Antifaschistische Kultur - Die Linke
Antifaschistische Kultur - Die Linke
Antifaschistische Kultur - Die Linke
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
vertieft? Funktioniert trotz allem die Arbeitsteilung<br />
bzw. Zusammenarbeit zwischen<br />
„Nazis in Nadelstreifen“ und gewalttätigen<br />
Schlägern?<br />
Zweitens: Haben wir es mit einer neuen<br />
Quantität und vielleicht auch Qualität<br />
rechtsextremistischer, offensiver Gewaltausübung<br />
zu tun? Wenn ja, wie ist<br />
dem wirksam zu begegnen – zivilgesellschaftlich<br />
wie durch stärkeres Engagement<br />
der staatlich Zuständigen?<br />
Drittens: Wie ist umzugehen mit eskalierender<br />
staatlicher Gewalt, die sich<br />
eindeutig stärker gegen Antifaschisten<br />
richtet als gegen Rechtsextremisten?<br />
Viertens: Eine Debatte um Gewalt von<br />
„links“, ihre Berechtigung, ihre Motive,<br />
ihre gesellschaftliche Legitimität, auch<br />
vor dem Hintergrund historischer Erfahrungen,<br />
erscheint dringend vonnöten.<br />
Dr. Horst Helas<br />
1 <strong>Die</strong>se Information basiert auf der Auswertung des<br />
Informationsdienstes IDAFAR, auf eigenem, eher<br />
zufälligem Studium von Medienberichten sowie auf<br />
Informationen von Kollegen der Rosa-Luxemburg-<br />
Stiftung und Partnern in einzelnen Bundesländern.<br />
2 Vgl. Thomas Kurz: „Blutmai“. Sozialdemokraten<br />
und Kommunisten im Brennpunkt der Berliner Ereignisse<br />
von 1929, Bonn 1988.<br />
3 <strong>Die</strong> anderen drei Grundsäulen sind: „Eroberung<br />
der Köpfe“, „Eroberung der Parlamente“ und neuerdings<br />
die so genannte „Wortergreifungsstrategie“.<br />
Rechtsextremisten tauchen immer häufiger<br />
auf Veranstaltungen demokratischer Parteien und<br />
Organisationen auf, um mit zu diskutieren. Das<br />
von ihnen zumeist vorgebrachte Argument lautet:<br />
Rechtsextremistische Parteien seien demokratisch<br />
gewählt worden und ihnen stünden deshalb alle demokratischen<br />
Rechte zu, die andere auch für sich<br />
in Anspruch nehmen.<br />
4 <strong>Die</strong> anderen beiden sind: Veranstaltungen zur Erinnerung<br />
an die alliierten Bombenabwürfe 1945<br />
über Dresden (Februar) und das jährliche Rudolf-<br />
Hess-Gedenken, möglichst an seinem Grab im bayrischen<br />
Wunsiedel (August). Wenn ein Aufmarsch<br />
direkt in Wunsiedel (wie 2007) wieder verboten<br />
werden sollte, ist zu erwarten, dass Rechtsextremisten<br />
an verschiedenen Orten in Deutschland Ersatzveranstaltungen<br />
durchführen werden.<br />
5 Zur Debatte in der Hamburger Bürgerschaft vgl.<br />
junge Welt, 9.5.2008, S. 4.<br />
6 Siehe: www.verfassungsschutzgegenrechtsextremismus.de,<br />
7.5.2008.<br />
7 Berliner Morgenpost, 3.5.2008.<br />
8 <strong>Die</strong>se Informationen verdanke ich der Landesarbeitsgemeinschaft<br />
Rechtsradikalismus Rheinland-<br />
Pfalz.<br />
9 junge Welt, 29.4.2008, S. 2.<br />
Auf dem Seziertisch: Das NPD-Grundsatzprogramm.<br />
Du bist nichts, Dein Volk ist alles!<br />
Eines kann man der NPD nicht vorwerfen<br />
– dass sie mit ihrer Weltanschauung<br />
hinterm Berg hält. Ein genauer Blick genügt<br />
– aber nicht auf die gefälligen Flugblätter,<br />
die die Partei so gern verteilt,<br />
sondern in ihr Grundsatzprogramm. Es<br />
ist ein dünnes Dokument gerade 14 Seiten<br />
stark, 1996 wurde es vom Parteitag<br />
beschlossen.<br />
Gleich unter Punkt 1 geht es da um<br />
„die Grundlage des Staates“, und sofort<br />
wird klar, dass die NPD eine eindeutig<br />
rechtsextremistische Partei ist, genauer<br />
gesagt: eine völkische:<br />
„Volkstum und <strong>Kultur</strong> sind die Grundlagen<br />
für die Würde des Menschen.“<br />
Das liest man. Und stockt. Hier wird –<br />
in einem schlichten wie folgenschweren<br />
Satz – die Menschenwürde an Voraussetzungen<br />
gebunden. Dabei ist die<br />
große Errungenschaft von Humanismus<br />
und Aufklärung, von freiheitlichen Revolutionen<br />
und der Allgemeinen Erklärung<br />
der Menschenrecht aus dem Jahre<br />
1948, dass die Würde des Menschen<br />
keine Grundlage hat als den Menschen<br />
selbst. Durch seine Geburt steht jedem<br />
Menschen ein unveräußerliches Recht<br />
auf Achtung seiner Menschenwürde<br />
zu – und zwar jedem Menschen. Jeder<br />
Mensch ist gleich darin, diese Würde<br />
darf ihm nicht genommen, nicht angezweifelt<br />
werden – egal welche Hautfarbe<br />
er hat, wer seine Eltern sind, ob er<br />
behindert ist oder nicht und für das Volk<br />
irgendeinen Nutzen bringen kann. Für<br />
die NPD gilt alles das nicht. Der zitierte<br />
Satz klingt wie eine nur kleine Akzentverschiebung,<br />
aber er hat weitreichende<br />
Folgen: Indem die Partei die Würde des<br />
Menschen außerhalb seiner selbst begründet<br />
– nämlich in Volkstum und <strong>Kultur</strong><br />
– schränkt sie seine Rechte ein. Und<br />
das zeigt sich schon im folgenden Satz:<br />
„Deswegen trägt der Staat, dessen Aufgabe<br />
der Schutz der Menschenrechte<br />
ist, Verantwortung für das Volk.“<br />
Nicht der Mensch also ist vom Staat zu<br />
achten, sondern ein – wie auch immer<br />
zu definierendes – Kollektiv. „Das Volk“<br />
steht im Mittelpunkt aller Politik, dies ist<br />
der Kern der Partei-Ideologie. Deshalb<br />
ist die NPD eine „völkische Partei“.<br />
Was ist nun so schlimm daran? Ist nicht<br />
ein einzelner Mensch wirklich verloren<br />
ohne andere Menschen? Mag ja sein.<br />
Gibt man aber den Menschen als Ursprung<br />
der Menschenwürde einmal auf,<br />
lässt man den Einzelnen schutzlos zurück<br />
– im Extremfall kann er sich nicht<br />
mehr gegen die Willkür der Mehrheit<br />
oder die des Staates wehren. Im Interesse<br />
„des Volkes“, so könnte ein NPD-Kader<br />
argumentieren, müsse das Interesse<br />
des Einzelnen schon mal zurückstehen.<br />
Er müsse Opfer bringen, vielleicht sogar<br />
sein Leben. Und wenn er das nicht einsehe,<br />
dann werde man ihm das schon<br />
beibringen …<br />
<strong>Die</strong>s ist der grundsätzliche Unterschied<br />
zwischen allen demokratischen Parteien<br />
der Bundesrepublik – von ganz rechts<br />
bis ganz links, von CSU bis zur LINKEN:<br />
bei ihnen steht der einzelne Mensch im<br />
Mittelpunkt. In der Bundesrepublik mit<br />
ihrem Grundgesetz kann sich das Individuum<br />
gegen Eingriffe in seine Grundrechte<br />
wehren – nicht zuletzt mit dem<br />
Gang zum Bundesverfassungsgericht. In<br />
einem NPD-Staat ginge das nicht mehr.<br />
Im „Politische Lexikon“ der Partei, in<br />
dem die NPD auf ihrer Internet-Seite die<br />
Grundbegriffe ihrer Weltanschauung erklärt,<br />
heißt es denn auch unverblümt:<br />
„<strong>Die</strong> Volksgemeinschaft schafft die<br />
Verpflichtung für die Mitwirkung aller<br />
im Volk.“<br />
Um es nochmal ganz klar zu sagen: Natürlich<br />
soll sich jeder einzelne Mensch<br />
auch für andere einsetzen. Selbstverständlich<br />
kann eine humane Gesellschaft<br />
nicht auf purem Egoismus basieren,<br />
sondern braucht Solidarität. Aber<br />
wenn der Einzelne dazu gezwungen werden<br />
kann, dann sind Unfreiheit und Diktatur<br />
Tür und Tor geöffnet. „Das Volk“ ist<br />
bei der NPD übrigens eine ethnisch und<br />
rassisch homogene Gemeinschaft. Für<br />
die Partei ist biologisch und genetisch<br />
vorbestimmt, wer dazugehört – und wer<br />
nicht. Deshalb kann sich bei der NPD<br />
niemand aussuchen, für welche Gruppe<br />
von Menschen er sich einsetzen oder<br />
auch Opfer bringen möchte.<br />
Der einzelne Mensch zählt für die NPD<br />
nicht viel. Wichtig ist, was er für „das<br />
Volk“ tun kann. Im zweiten Kapitel des<br />
NPD-Programms zeigt sich das überdeutlich.<br />
Dort geht es um Familienpolitik<br />
– für alle Parteien derzeit ein großes<br />
Thema. In der Tat ist es wichtig für eine<br />
humane Gesellschaft, dass sie familien-<br />
bzw. kinderfreundlich ist. Mit sicherem<br />
Gespür für das Populäre fordert die NPD<br />
„mehr Kindergartenplätze“ und „500 Euro<br />
Kindergeld“. Ein Recht darauf soll bei<br />
der NPD aber nur „jedes deutsche Kind“<br />
35