

«Der S<strong>ch</strong>reibstil<br />

von Miles Cameron<br />

hat mi<strong>ch</strong> positiv<br />

überras<strong>ch</strong>t. Vieles<br />

wird zwar sehr<br />

detailliert und ausführli<strong>ch</strong><br />

ges<strong>ch</strong>ildert,<br />

aber es gibt<br />

ka<strong>um</strong> Längen.»<br />

Auf das dritte Bu<strong>ch</strong>, das i<strong>ch</strong> vorstelle, bin<br />

i<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> den Klappentext gestossen. Dort<br />

wird eine Dystopie angekündigt, <strong>als</strong>o eine<br />

Anti-Utopie. ‹Das Testament der Jessie<br />

Lamb› von Jane Rogers erzählt davon,<br />

wie ein Virus in ni<strong>ch</strong>t all<strong>zu</strong> ferner Zukunft<br />

dafür sorgt, dass alle s<strong>ch</strong>wangeren Frauen<br />

mit ihren Föten sterben – das bedeutet,<br />

dass der Mens<strong>ch</strong>heit das baldige Ende<br />

droht. Mir gefallen sol<strong>ch</strong>e Endzeit-Dramen,<br />

bei denen die Autorin oder der Autor<br />

der Frage ‹Was wäre wenn› na<strong>ch</strong>geht. Es<br />

ma<strong>ch</strong>t mi<strong>ch</strong> oft neugierig, wel<strong>ch</strong>e Antworten<br />

angeboten werden. Ein gutes Beispiel<br />

für diese Art von Bü<strong>ch</strong>ern ist ‹Die Stadt der<br />

Blinden› von José Saramago. Bei Jane Rogers<br />

su<strong>ch</strong>en die Fors<strong>ch</strong>er mit Ho<strong>ch</strong>druck<br />

ein Mittel gegen den Virus. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />

wird klar, dass man wenigstens den Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>s<br />

retten kann, wenn si<strong>ch</strong> die Frauen<br />

in ein Wa<strong>ch</strong>koma versetzen lassen und am<br />

Ende ihr Leben hergeben. Die 16-jährige<br />

Protagonistin Jessie Lamb fällt den Ents<strong>ch</strong>eid,<br />

si<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> opfern und damit z<strong>um</strong> Weiterbestehen<br />

der Mens<strong>ch</strong>heit bei<strong>zu</strong>tragen.<br />

Ihre Eltern stehen dem völlig ma<strong>ch</strong>tlos gegenüber.<br />

Die Diskussionen zwis<strong>ch</strong>en ihnen<br />

und Jessie sind spannend und clever gema<strong>ch</strong>t.<br />

Das Bu<strong>ch</strong> eignet si<strong>ch</strong> für Leserinnen, die<br />

si<strong>ch</strong> mit einer 16-jährigen Hauptfigur identifizieren<br />

können. Denn es ist aus der Si<strong>ch</strong>t<br />

von Jessie ges<strong>ch</strong>rieben, und man<strong>ch</strong>mal<br />

hatte i<strong>ch</strong> etwas Mühe, deren Gedankengänge<br />

na<strong>ch</strong><strong>zu</strong>vollziehen. Darüber hinaus<br />

gefällt ‹Das Testament der Jessie Lamb›<br />

si<strong>ch</strong>er allen, die Dystopien mögen. I<strong>ch</strong> werde<br />

es daher jenen Kundinnen und Kunden<br />

empfehlen, die von der ‹Panem›-Trilogie<br />

angetan waren.»<br />

Marino Castelli, 28, wohnt in Ruswil<br />

und arbeitet bei Orell Füssli am Bellevue.<br />

Bu<strong>ch</strong>händler wurde er, weil «i<strong>ch</strong> ein leidens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er<br />

Leser bin und mein Hobby z<strong>um</strong><br />

Beruf ma<strong>ch</strong>en wollte». An seiner Tätigkeit<br />

s<strong>ch</strong>ätzt er vor allem, dass er immer neue<br />

Bü<strong>ch</strong>er entdecken kann – au<strong>ch</strong> dank<br />

der Kundinnen und Kunden, die etwas<br />

Bestimmtes su<strong>ch</strong>en. Marino liest querbeet,<br />

vor allem Krimis und Fantasy-Romane.<br />

«Jetzt will i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> aber no<strong>ch</strong> stärker der<br />

Literatur widmen – und die wi<strong>ch</strong>tigsten<br />

Bü<strong>ch</strong>er der bekanntesten Autoren <strong>lesen</strong>.»<br />

Der rote<br />

Krieger<br />

Miles Cameron<br />

1166 Seiten<br />

CHF 25.90<br />

Heyne<br />

Ges<strong>ch</strong>rieben wurde ‹Planetenwanderer›<br />

bereits in den 1980er-Jahren. Bis i<strong>ch</strong> erfuhr,<br />

dass die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten bereits 30 Jahre<br />

alt sind, habe i<strong>ch</strong> von ihrem Alter ni<strong>ch</strong>ts<br />

gespürt. Der Roman ers<strong>ch</strong>ien dam<strong>als</strong> in<br />

Fanzines <strong>als</strong> Fortset<strong>zu</strong>ngsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te; die<br />

Kapitel sind daher einzelne Episoden, die<br />

si<strong>ch</strong> aber <strong>zu</strong> einem grossen Ganzen mit<br />

Anfang und Ende fügen. Dass die Episoden<br />

jetzt erstm<strong>als</strong> <strong>zu</strong>sammen zwis<strong>ch</strong>en zwei<br />

Bu<strong>ch</strong>deckeln ers<strong>ch</strong>einen, hat mit dem ungeheuren<br />

Erfolg von Martins ‹Games of<br />

Thrones› <strong>zu</strong> tun. Da i<strong>ch</strong> diese Serie momentan<br />

gerade<strong>zu</strong> vers<strong>ch</strong>linge, habe i<strong>ch</strong><br />

mir jetzt au<strong>ch</strong> den ‹Planetenwanderer› <strong>zu</strong><br />

Gemüte geführt – <strong>als</strong> allerersten Sciencefiction-Roman,<br />

den i<strong>ch</strong> ge<strong>lesen</strong> habe. Jedenfalls<br />

würde i<strong>ch</strong> sofort wieder eine Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

dieses Stils <strong>lesen</strong>.<br />

Planetenwanderer<br />

George R.R.<br />

Martin<br />

511 Seiten<br />

CHF 23.90<br />

Heyne<br />

Das Testament<br />

der Jessie<br />

Lamb<br />

Jane Rogers<br />

382 Seiten<br />

CHF 23.90<br />

Heyne


38 | Fantastis<strong>ch</strong>! <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

Junge Mitarbeitende von Orell Füssli<br />

geben weitere Tipps:<br />

Tim Lenny George,<br />

18, lebt in einem<br />

Dorf ausserhalb<br />

von Bern, hat gerade<br />

seine Bu<strong>ch</strong>händler-Lehre<br />

im<br />

Zür<strong>ch</strong>er Kramhof<br />

abges<strong>ch</strong>lossen<br />

und will jetzt die<br />

Berufsmatura ma<strong>ch</strong>en.<br />

Künftig arbeitet er in der Filiale<br />

Westside in Bern. Sein Tipp: «Silber» von<br />

Kerstin Gier. «Seltsame Trä<strong>um</strong>e lassen Liv<br />

immer wieder aufs<strong>ch</strong>recken. Sie handeln<br />

von grünen Türen, deren Türklinken aus<br />

Eide<strong>ch</strong>sen bestehen, und von Jungs, die<br />

<strong>um</strong> Mitterna<strong>ch</strong>t Rituale auf Friedhöfen<br />

dur<strong>ch</strong>ziehen. Wieso fühlen si<strong>ch</strong> diese Trä<strong>um</strong>e<br />

so besonders an? Und wieso s<strong>ch</strong>einen<br />

die mysteriösen Friedhofsjungen geheime<br />

Dinge über Liv <strong>zu</strong> wissen? Das ist rätselhaft<br />

– do<strong>ch</strong> Rätseln konnte Liv no<strong>ch</strong> nie<br />

widerstehen ... I<strong>ch</strong> habe das Bu<strong>ch</strong> auf<br />

Drängen einer Kollegin ge<strong>lesen</strong>, die davon<br />

absolut begeistert war. Mit seinem guten<br />

Mix aus High-S<strong>ch</strong>ool-Erlebnissen und zauberhaften<br />

Tra<strong>um</strong>welten hat es au<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong><br />

restlos überzeugt. Die Hauptperson Liv ist<br />

eher Mauerblüm<strong>ch</strong>en <strong>als</strong> Cheerleaderin;<br />

liebenswert-tollpats<strong>ch</strong>ig und selbstironis<strong>ch</strong><br />

stolpert, fällt und tapst sie dur<strong>ch</strong> die<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te. Kerstin Giers Talent, mit einfa<strong>ch</strong>er<br />

Spra<strong>ch</strong>e viel Emotion und Spannung<br />

<strong>zu</strong> erzeugen, gefällt mir sehr. Vor allem der<br />

Tittle-Tattle-Blog, das s<strong>ch</strong>uleigene Boulevardmagazin,<br />

hat mi<strong>ch</strong> immer wieder z<strong>um</strong><br />

S<strong>ch</strong>munzeln gebra<strong>ch</strong>t. ‹Silber› kreuzt ‹Inception›<br />

mit ‹Gossip Girl› – und eignet si<strong>ch</strong><br />

für alle Fans der ‹Edelsteintrilogie›, mit der<br />

Kerstin Gier au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on überzeugte, sowie<br />

für die Lesers<strong>ch</strong>aft von ‹Panem›. Meines<br />

Era<strong>ch</strong>tens ist dieser Auftakt <strong>zu</strong> einer Trilogie<br />

absolute Pfli<strong>ch</strong>tlektüre für Fantasy-<br />

Freundinnen und -Freunde!»<br />

Manuela Bigler,<br />

25, arbeitet in der<br />

Kinder- und Jugendbu<strong>ch</strong>abteilung<br />

von Orell<br />

Füssli im Berner<br />

Einkaufszentr<strong>um</strong><br />

Westside. Am<br />

liebsten mag sie<br />

Fantasy-Romane.<br />

«Bei diesem Genre kann i<strong>ch</strong> am besten abs<strong>ch</strong>alten»,<br />

sagt die Bernerin. Ihr Tipp:<br />

«Mystic City» von Theo Lawrence. «Dur<strong>ch</strong><br />

die Erderwärmung sind die Polkappen ges<strong>ch</strong>molzen,<br />

weite Flä<strong>ch</strong>en der Erde sind<br />

übers<strong>ch</strong>wemmt. In New York leben die Rei<strong>ch</strong>en<br />

und S<strong>ch</strong>önen glamourös ho<strong>ch</strong> oben in<br />

den Wolkenkratzern, der arme Teil der Bevölkerung,<br />

vorwiegend magiebegabte Mystiker,<br />

haust unten in der fast unerträgli<strong>ch</strong>en<br />

Hitze der Tiefe. Mystiker sorgen<br />

dur<strong>ch</strong> die gesetzli<strong>ch</strong> bestimmte Abs<strong>ch</strong>öpfung<br />

ihrer magis<strong>ch</strong>en Kraft für die Energieversorgung<br />

der Stadt. Aria, To<strong>ch</strong>ter aus<br />

rei<strong>ch</strong>em Haus, hat ihr Gedä<strong>ch</strong>tnis verloren.<br />

Nun steht sie an ihrer eigenen Verlobungsfeier<br />

und kennt ihren Verlobten ni<strong>ch</strong>t mehr.<br />

Aber sie muss ihn sehr geliebt haben –<br />

denn sie wollte für ihn alles aufgeben und<br />

mit ihm in die Tiefe fliehen. Als Aria auf der<br />

Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> des Rätsels Lösung na<strong>ch</strong> unten<br />

geht und den gut aussehenden Mystiker<br />

Hunter trifft, fühlt sie si<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> ihm hingezogen.<br />

Auf ihrer Su<strong>ch</strong>e stösst sie auf immer<br />

mehr Geheimnisse und Intrigen ... Eines<br />

der besten Bü<strong>ch</strong>er, die i<strong>ch</strong> dieses Jahr ge<strong>lesen</strong><br />

habe. Die Zutaten sind so einfa<strong>ch</strong> wie<br />

genial: eine Romanze à la Romeo und Julia,<br />

gepaart mit einer si<strong>ch</strong> stetig steigernden<br />

Spannung. Klar, die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te ist oft vorhersehbar,<br />

aber die wenigen Überras<strong>ch</strong>ungen<br />

sorgen dafür, dass der Spannungsbogen<br />

niem<strong>als</strong> abflaut. Spannend wie ein<br />

Thriller, bildgewaltig wie ein Film und<br />

kämpferis<strong>ch</strong> wie ‹Panem›.»<br />

Angelina Rubli,<br />

28, ist im Kanton<br />

S<strong>ch</strong>affhausen aufgewa<strong>ch</strong>sen,<br />

wohnt<br />

in Da<strong>ch</strong>sen und<br />

arbeitet bei Orell<br />

Füssli am Bellevue<br />

in der Kinder- und<br />

Jugendbu<strong>ch</strong>abteilung,<br />

weil «i<strong>ch</strong> das<br />

die spannendste Literatur finde – sie ist extrem<br />

vielseitig, jeden Monat gibt es neue Strömungen».<br />

Angelina liest etwa drei bis vier<br />

Bü<strong>ch</strong>er pro Wo<strong>ch</strong>e. Ihr Tipp: «Bitterzart»<br />

von Gabrielle Zevin. «New York im Jahr<br />

2083. Anya Balan<strong>ch</strong>ine ist die To<strong>ch</strong>ter des<br />

Mafiabosses, der in der <strong>zu</strong> dieser Zeit verbotenen<br />

S<strong>ch</strong>okoladenproduktion tätig ist. Der<br />

Boss wird allerdings ermordet, und nun<br />

stellt si<strong>ch</strong> die Frage na<strong>ch</strong> seiner Na<strong>ch</strong>folge.<br />

Anya verliebt si<strong>ch</strong> in Win, den Sohn des<br />

Oberstaatsanwalts, do<strong>ch</strong> den beiden ist vorerst<br />

kein Glück bes<strong>ch</strong>ieden: Unwillentli<strong>ch</strong><br />

verabrei<strong>ch</strong>t Anya nämli<strong>ch</strong> ihrem ehemaligen<br />

Freund Gable eine vergiftete S<strong>ch</strong>okolade, die<br />

Polizei ermittelt, und Anya wird in ein Mäd<strong>ch</strong>engefängnis<br />

gesteckt. Der Vater von Win<br />

haut sie zwar raus und kann au<strong>ch</strong> ihre Uns<strong>ch</strong>uld<br />

beweisen, do<strong>ch</strong> er verbietet seinem<br />

Sohn, mit dieser To<strong>ch</strong>ter eines Mafiabosses<br />

weiterhin Kontakt <strong>zu</strong> haben. Werden si<strong>ch</strong> die<br />

Verliebten über dieses Verbot hinwegsetzen?<br />

Wer übernimmt die Familienges<strong>ch</strong>äfte der<br />

Balan<strong>ch</strong>ine? I<strong>ch</strong> fand die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te super.<br />

Sie ist so süss wie S<strong>ch</strong>okolade und so herb<br />

wie ein guter Whiskey, der in der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

ebenfalls verboten ist. Empfehlen würde i<strong>ch</strong><br />

‹Bitterzart› vor allem Mäd<strong>ch</strong>en, die gern Romane<br />

voller erstaunli<strong>ch</strong>er Wendungen <strong>lesen</strong><br />

und unübli<strong>ch</strong>e Liebesges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten mit starken<br />

Protagonistinnen sowie süssen Söhnen<br />

von Oberstaatsanwälten s<strong>ch</strong>ätzen. Wer diese<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te mag, kann si<strong>ch</strong> das Warten auf<br />

die Fortset<strong>zu</strong>ng mit der ‹Arkadien-Trilogie›<br />

von Kay Meyer verkürzen.»<br />

Silber<br />

Kerstin Gier<br />

410 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Fis<strong>ch</strong>er FJB<br />

Mystic City 01.<br />

Das gefangene Herz<br />

Theo Lawrence<br />

410 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Ravensburger<br />

Bitterzart<br />

Gabrielle Zevin<br />

540 Seiten<br />

CHF 26.90<br />

Fis<strong>ch</strong>er FJB


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf BUCHtipps | 39<br />

Gillian Flynn<br />

Gone Girl – Das<br />

perfekte Opfer<br />

Nora Roberts<br />

Sommerflammen<br />

Tom clancy<br />

Gegen alle<br />

Feinde<br />

Karin Slaughter<br />

Tote Augen<br />

«‹Was denkst du gerade, Amy?› Das<br />

habe i<strong>ch</strong> sie oft gefragt. Was denkst<br />

du? Wie geht es dir? Wer bist du?<br />

Wie gut kennt man eigentli<strong>ch</strong> den<br />

Mens<strong>ch</strong>en, den man liebt?» Genau<br />

das fragt si<strong>ch</strong> Nick Dunne am sonnigen<br />

Morgen seines fünften Ho<strong>ch</strong>zeitstags.<br />

An diesem Morgen vers<strong>ch</strong>windet<br />

seine Frau Amy spurlos. Die<br />

Polizei verdä<strong>ch</strong>tigt Nick sofort. Amys<br />

Freunde beri<strong>ch</strong>ten, dass sie Angst<br />

vor ihm hatte. Auf der Festplatte<br />

seines Computers entdeckt die Polizei<br />

merkwürdige E-Mails. Ausserdem hat<br />

Nick Amys Geld verwendet, <strong>um</strong> sein<br />

Ges<strong>ch</strong>äft auf<strong>zu</strong>bauen – und nebenbei<br />

ihre Lebensversi<strong>ch</strong>erung erhöht. Aber<br />

viellei<strong>ch</strong>t ist ja au<strong>ch</strong> alles gar ni<strong>ch</strong>t<br />

so, wie es s<strong>ch</strong>eint. Was ges<strong>ch</strong>ah mit<br />

Nicks wunderbarer Frau Amy?<br />

Liebe ist Spannung pur: der neue<br />

Roman von Nora Roberts erstm<strong>als</strong><br />

im Tas<strong>ch</strong>enbu<strong>ch</strong>!<br />

Rowan liebt die Gefahr. Wann immer<br />

die Feuerspringerin <strong>zu</strong> einem Einsatz<br />

mit Falls<strong>ch</strong>irmen gerufen wird, <strong>um</strong> die<br />

tödli<strong>ch</strong>en Flammen in den Wäldern<br />

Montanas <strong>zu</strong> bekämpfen, riskiert sie<br />

ihr Leben. Do<strong>ch</strong> dann stirbt ihr Kollege<br />

Jim bei einem Einsatz. War Rowan<br />

wirkli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>tlos, wie der attraktive<br />

Gull ihr immer wieder versi<strong>ch</strong>ert? Fast<br />

ist sie bereit, si<strong>ch</strong> Gulls Fürsorge hin<strong>zu</strong>geben,<br />

<strong>als</strong> kurz hintereinander zwei<br />

verkohlte Lei<strong>ch</strong>en gefunden werden.<br />

Der Verda<strong>ch</strong>t fällt auf Rowan. Wird<br />

sie ihre Uns<strong>ch</strong>uld beweisen und Gull<br />

je vertrauen können?<br />

Eine neue Bedrohung. Ein neuer Held.<br />

Ein neuer Tom Clancy.<br />

Seit Jahren tobt der Konflikt im<br />

Mittleren Osten. Nun sieht es dana<strong>ch</strong><br />

aus, <strong>als</strong> dass si<strong>ch</strong> der Kriegss<strong>ch</strong>auplatz<br />

verlagert hätte. Die Taliban bedienen<br />

si<strong>ch</strong> für ihre Ma<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>aften eines<br />

mexikanis<strong>ch</strong>en Drogenkartells und<br />

tragen den Kampf ins Heimatland des<br />

Erzfeinds: in die Vereinigten Staaten<br />

von Amerika. Tom Clancy, der Meister<br />

des internationalen Politthrillers,<br />

stellt uns seinen neuen Helden vor:<br />

Ex-Navy-SEAL Max Moore. Und<br />

dieser steht allein gegen alle Feinde.<br />

Dr. Sara Linton, Krankenhausärztin in<br />

Atlanta, Georgia, will ihr Leben neu<br />

ordnen. Do<strong>ch</strong> <strong>als</strong> es <strong>zu</strong> einer Reihe<br />

grausamer Folterungen und Morde<br />

kommt, kann die ehemalige Re<strong>ch</strong>tsmedizinerin<br />

aus Grant County ni<strong>ch</strong>t<br />

tatenlos <strong>zu</strong>sehen. Sie s<strong>ch</strong>altet si<strong>ch</strong> in<br />

die Ermittlungen von Will Trent und<br />

Faith Mit<strong>ch</strong>ell vom Georgia Bureau<br />

of Investigation ein – au<strong>ch</strong> wenn die<br />

Ereignisse s<strong>ch</strong>merzhafte Erinnerungen<br />

in ihr wecken, die sie eigentli<strong>ch</strong> hinter<br />

si<strong>ch</strong> lassen wollte. Die Ermittlerin<br />

Faith Mit<strong>ch</strong>ell hat neben dem Fall<br />

no<strong>ch</strong> ganz private Probleme, die sie in<br />

den Griff bekommen muss. Der Täter<br />

nimmt darauf aber keine Rücksi<strong>ch</strong>t<br />

und mordet einfa<strong>ch</strong> weiter ...<br />

576 Seiten<br />

623 Seiten<br />

864 Seiten<br />

587 Seiten<br />

CHF 27.90<br />

CHF 15.90<br />

CHF 15.90<br />

CHF 15.90<br />

FISCHER S<strong>ch</strong>erz<br />

Diana<br />

Heyne<br />

Blanvalet<br />

ISBN 978-3-502-10222-9<br />

ISBN 978-3-453-35740-2<br />

ISBN 978-3-453-43719-7<br />

ISBN 978-3-442-37478-6


40 | im s<strong>ch</strong>aufenster <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

Ein rei<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>atz<br />

an Leben<br />

Mit «Der Fäls<strong>ch</strong>er, die Spionin und der Bombenbauer» liefert Alex<br />

Capus einen weiteren Beleg seiner stupenden Erzählkunst.<br />

Marius Leutenegger<br />

Marco Grob<br />

ausgeprägtem Gespür für aussagekräftige<br />

Details. Und ähnli<strong>ch</strong> wie bei «Leon und<br />

Louise» s<strong>ch</strong>öpft Capus au<strong>ch</strong> beim neuen<br />

Roman aus tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>ehnissen –<br />

die drei Personen, die im Titel genannt<br />

werden, haben alle gelebt. Der Fäls<strong>ch</strong>er ist<br />

Emile Gilliéron, der 1851 in Villeneuve am<br />

Genfersee <strong>zu</strong>r Welt kam, mit dem Ar<strong>ch</strong>äologen<br />

Heinri<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>liemann na<strong>ch</strong> Grie<strong>ch</strong>enland<br />

ging und si<strong>ch</strong> dort <strong>als</strong> «Restaurator»<br />

betätigte – Gilliéron gestaltete die Fantasien<br />

seiner Auftraggeber, s<strong>ch</strong>uf Fresken oder<br />

entwarf anhand einzelner Fundstücke<br />

grandiose Altertümer, die es so wohl nie<br />

gab. «Steht man vor dem Palast von Knossos,<br />

an dem Gilliéron arbeitete, fühlt man<br />

si<strong>ch</strong> irgendwie an Art déco erinnert», erzählt<br />

Capus. «Kein Wunder: Das ist Art<br />

déco! Gilliéron und später au<strong>ch</strong> sein Sohn<br />

prägten mit ihrem Stil unsere Vorstellung<br />

vom alten Grie<strong>ch</strong>enland, sie erfanden eine<br />

ganze Ho<strong>ch</strong>kultur – und das ist eine Leistung,<br />

die Respekt verdient.»<br />

Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>iert in den USA<br />

Bei der Spionin im Bu<strong>ch</strong> handelt es si<strong>ch</strong> <strong>um</strong><br />

Laura d’Oriano, To<strong>ch</strong>ter von Musikanten,<br />

die im osmanis<strong>ch</strong>en Rei<strong>ch</strong> her<strong>um</strong>tingelten<br />

Das letzte Bu<strong>ch</strong> von Alex Capus, der Roman<br />

«Leon und Louise», war ein Knüller: Die<br />

Kritik übers<strong>ch</strong>lug si<strong>ch</strong> fast vor Euphorie,<br />

und die Verkaufszahlen s<strong>ch</strong>ossen so<strong>zu</strong>sagen<br />

dur<strong>ch</strong> die Decke des Bu<strong>ch</strong>handels. Die<br />

zarte, zwei ganze Mens<strong>ch</strong>enleben dauernde<br />

Liebesges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te von Leon und Louise,<br />

die vor dem Hintergrund eines s<strong>ch</strong>reckli<strong>ch</strong>en<br />

europäis<strong>ch</strong>en Jahrhunderts spielt,<br />

spra<strong>ch</strong> offenbar ein sehr breites Publik<strong>um</strong><br />

an. «Na<strong>ch</strong> einem sol<strong>ch</strong>en Bu<strong>ch</strong> ein neues<br />

Projekt an die Hand <strong>zu</strong> nehmen, ist ni<strong>ch</strong>t<br />

lei<strong>ch</strong>t», gibt Alex Capus un<strong>um</strong>wunden <strong>zu</strong>.<br />

Kein S<strong>ch</strong>riftsteller mö<strong>ch</strong>te s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> <strong>zu</strong><br />

hören bekommen, sein letztes Bu<strong>ch</strong> habe<br />

besser gefallen – daher ist au<strong>ch</strong> die Versu<strong>ch</strong>ung<br />

gross, ein Erfolgskonzept wieder<br />

und wieder <strong>zu</strong> kopieren. Alex Capus ist dieser<br />

Versu<strong>ch</strong>ung z<strong>um</strong> Glück ni<strong>ch</strong>t erlegen:<br />

Sein neuestes Bu<strong>ch</strong> «Der Fäls<strong>ch</strong>er, die Spionin<br />

und der Bombenbauer» – na<strong>ch</strong> seiner<br />

Aussage sein ungefähr fünfzehntes – ist in<br />

vielerlei Hinsi<strong>ch</strong>t ganz anders <strong>als</strong> «Leon<br />

und Louise».<br />

Bes<strong>ch</strong>reibungen, die haften bleiben<br />

Parallelen gibt es natürli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on: Au<strong>ch</strong><br />

mit dem neuen Bu<strong>ch</strong> zeigt Alex Capus,<br />

wel<strong>ch</strong> hervorragender S<strong>ch</strong>riftsteller er ist.<br />

Müsste man diesen Text kürzen, würde<br />

man wohl s<strong>ch</strong>eitern – jedes Wort sitzt, die<br />

Spra<strong>ch</strong>e s<strong>ch</strong>eint so ideal gemeisselt wie<br />

eine Statue von Praxiteles. Nie spürt man<br />

s<strong>ch</strong>riftstelleris<strong>ch</strong>e Koketterie, alles fliesst<br />

ganz wunderbar. Und immer wieder stösst<br />

man auf kurze Bes<strong>ch</strong>reibungen, die haften<br />

bleiben; Capus erweist si<strong>ch</strong> in diesen Passagen<br />

<strong>als</strong> aufmerksamer Beoba<strong>ch</strong>ter mit<br />

Alex Capus<br />

ml. Alex Capus kam 1961 in der Normandie<br />

<strong>als</strong> Sohn eines Franzosen und<br />

einer S<strong>ch</strong>weizerin <strong>zu</strong>r Welt. Die ersten<br />

fünf Lebensjahre verbra<strong>ch</strong>te er bei seinem<br />

Grossvater in Paris. Dann zog er mit seiner<br />

Mutter na<strong>ch</strong> Olten. Er studierte Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te,<br />

Philosophie und Ethnologie in Basel<br />

und arbeitete <strong>als</strong> Journalist und Redakteur<br />

bei vers<strong>ch</strong>iedenen Tageszeitungen sowie<br />

bei der S<strong>ch</strong>weizer Depes<strong>ch</strong>enagentur.<br />

Sein erster Erzählband ers<strong>ch</strong>ien 1994:<br />

«Diese verflu<strong>ch</strong>te S<strong>ch</strong>werkraft». Seither<br />

hat er rund ein Dutzend weiterer Bü<strong>ch</strong>er<br />

publiziert, die in viele Spra<strong>ch</strong>en übersetzt<br />

wurden und zahlrei<strong>ch</strong>e Preise gewannen.<br />

Oft verbindet Capus in seinen Werken<br />

sorgfältig re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>ierte Fakten mit fiktiven<br />

Erzählebenen; einige seiner Publikationen<br />

sind Sammlungen literaris<strong>ch</strong>er Porträts<br />

und historis<strong>ch</strong>er Miniaturen. Einen Namen<br />

gema<strong>ch</strong>t hat si<strong>ch</strong> Capus au<strong>ch</strong> <strong>als</strong> Übersetzer<br />

der Romane von John Fante und John<br />

Kennedy Toole.<br />

Alex Capus lebt no<strong>ch</strong> immer in Olten.<br />

Dort besitzt er mit dem «Flügelrad» au<strong>ch</strong><br />

eine eigene Beiz – gemeinsam mit seinem<br />

S<strong>ch</strong>riftstellerfreund Pedro Lenz («Der<br />

Goalie bin ig»). Capus ist verheiratet und<br />

Vater von fünf Kindern.<br />

und s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> in Südfrankrei<strong>ch</strong> sesshaft<br />

wurden. Laura wollte Sängerin werden,<br />

war aber ni<strong>ch</strong>t gut genug. Vom Studi<strong>um</strong> in<br />

Paris na<strong>ch</strong> Südfrankrei<strong>ch</strong> <strong>zu</strong>rückgekehrt,<br />

lernte sie einen S<strong>ch</strong>weizer kennen, mit<br />

dem sie während der Wirts<strong>ch</strong>aftskrise in


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf im s<strong>ch</strong>aufenster | 41<br />

dessen Heimatdorf Bottighofen zog. Weil<br />

ihr der Thurgau <strong>zu</strong> eng war, flü<strong>ch</strong>tete Laura<br />

na<strong>ch</strong> kurzer Zeit wieder <strong>zu</strong>rück ans Mittelmeer,<br />

wo sie dur<strong>ch</strong> Zufall Spionin für die<br />

Alliierten wurde. Do<strong>ch</strong> lange dauerte ihr<br />

Leben <strong>als</strong> Mata Hari ni<strong>ch</strong>t – 1943 kam ihr<br />

die zweifelhafte Ehre <strong>zu</strong>, <strong>als</strong> einzige Frau<br />

im Königrei<strong>ch</strong> Italien hingeri<strong>ch</strong>tet <strong>zu</strong> werden.<br />

«I<strong>ch</strong> las alle Verhörprotokolle», erzählt<br />

Capus, «eine sehr rei<strong>ch</strong>e Quelle! Leider<br />

s<strong>ch</strong>ickte mir das Ar<strong>ch</strong>iv in Rom Scans<br />

aller Protokolle auf einer CD, so dass si<strong>ch</strong><br />

meine geplante Italienreise erübrigte.»<br />

Trotzdem konnte Capus für sein neues<br />

Bu<strong>ch</strong> ins Ausland reisen: In den USA re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>ierte<br />

er über seine dritte Figur, den<br />

Bombenbauer. Dabei handelt es si<strong>ch</strong> <strong>um</strong><br />

den Zür<strong>ch</strong>er Felix Blo<strong>ch</strong>, der 1951 den Nobelpreis<br />

für Physik gewann. Die Gräuel des<br />

Ersten Weltkriegs stiessen Blo<strong>ch</strong> <strong>als</strong> jungen<br />

Mann derart ab, dass er eine Tätigkeit<br />

su<strong>ch</strong>te, die si<strong>ch</strong> mit Si<strong>ch</strong>erheit nie für den<br />

Krieg verwenden liesse. Er glaube, sie bei<br />

der jungen Quantenphysik gefunden <strong>zu</strong> haben<br />

– am Ende landete er aber denno<strong>ch</strong><br />

beim Manhattan-Projekt, das die erste<br />

Atombombe hervorbra<strong>ch</strong>te. «Blo<strong>ch</strong> steckte<br />

in einem ethis<strong>ch</strong>en Dilemma», sagt Alex<br />

Capus: «Sollte er helfen, die s<strong>ch</strong>limmste<br />

Waffe <strong>zu</strong> bauen, <strong>um</strong> damit den Holocaust<br />

<strong>zu</strong> stoppen? Immerhin gehörte er dann<br />

aber <strong>zu</strong> den wenigen Leuten, die aus dem<br />

Manhattan-Projekt ausstiegen.»<br />

Begegnung wäre denkbar gewesen<br />

Der neue Roman handelt <strong>als</strong>o von drei Leben<br />

und hat drei Handlungsfäden. Was haben<br />

die drei Figuren miteinander <strong>zu</strong> tun?<br />

Zur Antwort erzählt Alex Capus aus seiner<br />

Kindheit in Olten. «I<strong>ch</strong> sass oft am Bahnhof<br />

und beoba<strong>ch</strong>tete die Leute; es gefällt mir<br />

immer no<strong>ch</strong>, einfa<strong>ch</strong> dort <strong>zu</strong> sitzen und<br />

diesen rei<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>atz an Leben an mir<br />

vorbeiziehen <strong>zu</strong> lassen. Es hat mi<strong>ch</strong> immer<br />

beeindruckt, wie viele Mens<strong>ch</strong>en meinen<br />

Lebensweg kreuzen, ohne dass wir voneinander<br />

Notiz nehmen – und <strong>als</strong> Kind stellte<br />

i<strong>ch</strong> mir man<strong>ch</strong>mal vor, wie es wäre, einfa<strong>ch</strong><br />

einmal mit Leuten mit<strong>zu</strong>gehen und sie<br />

dur<strong>ch</strong>s Leben <strong>zu</strong> begleiten.» Mit dem neuen<br />

Bu<strong>ch</strong> ri<strong>ch</strong>tet er jetzt den Fokus auf drei<br />

Leute, deren Wege si<strong>ch</strong> viellei<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> einmal<br />

kreuzten – 1924 am Bahnhof in Züri<strong>ch</strong>.<br />

«Eine Begegnung wäre z<strong>um</strong>indest<br />

mögli<strong>ch</strong> gewesen», sagt der Autor. «I<strong>ch</strong><br />

halte allerdings s<strong>ch</strong>on ganz am Anfang des<br />

Bu<strong>ch</strong>s fest, dass die drei Handlungsstränge<br />

ni<strong>ch</strong>t <strong>zu</strong>sammenkommen werden.» Denno<strong>ch</strong><br />

bleiben die drei Hauptfiguren miteinander<br />

verbunden: «Am Ende dreht si<strong>ch</strong><br />

alles <strong>um</strong> die Frage, ob man seine Lebensträ<strong>um</strong>e<br />

und Ideale verwirkli<strong>ch</strong>en<br />

kann oder ni<strong>ch</strong>t. Der eine ist Künstler und<br />

will es ni<strong>ch</strong>t sein. Die andere will Künstlerin<br />

sein und ist es ni<strong>ch</strong>t. Der Dritte will einer<br />

Sa<strong>ch</strong>e auswei<strong>ch</strong>en und gerät dann<br />

do<strong>ch</strong> in sie hinein. I<strong>ch</strong> selber bin jetzt 52<br />

Jahre alt, und in diesem Alter stellt man<br />

si<strong>ch</strong> natürli<strong>ch</strong> gewisse Fragen: Hat man<br />

wirkli<strong>ch</strong> die Begabung, das <strong>zu</strong> tun, was<br />

man gern ma<strong>ch</strong>t? Tut man das Ri<strong>ch</strong>tige?»<br />

Als Leser glaubt man im Fall von Alex Capus<br />

die Antwort <strong>zu</strong> kennen: Als S<strong>ch</strong>riftsteller<br />

ist er am ri<strong>ch</strong>tigen Platz.<br />

Der Fäls<strong>ch</strong>er, die Spionin<br />

und der Bombenbauer<br />

272 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Hanser<br />

Neue Bü<strong>ch</strong>er bei Diogenes<br />

512 Seiten, Leinen, sFr 32.90*<br />

Ein junges marokkanis<strong>ch</strong>es Fußballteam<br />

hält Amsterdam in Atem. Ein dubioser<br />

jüdis<strong>ch</strong>er Ges<strong>ch</strong>äftsmann entdeckt plötzli<strong>ch</strong><br />

sein gutes Herz. Väter und Söhne<br />

finden s<strong>ch</strong>icksalhaft <strong>zu</strong>einander, eine alte<br />

Liebesges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te flackert wieder auf…<br />

Der neue atemberaubende Thriller von<br />

Leon de Winter!<br />

352 Seiten, Leinen, sFr 32.90* 336 Seiten, Leinen, sFr 32.90*<br />

»Kein S<strong>ch</strong>riftsteller, der bei Trost ist,<br />

s<strong>ch</strong>reibt eine Autobiographie«, lautet der<br />

erste Satz. Urs Widmer hat die eigene<br />

Warnung in den Wind ges<strong>ch</strong>lagen und<br />

ein großartiges Erinnerungsbu<strong>ch</strong> verfasst.<br />

Eine persönli<strong>ch</strong>e Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te aus<br />

den für die Weltges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te so ents<strong>ch</strong>eidenden<br />

Jahren 1938 – 1968.<br />

Eine Prinzessin von Sansibar, die mit<br />

einem Hamburger Kaufmann dur<strong>ch</strong>brennt.<br />

Mit dieser verbotenen Liebe<br />

beginnt die spannende Saga einer westöstli<strong>ch</strong>en<br />

Familie zwis<strong>ch</strong>en Europa und<br />

der arabis<strong>ch</strong>en Welt. Ein historis<strong>ch</strong>er<br />

Roman na<strong>ch</strong> der wahren Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te von<br />

Emily Ruete.<br />

*unverbindli<strong>ch</strong>e Preisempfehlung


42 | Kinderwelt <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

Z<strong>um</strong> La<strong>ch</strong>en!<br />

Kinder sind fröhli<strong>ch</strong>e Wesen – deshalb gibt es für sie au<strong>ch</strong> viele ausnehmend h<strong>um</strong>orvolle<br />

Bü<strong>ch</strong>er. Unsere Fa<strong>ch</strong>frau für Kinderbü<strong>ch</strong>er hat einige der witzigsten Neuers<strong>ch</strong>einungen aus<br />

dem Regal ge<strong>zu</strong>pft.<br />

Marius Leutenegger<br />

© Beltz & Gelberg<br />

Sol<strong>ch</strong>e Piraten will Polly im<br />

Bu<strong>ch</strong> von Matthias Weinert an<br />

ihrer Geburtstagsparty sehen.<br />

«Als Bu<strong>ch</strong>händlerin und Mutter weiss i<strong>ch</strong>,<br />

wie sehr Kinder und Jugendli<strong>ch</strong>e lustige<br />

Bü<strong>ch</strong>er mögen. Und i<strong>ch</strong> bewundere oft, mit<br />

wie viel H<strong>um</strong>or gute Autorinnen und Autoren<br />

au<strong>ch</strong> ernsthafte Themen behandeln<br />

können. Meine erste Empfehlung ist allerdings<br />

ein reiner Spass: ‹Pollys Piratenparty›<br />

des Hamburger Illustrators Matthias<br />

Weinert. Dieses comicartige Bilderbu<strong>ch</strong><br />

hat so viel Atmosphäre! Es erzählt von einer<br />

Gruppe von Piraten, die von der kleinen<br />

Polly <strong>zu</strong> einer Geburtstagsparty eingeladen<br />

werden – und die si<strong>ch</strong> jetzt riesig auf<br />

den Ku<strong>ch</strong>en freuen. Do<strong>ch</strong> Fred, der Bordkakadu,<br />

wird z<strong>um</strong> Spielverderber. ‹Kein<br />

Bad, kein Ku<strong>ch</strong>en›, sagt er. Also baden die<br />

Piraten. Do<strong>ch</strong> das rei<strong>ch</strong>t Fred ni<strong>ch</strong>t. ‹Kein<br />

S<strong>ch</strong>ick, kein Ku<strong>ch</strong>en›, ‹Kein Ges<strong>ch</strong>enk, kein<br />

Ku<strong>ch</strong>en› – so geht es ständig weiter. Als die<br />

Piraten dann ges<strong>ch</strong>niegelt und mit einer<br />

s<strong>ch</strong>ön eingepackten Puppe bei Polly eintreffen,<br />

ist das Mäd<strong>ch</strong>en ausser si<strong>ch</strong>: Es<br />

wollte mit einem Haufen Piraten feiern und<br />

ni<strong>ch</strong>t mit diesen sauberen Herren! Im Moment<br />

muss i<strong>ch</strong> dieses Bu<strong>ch</strong> meinem dreijährigen<br />

Bub jeden Abend erzählen. Ihm<br />

gefällt besonders, wie entsetzt die Piraten<br />

darüber sind, dass sie baden müssen. Und<br />

natürli<strong>ch</strong> liebt er, wie Fred am S<strong>ch</strong>luss an<br />

den Masten gefesselt wird.<br />

‹Pollys Piratenparty› ist das Lieblingsbu<strong>ch</strong><br />

meines Sohns – meine eigene Lieblings-<br />

Neuers<strong>ch</strong>einung ist ‹Familie Grunz hat<br />

Ärger› von Philip Ardagh, übersetzt von<br />

Harry Rowohlt und illustriert von Axel<br />

S<strong>ch</strong>effler. Vater und Mutter Grunz sind<br />

zwei stinkende, streitsü<strong>ch</strong>tige, betrügeris<strong>ch</strong>e<br />

Ekelpakete, die einem sofort ans Herz<br />

wa<strong>ch</strong>sen. Zusammen mit ihrem Sohnemann<br />

– der aber gar ni<strong>ch</strong>t ihr ri<strong>ch</strong>tiger<br />

Sohn ist – ma<strong>ch</strong>en sie si<strong>ch</strong> in einem Wohnwagen<br />

auf den Weg, einen Elefanten <strong>zu</strong><br />

kaufen. Unterwegs begegnen sie den seltsamsten<br />

Gestalten. Z<strong>um</strong> Beispiel einem<br />

Mann, der in einer grossen G<strong>um</strong>mitomate<br />

lebt. Oder dem Herrn S<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t, der einen<br />

gierigen Grossgrundbesitzer namens von<br />

Guuth bekämpft. Die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te führt <strong>zu</strong><br />

einem regelre<strong>ch</strong>ten Showdown, bei dem<br />

alle Handlungsfäden <strong>zu</strong>sammenkommen –<br />

für jedes skurrile Element und jede Figur<br />

gibt es dann eine Erklärung. Dieses Bu<strong>ch</strong><br />

ist spannend, witzig, liebenswert, h<strong>um</strong>orvoll,<br />

da steckt einfa<strong>ch</strong> alles drin. Man kann<br />

es Kindern ab dem Kindergartenalter vor<strong>lesen</strong>.<br />

Oder es glei<strong>ch</strong> selber vers<strong>ch</strong>lingen.<br />

Au<strong>ch</strong> das nä<strong>ch</strong>ste Bu<strong>ch</strong> ist ein Volltreffer:<br />

‹Pow!› von Mi<strong>ch</strong>ael Fry. Ein gutes Beispiel<br />

dafür, wie h<strong>um</strong>orvoll man ein eigentli<strong>ch</strong><br />

ernstes Thema behandeln kann – vor allem,<br />

wenn man Engländer ist. ‹Pow!› gefällt si<strong>ch</strong>er<br />

allen ‹Greg›-Lesern, denn es ist comicund<br />

tagebu<strong>ch</strong>artig gestaltet. Hauptfigur ist<br />

der elfjährige Paul, der leider viel <strong>zu</strong> klein<br />

ist für sein Alter. Er wird ständig von Roy<br />

gehänselt und jeden Morgen ins S<strong>ch</strong>liessfa<strong>ch</strong><br />

gesteckt. Irgendwann bes<strong>ch</strong>liesst die<br />

S<strong>ch</strong>ulpsy<strong>ch</strong>ologin, Paul <strong>zu</strong>sammen mit der<br />

Bohnenstange Molly und dem Nerd Karl in<br />

eine Bande <strong>zu</strong> stecken – in der Überzeugung:<br />

Halten die Unbeliebtesten <strong>zu</strong>sammen,<br />

werden sie stärker. Die drei bekommen<br />

den Wa<strong>ch</strong>dienst übertragen. Vor allem


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Kinderwelt | 43<br />

© NordSüd<br />

Im Bu<strong>ch</strong> von Autor Philip Ardagh und lllustrator<br />

Axel S<strong>ch</strong>effler hat die Familie Grunz tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

viel Ärger!<br />

aber bes<strong>ch</strong>liessen sie, Roy auf eigene Faust<br />

das Handwerk <strong>zu</strong> legen ... An diesem Bu<strong>ch</strong><br />

gefällt mir besonders, dass der Autor seine<br />

Figuren ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>warz-weiss gestaltet. Roy<br />

ist ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> böse, sondern er hat einen<br />

Grund, war<strong>um</strong> er si<strong>ch</strong> so verhält. Darüber<br />

hinaus ist das Bu<strong>ch</strong> aber einfa<strong>ch</strong> <strong>um</strong>werfend<br />

komis<strong>ch</strong>.<br />

Dasselbe lässt si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> von der nä<strong>ch</strong>sten<br />

Neuers<strong>ch</strong>einung sagen: ‹Amanda Babbel<br />

und die platzende Paula› von Kjartan Poskitt.<br />

In der S<strong>ch</strong>ulklasse von Amanda war in<br />

diesem Jahr no<strong>ch</strong> niemand krank, und die<br />

Lehrerin verspri<strong>ch</strong>t: Wenn ihr das bis Ende<br />

Jahr dur<strong>ch</strong>haltet, gehen wir <strong>zu</strong>r Belohnung<br />

ins M<strong>um</strong>ienmuse<strong>um</strong>. Darauf freut si<strong>ch</strong> die<br />

ganze Klasse. Do<strong>ch</strong> eines Abends überes-<br />

Testleserinnen und Testleser von 8 bis 12 gesu<strong>ch</strong>t!<br />

Niemand weiss besser, was jungen Lesern gefällt, <strong>als</strong> die jungen Leser selbst. Deshalb<br />

su<strong>ch</strong>t Orell Füssli gemeinsam mit dem Kindermagazin «Spick» Buben und Mäd<strong>ch</strong>en<br />

für die Testleser-Gruppe. Sie dürfen während eines halben Jahrs bei uns so viele<br />

druckfris<strong>ch</strong>e Bü<strong>ch</strong>er ausleihen, wie sie mö<strong>ch</strong>ten. Zu jedem Bu<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>reiben sie eine<br />

kurze Bespre<strong>ch</strong>ung, die dann – <strong>zu</strong>sammen mit einem Porträtbild – in den Bu<strong>ch</strong>handlungen<br />

und im «Spick» veröffentli<strong>ch</strong>t wird.<br />

Si<strong>ch</strong> für die Testlese-Gruppe <strong>zu</strong> bewerben, ist ganz einfa<strong>ch</strong>: Bist du zwis<strong>ch</strong>en 8 und<br />

12 Jahre alt, s<strong>ch</strong>ickst du uns bitte ein Foto von dir und eine kurze Bespre<strong>ch</strong>ung deines<br />

Lieblingsbu<strong>ch</strong>s. Bitte sag uns in fünf Sätzen, wor<strong>um</strong> es im Bu<strong>ch</strong> geht, was dir daran<br />

gefallen hat und wem du dieses Bu<strong>ch</strong> empfiehlst. Foto und Bespre<strong>ch</strong>ung – sowie deine<br />

Adresse – kannst du uns per E-Mail oder Post s<strong>ch</strong>icken:<br />

isabel.hammer@books.<strong>ch</strong><br />

Orell Füssli Bu<strong>ch</strong>handlung, Kramhof, Füsslistrasse 4, 8001 Züri<strong>ch</strong><br />

sen si<strong>ch</strong> Amanda und zwei ihrer<br />

Freundinnen an einer Pizza. Paula<br />

geht es tags darauf hundsmiserabel,<br />

und sie kann ni<strong>ch</strong>t <strong>zu</strong>r S<strong>ch</strong>ule<br />

gehen. Amanda und ihre Freundin<br />

bauen darauf eine Paula aus Ballonen,<br />

damit niemand merkt, dass<br />

die e<strong>ch</strong>te Paula gar ni<strong>ch</strong>t da ist.<br />

Und diese Ballon-Paula, die ni<strong>ch</strong>t<br />

platzen darf, s<strong>ch</strong>leppen die Mäd<strong>ch</strong>en<br />

nun von einer Lektion <strong>zu</strong>r<br />

nä<strong>ch</strong>sten ... Diese grandiose Ausgangslage<br />

nutzt Kjartan Poskitt für<br />

geniale Szenen und Dialoge. Ein<br />

Jugendbu<strong>ch</strong> mit so originellen<br />

Ideen habe i<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> nie ge<strong>lesen</strong> –<br />

es ist einfa<strong>ch</strong> total unterhaltsam<br />

und eignet si<strong>ch</strong> vor allem für Mäd<strong>ch</strong>en<br />

ab etwa 10 Jahren.<br />

Au<strong>ch</strong> das nä<strong>ch</strong>ste Bu<strong>ch</strong> ri<strong>ch</strong>tet si<strong>ch</strong> wohl<br />

eher an Leserinnen: ‹Widerspru<strong>ch</strong> zwecklos<br />

oder Wie man eine polnis<strong>ch</strong>e Mutter<br />

überlebt› von Emmy Abrahamson. Grandios<br />

witzig! In erster Linie geht es <strong>um</strong> eine<br />

Mutter-To<strong>ch</strong>ter-Beziehung, der Vater arbeitet<br />

gerade irgendwo in Amerika. Dass<br />

die Mutter aus Polen stammt, spielt keine<br />

Rolle – sie ist einfa<strong>ch</strong> eine Frau, die in<br />

s<strong>ch</strong>wierigen Zeiten aufgewa<strong>ch</strong>sen, supersparsam<br />

und eigentli<strong>ch</strong> total s<strong>ch</strong>räg ist.<br />

To<strong>ch</strong>ter Alicja ist aber selber megas<strong>ch</strong>räg.<br />

Sie gerät ständig in superpeinli<strong>ch</strong>e Situationen,<br />

in die sie oft von ihrer Mutter getrieben<br />

wurde; einmal muss Alicja ihre Cousine<br />

z<strong>um</strong> Papstbesu<strong>ch</strong> begleiten, und da geht<br />

alles s<strong>ch</strong>ief. Trotzdem halten Mutter und<br />

To<strong>ch</strong>ter am Ende eisern <strong>zu</strong>sammen – denn<br />

man kann natürli<strong>ch</strong> nur so s<strong>ch</strong>ön streiten<br />

wie Alicja und ihre polnis<strong>ch</strong>e Mutter, wenn<br />

man einander wirkli<strong>ch</strong> liebt.»<br />

Nicole Stäuble, 40, ist Bu<strong>ch</strong>händlerin bei<br />

Orell Füssli in Frauenfeld; sie hat einen<br />

dreijährigen Sohn. «I<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>te bereits<br />

meine Lehre <strong>zu</strong>r Bu<strong>ch</strong>händlerin bei Orell<br />

Füssli», erzählt sie. S<strong>ch</strong>on in der Lehre<br />

seien Kinder- und Jugendbü<strong>ch</strong>er für sie das<br />

Grösste gewesen, denn «dieser Berei<strong>ch</strong><br />

ist so vielseitig – und fast so etwas wie<br />

eine Bu<strong>ch</strong>handlung in der Bu<strong>ch</strong>handlung!»<br />

Ausserdem könne man die Kundinnen<br />

und Kunden, die Kinderbü<strong>ch</strong>er su<strong>ch</strong>ten,<br />

ri<strong>ch</strong>tig beraten: «Die meisten Leute sind<br />

dankbar für Empfehlungen, weil sie si<strong>ch</strong><br />

mit den Neuers<strong>ch</strong>einungen ni<strong>ch</strong>t so gut<br />

auskennen.»<br />

Pollys Piratenparty<br />

Matthias Weinert<br />

32 Seiten<br />

CHF 23.90<br />

NordSüd<br />

Familie Grunz hat<br />

Ärger<br />

Philip Ardagh, Axel<br />

S<strong>ch</strong>effler (Illustrationen)<br />

240 Seiten<br />

CHF 19.90<br />

Beltz & Gelberg<br />

Pow!<br />

Mi<strong>ch</strong>ael Fry<br />

240 Seiten<br />

CHF 19.90<br />

Dressler<br />

Amanda Babbel<br />

und die platzende<br />

Paula<br />

Kjartan Poskitt,<br />

David Tazzyman<br />

(Illustrationen)<br />

208 Seiten<br />

CHF 21.90<br />

Sauerländer<br />

Widerspru<strong>ch</strong><br />

zwecklos oder Wie<br />

man eine polnis<strong>ch</strong>e<br />

Mutter überlebt<br />

Emmy Abrahamson<br />

214 Seiten<br />

CHF 19.90<br />

dtv


44 | Bu<strong>ch</strong>tipps <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

Marisha Pessl<br />

Die amerikanis<strong>ch</strong>e<br />

Na<strong>ch</strong>t<br />

Milena Moser<br />

Das wahre<br />

Leben<br />

Ka Hancock<br />

Tanz auf Glas<br />

Ni<strong>ch</strong>olas Sparks<br />

Mein Weg <strong>zu</strong> dir<br />

Ashley ist tot – gerade einmal 24 Jahre<br />

alt, eine Lei<strong>ch</strong>e in einer verlassenen<br />

Lagerhalle Manhattans. Tief unten im<br />

S<strong>ch</strong>a<strong>ch</strong>t leu<strong>ch</strong>tet rot ihr Mantel. Ein<br />

Unfall? Oder Selbstmord? Und was<br />

hat Cordova, der übermä<strong>ch</strong>tige Vater<br />

und besessene Filmema<strong>ch</strong>er, mit<br />

ihrem Tod <strong>zu</strong> tun? Der S<strong>ch</strong>lüssel z<strong>um</strong><br />

Geheimnis liegt in seinen magis<strong>ch</strong>en<br />

Filmen, die na<strong>ch</strong> und na<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> einer<br />

Wirkli<strong>ch</strong>keit werden, aus der es kein<br />

Entkommen gibt. «Die alltägli<strong>ch</strong>e<br />

Physik des Unglücks» ma<strong>ch</strong>te Marisha<br />

Pessl 2006 weltberühmt – jetzt kehrt<br />

die New Yorkerin mit einem donnernden<br />

Paukens<strong>ch</strong>lag <strong>zu</strong>rück.<br />

Zwei Frauen in der Mitte ihres<br />

Lebens, beide in der Krise: Nevada<br />

ist krank und lernt gerade damit<br />

<strong>um</strong><strong>zu</strong>gehen. Immer no<strong>ch</strong> unterri<strong>ch</strong>tet<br />

sie Yoga, und das so erfolgrei<strong>ch</strong>, dass<br />

ihr eine Klasse mit s<strong>ch</strong>wierigen, absturzgefährdeten<br />

Mäd<strong>ch</strong>en anvertraut<br />

wird. Erika dagegen bes<strong>ch</strong>liesst, angesi<strong>ch</strong>ts<br />

ihres Versagens <strong>als</strong> Mutter und<br />

Ehefrau das <strong>zu</strong> tun, was ihr niemand<br />

<strong>zu</strong>traut: Sie verlässt ihr luxuriöses Zuhause<br />

am Züri<strong>ch</strong>berg und zieht in eine<br />

heruntergekommene Vorstadtsiedlung.<br />

Dort lernt sie Nevada kennen,<br />

die si<strong>ch</strong> unverhofft verliebt.<br />

Mit Witz, Verve und voller Zuneigung<br />

lockt Moser ihre Figuren dur<strong>ch</strong><br />

existentielle Höhen und Tiefen. Eine<br />

intensive Liebesges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te rund <strong>um</strong><br />

S<strong>ch</strong>merz, Krankheit und Trennung.<br />

Viellei<strong>ch</strong>t hätten Lucy Houston und<br />

Mickey Chandler si<strong>ch</strong> nie verlieben<br />

dürfen. Und erst re<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t heiraten<br />

sollen. Denn beide haben ein<br />

s<strong>ch</strong>weres S<strong>ch</strong>icksal <strong>zu</strong> tragen. Do<strong>ch</strong><br />

die Liebe geht ihre eigenen Wege,<br />

und so führen Lucy und Mickey<br />

eine ungewöhnli<strong>ch</strong>e, aber glückli<strong>ch</strong>e<br />

Ehe. Als ihr Leben eine dramatis<strong>ch</strong>e<br />

Wendung nimmt, wird die Kraft ihrer<br />

Gefühle jedo<strong>ch</strong> einer harten Prüfung<br />

unterzogen.<br />

Mit 17 verlieben si<strong>ch</strong> Dawson und<br />

Amanda ineinander. Sie werden ein<br />

Paar – obwohl ihre Familien ni<strong>ch</strong>t<br />

unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er sein könnten und<br />

die Beziehung na<strong>ch</strong> Kräften bekämpfen.<br />

Ein Jahr lang hält die Liebe, dann<br />

trennen widrige Umstände und ein<br />

S<strong>ch</strong>icks<strong>als</strong>s<strong>ch</strong>lag die beiden. Erst <strong>als</strong><br />

25 Jahre später ein gemeinsamer<br />

Freund stirbt, sehen si<strong>ch</strong> Dawson und<br />

Amanda wieder. Erneut sind sie von<br />

den Gefühlen füreinander überwältigt,<br />

aber mit beiden hat es das Leben<br />

ni<strong>ch</strong>t nur gut gemeint. Sie haben wi<strong>ch</strong>tige<br />

Ents<strong>ch</strong>eidungen getroffen, die sie<br />

na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong> bereuen. Kann ihre Liebe,<br />

die s<strong>ch</strong>on einmal ihr Leben verändert<br />

hat, die Vergangenheit überwinden<br />

und die Zukunft von Dawson und<br />

Amanda prägen?<br />

800 Seiten<br />

320 Seiten<br />

528 Seiten<br />

400 Seiten<br />

CHF 36.90<br />

CHF 29.90<br />

CHF 32.90<br />

CHF 15.90<br />

S. Fis<strong>ch</strong>er<br />

Nagel & Kim<strong>ch</strong>e<br />

Knaur<br />

Heyne<br />

ISBN 978-3-10-060804-8<br />

ISBN 978-3-312-00576-5<br />

ISBN 978-3-426-65322-7<br />

ISBN 978-3-453-40864-7


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Mein Bu<strong>ch</strong> | 45<br />

Nur no<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>nell<br />

ein Bu<strong>ch</strong> kaufen<br />

Wir mö<strong>ch</strong>ten von Orell-Füssli-Kundinnen und -Kunden wissen: Wel<strong>ch</strong>es ist<br />

Ihr liebstes Bu<strong>ch</strong>? Heute antwortet Fabienne Dirba<strong>ch</strong> aus Züri<strong>ch</strong>.<br />

Erik Brühlmann<br />

Ferienzeit – Lesezeit! Das gilt au<strong>ch</strong> für die<br />

15-jährige Fabienne Dirba<strong>ch</strong>, die si<strong>ch</strong> <strong>zu</strong>sammen<br />

mit ihrer Mutter in der Orell Füssli<br />

Filiale am Flughafen Züri<strong>ch</strong> mit Ferienlektüre<br />

eindeckt. «In letzter Zeit bin i<strong>ch</strong><br />

ziemli<strong>ch</strong> oft hier, da wir öfter mal fliegen»,<br />

sagt sie. Diesmal geht es erst na<strong>ch</strong> London,<br />

dann na<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>weden und Finnland. «Und<br />

bald reisen wir sogar na<strong>ch</strong> Japan!», freut<br />

si<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>ülerin.<br />

Fabienne Dirba<strong>ch</strong> liest viel, z<strong>um</strong> Teil natürli<strong>ch</strong><br />

gezwungenermassen die Pfli<strong>ch</strong>tlektüre<br />

in der S<strong>ch</strong>ule. «In meiner Freizeit mag i<strong>ch</strong><br />

lieber Krimis und Fantasy-Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />

wie die ‹Panem›-Saga.» All<strong>zu</strong> viele Bü<strong>ch</strong>er<br />

stehen trotzdem ni<strong>ch</strong>t bei ihr <strong>zu</strong> Hause –<br />

viellei<strong>ch</strong>t, weil sie E-<strong>Books</strong> vorzieht? «Nein,<br />

denn vom Lesen von E-<strong>Books</strong> bekomme<br />

i<strong>ch</strong> Kopfs<strong>ch</strong>merzen», erzählt sie. Vielmehr<br />

sei es so, dass sie Bü<strong>ch</strong>er häufig aus der<br />

Bibliothek hole oder dass sie mit ihren Kameradinnen<br />

und Kameraden Bü<strong>ch</strong>er austaus<strong>ch</strong>e.<br />

«Mal hat jemand dieses Bu<strong>ch</strong>, ein<br />

anderer jene Trilogie – so hat man immer<br />

Lesestoff.» Apropos Trilogie: Fantasy-Autoren<br />

haben ja einen Hang, ihre Serien ins<br />

Unendli<strong>ch</strong>e fort<strong>zu</strong>setzen ... «Und meist folge<br />

i<strong>ch</strong> den Serien au<strong>ch</strong> bis z<strong>um</strong> S<strong>ch</strong>luss»,<br />

sagt Fabienne. An eine Serie könne sie si<strong>ch</strong><br />

allerdings erinnern, bei der sie vorzeitig<br />

aufgab. «Da habe i<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> dem fünften<br />

Band aufgehört, weil es irgendwie immer<br />

dasselbe war.»<br />

Für unsere Rubrik empfiehlt Fabienne Dirba<strong>ch</strong><br />

den Krimi «Flavia de Luce – Mord im<br />

Gurkenbeet» von Alan Bradley. «I<strong>ch</strong> habe<br />

das Bu<strong>ch</strong> vor ein oder zwei Jahren ge<strong>lesen</strong>,<br />

und die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te ist mir einfa<strong>ch</strong> geblieben<br />

– ni<strong>ch</strong>t nur, weil meine Cousine au<strong>ch</strong><br />

Flavia heisst!» In der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, die mit<br />

dem renommierten «Dagger Award» ausgezei<strong>ch</strong>net<br />

wurde, geht es <strong>um</strong> ein Mäd<strong>ch</strong>en,<br />

das eines Morgens im Gurkenbeet<br />

eine Lei<strong>ch</strong>e findet. Verdä<strong>ch</strong>tigt wird Flavias<br />

Vater, der si<strong>ch</strong> am Vortag mit dem Verstorbenen<br />

gestritten hat. Flavia ma<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> auf<br />

die Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> dem wahren Mörder. «Gefallen<br />

hat mir, wie Flavia mit der Wissens<strong>ch</strong>aft,<br />

vor allem mit Chemie, arbeitet, <strong>um</strong><br />

den Fall <strong>zu</strong> lösen», sagt Fabienne. «Und<br />

dass Flavia eine Giftmis<strong>ch</strong>erin ist, die ihren<br />

S<strong>ch</strong>western ständig Strei<strong>ch</strong>e spielt. Einmal<br />

stellt sie Enthaarungscrème her und<br />

taus<strong>ch</strong>t sie gegen das Shampoo ihrer<br />

S<strong>ch</strong>wester aus ...» Ein Roman, der Krimifans<br />

wohl ebenso begeistern wird wie Leserinnen<br />

und Leser, die mit ihren Ges<strong>ch</strong>wistern<br />

no<strong>ch</strong> ein Hühn<strong>ch</strong>en <strong>zu</strong> rupfen<br />

haben!<br />

Flavia de Luce – Mord im<br />

Gurkenbeet<br />

Alan Bradley<br />

382 Seiten<br />

CHF 14.90<br />

Blanvalet<br />

URSUS & NADESCHKIN<br />

«SECHSMINUTEN»<br />

DI 17. – FR 20. SEP /<br />

DI 26. – SA 30. NOV<br />

20.00 Uhr, CHF 60.– / 40.– / 30.–<br />

JOACHIM RITTMEYER<br />

«ZWISCHENSAFT»<br />

DI 24. / DO 26. – SA 28. SEP<br />

20.00 Uhr, CHF 50.– / 40.– / 30.–<br />

HUTZENLAUB & STÄUBLI<br />

«Reif für den Oskar»<br />

MI 16. OKT Premiere /<br />

DO 17. – SA 19. OKT<br />

20.00 Uhr, CHF 55.– / 45.– / 35.–<br />

Kartenbestellung und weitere Infos: www.casinotheater.<strong>ch</strong> oder Telefon 052 260 58 58


46 | Ko<strong>ch</strong>bü<strong>ch</strong>er <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

Guter Ges<strong>ch</strong>mack –<br />

und gutes Gewissen<br />

Beim Thema vegane Ernährung gingen die Meinungen bisher deutli<strong>ch</strong><br />

auseinander. Nun gibt es eine Trendwende. Au<strong>ch</strong> Fleis<strong>ch</strong>esser<br />

zeigen si<strong>ch</strong> interessiert: Es zählt, was s<strong>ch</strong>meckt. Neue Ko<strong>ch</strong>bü<strong>ch</strong>er<br />

animieren da<strong>zu</strong>, vegane Geri<strong>ch</strong>te aus<strong>zu</strong>probieren.<br />

Markus Ganz<br />

«Vergessen Sie alles, was Sie bisher über<br />

vegane Kü<strong>ch</strong>e gehört haben», heisst es in<br />

der Einführung <strong>zu</strong> Jérôme Eckmeiers neuem<br />

Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong> «Vegan. Tut gut – s<strong>ch</strong>meckt<br />

gut!». Bisher war die Meinung vorherrs<strong>ch</strong>end,<br />

der Verzi<strong>ch</strong>t auf Fleis<strong>ch</strong>, Eier und<br />

Mil<strong>ch</strong>produkte bedeute zwangsläufig au<strong>ch</strong><br />

ein Verzi<strong>ch</strong>t auf kulinaris<strong>ch</strong>en Genuss.<br />

Jérôme Eckmeier mö<strong>ch</strong>te mit seinem zweiten<br />

Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong> belegen, dass seine Rezepte<br />

in erster Linie von der Leidens<strong>ch</strong>aft für<br />

gutes Essen geprägt sind. Dass Mens<strong>ch</strong>,<br />

Tier und Umwelt von der veganen Ernährung<br />

profitieren, ist eher ein <strong>zu</strong>sätzli<strong>ch</strong>er<br />

Nebeneffekt.<br />

Mit dieser Arg<strong>um</strong>entation hat si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />

der Kreis der Mens<strong>ch</strong>en geöffnet, die si<strong>ch</strong><br />

z<strong>um</strong>indest hin und wieder vegan ernähren.<br />

Während Vegetarier heute re<strong>ch</strong>t verbreitet<br />

sind – sie essen au<strong>ch</strong> Eier und trinken<br />

Mil<strong>ch</strong> –, bleiben reine Veganer, die oft<br />

au<strong>ch</strong> aus weltans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>en Gründen<br />

gänzli<strong>ch</strong> auf Tieris<strong>ch</strong>es verzi<strong>ch</strong>ten, na<strong>ch</strong><br />

wie vor selten: In Deuts<strong>ch</strong>land wurde ihr<br />

Anteil 2008 auf 0,1 Prozent der Bevölkerung<br />

ges<strong>ch</strong>ätzt. Do<strong>ch</strong> mittlerweile probieren<br />

au<strong>ch</strong> Fleis<strong>ch</strong>esser vegane Geri<strong>ch</strong>te aus<br />

und bauen sie na<strong>ch</strong> Lust und Laune in den<br />

Speiseplan ein. Hauptsa<strong>ch</strong>e, es s<strong>ch</strong>meckt;<br />

wenn es au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> sinnvoll ist, <strong>um</strong>so besser.<br />

«In Berlin floriert der vegane Lifestyle»,<br />

s<strong>ch</strong>rieb «Der Tagesspiegel». Vegane<br />

Supermärkte verbreiten si<strong>ch</strong> mittlerweile<br />

in ganz Deuts<strong>ch</strong>land, und au<strong>ch</strong> im «S<strong>ch</strong>nitzel-Land»<br />

Österrei<strong>ch</strong> hat der erste Laden<br />

seine Türen geöffnet. Und mit «Eva's Apples»<br />

gibt es seit diesem Frühling au<strong>ch</strong> in<br />

Züri<strong>ch</strong> einen Laden, der si<strong>ch</strong> auf rein vegane<br />

Produkte bes<strong>ch</strong>ränkt.<br />

Jérôme Eckmeier betont in «Vegan. Tut gut<br />

– s<strong>ch</strong>meckt gut!», dass für seine Rezepte<br />

alle Zutaten im normalen Supermarkt oder<br />

im Bioladen erhältli<strong>ch</strong> seien. Ni<strong>ch</strong>t immer<br />

vorhanden und bei veganen Geri<strong>ch</strong>ten besonders<br />

wi<strong>ch</strong>tig sind hingegen Fantasie<br />

und Erfahrung. Und über die verfügt Jérôme<br />

Eckmeier, ko<strong>ch</strong>te er do<strong>ch</strong> einst in renommierten<br />

Restaurants für Gäste wie<br />

Prince Charles und Helmut Kohl. Trotzdem<br />

verspri<strong>ch</strong>t er, dass all seine Rezepte wie<br />

etwa vegane Pizzatas<strong>ch</strong>en oder «Pikanter<br />

Wirsing-Auflauf mit getrockneten Aprikosen»<br />

lei<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong><strong>zu</strong>ko<strong>ch</strong>en und alltagstaugli<strong>ch</strong><br />

seien. Dabei helfen au<strong>ch</strong> Grundrezepte<br />

und Tipps, wie man beispielsweise am besten<br />

Mil<strong>ch</strong>produkte ersetzt.<br />

Spass mit der Punk-Kü<strong>ch</strong>e<br />

Au<strong>ch</strong> Us<strong>ch</strong>i Herzer und Joa<strong>ch</strong>im Hiller<br />

liegt viel daran, die vegane Kü<strong>ch</strong>e von ihrem<br />

s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten Ruf <strong>zu</strong> befreien. «Veganismus<br />

ist nur cool, wenn er ohne erhobenen<br />

Zeigefinger auskommt», s<strong>ch</strong>reiben sie in<br />

«Ko<strong>ch</strong>en ohne Kno<strong>ch</strong>en – Das Ox-Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong><br />

5». Entspre<strong>ch</strong>end munter und witzig<br />

präsentieren sie ihre Rezepte, die «von<br />

Punks und ni<strong>ch</strong>t nur für Punks» seien. So<br />

führen sie <strong>zu</strong> den Geri<strong>ch</strong>ten jeweils passende<br />

Songs an, und ni<strong>ch</strong>t etwa nur von<br />

Punk-Musikern: Beim «Maulwurf-Tiramisu»<br />

darf es au<strong>ch</strong> Eros Ramazzotti sein. Musiker<br />

und bekannte Figuren der Vegan-<br />

Szene haben Gastrezepte beigesteuert.<br />

Mille von der bekannten Thrash-Band Kreator<br />

verrät, wie er Tofus<strong>ch</strong>eiben mit Wurzelgemüse<br />

<strong>zu</strong>bereitet. Und Kriminalbiologe<br />

Mark Benecke zeigt, wie man einen<br />

s<strong>ch</strong>mackhaften «Reste-Auflauf» <strong>zu</strong>bereitet.<br />

Trotz des unkonventionellen Ansatzes bieten<br />

die beiden Autoren ein seriöses und<br />

<strong>um</strong>fassendes Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong>. Sie präsentieren<br />

neben Grundlagen au<strong>ch</strong> komplette Menüs<br />

und aufwändigere Geri<strong>ch</strong>te – und zeigen,<br />

dass es gar ni<strong>ch</strong>t so s<strong>ch</strong>wer ist, ohne Eier,<br />

Käse und andere Tierprodukte aus<strong>zu</strong>kommen.<br />

Da<strong>zu</strong> gehört, wie man Fleis<strong>ch</strong>alterna-<br />

tiven aus Soja und Seitan einsetzt. Die Autoren<br />

stellen aber au<strong>ch</strong> Rezepte vor, die<br />

ohne Anlehnung an Geri<strong>ch</strong>te mit Fleis<strong>ch</strong><br />

und Mil<strong>ch</strong>produkten auskommen. Z<strong>um</strong><br />

Bu<strong>ch</strong> gehören au<strong>ch</strong> «Das Einmaleins der<br />

veganen Ernährung» von Dr. Markus Keller<br />

sowie allgemeine Infos z<strong>um</strong> Veganismus.<br />

Aus aller Welt<br />

Justin P. Moore ist Veganer und Weltenb<strong>um</strong>mler,<br />

der auf seinen Reisen in über 40<br />

Länder viele lokale Geri<strong>ch</strong>te kennen- und<br />

liebengelernt hat. Man<strong>ch</strong>e waren bereits<br />

vegan, bei anderen wandelte er das Rezept<br />

entspre<strong>ch</strong>end ab; oft liess er si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> <strong>zu</strong><br />

Eigenkreationen inspirieren. Über 100<br />

dieser Rezepte hat er <strong>zu</strong> seinem neuen<br />

Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong> «The Lotus and the Arti<strong>ch</strong>oke<br />

– Vegane Entdeckungen eines Weltreisenden»<br />

<strong>zu</strong>sammengefasst. Darunter findet<br />

man au<strong>ch</strong> vegane Varianten von Klassikern<br />

wie der vietnamesis<strong>ch</strong>en Pho-Suppe<br />

oder des russis<strong>ch</strong>en Bœuf Stroganoff. Ergänzt<br />

werden die Rezepte mit persönli<strong>ch</strong>en<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten und Anekdoten.<br />

Au<strong>ch</strong> Surdham Göb lässt si<strong>ch</strong> von den Esserfahrungen<br />

in fremden Ländern inspirieren.<br />

Der deuts<strong>ch</strong>e Autor, der Bali seine<br />

zweite Heimat nennt, ist seit 16 Jahren<br />

Chefko<strong>ch</strong> in vers<strong>ch</strong>iedenen veganen Restaurants.<br />

Dank dieses Hintergrunds kann<br />

er in seinem Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong> «Meine veganen<br />

Superfoods» eine euro-asiatis<strong>ch</strong>e Kü<strong>ch</strong>e<br />

präsentieren, die neue Ges<strong>ch</strong>mackserlebnisse<br />

eröffnet. Dies ist au<strong>ch</strong> auf die Verwendung<br />

sogenannter «Superfoods» <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>führen.<br />

Damit meint Göb Lebensmittel wie<br />

Rohkakao, Luc<strong>um</strong>a, Maca und Gojibeeren,<br />

die über einen besonders hohen und konzentrierten<br />

Anteil an wertvollen Nährstoffen<br />

verfügen. Die 70 Rezepte rei<strong>ch</strong>en von<br />

originellen Frühstücksideen und Snacks<br />

über spezielle Drinks und Suppen bis <strong>zu</strong><br />

abwe<strong>ch</strong>slungsrei<strong>ch</strong>en Hauptspeisen.<br />

Gesund für Körper und Geist<br />

Der Bestseller-Autor Ruediger Dahlke hat<br />

mit seinen Bü<strong>ch</strong>ern Brücken zwis<strong>ch</strong>en<br />

S<strong>ch</strong>ulmedizin und Naturheilkunde sowie<br />

zwis<strong>ch</strong>en Religion und spiritueller Philosophie<br />

ges<strong>ch</strong>lagen. In «Peace Food – Das vegane<br />

Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong>» überträgt der Arzt und<br />

Psy<strong>ch</strong>otherapeut seine Erkenntnisse auf<br />

die praktis<strong>ch</strong>e Ernährung. Eine rein<br />

pflanzli<strong>ch</strong>e Ernährung bringe ni<strong>ch</strong>t nur<br />

dem Planeten und seinen tieris<strong>ch</strong>en wie<br />

mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Bewohnern Frieden. Als Arg<strong>um</strong>ente<br />

führt er in seiner ausführli<strong>ch</strong>en<br />

Einleitung an, dass Mens<strong>ch</strong>en «keinen natürli<strong>ch</strong>en<br />

Impuls» hätten, Tiere <strong>zu</strong> essen,


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Ko<strong>ch</strong>bü<strong>ch</strong>er | 47<br />

und dass Tierprotein <strong>zu</strong>dem s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong> sei.<br />

Wer si<strong>ch</strong> vegan ernähre, baue ein «regelre<strong>ch</strong>tes<br />

S<strong>ch</strong>utzs<strong>ch</strong>ild gegen die gravierendsten<br />

Krankheitsbilder der Moderne»<br />

auf. Sein Fazit: Eine ausgewogene pflanzli<strong>ch</strong>e<br />

Kost sei der beste Garant für ein langes<br />

gesundes Leben. Deshalb hat Dahlke seine<br />

Lieblingskö<strong>ch</strong>e gebeten, für dieses Bu<strong>ch</strong><br />

ihre besten veganen Rezepte preis<strong>zu</strong>geben:<br />

Unter den 90 vorgestellten Geri<strong>ch</strong>ten<br />

findet man au<strong>ch</strong> bekannt klingende wie<br />

Veggie-Burger, Scrambled (V)eggs und<br />

Spaghetti Sojanese.<br />

Szegediner Gulas<strong>ch</strong> –<br />

rustikal und deluxe<br />

(Rezept aus dem nebenan vorgestellten Bu<strong>ch</strong> «Ko<strong>ch</strong>en ohne Kno<strong>ch</strong>en»)<br />

Vegan. Tut gut – s<strong>ch</strong>meckt<br />

gut!<br />

Jérôme Eckmeier<br />

192 Seiten<br />

CHF 31.90<br />

Dorling Kindersley<br />

Für 2 Personen<br />

Ko<strong>ch</strong>en ohne Kno<strong>ch</strong>en –<br />

Das Ox-Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong> 5<br />

Us<strong>ch</strong>i Herzer und Joa<strong>ch</strong>im<br />

Hiller<br />

192 Seiten<br />

CHF 16.90<br />

Ventil<br />

The Lotus and the Arti<strong>ch</strong>oke<br />

– Vegane Entdeckungen<br />

eines Weltreisenden<br />

Justin P. Moore<br />

216 Seiten<br />

CHF 31.90<br />

Ventil<br />

Meine veganen Superfoods<br />

Surdham Göb<br />

122 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

AT<br />

Peace Food – Das vegane<br />

Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong><br />

Dahlke, Ruediger<br />

192 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Gräfe & Unzer<br />

Zutaten:<br />

600 g Weinsauerkraut<br />

2 mittelgrosse Zwiebeln<br />

1 rote Spitzpeperoni<br />

400 g Seitan<br />

Olivenöl<br />

0,5 l dunkles Hefeweissbier<br />

Wa<strong>ch</strong>olderbeeren<br />

2 Lorbeerblätter<br />

Kreuzkümmel<br />

gemahlener Kreuzkümmel<br />

1-2 EL Gemüsebouillon<br />

s<strong>ch</strong>warzer und roter Pfeffer<br />

s<strong>ch</strong>arfer und süsser Paprika<br />

1 kleine Dose ges<strong>ch</strong>älte Tomaten<br />

500 ml Tomatenpassata<br />

Sojasahne<br />

Sojasauce<br />

Zubereitung:<br />

Tag 1:<br />

1. Klein ges<strong>ch</strong>nittene Zwiebeln und<br />

Knoblau<strong>ch</strong> mit Kreuzkümmel und<br />

Wa<strong>ch</strong>olderbeeren mit etwas Olivenöl<br />

in einem grossen Topf lei<strong>ch</strong>t<br />

andünsten. Die Spitzpeperoni in<br />

kleine S<strong>ch</strong>eiben s<strong>ch</strong>neiden und<br />

da<strong>zu</strong>geben.<br />

2. Das Weinsauerkraut plus Lorbeerblätter<br />

da<strong>zu</strong> geben und weiter<br />

andünsten. Na<strong>ch</strong> etwa 5 Minuten mit<br />

ca. 0,2 l Hefeweissbier aufs<strong>ch</strong>ütten<br />

und den Rest na<strong>ch</strong> und na<strong>ch</strong> im Lauf<br />

des Ko<strong>ch</strong>vorgangs da<strong>zu</strong>geben. Mit<br />

Gemüsebouillon abs<strong>ch</strong>mecken (ca.<br />

1-2 EL).<br />

3. Na<strong>ch</strong> ca. 10 Minuten die ges<strong>ch</strong>älten<br />

Tomaten und das Tomatenpassata<br />

daz<strong>um</strong>is<strong>ch</strong>en. Mit süssem und<br />

s<strong>ch</strong>arfem Paprika, s<strong>ch</strong>warzem und<br />

rotem Pfeffer sowie Chili würzen.<br />

Das Ganze mit etwas gemahlenem<br />

Kreuzkümmel verfeinern.<br />

4. In der Zwis<strong>ch</strong>enzeit den gewürfelten<br />

und ans<strong>ch</strong>liessend in Sojasauce<br />

eingelegten Seitan in einer Pfanne<br />

kurz anbraten und dana<strong>ch</strong> das<br />

Gulas<strong>ch</strong> beimengen. Bei fertig<br />

gekauftem Seitan entfällt das<br />

Einlegen in Sojasauce, diesen <strong>als</strong>o<br />

nur würfeln und anbraten.<br />

5. Vorgeko<strong>ch</strong>te Kartoffel grob s<strong>ch</strong>neiden<br />

und in einer Pfanne mit etwas<br />

Olivenöl und Rosmarin anbraten.<br />

6. Das Gulas<strong>ch</strong> in einem fla<strong>ch</strong>en Teller<br />

nebst den Kartoffeln anri<strong>ch</strong>ten.<br />

Tag 2:<br />

1. Den Rest Szegediner Gulas<strong>ch</strong> vom<br />

Vortag mit ca. 120 ml Sojasahne<br />

verfeinern und im Topf langsam<br />

erhitzen.<br />

2. In der Zwis<strong>ch</strong>enzeit die Kamuthörn<strong>ch</strong>en<br />

na<strong>ch</strong> Ko<strong>ch</strong>anweisung in etwas<br />

Salzwasser ko<strong>ch</strong>en (ca. 10 Minuten).<br />

3. Kamuthörn<strong>ch</strong>en in Olivenöl s<strong>ch</strong>wenken,<br />

in einen Pastateller geben und<br />

das Gulas<strong>ch</strong> draufpacken.


48 | WETTBEWERB <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

Das Literatur-Kreuzworträtsel<br />

Unter den ri<strong>ch</strong>tigen Lösungen verlosen wir Guts<strong>ch</strong>einkarten von Orell Füssli:<br />

1. Preis: CHF 200.–, 2. Preis: CHF 100.–, 3. Preis: CHF 50.–, 4. bis 10. Preis: je CHF 20.–.<br />

✁<br />

Lösungswort:<br />

Vorname / Name<br />

Adresse<br />

Bis z<strong>um</strong> 15. November 2013 in einer der Orell-Füssli-Filialen in Züri<strong>ch</strong>, Basel, Bern,<br />

Winterthur, Frauenfeld, am Flughafen Züri<strong>ch</strong> oder bei Rösslitor Bü<strong>ch</strong>er in St. Gallen<br />

abgeben – oder per E-Mail senden an: books@books.<strong>ch</strong>.<br />

Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt.<br />

PLZ / Ort<br />

E-Mail


Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf VERANSTALTUNGEN | 49<br />

Veranstaltungen von Orell Füssli<br />

September<br />

bis 30.<br />

16.<br />

18.<br />

Filiale Kramhof, Züri<strong>ch</strong><br />

20-Jahr-Jubilä<strong>um</strong><br />

Diverse Veranstaltungen<br />

Kellerbühne St. Gallen, St.Georgen-Str. 3, 20 h<br />

«Laure Wyss»<br />

Lesung und Gesprä<strong>ch</strong> mit der Biografin Barbara<br />

Kopp, veranstaltet von der Kellerbühne in<br />

Zusammenarbeit mit der Filiale Rösslitor<br />

Filiale Kramhof, Züri<strong>ch</strong> 14-15 h<br />

«Das verwuns<strong>ch</strong>ene Ges<strong>ch</strong>enk»<br />

Katja Alves und Boni Koller erzählen aus ihrem<br />

Kinderbu<strong>ch</strong>; Kinderveranstaltung im Rahmen<br />

des 20-Jahr-Jubilä<strong>um</strong>s des Kramhofs<br />

20. Filiale Rösslitor, St.Gallen 20 h<br />

«Der Fäls<strong>ch</strong>er, die Spionin und<br />

der Bombenbauer»<br />

Lesung mit Alex Capus<br />

21.<br />

23.<br />

Kaufleuten, Pelikanplatz, Züri<strong>ch</strong> 20 h<br />

L-Reihe: «Spre<strong>ch</strong>en wir über<br />

Eulen – und Diabetes»<br />

Lesung mit David Sedaris, veranstaltet mit der<br />

Filiale Kramhof<br />

Kellerbühne St. Gallen, St.Georgen-Str. 3 20 h<br />

«Gleis 4»<br />

Lesung mit Franz Hohler, veranstaltet von der<br />

Kellerbühne in Zusammenarbeit mit der Filiale<br />

Rösslitor<br />

24. Filiale am Bellevue, Züri<strong>ch</strong> 20.30 h<br />

«Maria Rosenblatt»<br />

Bu<strong>ch</strong>vernissage mit Corinna T. Sievers.<br />

Moderation: Denis S<strong>ch</strong>eck<br />

25.<br />

Filiale Kramhof, Züri<strong>ch</strong> 13-14.30 / 15-16.30 Uhr<br />

Zei<strong>ch</strong>nen mit Greg<br />

Kinderveranstaltung im Rahmen des<br />

20-Jahr-Jubilä<strong>um</strong>s des Kramhofs<br />

26. Filiale The <strong>Books</strong>hop, Züri<strong>ch</strong> 13-16 h<br />

«Diary of a Wimpy Kid»<br />

Drawing Class<br />

28. Filiale Frauenfeld 10.30 h<br />

Märlis<strong>ch</strong>tund<br />

30.<br />

Hotel Einstein, Berneggstrasse 2, St. Gallen 20 h<br />

Gabriel Palacios<br />

Bu<strong>ch</strong>präsentation und Demonstration<br />

Oktober<br />

2.<br />

4.<br />

5.<br />

5.<br />

Filiale Kramhof, Züri<strong>ch</strong> 13-16 h<br />

Papa Moll und sein Zei<strong>ch</strong>ner<br />

kommen <strong>zu</strong> Besu<strong>ch</strong><br />

Filiale Kramhof, Züri<strong>ch</strong> 20.15 h<br />

Spannung z<strong>um</strong> Geburtstag<br />

Z<strong>um</strong> 20-Jahr-Jubilä<strong>um</strong> veranstaltet der Kramhof<br />

einen grossen Krimiabend mit Bestseller-<br />

Autorin Ingrid Noll, Ri<strong>ch</strong>terin Barbara Sales<strong>ch</strong><br />

und Forensikerin Lydia Benecke. Teilnahme<br />

kostenlos, nur mit Anmeldung:<br />

veranstaltungen.kramhof@books.<strong>ch</strong><br />

Filiale Marktgasse, Winterthur Na<strong>ch</strong>mittag<br />

Theo der Bär kommt <strong>zu</strong> Besu<strong>ch</strong><br />

Filiale Kramhof, Züri<strong>ch</strong> 13-15 h<br />

Theo der Bär kommt <strong>zu</strong> Besu<strong>ch</strong><br />

10. Filiale Marktgasse, Winterthur 17-20 h<br />

Handanalysen mit Monika Hauser<br />

17.<br />

25.<br />

25.<br />

25.<br />

25.<br />

Kaufleuten, Pelikanplatz, Züri<strong>ch</strong> 20 h<br />

L-Reihe: Lesung mit<br />

Daniel Kehlmann<br />

Veranstaltet mit der Filiale Kramhof<br />

Filiale Kramhof, Züri<strong>ch</strong> 18-20 h<br />

Züri<strong>ch</strong> liest:<br />

«Stressfrei glückli<strong>ch</strong> sein»<br />

Bu<strong>ch</strong>präsentation mit Alain Sutter<br />

Filiale Marktgasse, Winterthur 19 h<br />

Züri<strong>ch</strong> liest: Lesung und<br />

Diskussion mit Milena Moser<br />

und Katharina Faber<br />

Filiale The <strong>Books</strong>hop, Züri<strong>ch</strong> 20.15-22 h<br />

Züri<strong>ch</strong> liest: «The Whatnot»<br />

Reading with Stefan Ba<strong>ch</strong>mann<br />

Filiale Bellevue, Züri<strong>ch</strong> 20.30 h<br />

Züri<strong>ch</strong> liest: «In Küstennähe»<br />

Lesung mit Joa<strong>ch</strong>im B. S<strong>ch</strong>midt<br />

26. Filiale am Bellevue, Züri<strong>ch</strong> 18.30 h<br />

Züri<strong>ch</strong> liest: «Carola & Heinz»<br />

Lesung mit Bernd S<strong>ch</strong>roeder, Peter Gaymann<br />

zei<strong>ch</strong>net live da<strong>zu</strong><br />

26. Filiale The <strong>Books</strong>hop, Züri<strong>ch</strong> 18.30-22 h<br />

Züri<strong>ch</strong> liest:<br />

Saturday Night Special<br />

Music, Drinks and Discount<br />

26. Filiale Frauenfeld 10.30 h<br />

Märlis<strong>ch</strong>tund<br />

27.<br />

29.<br />

30.<br />

Tonhalle Züri<strong>ch</strong> 11 h<br />

Züri<strong>ch</strong> liest: «Musik mit Globi –<br />

Eine Reise in die Welt der Töne».<br />

Erstaufführung des Kinderkonzerts und Bu<strong>ch</strong>vernissage,<br />

veranstaltet vom Globi Verlag und<br />

von der Filiale Bellevue<br />

Kellerbühne St. Gallen, St.Georgen-Str. 3 20 h<br />

«Das wahre Leben»<br />

Lesung mit Milena Moser, veranstaltet von der<br />

Kellerbühne in Zusammenarbeit mit der Filiale<br />

Rösslitor<br />

Filiale Frauenfeld 19 h<br />

Lesezirkel<br />

Anmeldung direkt im Laden oder unter<br />

info.frauenfeld@books.<strong>ch</strong><br />

November<br />

2.<br />

2.<br />

11.<br />

Filiale Marktgasse, Winterthur 13-16 h<br />

Globi kommt <strong>zu</strong> Besu<strong>ch</strong><br />

Filiale Kramhof, Züri<strong>ch</strong> 13-15 h<br />

Theo der Bär kommt <strong>zu</strong> Besu<strong>ch</strong><br />

Filiale Rösslitor St.Gallen 20 h<br />

Literaturcafé mit der<br />

Frauenzentrale<br />

Bu<strong>ch</strong>händlerinnen und Bu<strong>ch</strong>händler stellen<br />

Bü<strong>ch</strong>er vor<br />

14. Filiale Marktgasse, Winterthur 17-20 h<br />

Handanalysen mit Monika Hauser<br />

23.<br />

Märlis<strong>ch</strong>tund<br />

Filiale Frauenfeld 10.30 h<br />

23.<br />

Globi kommt <strong>zu</strong> Besu<strong>ch</strong><br />

25.<br />

Filiale Rosenberg, Winterthur 13-16 h<br />

Kaufleuten, Pelikanplatz, Züri<strong>ch</strong> 20 h<br />

L-Reihe: «Ein gutes Herz»<br />

Lesung mit Leon de Winter, veranstaltet mit<br />

der Filiale Kramhof<br />

Dezember<br />

9.<br />

Kaufleuten, Pelikanplatz, Züri<strong>ch</strong> 20 h<br />

L-Reihe: Lesung mit Hans Magnus<br />

Enzensberger<br />

Veranstaltet mit der Filiale Kramhof<br />

Mehr Veranstaltungen und Informationen finden Sie auf www.books.<strong>ch</strong>


50 | Kol<strong>um</strong>ne <strong>Books</strong> Nr. 3/2013<br />

S<strong>ch</strong>weizer Autorinnen und<br />

Autoren erzählen in «<strong>Books</strong>»,<br />

war<strong>um</strong> sie s<strong>ch</strong>reiben.<br />

Heute: Corinna T. Sievers<br />

I<strong>ch</strong> habe einen Brotberuf. I<strong>ch</strong> bin Kieferorthopädin.<br />

Ärztin kann man ni<strong>ch</strong>t ein biss<strong>ch</strong>en<br />

sein. Mein Handy ist sieben Tage die<br />

Wo<strong>ch</strong>e empfangsbereit, rund <strong>um</strong> die Uhr.<br />

Hat jemand am Sonntagna<strong>ch</strong>mittag ein<br />

Problem, eile i<strong>ch</strong> in die Praxis.<br />

Ausserdem bin i<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>riftstellerin.<br />

I<strong>ch</strong> habe gelernt, na<strong>ch</strong>ts <strong>zu</strong> s<strong>ch</strong>reiben.<br />

Wenn die Kinder s<strong>ch</strong>lafen und alles still ist,<br />

setze i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> an den Laptop. Der steht auf<br />

einem winzigen, runden Tis<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en ho<strong>ch</strong><br />

oben auf dem Da<strong>ch</strong>stock eines Bauernhauses<br />

von 1659 (die Zahl ist in den gewaltigen<br />

Balken ges<strong>ch</strong>nitzt, der si<strong>ch</strong> über meinem<br />

Kopf befindet). Aus dem Fenster blicke i<strong>ch</strong><br />

über den s<strong>ch</strong>warzen See. Neben mir steht<br />

ein Glas Wein. Ab vier Uhr morgens Kaffee.<br />

Der Stoff kommt z<strong>um</strong> S<strong>ch</strong>riftsteller, ni<strong>ch</strong>t<br />

<strong>um</strong>gekehrt.<br />

I<strong>ch</strong> habe eine allenfalls vage Vorstellung<br />

von der Handlung meines Romans, skizziere<br />

ihn auf weniger <strong>als</strong> einer halben Seite<br />

und warte. Beethoven hat gesagt, der liebe<br />

Gott habe ihm seine Musik nä<strong>ch</strong>tens ins<br />

Ohr gebrüllt. Au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong>, <strong>als</strong> er längst taub<br />

war. Er, Beethoven, brau<strong>ch</strong>e sie morgens<br />

bloss no<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> notieren.<br />

So ähnli<strong>ch</strong> geht es mir au<strong>ch</strong>. Meine Figuren<br />

kommen <strong>um</strong> Mitterna<strong>ch</strong>t. I<strong>ch</strong> rufe sie ni<strong>ch</strong>t.<br />

Plötzli<strong>ch</strong> sind sie da und erzählen mir ihre<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten. Bisweilen sind es traurige Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />

oder gewaltsame. Fast immer<br />

unartige. Häufig sehen die Figuren aus wie<br />

Mens<strong>ch</strong>en, die i<strong>ch</strong> all<strong>zu</strong> gut kenne. Der<br />

Mann, den i<strong>ch</strong> liebe, ist dabei, Freunde,<br />

Kollegen. Meine Kinder.<br />

Die Figuren lassen ni<strong>ch</strong>t locker. I<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>reibe<br />

auf, was sie <strong>zu</strong> sagen haben. Dabei s<strong>ch</strong>one<br />

i<strong>ch</strong> niemanden. Man<strong>ch</strong>mal la<strong>ch</strong>e i<strong>ch</strong>,<br />

man<strong>ch</strong>mal weine i<strong>ch</strong>. Gelegentli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>äme<br />

i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong>. Um mit Kafka <strong>zu</strong> spre<strong>ch</strong>en: «Ein<br />

Bu<strong>ch</strong> muss die Axt sein für das gefrorene<br />

Meer in uns.» Literatur muss brutal ehrli<strong>ch</strong><br />

sein, sonst ist sie wertlos. Damit ist gemeint,<br />

dass der S<strong>ch</strong>riftsteller sein Inneres<br />

na<strong>ch</strong> aussen kehrt, sei es vordergründig<br />

oder zwis<strong>ch</strong>en den Zeilen.<br />

Jedo<strong>ch</strong> – im Prozess des S<strong>ch</strong>reibens entfernen<br />

si<strong>ch</strong> die Romanfiguren von ihren leibhaftigen<br />

Vorbildern. Was diese gesagt oder<br />

getan haben, unterliegt einer immer stärkeren<br />

Verwandlung. Gegen die der Autor<br />

ma<strong>ch</strong>tlos ist. Die s<strong>ch</strong>riftstelleris<strong>ch</strong>e Fantasie<br />

drängt si<strong>ch</strong> in die Realität.<br />

Die an Tors<strong>ch</strong>lusspanik leidende Ärztin<br />

Phoebe aus meinem ersten Roman «Samenklau»<br />

hat nur no<strong>ch</strong> entfernt mit mir <strong>zu</strong><br />

tun, das Kind Ute aus «S<strong>ch</strong>ön ist das Leben<br />

und Gottes Herrli<strong>ch</strong>keit in seiner S<strong>ch</strong>öpfung»<br />

ist ni<strong>ch</strong>t mehr jenes behinderte Mäd<strong>ch</strong>en<br />

aus meinem Dorf, das sieben Mal tötete,<br />

<strong>um</strong> si<strong>ch</strong> <strong>zu</strong> befreien. Gerade ers<strong>ch</strong>ienen<br />

ist mein Krimi «Maria Rosenblatt», der<br />

au<strong>ch</strong> eine Liebesges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te ist. I<strong>ch</strong> habe<br />

mir einige skurrile Eigens<strong>ch</strong>aften meines<br />

Ehemanns geborgt (er hat <strong>zu</strong>gestimmt), i<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>öpfe aus dem Fundus einer zwanzigjährigen<br />

Beziehung, aber es ist ni<strong>ch</strong>t unsere<br />

Ehe, die i<strong>ch</strong> dort bes<strong>ch</strong>reibe.<br />

Irgendwann tippe i<strong>ch</strong> das letzte Wort. Dann<br />

beginnt die eigentli<strong>ch</strong>e Arbeit. Hat die erste<br />

Nieders<strong>ch</strong>rift ein Jahr in Anspru<strong>ch</strong> genommen,<br />

dauert es mindestens ebenso lange,<br />

den Text <strong>zu</strong> überarbeiten. I<strong>ch</strong> gehe ihn unzählige<br />

Male dur<strong>ch</strong>. I<strong>ch</strong> verknüpfe die Worte<br />

<strong>zu</strong> einer Melodie.<br />

Zwei Jahre sind vergangen. 300 Liter Kaffee<br />

getrunken. S<strong>ch</strong>on lange bin i<strong>ch</strong> des Textes<br />

überdrüssig. I<strong>ch</strong> verna<strong>ch</strong>lässige meine<br />

Kinder und den Mann, den i<strong>ch</strong> liebe. Es ist<br />

an der Zeit, mi<strong>ch</strong> vom Text <strong>zu</strong> trennen. Der<br />

Roman geht an den Lektor (und kehrt dana<strong>ch</strong><br />

no<strong>ch</strong> viele Male <strong>zu</strong> mir <strong>zu</strong>rück).<br />

Es war Inspiration und Kno<strong>ch</strong>enarbeit.<br />

S<strong>ch</strong>riftsteller sind manis<strong>ch</strong>. Sie müssen es<br />

sein. Aus ihrer Besessenheit entsteht im<br />

besten Fall Literatur. Sol<strong>ch</strong>e erhoffe i<strong>ch</strong> mir<br />

in den Nä<strong>ch</strong>ten an meinem winzigen, runden<br />

Tis<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en oberhalb des s<strong>ch</strong>warzen Züri<strong>ch</strong>sees.<br />

Den S<strong>ch</strong>laf hole i<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>, wann<br />

immer es geht.<br />

Corinna T. Sievers<br />

Corinna T. Sievers, 48, studierte Politik,<br />

Medizin und Zahnmedizin. Sie betreibt am<br />

Züri<strong>ch</strong>see eine Praxis <strong>als</strong> Kieferorthopädin.<br />

2010 ers<strong>ch</strong>ien ihr Debütroman «Samenklau»,<br />

jetzt hat sie einen Krimi verfasst – er<br />

feiert am 24. September 2013 <strong>um</strong> 20.30<br />

Uhr in der Filiale am Bellevue Premiere.<br />

Maria Rosenblatt<br />

144 Seiten<br />

CHF 24.90<br />

Edition Nautilus


GESCHICHTEN<br />

SPINNEN<br />

Hauptpreis:<br />

2 Überna<strong>ch</strong>tungen für<br />

2 Personen in der<br />

Literaturkü<strong>ch</strong>e in<br />

Bad Zurza<strong>ch</strong><br />

voralpen-express.<strong>ch</strong><br />

Der wettbewerb Kurzges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten-<br />

2013!


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