Antifaschistische Kultur - Die Linke
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Neonazistische Alltagsmode –<br />
die Bekleidungsmarke Thor Steinar<br />
Jugendliche und junge Erwachsene,<br />
gleich welcher politischen und kulturellen<br />
Coleur, haben eines gemeinsam:<br />
Musik und Bekleidung spielen eine herausragende<br />
Rolle zur Verortung der<br />
eigenen Zugehörigkeit in die verschiedenen<br />
Szenen und (Sub-)<strong>Kultur</strong>en und<br />
damit schließlich zur Selbstvergewisserung<br />
von Identität. Gleichzeitig dienen<br />
Musik und Bekleidung als die Mittel<br />
schlechthin, sich nach außen, also von<br />
anderen, abzugrenzen.<br />
Gerade in der Neonazi-Szene dient das<br />
Tragen und somit Zeigen von diversen<br />
Parolen, Logos, u. ä., genauso wie das<br />
Tragen von bestimmten Marken, zur Demonstration<br />
der politischen Gesinnung.<br />
Während es bis zum Beginn des neuen<br />
Jahrtausends noch die Bomberjacken-<br />
Springerstiefel-Glatzköpfe waren, die<br />
allein mit ihrem Outfit eine bestimmte<br />
und zumeist bedrohliche Ausstrahlung<br />
erreichen, stellt sich die Situation heute<br />
deutlich differenzierter dar. Dennoch<br />
blieb das Muster dasselbe. Das Tragen<br />
bestimmter Marken und Aufdrucke und<br />
damit letztendlich das Zur-Schau-Tragen<br />
äußerer (Wieder-) Erkennungsmerkmale<br />
schafft nach wie vor eine Binnenwirkung<br />
(„ich gehöre dazu“, „der ist einer<br />
von uns“) und eine Außenwirkung („der<br />
gehört zu den Rechten“, „der will als<br />
Rechter erkannt werden“).<br />
Vor diesem Hintergrund wird deutlich,<br />
dass die Auseinandersetzung mit neonazistischer<br />
Alltagskultur immer auch<br />
im Zusammenhang mit den jeweils aktuell<br />
rezipierten Lebensweisen, Musikstilen<br />
und eben auch Bekleidungsvorlieben<br />
geführt werden muss.<br />
Thor Steinar – Ausdruck von<br />
Veränderungsprozessen in der<br />
Neonazi-Szene<br />
In den letzten Jahren entwickelte sich<br />
dabei die Marke Thor Steinar zu der<br />
Neonazi-Marke schlechthin. Überall,<br />
wo neonazistische Jugendliche und Erwachsene<br />
zusammen kommen, sei es<br />
ein Aufmarsch, eine Saalveranstaltung,<br />
im Jugendklub, der Treff an der Ecke,<br />
usw. – Thor Steinar ist dabei. Gerade<br />
an den Aufmärschen als öffentliche politische<br />
Veranstaltung kann beobachtet<br />
werden, dass Thor Steinar mit Abstand<br />
die beliebteste Marke ist. Dass das nur<br />
Zufall und Modebewusstsein wäre, kann<br />
getrost von sich gewiesen werden.<br />
Wer Thor Steinar trägt, zeigt dass er<br />
oder sie sich stilbewusst für eine modi-<br />
sche und sportliche Marke entschieden<br />
hat. Damit ist die Marke Ausdruck und<br />
einer der Motoren der aktuellen Veränderungsprozesse<br />
innerhalb der neonazistischen<br />
Szene.<br />
Obgleich die enge Verquickung mit der<br />
organisierten Neonazi-Szene offensichtlich<br />
scheint, sind konkrete Nachweise<br />
zumeist nur indirekt zu führen.<br />
Deren Vielzahl jedoch ergibt ein umfassendes<br />
Bild, dass nur die Schlussfolgerung<br />
zulässt, dass Thor Steinar eine<br />
Bekleidungsmarke ist, die explizit modebewusste<br />
Jugendliche und junge Erwachsene<br />
aus der rechten und neonazistischen<br />
Szene ansprechen will.<br />
Einem größeren Spektrum der Öffentlichkeit<br />
wurde die Marke Thor Steinar<br />
erst bekannt im Zuge der verschiedenen<br />
Gerichtsverfahren um das alte Logo<br />
des Labels. Damals zeigte das Logo eine<br />
Binderune, bestehend aus der Tyr- und<br />
der Sig-Rune. <strong>Die</strong> erste war im Nationalsozialismus<br />
Symbol der SA-Reichsführerschule,<br />
letztere des Deutschen Jungvolks.<br />
Nach wie vor ist die Rechtslage zu<br />
dem Logo nicht eindeutig. Während es in<br />
einigen Bundesländern inzwischen nicht<br />
mehr juristisch verfolgt wird, stellt das<br />
Zeigen des Logos in anderen Bundesländern<br />
einen Verstoß gegen Paragraph<br />
86a des Strafgesetzbuches (StGB) dar.<br />
So kam es zu der merkwürdigen Situation,<br />
dass beispielsweise Zugreisende<br />
von Cottbus nach Leipzig, in Cottbus mit<br />
dem Symbol auf der Brust legal einsteigen<br />
können, in Leipzig beim Aussteigen<br />
aber ein Ermittlungsverfahren riskierten.<br />
<strong>Die</strong>ses Vorgehen führte unter anderem<br />
zu einem deutlichen Anstieg der<br />
Propagandadelikte in der sächsischen<br />
Statistik. Jedenfalls bis Anfang diesen<br />
Jahres. Im Februar 2008 entschied das<br />
Oberlandesgericht Sachsen dann, dass<br />
das Tragen der alten Thor-Steinar-Symbolik<br />
nicht strafbar entsprechend Paragraphen<br />
86a StGB (Verwenden von<br />
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen)<br />
sei.<br />
Thor Steinar reagierte auf die unklare<br />
Rechtslage noch vor einer endgültigen<br />
gerichtlichen Klärung mit der Verwendung<br />
eines neuen Logos.<br />
<strong>Die</strong>ses zeigt ein schlichtes x mit zwei<br />
Punkten auf rotem Grund.<br />
Je nach Lesart kann auch hier ein Bezug<br />
zum Nationalsozialismus hergestellt<br />
werden. So erkennt das Onlineportal<br />
NPD-Blog hierin eine Gifu-Rune<br />
und schreibt dazu: „Tatsächlich aber<br />
hat 1932 Siegfried Adolf Kummer im<br />
Buch „Heilige Runenmacht“ die Gifu-Rune<br />
noch als ‚die stellvertretende Rune<br />
des Fyrfors, des Hakenkreuzes‘ bezeichnet.“<br />
<strong>Die</strong> Rechtsabteilung von Thor Steinar<br />
dementiert diese Anspielung aber<br />
und verweist zudem zutreffend darauf,<br />
dass die Gifu-Rune keine bekannte Verwendung<br />
im NS gefunden hat.<br />
Eine weitere abenteuerliche Interpretation<br />
bezieht sich auf den Namen der Marke<br />
selbst. <strong>Die</strong>se liest sich bei NPD-Blog<br />
wie folgt: „Der Donnergott Thor trifft auf<br />
eine Namensabwandlung des Generaloberst<br />
der Waffen-SS Felix Steiner.“<br />
Unabhängig von den zugeschriebenen<br />
Interpretationen des Symbols, bietet die<br />
Firma selbst auf der hauseigenen Homepage<br />
einige Verweise, die den Bezug zur<br />
neonazistischen Szene verdeutlichen.<br />
Dabei spielen nicht nur die Vielzahl von<br />
eindeutigen T-Shirt-Motiven eine Rolle,<br />
die die avisierte Zielgruppe auch politisch<br />
ansprechen sollen, sondern auch<br />
weitere Darstellungen.<br />
So wird in der Rubrik „Wissen!“ ein Zitat<br />
aus dem Gedicht „Wir rufen deine<br />
Wölfe“ von Friedrich Hielscher veröffentlicht.<br />
Der Nationalrevolutionär war<br />
einer der Vordenker der esoterisch-okkultistisch<br />
angehauchten Reichsidee eines<br />
geheimen „Deutschland“. Nach wie<br />
vor ist er in der Szene hoch im Kurs, genauso<br />
wie die Externsteine, deren Bild<br />
als Wallpaper zum Download bereit gestellt<br />
wird.<br />
In der Rubrik „Thor Steinar Mystik“ findet<br />
sich eine Darstellung des Forts Namutoni.<br />
Mit gleichnamiger Aufschrift<br />
bietet die Firma auch Shirts an.<br />
Namutoni war ein Fort der Deutschen<br />
Kolonialmacht in Deutsch-Südwestafrika.<br />
Gemeinhin gilt die deutsche Kolonalzeit<br />
nicht als Aushängeschild, zudem waren<br />
die im Fort zusammengezogenen Soldaten<br />
beteiligt an der grausamen Niederschlagung<br />
des Herrero-Aufstandes<br />
1904.<br />
Besonders deutlich werden die Verknüpfungen<br />
zwischen Thor Steinar und<br />
der Neonazi-Szene beim Blick ins europäische<br />
Ausland.<br />
Beispiel Tschechien<br />
Der Prager Laden für neonazistische<br />
Streetwear „Hatecore-Shop“ hat neben<br />
Neonazi-CDs auch diverse einschlägige<br />
Streetwear-Marken im Angebot. Um auf<br />
die Homepage des Versandgeschäfts<br />
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