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Antifaschistische Kultur - Die Linke

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Funktion, als ökonomisches Herzstück<br />

eines gegen die UdSSR gerichteten, aggressiven<br />

Kurses zu dienen. Ohne die<br />

Rohstoff-Ressourcen sowie die Schwerindustrie<br />

an Rhein und Ruhr, ohne die<br />

chemische Industrie in Ludwigshafen<br />

und Leverkusen, ohne die Fahrzeug- und<br />

Maschinenbau-Unternehmen in Baden-<br />

Württemberg, ohne die hoch qualifizierten<br />

deutschen Ingenieure, Techniker und<br />

Facharbeiter – um nur diese Beispiele<br />

zu nennen – war eine ökonomische Untersetzung<br />

des antisowjetischen Kurses<br />

nicht denkbar. Konrad Adenauer brachte<br />

während eines Gesprächs mit den<br />

westalliierten Hohen Kommissaren im<br />

August 1950 diesen Sachverhalt in der<br />

ihm eigenen Art zum Ausdruck, indem<br />

er lakonisch erklärte, „dass, wer Westdeutschland<br />

und seine Stahlproduktion<br />

besitze, voraussichtlich den dritten<br />

Weltkrieg zu seinen Gunsten entscheiden<br />

werde“ 24 . Selbstverständlich spielten<br />

auch bereits in den Jahren 1948/49<br />

im Verborgenen angestellte Überlegungen<br />

eine gewisse Rolle, Westdeutschland<br />

zu remilitarisieren.<br />

Mit der von Präsident Truman am 12.<br />

März 1947 verkündeten Doktrin, der zufolge<br />

die USA zukünftig „freie Völker unterstützen“<br />

sowie ihnen helfen würden,<br />

„Unterwerfungsversuche von bewaffneten<br />

Minderheiten oder durch äußeren<br />

Druck“ zu widerstehen 25 und angesichts<br />

des von Außenminister George C.<br />

Marshall am 5. Juni desselben Jahres<br />

öffentlich vorgestellten Programms, das<br />

eine „Wiederaufbauhilfe“ für die Staaten<br />

Westeuropas vorsah (Marshall-Plan) 26 ,<br />

war offensichtlich geworden, dass die<br />

USA die Signale auf Konfrontation gestellt<br />

hatten. Wolfgang Benz nennt die<br />

Truman-Doktrin deshalb zutreffend „eine<br />

amerikanische Demonstration gegen<br />

Stalin“ und die Wirkung der Ankündigung<br />

des Marshall-Plans für „die<br />

Sowjetunion ausgrenzend und bedrohlich“<br />

27 . Der US-amerikanische Senator<br />

Edwin Carl Johnson, ein scharfer außenpolitischer<br />

Opponent Trumans, formulierte<br />

vor dem Kongress am 22. April<br />

1947, dass die vom Präsidenten öffentlich<br />

verkündete außenpolitische Doktrin<br />

„eine Art Kriegserklärung an die Sowjetunion“<br />

28 sei.<br />

Für die Politik gegenüber Deutschland<br />

hieß das vor allem, dass mit Dollar-Milliarden<br />

die Ökonomie der drei Westzonen<br />

innerhalb kürzester Zeit auf denkbar<br />

modernstem Standard wiederaufgebaut<br />

werden konnte. Zugleich bedeutete die<br />

Durchsetzung des Marshall-Plans letztlich<br />

die politische Abtrennung der Westzonen<br />

von der Sowjetischen Besatzungszone.<br />

<strong>Die</strong> Botschaft lautete: <strong>Die</strong><br />

56<br />

Truman-Administration hatte nun endgültig<br />

Kurs auf die Errichtung eines von<br />

den USA politisch wie ökonomisch abhängigen<br />

westdeutschen Teilstaates genommen.<br />

Eine Währung<br />

für ganz Deutschland?<br />

In diesem Zusammenhang stand seit<br />

längerer Zeit die Frage einer Währungsreform<br />

im Raum, mit deren Hilfe die<br />

weitgehend wertlose Reichsmark zugunsten<br />

einer neuen Währung abgelöst<br />

werden sollte; denn einer immensen<br />

Menge an Reichsmark stand eine<br />

nicht annähernd adäquate Menge von<br />

Gütern gegenüber. <strong>Die</strong> Folge waren die<br />

Rationierungen fast aller Waren und die<br />

Existenz eines „Schwarzen Marktes“,<br />

dessen wichtigste „Währung“ neben<br />

Nylonstrümpfen und Bohnenkaffee USamerikanische<br />

Zigaretten darstellten.<br />

Selbstverständlich war eine Währungsreform<br />

von den Alliierten von Anfang an<br />

als gesamtdeutsche, zonenübergreifende<br />

Maßnahme gedacht gewesen: „Ein<br />

Land, eine Währung“.<br />

Doch die neue Währung, die „D-Mark“,<br />

war insgeheim bereits im Herbst 1947<br />

in den USA von der American Note<br />

Company gedruckt und die Geldscheine<br />

anschließend auf dem Seeweg nach<br />

Deutschland transportiert worden, wo<br />

sie im November 1947 eintrafen („Operation<br />

Bird Dog“). Sie lagerten in den<br />

Kellern der Reichsbankhauptstelle in<br />

Frankfurt am Main und warteten hier<br />

auf den „Tag X“. <strong>Die</strong>ser Tag war am 20.<br />

Juni 1948 gekommen, als in den Westzonen<br />

das neue Geld ausgegeben wurde;<br />

zunächst 40 DM, später noch einmal<br />

20 DM pro Kopf der Bevölkerung. Damit<br />

existierte jetzt in den Westzonen ein von<br />

der SBZ klar zu unterscheidendes Wirtschaftsgebiet<br />

mit eigener Währung.<br />

In der Bizone kamen hinzu: ein eigenes<br />

Parlament (der so genannte Frankfurter<br />

Wirtschaftsrat und der Länderrat als<br />

Vorläufer von Bundestag und Bundesrat),<br />

ein oberster Gerichtshof sowie eine<br />

eigenständige Regierung (Verwaltungsrat),<br />

deren Kompetenzen freilich<br />

von den Militärgouverneuren noch sehr<br />

stark eingeschränkt wurden: <strong>Die</strong>se „bizonalen<br />

Organe sind denn auch“, wie<br />

Falk Pingel zutreffend formuliert, „genau<br />

diese Entwicklung von Beratungs- und<br />

Verwaltungs- zu parlamentarischen und<br />

Regierungsorganen gegangen, bevor die<br />

Bundesrepublik gegründet wurde.“ 29<br />

Es konnte angesichts alles dessen kein<br />

Zweifel daran bestehen, dass die politischen<br />

und ökonomischen Strukturen<br />

eines westdeutschen Separatstaates<br />

bereits klare Konturen bekommen hat-<br />

ten – und dass es sich dabei um eine<br />

bewusste und gewollte Entscheidung<br />

der Regierungen in Washington und<br />

London handelte .<br />

<strong>Die</strong> Lage in Berlin am Vorabend<br />

der „Blockade“<br />

Eine besonders komplizierte Situation<br />

herrschte zeitgleich in Berlin. Der hier<br />

tagende Alliierte Kontrollrat, das oberste<br />

Gremium der vier Siegermächte zur<br />

Festlegung gemeinsamer Beschlüsse,<br />

war seit dem 20. März 1948 durch<br />

den Auszug der sowjetischen Delegation,<br />

die unter der Leitung von Marschall<br />

Sokolowski stand, praktisch lahm gelegt.<br />

30 In der bürgerlichen Geschichtsschreibung<br />

wird dieser Vorgang in der<br />

Regel als von den Westmächten unprovoziert<br />

und deshalb als vollkommen unverständlich<br />

hingestellt.<br />

<strong>Die</strong> Handlungen der westalliierten Mächte<br />

zeichnen jedoch ein anderes Bild.<br />

Denn in den Monaten zuvor hatten sich<br />

die USA und Großbritannien von den<br />

Festlegungen der Potsdamer Konferenz<br />

endgültig verabschiedet und die Sowjetunion<br />

vor außerordentlich gravierende,<br />

vollendete Tatsachen gestellt. Was war<br />

geschehen?<br />

Im Zentrum der Auseinandersetzungen<br />

standen die Ergebnisse der Londoner<br />

Sechs-Mächte-Konferenz, an der die<br />

USA, Frankreich, Großbritannien und die<br />

Benelux-Staaten teilnahmen (23.2. bis<br />

6.3.1948 und 20. April bis 7. Juni 1948).<br />

<strong>Die</strong> Sowjetunion hatte keine Einladung<br />

erhalten, obwohl hier außerordentlich<br />

bedeutsame Beschlüsse, die „Londoner<br />

Empfehlungen“, ausgearbeitet und<br />

verabschiedet wurden, die Deutschland<br />

als Ganzes betrafen: So zum Beispiel<br />

die Einbeziehung der Westzonen in den<br />

Marshall-Plan, die Durchführung einer<br />

einheitlichen Wirtschaftspolitik in diesen<br />

Zonen, die endgültige Absage einer<br />

Vier-Mächte-Kontrolle über das Ruhrgebiet<br />

sowie – besonders gravierend – die<br />

Einberufung einer Verfassungsgebenden<br />

Versammlung, die ein Grundgesetz<br />

für den angestrebten Separatstaat ausarbeiten<br />

und beschließen sollte. Alle<br />

derartigen Themen hätten jedoch unbedingt<br />

zuvor im Alliierten Kontrollrat bzw.<br />

auf einer Außenministerkonferenz der<br />

vier Mächte erörtert werden müssen.<br />

General Lucius D. Clay, der Oberkommandierende<br />

der US-amerikanischen<br />

Streitkräfte in Europa und Militärgouverneur<br />

in Deutschland, schrieb in seinen<br />

Memoiren in dankenswerter Offenheit<br />

über die Ergebnisse der Londoner<br />

Konferenz:<br />

„<strong>Die</strong> Londoner Besprechungen hatten als<br />

unmittelbares Ergebnis den Vorteil, dass

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