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Antifaschistische Kultur - Die Linke

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te späterhin zu Drogensucht und Playboymanie,<br />

vorher tönte Michael Jagger<br />

noch: „Das Elend mit John Lennon ist,<br />

dass er einfach zuwenig Marx gelesen<br />

hat!“ Ihre Platten wurden zensiert, sie<br />

gaben Massen-Konzerte mit freiem Eintritt<br />

und versuchten auch sonst die elitäre<br />

englische Society durcheinander zu<br />

wirbeln.<br />

Seit 1995 ist Sir Michael Ehrenmitglied<br />

der London University und der London<br />

School of Economics and Political Science,<br />

wo er seine Examina einst mit<br />

„gut“ abschloss und in der Folge beweisen<br />

hat, das er tatsächlich etwas<br />

vom Reichwerden versteht. Das Hyde<br />

Park Concert 1969 kommentierte er<br />

noch: „Irgendwann kam der Punkt, wo<br />

wir den Leuten hätten befehlen können:<br />

Zieht euch nackt aus und stürmt den<br />

Buckingham Palace! und sie hätten es<br />

gemacht.“ Nun, die „Stones“ haben das<br />

nicht gemacht, aber im Unterschied zu<br />

bloß erfolgreichen Bands haben sie es<br />

wenigstens ventiliert.<br />

3. Richtig ernst mit der Revolte durch<br />

Kunst machte dann Anfang der Siebziger<br />

Jahre die Kreuzberger Anarchoband<br />

„Ton, Steine, Scherben“ mit dem charismatischen<br />

Leadsänger Rio Reiser.<br />

Von der RAF ließen sie sich Texte diktieren,<br />

etwa „Macht kaputt, was euch<br />

kaputt macht!“ und der „Rathaussong“<br />

wurde nicht nur zur Hymne der Hausbesetzerbewegung,<br />

sondern auch selbst<br />

der Anlass zur Besetzung. Wo die TSS<br />

Konzerte gaben, setzte es anschließend<br />

Randale und Krawall, das gehörte zur<br />

politischen Vorbereitung der Auftritte.<br />

Um sich vor Zensur und Boykott der bürgerlichen<br />

Medien und Läden zu sichern,<br />

machten sie einen eigenen Plattenvertrieb<br />

auf, „David-Volksmund-Produktion“,<br />

der durch schlechte Zahlungsmoral<br />

der linken Kundschaft bald soviel<br />

6<br />

Blöd sein macht rechts<br />

Refrain: Blöd sein macht rechts, doch mancher nennt sich<br />

links da. Rechts sein macht blöd, und dann ist es vorbei.<br />

Politik für Monopole, shareholder value rules, in Provinz<br />

und Metropole wächst die braune Flut der Fools. Wer feig<br />

ist, nichts zu sagen hat, der setzt auf Nation und Staat.<br />

Refrain<br />

Besser umverteilen soll man. Kapital soll freundlich sein.<br />

Nur den faulen Knechtsgehirnen fällt so’n Schwachsinn ein,<br />

die Unterdrückung kommt aus der Produktion, die woll’n<br />

wir übernehmen yes go on.<br />

Refrain<br />

Der Feind kommt aus dem Ausland, liebt Allah und TNT.<br />

Nein, der Feind steht im eigenen Land, wie ich die Sache<br />

Schulden hatte, dass sich Rio Reiser<br />

mit seiner unverwechselbaren klaren<br />

Stimme zur Solokarriere als Kitschsänger<br />

entschloss. <strong>Die</strong>ses Anpasserleben<br />

hielt er nicht lange aus, er wurde ein todessüchtiger<br />

Kokser und starb. Heroes<br />

die young. <strong>Die</strong> Rechte-Inhaber vermarkten<br />

seine Songs jetzt auf Teufel komm<br />

raus als Werbejingle beim Media-Markt<br />

und mit dubiosen Nachspielbands. Das<br />

Schlimmste aber: <strong>Die</strong> frühen Rebellenlieder<br />

sind heute der absolute Hit auf<br />

Neonaziparties: „Allein machen sie dich<br />

ein“; „Ich will nicht werden, was mein Alter<br />

ist“; „Macht kaputt was euch kaputt<br />

macht“… Irgendetwas ist da wohl gewaltig<br />

schief gelaufen.<br />

Eines hatten „Ton, Steine, Scherben“<br />

im Unterschied zu den „Rolling Stones“<br />

richtig gesehen: Als wirkender Künstler<br />

muss man Teil einer Bewegung sein. Genauer<br />

hatte darüber schon Erich Mühsam<br />

nachgedacht und folgerichtig die<br />

Aktivierung des „fünften Standes“ versucht.<br />

Doch die Zuhälter und Zuchthäusler,<br />

denen er im Münchener Lokal „Zum<br />

Soller“ revolutionäre Reden hielt, waren<br />

eher an dem gereichten Freibier interessiert<br />

als an der gereichten Wahrheit.<br />

Bertolt Brecht entdeckte später (1935)<br />

die fünf Schwierigkeiten beim Verbreiten<br />

der Wahrheit: Mut zur Wahrheit, Klugheit,<br />

sie zu erkennen; „3. <strong>Die</strong> Kunst, die<br />

Wahrheit handhabbar zu machen als eine<br />

Waffe.“ Damit war eine Darstellungsform<br />

gemeint, die die realen Klassenverhältnisse<br />

deutlich macht. Viertens die<br />

soziale Basis oder in Brechts Worten:<br />

„jene auszuwählen, in deren Händen<br />

die Wahrheit wirksam wird“, was auf eine<br />

Aufforderung zum organisierten Anschluss<br />

an das Proletariat hinausläuft.<br />

Dass man schließlich zur Verbreitung<br />

der Wahrheit sich strategischer List bedienen<br />

und die linke Propaganda undogmatisch<br />

in die herrschenden Diskurse<br />

einbauen muss, wenn man „Begriffe neu<br />

besetzen“ will, nennt Brecht an fünfter<br />

Stelle und damit hapert es bei der gesamten<br />

<strong>Linke</strong>n bis heute am meisten.<br />

Aber selbst, wenn wir das alles erfüllten,<br />

fehlte uns immer noch eine vergleichbare<br />

Medienmacht, um dem alltäglichen<br />

Manipulationsstrom aus Dummheits-,<br />

Konsum und Kriegspropaganda eine minimale<br />

Aufklärung entgegenzusetzen.<br />

Das wäre Brechts ungenannte Nummer<br />

6: Wirksame linke Massenmedien sind<br />

das dringendste Desiderat für eine neue<br />

Rebellionsbewegung.<br />

Zweitens<br />

Wie Sie vielleicht wissen, unterhalte<br />

ich in Berlin-Kreuzberg im Wirtshaus<br />

„Max und Moritz“, einer traditionellen<br />

Versammlungsstätte der Arbeiter- und<br />

Aufstandsbewegungen (bis hin zur versuchten<br />

gewaltsamen Besetzung des<br />

leer stehenden Krankenhauses Bethanien<br />

in den Siebziger Jahren) eine kleine<br />

Showfabrik. Sie findet jeden Sonntag<br />

Mittag statt und heißt „Dr. Seltsams<br />

Wochenschau“.„Dr. Seltsam“ nach meinem<br />

Künstlernamen, den ich mir ausgesucht<br />

habe in Bewunderung für den<br />

besten Antimilitär-Film aller Zeiten, „Dr.<br />

Seltsam oder wie ich lernte die Bombe<br />

zu lieben“ von Stanley Kubrick. <strong>Die</strong><br />

Wochenschau ist das dritte oder vierte<br />

Projekt einer Reihe von Versuchen,<br />

mit Mitteln der Kunst die politische Haltung<br />

der Zuschauer nach links zu rücken.<br />

Seit zwanzig Jahren versuche ich<br />

dies mit wechselndem Erfolg und denke,<br />

ich kann aus Theorie und Praxis einiges<br />

Konkretes dazu beitragen, unser Thema<br />

„Kunst als Waffe“ zu beleuchten.<br />

Am ersten Maisonntag 2007 hatten<br />

wir unter anderen den Organisator der<br />

Kreuzberger so genannten „Revolutionären<br />

1.-Mai-Demo“ als Interview-Gast,<br />

den beliebten Kinderarzt Dr. Michael<br />

seh. Das Kapitalverhältnis ist es, es hindert uns Menschen<br />

zu sein.<br />

Refrain<br />

Musik macht das Leben leichter, Musik ist das Salz der<br />

Welt. Musik ist für alles einsetzbar und nur die Funktion<br />

ist’s, die zählt. Wir brauchen <strong>Kultur</strong>, die nichts kostet und<br />

wo das Gehirn nicht verrostet.<br />

Refrain<br />

Bei der Wahl woll’n sie unsere Stimme, die woll’n unser<br />

Kreuz, nicht uns hörn. Das ist ja gerade das Schlimme, nur<br />

gewaltsam und laut kann man stör’n. <strong>Die</strong> Zähne zeigt, wer’s<br />

Maul aufmacht und über das Wahlspektakel lacht.<br />

Refrain

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