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Antifaschistische Kultur - Die Linke

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HISTORISCHES ZU RECHTSEXTREMISMUS<br />

UND ANTIFASCHISMUS<br />

„Rote Kämpfer“ gegen die NS-Diktatur<br />

Wenig bekannt und kaum erforscht ist<br />

der umfangreiche Widerstand einer antifaschistischen<br />

Berliner Gruppe, die sich<br />

nach ihrer illegalen Zeitschrift „<strong>Die</strong> Roten<br />

Kämpfer“ nannte. Ausführlich geht<br />

der Berliner Historiker Hans-Rainer<br />

Sandvoß in seiner 2007 erschienenen<br />

Publikation „<strong>Die</strong> ‚andere‘ Reichshauptstadt“<br />

auf diese Widerstandsgruppe ein,<br />

die er ebenfalls in den Bänden zum Widerstand<br />

in Neukölln, in Friedrichshain<br />

und in Lichtenberg würdigt, die von der<br />

„Gedenkstätte Deutscher Widerstand“<br />

herausgegeben worden sind. 1<br />

In der sonstigen einschlägigen Literatur<br />

sucht man vergeblich nach dem Anteil<br />

des Widerstandes dieser weitverzweigten<br />

illegalen Gruppe, die sich dank ihrer<br />

strikt eingehaltenen Konspiration<br />

bis zum Jahresende 1936 entfalten und<br />

wirken konnte. <strong>Die</strong> „Roten Kämpfer“ organisierten<br />

sich nach dem Grundsatz:<br />

Niemand wird in unser Vertrauen und<br />

illegales Wirken einbezogen, den wir<br />

nicht über einen langen Zeitraum persönlich<br />

kennen gelernt haben.<br />

<strong>Die</strong> Widerstandsgruppe hatte nicht nur<br />

in Berlin Mitstreiter, sondern laut der<br />

„Anklageschrift des Generalstaatsanwaltes<br />

beim Kammergericht in Berlin<br />

vom 8. Juli 1937“ auch in verschiedenen<br />

Städten in Westdeutschland. In Berlin<br />

bestanden insgesamt sieben Ortsgruppen.<br />

So „Berlin-Ost“ (Lichtenberg I und<br />

II), Berlin-Südost,<br />

Berlin-Neukölln I und II, Berlin-Steglitz<br />

und Berlin-Nord.<br />

„Jede Gruppe bestand aus 4–5 Personen,<br />

die von einem Gruppenobmann geleitet<br />

wurde. Von jeder Gruppe wurde<br />

abwechselnd ein Obmann gestellt, der<br />

in Verbindung mit dem Vertrauensmann<br />

des Bezirks Berlin die örtliche Berliner<br />

Leitung bildete.“ 2<br />

An der Spitze der Widerstandsgruppe<br />

standen mit Dr. Alexander Schwab und<br />

Dr. Karl Schröder Marxisten, die aus der<br />

rätekommunistischen Bewegung hervorgegangen<br />

waren. So gehörte Karl Schröder<br />

bereits 1911 der SPD an. Seit 1918<br />

war er Mitglied des Spartakusbundes<br />

und seit 1920 Mitglied und Vorstandsmitglied<br />

der Kommunistischen Arbeiterpartei<br />

Deutschland (KAPD). Der scharfe<br />

Kritiker dogmatischer Tendenzen in der<br />

KAPD erklärte schließlich seinen Parteiaustritt<br />

und entschloss sich zur Rück-<br />

46<br />

kehr in die SPD. Dort blieb er ebenfalls<br />

ein unangepasster Politiker.<br />

Dr. Alexander Schwab kam aus der USPD<br />

zum Spartakusbund und war 1920 Mitbegründer<br />

der KAPD. Er war von 1929<br />

bis 1933 als Pressechef der Reichsanstalt<br />

für Arbeitsvermittlung und Arbeiterlosenversicherung<br />

in Berlin tätig. Bereits<br />

im Mai 1933 kam der engagierte<br />

Sozialist für sechs Monate in ein Konzentrationslager.<br />

Aus der Haft entlassen,<br />

bildete er mit Karl Schröder die<br />

Reichsleitung der „Roten Kämpfer“ – so<br />

benannt nach ihrer illegalen Zeitschrift,<br />

die sie regelmäßig herausbrachten und<br />

verbreiteten.<br />

Eine Stärke der Gruppe war, dass sie<br />

Vertreter von direkten Aktionen waren<br />

und jeder Form von Hierarchie und Obrigkeit<br />

misstrauten.<br />

Parteipolitisch kamen die Angehörigen<br />

der Gruppe aus unterschiedlichen Richtungen<br />

der Arbeiterbewegung. Den Anklageschriften<br />

„A“ und „B“ des Berliner<br />

Kammergerichts ist zu entnehmen,<br />

dass die 22 Angeklagten in der Mehrzahl<br />

aus der SPD kamen, einige sich zur<br />

SAP gehörend bezeichneten und andere<br />

als Parteilose mit der KPD sympathisierten.<br />

Beruflich reicht die Spannweite<br />

der Angeklagten vom Akademiker, technischen<br />

und kaufmännischen Angestellten,<br />

Facharbeiter bis zum Expedienten.<br />

Das effektive Wirken der „Roten Kämpfer“<br />

resultierte aus langjähriger Bekanntschaft<br />

und der Organisierung gemeinsamer<br />

Schulungsabende, die sie bereits<br />

vor 1933 durchführten. Sie sahen nur<br />

eine geringe Chance, den Faschismus<br />

in Deutschland verhindern zu können<br />

und begannen schon 1931, sich auf die<br />

illegale politische Arbeit vorzubereiten.<br />

Bereits zu diesem Zeitpunkt bildeten sie<br />

Fünfergruppen, um ihre Arbeit gut zu<br />

tarnen. <strong>Die</strong>se langjährige Vorbereitung<br />

auf die Illegalität und die stets eingehaltene<br />

Konspirativität der „Roten Kämpfer“<br />

ermögliche ihre langjährige illegale<br />

Arbeit bis zum Dezember 1936.<br />

Der Generalstaatsanwalt beim Berliner<br />

Kammergericht hebt in seiner Anklageschrift<br />

„A“ gegen den Buchbinder Hugo<br />

Broecker und 10 weitere Mitangeklagte<br />

hervor, dass „ die roten Kämpfer<br />

aus der Zusammenfassung der früher in<br />

Berlin bestehenden Sozialwissenschaftlichen<br />

Vereinigung (SWF) mit einer in<br />

Westdeutschland bestehenden Organisation<br />

entstanden. <strong>Die</strong> Vereinigung bestand<br />

nach der Machtübernahme im<br />

Geheimen weiter. <strong>Die</strong> Reichsleitung bestand<br />

aus folgenden vom Reichsanwalt<br />

beim Volksgerichtshof verfolgten Personen:<br />

Dr. Alexander Schwab, Dr. Karl<br />

Schröder, Bruno Lindner und Georg Eitelsberg.<br />

<strong>Die</strong> Reichsleitung stand mit<br />

anderen in Berlin bestehenden Organisationen<br />

in der Zeit vom Frühjahr 1935<br />

bis Oktober 1936 in Verbindung. <strong>Die</strong> roten<br />

Kämpfer hatten in Westdeutschland<br />

in verschiedenen Städten Gruppen. …<br />

im Jahr 1934 und im August 1936 fanden<br />

Reichskonferenzen im Freien außerhalb<br />

Berlins statt.<br />

<strong>Die</strong> Ziele der ‚Roten Kämpfer‘ waren<br />

nach den Angaben des Reichsleiters<br />

Schwab folgende: ‚<strong>Die</strong> roten Kämpfer<br />

die der marxistischen Wirtschaftslehre<br />

folgen, stehen zwar in einem gewissen<br />

Gegensatz zur Sozialdemokratie und<br />

zum Bolschewismus. Sie erstreben aber<br />

als Endziel die ‚Diktatur des Proletariats‘<br />

im Wege des Klassenkampfes. <strong>Die</strong>ses<br />

Ziel kann zwar nicht in absehbarer<br />

Zeit erreicht werden. Erste Aufgabe der<br />

roten Kämpfer ist daher, ein Netz von<br />

Propagandisten der neuen Auffassung<br />

zu schaffen und mit verwandten Gruppen<br />

Fühlung zu gewinnen.‘ Demnach<br />

war das Ziel der roten Kämpfer die Änderung<br />

der Verfassung des Deutschen<br />

Reichs. <strong>Die</strong>se Änderung sollte im Wege<br />

des Klassenkampfes also auf gewaltsamem<br />

Wege, erreicht werden.<br />

Der Vorbereitung dieses Endzieles diente<br />

der organisatorische Aufbau der roten<br />

Kämpfer auf folgende Weise:<br />

Von der Reichsleitung wurden Hetzschriften<br />

herausgegeben und an Mitglieder<br />

verteilt. <strong>Die</strong> Hetzschriften hatten<br />

bis zum Frühjahr 1936 den Titel ‚Rote<br />

Kämpfer‘. Von da an hatte die Schrift die<br />

Bezeichnung ‚Der Arbeiterkommunist‘.<br />

<strong>Die</strong> Schriften erschienen ungefähr alle<br />

8 Wochen. Als Material für die Herstellung<br />

der einzelnen Artikel wurden die<br />

Hetzschriften benutzt, die die Reichsleitung<br />

der Roten Kämpfer von anderen<br />

illegalen Organisationen erhielt. Ferner<br />

fanden innerhalb der einzelnen Ortsgruppen<br />

Schulungsabende statt, bei denen<br />

verschiedene Themen behandelt<br />

wurden, wie die geschichtliche Entwicklung<br />

der Arbeiterbewegung, ‚Der histo-

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