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Antifaschistische Kultur - Die Linke

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setzmäßig“ erfolgt, als habe es keine<br />

Alternativen gegeben. Allerdings: <strong>Die</strong><br />

Entstehung und Ausprägung einer aggressiv<br />

gegen die Sowjetunion gerichteten<br />

politischen Strategie innerhalb der<br />

herrschenden Eliten in den westalliierten<br />

Siegermächten, besonders in den<br />

USA, nach der Beendigung des Zweiten<br />

Weltkrieges war nahe liegend.<br />

Noch zu Kriegszeiten artikulierten, jedoch<br />

nicht coram publico, Politiker und<br />

Militärs auf Seiten der Vereinigten Staaten<br />

ihre Auffassung, dass für die Zeit<br />

nach dem Sieg über den deutschen Faschismus<br />

ein Konfrontationskurs gegen<br />

die UdSSR vorbereitet werden müsse.<br />

Zwei Beispiele seien hier zitiert. Nur<br />

wenige Tage nach der bedingungslosen<br />

Kapitulation Hitlerdeutschlands notierte<br />

der stellvertretende US-amerikanische<br />

Außenminister Joseph C. Grew: „Ein zukünftiger<br />

Krieg mit Russland ist so sicher<br />

wie irgendetwas auf der Welt nur<br />

sein kann. Er mag innerhalb weniger<br />

Jahre ausbrechen. Wir sollten deshalb<br />

darauf achten, unsere militärische Stärke<br />

aufrecht zu erhalten und alles zu unternehmen,<br />

was in unserer Macht steht,<br />

um unsere Beziehungen zur freien Welt<br />

zu stärken.“ 18<br />

Und der Botschaftsrat an der diplomatischen<br />

Vertretung der USA in Moskau,<br />

George F. Kennan, gab zu Protokoll:<br />

„<strong>Die</strong> Idee, Deutschland gemeinsam mit<br />

den Russen regieren zu wollen, ist ein<br />

Wahn. Ein ebensolcher Wahn ist es, zu<br />

glauben, die Russen und wir könnten<br />

uns eines schönen Tages höflich zurückziehen,<br />

und aus dem Vakuum werde ein<br />

gesundes und friedliches, stabiles und<br />

freundliches Deutschland steigen. Wir<br />

haben keine andere Wahl, als unseren<br />

Teil von Deutschland … zu einer Form<br />

von Unabhängigkeit zu führen (…) Besser<br />

ein zerstückeltes Deutschland, von<br />

dem wenigstens der westliche Teil als<br />

Prellbock für die Kräfte des Totalitarismus<br />

wirkt, als ein geeintes Deutschland,<br />

das diese Kräfte wieder bis an die<br />

Nordsee vorlässt.“ 19 Keineswegs vorprogrammiert<br />

war jedoch, dass Anschauungen<br />

à la Grew und Kennan schließlich<br />

das Denken und Handeln der US-amerikanischen<br />

Administration und des „Big<br />

Business“ dominieren mussten.<br />

Denn innerhalb der politisch und ökonomisch<br />

herrschenden Kreise in den USA<br />

existierten – stark vereinfachend dargestellt<br />

– zwei unterschiedliche Konzeptionen<br />

für die Gestaltung der Nachkriegsordnung.<br />

20<br />

Zum einen die „Roosevelt-Linie“, die<br />

darauf orientierte, dass Sicherheit vor<br />

potenziellen neuen Aggressionen nicht<br />

gegeneinander, sondern nur miteinan-<br />

der organisiert werden könnte. <strong>Die</strong> Antihitlerkoalition<br />

hatte nach dieser Lesart<br />

mit der Befreiung der Welt vom deutschen<br />

Faschismus und japanischen Militarismus<br />

ihre Mission noch nicht erfüllt,<br />

sondern sie sollte auch für die Gestaltung<br />

einer stabilen und friedlichen Nachkriegsordnung<br />

aufrecht erhalten werden.<br />

Nicht hinweg zu leugnende, auch<br />

schwer wiegende Gegensätze zwischen<br />

den USA und der UdSSR, die aus den<br />

unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen<br />

resultierten, galten hier als letztlich<br />

überbrückbar und als sekundär gegenüber<br />

den gemeinsamen Interessen.<br />

Als Repräsentant dieser Kräfte galt der<br />

von 1941 bis 1945 amtierende Vizepräsident<br />

Henry A. Wallace, der anschließend<br />

zum Handelsminister ernannt wurde.<br />

Wallace erklärte jedoch bereits im<br />

September 1946 im Streit um die Außenpolitik<br />

resigniert seinen Rücktritt.<br />

Zum anderen setzten sich nach dem<br />

Tod von Präsident Franklin D. Roosevelt<br />

am 12. April 1945 allmählich diejenigen<br />

Kräfte innerhalb der Administration seines<br />

Nachfolgers Harry S. Truman und<br />

in den Vorstandsetagen großer Banken<br />

und Industriekonzerne durch, deren Antikommunismus<br />

und Antisowjetismus<br />

sie weitgehend blind für die Erfordernisse<br />

des heraufziehenden atomaren<br />

Zeitalters machte. Hier galt die „Eindämmung“<br />

des Kommunismus (containment),<br />

bei einigen sogar die „Befreiung“<br />

der Welt von der „sowjetischen Gefahr“<br />

(liberation policy, roll back), als oberstes<br />

Gebot der US-amerikanischen Außenpolitik.<br />

<strong>Die</strong> Grenzen zwischen diesen beiden<br />

Konzeptionen der außenpolitischen<br />

Strategie der USA waren durchaus fließend.<br />

„Es wäre ein grundlegendes Missverständnis“,<br />

so lautet die These von<br />

Gunther Mai, „die reale wechselseitige<br />

Ergänzung von ‚containment‘ und<br />

‚roll back‘ aufzulösen und in historische<br />

Phasen zu zergliedern. <strong>Die</strong> ‚Eindämmung‘<br />

implizierte immer auch die ‚Befreiung‘.“<br />

21<br />

Zweifelsfrei ist in jedem Falle: Das „Wandeln<br />

am Rande des Abgrunds“ (brinkmanship),<br />

d. h. das verantwortungslose<br />

Spiel mit der möglichen Entfesselung<br />

eines atomaren Dritten Weltkrieges, gehörte<br />

mit großer Selbstverständlichkeit<br />

zum Arsenal der Verfechter des „rollback“-Konzeptes.<br />

22 Letztlich ging es den<br />

Verfechtern beider Konzeptionen um<br />

die ökonomische und politische Beherrschung<br />

der Welt durch die USA, wozu<br />

die reichlich vorhandenen Ressourcen<br />

des Landes eingesetzt werden sollten.<br />

Jegliche politische Entwicklungen, die<br />

zum Beispiel den Einfluss der kommunistischen<br />

Parteien im damaligen Frank-<br />

reich, Griechenland oder Italien stärkten,<br />

wurden als „Bedrohung“ für die<br />

global definierten US-amerikanischen<br />

Interessen wahrgenommen. Zugleich<br />

glaubte man, die „Hand Moskaus“ als<br />

Urheber der vor allem in Europa – und<br />

zwar sowohl im Westen wie auch im Osten<br />

des Kontinents – sich vollziehenden<br />

politischen Veränderungen identifizieren<br />

zu müssen, die das politische Kräfteverhältnis<br />

nach der Befreiung vom Faschismus<br />

insgesamt „nach links“ zu verschieben<br />

begann.<br />

Verständlicherweise rekrutierten sich,<br />

wie John C. Donovan schreibt, die Protagonisten<br />

des Kalten Krieges „aus den<br />

obersten Ebenen des Establishments,<br />

den führenden Finanzinstituten, den am<br />

meisten angesehenen Rechtsanwalts-<br />

Kanzleien in New York und Washington,<br />

den großen Unternehmen und den besten<br />

Universitäten. <strong>Die</strong>se aus Geschäftsleuten<br />

und Juristen bestehenden Kreise<br />

verfügen über ein reiches Reservoir von<br />

Talenten, aber auch über enorme materielle<br />

Ressourcen und ihre Interessen<br />

haben im gesamten 20. Jahrhundert den<br />

bestimmenden Einfluss auf die amerikanische<br />

Gesellschaft ausgeübt.“ 23<br />

Was alles bedeutete dies, unabhängig<br />

davon, ob die in Washington verantwortlichen<br />

Politiker und die Repräsentanten<br />

des „Big Business“ eher die „Eindämmungs“-<br />

oder die „roll-back“-Konzeption<br />

bevorzugten, für die US-amerikanische<br />

Besatzungspolitik in Deutschland?<br />

Je mehr sich die von blindem Antisowjetismus<br />

geprägte Linie der US-amerikanischen<br />

Außenpolitik durchzusetzen<br />

begann, desto weniger spielten die gemeinsamen<br />

Festlegungen der Antihitlerkoalition,<br />

die während der Konferenzen<br />

in Jalta und Potsdam 1945 erzielt worden<br />

waren, noch eine Rolle. Sie standen<br />

stattdessen zur Disposition. <strong>Die</strong>s betraf<br />

vor allem die Vereinbarung, Deutschland<br />

als Ganzes zu behandeln und gemeinsam<br />

zu verwalten. Das Jahr 1947<br />

brachte dann den Durchbruch der auf<br />

die Konfrontation mit der Sowjetunion<br />

ausgerichteten Kräfte in den USA.<br />

Zu den entscheidenden Ereignissen gehörte<br />

in diesem Zusammenhang die am<br />

1. Januar 1947 gebildete Bizone, bestehend<br />

aus der US-amerikanischen und<br />

der britischen Zone, die innerhalb kurzer<br />

Zeit alle äußeren Merkmale eines eigenständigen<br />

Staates aufwies und sich,<br />

durch den Beitritt der französischen Zone<br />

am 8. April 1949, später zur Trizone<br />

erweiterte.<br />

Der wichtigste Beweggrund für die Truman-Administration,<br />

den Weg in Richtung<br />

eines westdeutschen Separatstaates<br />

zu beschreiten, bestand in seiner<br />

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