Antifaschistische Kultur - Die Linke
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zi-Okkupation, blieb den USA ebenso<br />
erspart wie die Bombenangriffe der Göringschen<br />
Luftwaffe. Desgleichen die<br />
hemmungslose Ausplünderung der landwirtschaftlichen<br />
Ressourcen und der<br />
Bodenschätze, der massenhafte Einsatz<br />
von Zwangsarbeitern für die Zwecke der<br />
NS-Rüstungswirtschaft, die systematischen<br />
Zerstörung von Industrieanlagen<br />
und Verkehrswegen, wie sie die Nazi-<br />
Wehrmacht bei ihrem Rückzug aus der<br />
Sowjetunion anrichtete. Das alles waren<br />
für die US-amerikanische Bevölkerung<br />
und ihre politischen Repräsentanten angesichts<br />
der Unerreichbarkeit Nordamerikas<br />
für die Waffen des faschistischen<br />
Deutschlands unbekannte Erfahrungen.<br />
Im Gegenteil. <strong>Die</strong> Rüstungsindustrie des<br />
Landes konnte auf Hochtouren produzieren<br />
und Waffen, Fahrzeuge, Munition,<br />
Ausrüstungsgegenstände, Kriegsschiffe<br />
und Flugzeuge auch an die Alliierten liefern.<br />
Bezahlt wurden diese Waffen lange<br />
Zeit mit dem Blut der britischen Soldaten<br />
und Matrosen sowie – ab 1941 – von<br />
Millionen gefallener Rotarmisten. 6<br />
Im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges<br />
waren die USA als einzige Großmacht<br />
ökonomisch gestärkt hervor gegangen.<br />
In den Tresoren ihrer Zentralen Notenbank<br />
lagerten mehr als die Hälfte aller<br />
Goldreserven, auch die Devisenreserven<br />
waren die mit Abstand größten<br />
weltweit. Deshalb war es folgerichtig,<br />
dass der US-Dollar seit 1944 endgültig<br />
die Rolle der unangefochtenen Leitwährung<br />
spielte. Zugleich verfügten die<br />
USA über zwei Drittel der Industriekapazität<br />
der Welt. Ein Drittel aller Exportgüter<br />
und etwa drei Viertel des globalen<br />
Anlagekapitals stammten aus den Vereinigten<br />
Staaten. Sie beherrschten außerdem<br />
fast 60 Prozent der Welterdölproduktion.<br />
7 Nicht zuletzt waren sie seit<br />
1945 im exklusiven Besitz der Atombombe,<br />
deren unvorstellbar verheerende<br />
Wirkung in Hiroshima und Nagasaki<br />
demonstriert worden war.<br />
<strong>Die</strong> Sowjetunion hatte dagegen Verluste<br />
an Menschen und Ressourcen erlitten,<br />
die historisch beispiellos waren. Mehr<br />
als 20 Millionen Menschen fielen dem<br />
Krieg zum Opfer. Es kam zu Erscheinungen<br />
der Verwahrlosung und steigender<br />
Kriminalität, nicht zuletzt bei den zahlreichen,<br />
elternlos aufwachsenden Kindern.<br />
8 Unter den demobilisierten Soldaten<br />
befanden sich 2 Millionen Invaliden,<br />
darunter fast eine halbe Million mit<br />
Arm- oder Beinamputationen. Von Moskau<br />
westwärts bis zur Staatsgrenze hatten<br />
die faschistischen Truppen eine Zone<br />
der Verwüstung hinterlassen. Städte,<br />
Dörfer, Fabriken, Förderanlagen, landwirtschaftliche<br />
Betriebe und Verkehrs-<br />
wege mussten zum Teil vollkommen neu<br />
errichtet werden. Auf dem Lande kam<br />
es zu einer Entvölkerung: waren im letzten<br />
Friedensjahr 1940 noch 17 Millionen<br />
Menschen in den Kolchosen beschäftigt,<br />
so war ihre Anzahl bis Anfang 1946<br />
in dramatischer Weise auf 6,5 Millionen<br />
abgesunken; zum großen Teil bestand<br />
die Landbevölkerung aus Frauen. 9<br />
<strong>Die</strong> ökonomischen Schäden, die von<br />
den Nazi-Okkupanten angerichtet worden<br />
waren, bezifferten die USA auf circa<br />
36, die Sowjetunion auf 128 Milliar-<br />
den US-Dollar, zuzüglich Folgeschäden<br />
in Höhe von 317 Milliarden Dollar. 10<br />
In den ersten Nachkriegsjahren fehlte<br />
es oft am Nötigsten – Nahrung, Bekleidung,<br />
Brennmaterial, Rohstoffe, medizinische<br />
Versorgung, nicht zuletzt an<br />
menschenwürdigen Wohnungen.<br />
Zwar wurde zu Beginn der 50er Jahre<br />
wieder das Niveau der Industrie-, nicht<br />
aber der Agrarproduktion, aus der Vorkriegszeit<br />
erreicht und überschritten<br />
(siehe die oben stehende Tabelle). Auch<br />
unternahm die Regierung der UdSSR<br />
große Anstrengungen, um mit Hilfe von<br />
zwei aufeinander folgenden Fünfjahresplänen<br />
sowie durch eine Währungsreform<br />
und die Abschaffung des Kartensystems<br />
bei Lebensmitteln und anderen<br />
Gütern im Jahre 1948 die Lebensverhältnisse<br />
der Bürgerinnen und Bürger<br />
wirksam zu verbessern. 11 Bedeutende<br />
Ressourcen unterlagen jedoch rüstungswirtschaftlichen<br />
Zwängen: Es ging<br />
um den für die Sowjetunion unerhört<br />
kostspieligen Versuch, das Atomwaffen-<br />
Monopol der USA zu brechen. Solange<br />
dies nicht realisiert werden konnte,<br />
kompensierten die groß dimensionierten<br />
Landstreitkräfte, die ebenfalls ihren<br />
Preis hatten, das Fehlen der atomaren<br />
Bewaffnung.<br />
Indikatoren zur ökonomischen Ent wicklung in der UdSSR 1945–1950<br />
1940 1945 1950<br />
Aussaatfläche in Millionen Hektar 151 114 146<br />
Getreidefläche in Millionen Hektar 111 85 103<br />
Futterkulturen in Millionen Hektar 18 10 21<br />
Getreideproduktion in Millionen Tonnen 96 47 81<br />
Rinderbestand in Millionen Stück 55 48 57<br />
Schweinebestand in Millionen Stück 28 11 24<br />
Pferdebestand in Millionen Stück 11,6 4,6<br />
Fleischerzeugung in Millionen Tonnen 4,7 2,6 4,9<br />
Milcherzeugung in Millionen Tonnen 34 26 35<br />
Baumwollerzeugung in Hunderttausend Tonnen ca. 900 ca. 870<br />
Lastkraftwagen in der Landwirtschaft (1.000 Stück) 288 62 283<br />
Traktoren (1.000 Stück) 531 397 595<br />
Erdöl-Förderung in Millionen Tonnen 31 38<br />
Erdgas-Förderung in Milliarden Kubikmeter 3 6<br />
Steinkohle-Förderung in Millionen Tonnen 140 185<br />
Schienennetz in 1.000 Kilometer 106 117<br />
Lederschuhe in Millionen Paar 211 203<br />
Stahlproduktion in Millionen Tonnen 22,4 10,6 22<br />
Quellen: Europa-Archiv, 2. Jg., Juli 1947–Dezember 1947, 4. Folge, S. 925ff.; Adolf<br />
Karger, <strong>Die</strong> Sowjetunion als Wirtschaftsmacht, 3. Aufl., Frankfurt a. M. u. Aarau<br />
1983 (Studienbücher Geographie), S. 24, 48 u. 95; Lothar Rühl, Aufstieg und Niedergang<br />
des Russischen Reiches, Stuttgart 1992, S. 514f.<br />
Allein die volkswirtschaftlichen Parameter<br />
dokumentieren, dass die Sowjetunion<br />
außerstande gewesen wäre,<br />
einen Krieg gegen die bis 1949 exklusive<br />
Atommacht USA zu führen. <strong>Die</strong> von<br />
den Protagonisten des Kalten Krieges<br />
verbreitete Anschauung von der „sowjetischen<br />
Gefahr“, ihre Warnungen vor<br />
einem geplanten militärischen Angriff<br />
der Roten Armee auf Westeuropa, waren<br />
frei erfunden. In einer Zeit, wo nicht<br />
allein Armeen, sondern Volkswirtschaften<br />
Krieg gegeneinander führen, fehlten<br />
hierfür alle notwendigen Voraussetzungen.<br />
<strong>Die</strong> Interessen der UdSSR konnten nur<br />
darin bestehen, die danieder liegende<br />
Ökonomie wieder herzustellen, das<br />
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