Antifaschistische Kultur - Die Linke
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Reiches in den Grenzen von 1937, wobei<br />
auch das seiner Ansicht nach noch<br />
„keineswegs der Endpunkt sein“ müsse.<br />
So schrieb er in seinem 1996 erschienenen<br />
Buch „Unterwegs zum kleinsten<br />
Deutschland“. 1994 wurde Czaja<br />
von dem ehemaligen Vorsitzenden<br />
des Wehrpolitischen Arbeitskreises der<br />
CSU (Vorläufer der „Münchner Sicherheitskonferenz“)<br />
und sudetendeutschen<br />
Multifunktionär Fritz Wittmann abgelöst.<br />
Auch er hatte die traditionelle Vertriebenenpolitik<br />
seit Anfang der 1970er<br />
Jahre in führenden Positionen mitgestaltet.<br />
Nach dem Beginn der Verhandlungen<br />
über die Osterweiterung der EU<br />
1997 wurde jedoch eine neue taktische<br />
Linie gebraucht. In deutsch-nationalen<br />
Kreisen hoffte man (vergeblich, wie sich<br />
zeigen sollte), das Europaparlament<br />
würde sich dazu bewegen lassen, die<br />
Forderungen der Vertriebenenverbände<br />
gegenüber Polen und Tschechien zu<br />
übernehmen und ihre Erfüllung zur Bedingung<br />
für die Aufnahme beider Länder<br />
in die EU zu machen. Dazu mussten diese<br />
Forderungen jedoch so verpackt werden,<br />
dass sie nicht nur im Inland, sondern<br />
auch im europäischen Ausland für<br />
breitere Kreise akzeptabel wurden.<br />
Als Erika Steinbach 1998 für den BdV-<br />
Vorsitz kandidierte, hatte sie Geeignetes<br />
anzubieten: Sie war „überzeugt<br />
davon, dass das eine Menschenrechtsfrage<br />
ist“. 9<br />
Das war nicht sehr originell, aber wirksam.<br />
Seit 1990 lief in Deutschland die<br />
Vorbereitung der öffentlichen Meinung<br />
auf die Beteiligung der Bundeswehr an<br />
Kriegen erfolgreich auf dieser Schiene.<br />
Mit dem Argument, man müsse „den<br />
Menschenrechten“ Geltung verschaffen,<br />
konnten auch Menschen für „humanitäre“<br />
Militäreinsätze gewonnen werden,<br />
die früher strikt dagegen gewesen<br />
waren. Ähnelten nicht die Fernsehbilder<br />
von den sog. „ethnischen Säuberungen“<br />
in Jugoslawien frappierend den Bildern,<br />
die als konzentrierter Ausdruck des<br />
Elends deutscher Flüchtlingstrecks in<br />
der kollektiven Erinnerung verankert waren?<br />
<strong>Die</strong> Fernsehbilder mochten sich ähneln,<br />
die historischen Zusammenhänge<br />
waren grundverschieden. Aber das war<br />
ja ein zusätzlicher Vorteil der neuen Taktik:<br />
Wer mit den Menschenrechten argumentiert,<br />
hat immer Recht und braucht<br />
auf unliebsame Fragen nach dem historischen<br />
Kontext nicht einzugehen. Faschismus?<br />
Besatzung? Deutsche Verbrechen?<br />
Ja, natürlich, das war alles schlimm, niemand<br />
wird es leugnen, aber wir haben<br />
das ja schon alles ganz vorbildlich aufgearbeitet,<br />
und überhaupt: Egal, was vorher<br />
war – jede Vertreibung ist Unrecht.<br />
38<br />
Am 13. Mai 1999 missbrauchte der Außenminister<br />
der SPD/Grünen-Regierung,<br />
Joseph Fischer, auf dem außerordentlichen<br />
Parteitag der Grünen in<br />
Bielefeld den Schwur „Nie wieder Auschwitz“<br />
zur Rechtfertigung des Angriffskrieges<br />
gegen Jugoslawien (sog. Kosovo-Krieg,<br />
24.3. bis 10.6.1999) und der<br />
Beteiligung der Bundeswehr daran. Am<br />
23. Mai 1999 stellte der Sprecher der<br />
Sudetendeutschen Landsmannschaft,<br />
Franz Neubauer (CSU), unter Vertauschung<br />
von Ursache und Wirkung zufrieden<br />
fest: „Vertreibung wird jetzt als<br />
ein so schweres Verbrechen angesehen,<br />
dass man bereit ist, sogar mit Waffengewalt<br />
dagegen vorzugehen.“ 10 Beim „Tag<br />
der deutschen Heimatvertriebenen“ am<br />
29. Mai 1999 trat Erika Steinbach erstmals<br />
mit dem Projekt eines „Zentrum<br />
gegen Vertreibungen“ an die Öffentlichkeit.<br />
Anfang September 2000 wurde die<br />
Stiftung gleichen Namens gegründet,<br />
als Co-Präsidenten hatte Steinbach den<br />
ehemaligen SPD-Bundesgeschäftsführer<br />
und Bundestagsabgeordneten Prof.<br />
Peter Glotz († 2005) gewonnen.<br />
„Das Zentrum gegen Vertreibungen soll<br />
allgemein zugänglich einen Gesamtüberblick<br />
über die Vertreibung von 15<br />
Millionen Deutschen geben und der Aufarbeitung<br />
dieses einschneidenden Teils<br />
deutscher und europäischer Geschichte<br />
dienen … <strong>Die</strong> Vertreibung anderer Völker,<br />
insbesondere im Europa des 20.<br />
Jahrhunderts, soll im Zentrum erfahrbar<br />
werden.“ 11 Der Kern des Zentrums<br />
sollte aus einer „Requiem-Rotunde“ und<br />
einer Dauerausstellung bestehen. Hinsichtlich<br />
der Gestaltung sollte sich die<br />
Ausstellung am Einwanderermuseum<br />
auf Ellis Island in New York und am Holocaust<br />
Memorial Museum in Washington<br />
orientieren. Das Zentrum sollte, so<br />
Steinbachs Vorstellung, aus Steuermitteln<br />
finanziert, aber von der Stiftung<br />
realisiert werden. Bei der rotgrünen<br />
Bundesregierung fiel der Vorschlag auf<br />
geteiltes Echo. Bundeskanzler Schröder<br />
(SPD) verhielt sich zunächst reserviert,<br />
später ablehnend, hielt dem BdV aber<br />
im Jahr 2000 als erster Bundeskanzler<br />
seit 10 Jahren die Festansprache zum<br />
„Tag der Heimat“; Innenminister Otto<br />
Schily (SPD) sprach sich entschieden<br />
dafür aus. <strong>Die</strong> CDU machte Steinbach<br />
im Jahr 2000 zum Mitglied ihres Bundesvorstandes.<br />
<strong>Die</strong> „europäische Ausrichtung“<br />
Am 16. Mai 2002 wurde im Bundestag<br />
über das Thema diskutiert. CDU/CSU,<br />
SPD, FDP und Grüne waren sich in der<br />
Verurteilung der Potsdamer Beschlüsse<br />
(„… Unrecht – egal was vorher war …“)<br />
und der Notwendigkeit eines „Zentrums<br />
gegen Vertreibungen“ einig. Uneinigkeit<br />
gab es nur darüber, wie sehr das „eigene<br />
Leid“ und die „eigene Trauer“ um deutsche<br />
Opfer im Mittelpunkt stehen sollten.<br />
Das von der CDU/CSU befürwortete<br />
BdV-Projekt bezog sich ausdrücklich<br />
auf die „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“<br />
von 1950, in der es – neben<br />
anderen Geschichtsverdrehungen –<br />
heißt, diese seien die „vom Leid dieser<br />
Zeit am schwersten Betroffenen“. Auch<br />
das von Steinbach vorgelegte Exposé<br />
für die Dauerausstellung ließ erkennen,<br />
dass es vor allem um die Erinnerung an<br />
deutsches Leid gehen sollte. Der Sprecher<br />
der SPD, Markus Meckel, monierte,<br />
das sei ein „nationales Projekt mit<br />
entsprechendem Ausblick und mit einer<br />
möglichen europäischen Ergänzung im<br />
Rahmen eines Kuratoriums“. 12 SPD und<br />
Grüne forderten ein von Anfang an „europäisch<br />
ausgerichtetes Zentrum gegen<br />
Vertreibungen“, das sich nicht vorrangig<br />
den Leiden der Deutschen widmen, sondern<br />
Vertreibung als europäisches Geschehen<br />
darstellen sollte, von dem zahlreiche<br />
Nationen betroffen waren. Auch<br />
sollte die Konzeption des Projektes von<br />
Anfang an zusammen mit Vertretern anderer<br />
europäischer Länder entwickelt<br />
werden.<br />
Steinbach antwortete Meckel, mit der<br />
Forderung einer „europäischen Ausrichtung“<br />
des Zentrums renne er bei ihr offene<br />
Türen ein. Selbstverständlich habe<br />
auch ihr Zentrum einen durch und durch<br />
„europäischen Ansatz“. Im Übrigen,<br />
fand sie, sei „heute ein guter Tag“, obwohl<br />
doch klar war, dass der CDU/CSU-<br />
Antrag auf Unterstützung ihres Projektes<br />
mit den Stimmen der Koalition und<br />
der PDS abgelehnt werden würde.<br />
<strong>Die</strong> BdV-Präsidentin hatte Grund zum<br />
Jubeln. Mochte die Argumentation Meckels<br />
und seiner Mitstreiter auch von<br />
dem Wunsch ausgehen, den Anspruch,<br />
die deutschen Vertriebenen seien die<br />
„vom Leid dieser Zeit am schwersten<br />
Betroffenen“, zurückzuweisen, so hatte<br />
sie doch tückische Fußangeln. <strong>Die</strong><br />
meisten dieser Redner verstanden unter<br />
„europäische Ausrichtung“ nicht nur<br />
die Anerkenntnis, dass Andere mindestens<br />
so schwer bzw. schwerer betroffen<br />
waren, sondern sie verbanden dies<br />
mit dem Versuch, für die verschiedenartigsten<br />
Geschehnisse eine gemeinsame<br />
„europäische“ Erklärung zu finden.<br />
Am deutlichsten formulierte eine solche<br />
Position die damalige Bundestagsvizepräsidentin<br />
Antje Vollmer (Bündnis<br />
90/<strong>Die</strong> Grünen). Sie sah die Ursache<br />
des „Ungeistes der Vertreibungen“, der<br />
Europa im 20. Jahrhundert heimgesucht