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Antifaschistische Kultur - Die Linke

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ische Materialismus‘ und ‚<strong>Die</strong> Gewerkschaftsbewegung‘.<br />

Außerdem wurden<br />

die Schriften ‚Roter Kämpfer‘ oder ‚Arbeiterkommunist‘<br />

besprochen. Alle Mitglieder<br />

sollten einen Beitrag von 1 von<br />

Hundert des Einkommens bezahlen. (…)<br />

<strong>Die</strong> einzelnen Mitglieder kannten die<br />

Ziele der roten Kämpfer aus den Hetzschriften<br />

und den Schulungsabenden.<br />

Sie wußten auch, dass sie als Funktionäre<br />

für die roten Kämpfer, deren zahlenmäßige<br />

Vergrößerung man erwartete,<br />

geschult werden sollten.<br />

<strong>Die</strong> Anklage betrifft die Mitglieder der<br />

Berliner Gruppen der ‚Roten Kämpfer‘<br />

und zwar die Gruppen Lichtenberg I, II<br />

und Kreuzberg, in der Anklage B die Mitglieder<br />

der übrigen Gruppen und diejenigen<br />

Personen, die ohne Mitglieder der<br />

‚Roten Kämpfer‘ zu sein deren Bestrebungen<br />

förderten.“ 3<br />

<strong>Die</strong> Mitglieder der Reichsleitung wurden<br />

bewußt von dem Verfahren vor dem<br />

Kammergericht abgetrennt und vor den<br />

so genannten Volksgerichtshof gezerrt,<br />

um sie dort besonders hart bestrafen zu<br />

können.<br />

<strong>Die</strong> Gestapo war im Westen des Landes<br />

durch Verhaftungen und durch unter der<br />

Folter formulierte Aussagen der Inhaftierten<br />

auf die Spur der Leitung in Berlin<br />

gekommen. 150 Antifaschisten verhaftete<br />

die Gestapo, 39 davon kamen<br />

aus Berlin. Zur Verschleierung der umfangreichen<br />

Aktivitäten und des personellen<br />

Umfangs der Gruppe kam es zu<br />

mehreren Prozessen mit unterschiedlicher<br />

Anzahl von Angeklagten. im jeweiligen<br />

Prozeß.<br />

<strong>Die</strong> Antifaschisten, deren Verfahren<br />

vor dem „Volksgerichtshof“ verhandelt<br />

wurden, hatten mit drakonischen Strafen<br />

zu rechnen. So wurde Dr. Alexander<br />

Schwab, der, um seine Mitstreiter zu<br />

entlasten, alle Schuld auf sich nahm, am<br />

30. Oktober 1937 vom „Volksgerichtshof“<br />

zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt.<br />

Er erlag den Strapazen im Moorlager<br />

am 12. November 1943 im Zuchthaus<br />

Zwickau. Eine Gedenktafel in Berlin-<br />

Schöneberg, Keithstr. 8, erinnert an den<br />

unbeugsamen Antifaschisten.<br />

Ähnlich hohe Strafen erhielten die<br />

Mitangeklagten Alfons Harlinghausen<br />

und Dr. Karl Schröder. Sie wurden zu jeweils<br />

vier Jahren Zuchthaus verurteilt.<br />

Besonders hart wurde der Lehrer Bruno<br />

Lindtner mit sieben Jahren Zuchthaus<br />

bestraft. Zur Begründung des drakonischen<br />

Urteils führte die NS-Justiz die<br />

Verletzung der Staatstreue als Beamter<br />

an.<br />

<strong>Die</strong> Urteile in den Prozessen „A“ und „B“<br />

vor dem Berliner Kammergericht fielen<br />

am 22. Oktober 1937 wesentlich diffe-<br />

renzierter aus. Hugo Broecker, der die<br />

illegalen Gruppen in Lichtenberg leitete,<br />

erhielt mit drei Jahren und sechs Monaten<br />

Zuchthaus die höchste Strafe von<br />

den Mitangeklagten im Prozeß „A“. Emil<br />

Schotter, der zur Berliner Leitung der<br />

„Roten Kämpfer“ gehörte, wurde zu drei<br />

Jahren Zuchthaus verurteilt. <strong>Die</strong> Mitangeklagten<br />

Franz Stadie, Alfred Engel und<br />

Erwin Beck wurden jeweils zu zwei Jahren<br />

und drei Monaten Zuchthaus verurteilt.<br />

Kurt Goscinski, Angehöriger der<br />

Gruppe Lichtenberg I, der Schulungsmaterial<br />

erhielt und an illegalen Versammlungen<br />

teilnahm sowie einen monatlichen<br />

Beitrag von 0,50 bis 1,- RM<br />

leistete, wurde zu zwei Jahren Zuchthaus<br />

verurteilt. Gerhard Müller, Felix Jano<br />

und Rudolf Korth bestrafte das Kammergericht<br />

mit Gefängnishaft zwischen<br />

ein bis zwei Jahren. 4<br />

Zum gleichen Zeitpunkt wurden in der<br />

Anklageschrift „B“ des Kammergerichts<br />

ebenfalls elf Angehörige der „Roten<br />

Kämpfer“ angeklagt. In diesem Prozeß<br />

erhielt nur der technische Angestellte<br />

Kurt Hess eine Zuchthausstrafe von<br />

zwei Jahren und sechs Monaten. Karl<br />

Bergner, Erwin Unger, Helmut Schlegelmilch,<br />

Fritz Kleinecke, Margarete Vogel,<br />

Rudolf Schwarz, Kurt Englich und Rudi<br />

Loewel wurden zur Gefängnishaft unterschiedlicher<br />

Höhe von acht Monaten bis<br />

zu einem Jahr verurteilt. Udo-Heinz Donalies<br />

und Wilhelm Schmidt wurden aus<br />

Mangel an Beweisen freigesprochen. 5<br />

Von besonderer Brisanz im Rahmen der<br />

Folgeprozesse war die Anklageschrift<br />

des Generalstaatsanwalts beim Kammergericht<br />

in Berlin gegen den Sattler<br />

und Tapezierer Ernst Froebel aus Berlin-<br />

Steglitz, den Silberschmied Georg Eitelsberg<br />

aus Berlin-Kreuzberg, den Tischler<br />

Franz Utzelmann, ebenfalls in Berlin-<br />

Kreuzberg wohnhaft, und den Schlosser<br />

Willy Richter aus Berlin-Neukölln.<br />

Mit Ausnahme von Willy Richter enthielt<br />

die Anklageschrift den Vorwurf, dass die<br />

anderen Mitangeklagten höhere Funktionen<br />

innerhalb der Reichsleitung der<br />

„Roten Kämpfer“ wahrgenommen hatten.<br />

Durch geschicktes Aussageverhalten<br />

blieb dem Untersuchungsrichter<br />

und Staatsanwalt verborgen, dass Ernst<br />

Froebel, der Schwiegersohn von Dr. Karl<br />

Schröder, eine umfangreiche Kurierarbeit<br />

für die Gruppe im In- und Ausland<br />

leistete, sowie die Funktion des Leiters<br />

des Sicherheitsdienstes der Gruppe<br />

ausübte. Gleiches trifft für die maßgebliche<br />

Führungstätigkeit der Kampfgefährten<br />

Georg Eitelsberg und Franz Utzelmann<br />

zu.<br />

Das langjährige illegale Wirken der „Roten<br />

Kämpfer“ ist ein bedeutsamer Be-<br />

weis für die politische Differenziertheit<br />

des Widerstandes in Berlin und anderen<br />

Orten gegen die NS-Diktatur.<br />

Von einigen Überlebenden der „Roten<br />

Kämpfer“ gibt es Hinweise über ihr Engagement<br />

nach 1945. Dr. Karl Schröder<br />

war als Leiter der Volkshochschule in<br />

Berlin-Neukölln tätig. Nach seinem Eintritt<br />

in die SED wurde er seines Amtes<br />

enthoben. Er ging daraufhin in die DDR.<br />

Hier arbeitete er im Schulwesen und als<br />

Lektor beim Verlag Volk und Wissen in<br />

Berlin. Eine Gedenktafel in Berlin-Neukölln,<br />

Fuldastr. 37–38, erinnert an sein<br />

mutiges Widerstehen.<br />

Ernst Froebel, nach cem Kriege zurückgekehrt<br />

aus französischer Gefangenschaft,<br />

arbeitete als Funktionär der Jugendorganisation<br />

„<strong>Die</strong> Falken“, später<br />

als Leiter des „Arbeitskreises Politische<br />

Bildung.“ Er war Ehrenvorsitzender der<br />

Berliner SPD und Ehrenbürger von Lidice.<br />

<strong>Die</strong> „Ernst-Froebel- Gesamtschule“<br />

in Berlin-Glienicke pflegt und bewahrt<br />

seinen Einsatz gegen die braune Barbarei.<br />

6<br />

Dr. Günter Wehner<br />

1 Vgl. Hans-Rainer Sandvoß: <strong>Die</strong> „andere“ Reichshauptstadt.<br />

Widerstand aus der Arbeiterbewegung<br />

in Berlin von 1933 bis 1945, Berlin 2007, S. 200ff.<br />

2 Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, NJ 14918, Bd. 3,<br />

Bl. 22ff.<br />

3 Ebenda.<br />

4 Vgl. ebenda, Bl. 59ff.<br />

5 Vgl. ebenda, Bl. 43ff.<br />

6 Vgl. Märkische Allgemeine Zeitung v. 6.9.2002 u. v.<br />

14./15.92002.<br />

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