Antifaschistische Kultur - Die Linke
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sind, aber kommunalpolitische Bedeutung<br />
haben. Es ging um Genfood, die<br />
dritte Startbahn des Münchner Flughafens,<br />
Lärmschutz, Milchpreise, Lohndumping,<br />
sexuelle Gewalt, Umweltschutz<br />
oder den geplanten Transrapid.<br />
Hiermit soll es ihnen gelingen, aus der<br />
rechten Ecke herauszukommen, denn<br />
dies sind, im Gegensatz zum Beispiel<br />
zur neonazistischen Version von Vergangenheitspolitik,<br />
scheinbar „neutrale“<br />
Themen, da sie die Menschen in<br />
der betroffenen Region direkt betreffen<br />
und auch dementsprechend von allen<br />
anderen Parteien aufgegriffen werden.<br />
Meist kommt das Anknüpfen an diese<br />
Themen auch ohne klassisch rechte Parolen<br />
aus, so dass es für den Normalbürger<br />
oftmals nicht erkennbar ist, welche<br />
Ideologie dahinter steckt. Erst auf<br />
den zweiten Blick wird dies deutlich,<br />
wenn zum Beispiel die Gegnerschaft zu<br />
Genfood und Globalisierung verschwörungstheoretisch<br />
erklärt wird. Manchmal<br />
werden auch ausländerfeindliche<br />
Ressentiments mit „neutralen“ Themen<br />
verbunden: die Ablehnung des Rauchverbots<br />
in Gaststätten wird ergänzt<br />
durch die Beschwörung des scheinbaren<br />
Niedergangs traditioneller Gaststätten<br />
durch vermehrte Konkurrenz von<br />
Ausländern. 86 Außerdem initiiert die<br />
NPD Aktivitäten wie eine „nationale Bewerbungshilfe“<br />
in der Oberpfalz, einen<br />
Kinderbasar in Roding, einen Umweltschutztag<br />
in Bayreuth, einen Wandertag<br />
in Passau, das Bayernfest in Regensburg<br />
und sogar eine „NPD-Krabbelgruppe<br />
Nürnberger Land“.<br />
<strong>Die</strong> „Bürgerinitiative Ausländerstopp“<br />
gibt eine „Verbindung“ zur NPD zu. <strong>Die</strong>s<br />
geschieht in Interviews, auf der Homepage<br />
oder durch das Abhalten gemeinsamer<br />
Veranstaltungen. Tatsächlich<br />
dürfte es sich jedoch nur im juristischen<br />
Sinne um zwei verschiedene Organisationen<br />
handeln, tatsächlich ist die BIA<br />
eine NPD im anderen Gewand. Insofern<br />
ist die Bezeichnung „Tarnliste“ nicht<br />
falsch, deutet jedoch einen konspirativen<br />
Sachverhalt an, der so nicht gegeben<br />
ist. <strong>Die</strong> Bezeichnung „Ausländerstopp“<br />
ist eindeutig, so dass man nicht<br />
behaupten kann, die ahnungslosen Bürger<br />
würden durch ein harmloseres Auftreten<br />
in die Hände von Rechtsextremen<br />
geführt. Fraglich ist jedoch, inwieweit es<br />
den Wählern klar ist, welche Gruppierung<br />
für die BIA verantwortlich ist. Zwar<br />
gab es Aufklärung verschiedenster Initiativen<br />
darüber, jedoch lässt sich vermuten,<br />
dass sich gerade die Menschen,<br />
welche zum Wählerpotenzial der BIA<br />
zählen, schwerlich davon erreichen lassen.<br />
Daher könnte hier die These auf-<br />
26<br />
gestellt werden, dass bestimmte Wählerschichten<br />
eher auf die Ideologie der<br />
NPD ansprechen, wenn sie anders verpackt<br />
ist. <strong>Die</strong>s würde bedeuten, dass<br />
sich Menschen bewusst für eine rechte<br />
Programmatik entscheiden, die NPD<br />
aufgrund ihres schlechtes Rufes jedoch<br />
ablehnen.<br />
<strong>Die</strong> Bezeichnung „Bürgerinitiative“ vermittelt<br />
noch etwas anderes. Hiermit<br />
wird der Schulterschluß mit dem kleinen<br />
Mann/der kleinen Frau versucht, denn<br />
eine Bürgerinitiative suggeriert, dass es<br />
sich hier um „normale Bürger“ handelt,<br />
welche einfach nur ein bestimmtes Anliegen<br />
verfolgen. <strong>Die</strong> BIA will ein Image<br />
aufbauen, wonach sie sich als Bürgerinitiative<br />
im Unterschied zu politischen<br />
Parteien befindet, welche oftmals als<br />
„abgehoben“ gelten. Ausdruck hierfür<br />
ist das allseits bekannte „<strong>Die</strong> da oben,<br />
machen doch sowieso nur was sie wollen“.<br />
Politik wird oftmals als schmutzig,<br />
unseriös und undurchsichtig betrachtet.<br />
<strong>Die</strong>ses Ressentiment wird nur allzu<br />
gern bedient, wenn zum Beispiel die Rede<br />
ist von „jene[n] die gerne weiterhin<br />
im Rathaus unkontrolliert ihre Pfründe<br />
untereinander aufteilen wollen“ 87 . Ebenso<br />
gehört es zur Taktik, Unterschiede<br />
zwischen den Parteien zu negieren:<br />
„Ich kann aus eigenem Erleben sagen,<br />
daß es bei den entscheidenden politischen<br />
Fragen nahezu keine Unterschiede<br />
zwischen den herrschenden Parteien<br />
gibt.“ 88 Karl Richter geht dabei noch<br />
weiter. Er möchte sich und die Bürgerinitiative<br />
Ausländerstopp als ideologiefrei<br />
darstellen:<br />
„Hochgestochene Ideologie-Politik hilft<br />
den Menschen nicht weiter. Wir müssen<br />
das aussprechen, was beim Wähler ankommt,<br />
und wir müssen es so aussprechen,<br />
dass es ankommt.“ 89<br />
Schließlich werden, angesichts der Sache,<br />
die alle vereinen muss, für ihn auch<br />
alle politischen Kategorisierungen unbedeutend:<br />
„Und ich sage es noch einmal: mit<br />
‚rechts‘ oder mit ‚links‘ oder mit irgendwelchen<br />
-ismen hat das alles nichts zu<br />
tun. Es geht ums Überleben und es geht<br />
um unsere Zukunft.“ 90<br />
Als Alternative zur aktuellen Politik wird<br />
die eigene, unideologische Sachbezogenheit<br />
in den Vordergrund gestellt. So<br />
hätte man in Sachsen nach dem Einzug<br />
in den Landtag sofort begonnen<br />
„gute, kompetente Sachpolitik zu machen“<br />
und „genauso werden wir das in<br />
München auch machen“. 91 <strong>Die</strong> hier entworfene<br />
Zweiteilung zwischen sachorientierter<br />
Arbeit auf der einen und ideologischem<br />
„Parteienkartell“ auf der<br />
anderen Seite, gehört zum dichotomen<br />
Weltbild der Nazis, wie auch zur Sichtweise<br />
vieler politikverdrossener Menschen.<br />
Auch wenn sich diese Menschen<br />
nicht als „rechts“ definieren, oft trotz<br />
vorhandener typisch rechter Einstellungen,<br />
bilden sie ein rechtes Wählerpotential,<br />
was die BIA mit dieser Taktik zu mobilisieren<br />
versucht.<br />
Und die Taktik ging auf. Während die<br />
NPD in Fürth und Pappenheim es unter<br />
ihrem eigenen Namen nicht geschafft<br />
hat, die notwendigen Unterschriften für<br />
den Antritt zur Wahl zu sammeln, gelang<br />
in München der Einzug ins Rathaus<br />
und in Nürnberg sogar die Steigerung<br />
auf zwei Stadtratsmandate. Dass es in<br />
der Hauptstadt soweit kommen konnte,<br />
hängt allerdings auch mit der Taktik der<br />
Union zusammen, am äußerst rechten<br />
Rand zu fischen. Gemeinsam mit Teilen<br />
der Öffentlichkeit erzeugte vor allem Roland<br />
Koch im Januar, nach dem Überfall<br />
zweier Jugendlicher mit Migrationshintergrund<br />
auf einen Rentner, eine Stimmung,<br />
die vorgab sich um Sicherheitsbedürfnisse<br />
zu kümmern, aber dabei vor<br />
allem auf rassistische Ressentiments<br />
zurückgriff. In den Medien wurde eine<br />
Debatte um „Ausländergewalt“ losgetreten,<br />
welche die Vorurteile vieler Menschen<br />
kanalisierte und in München dazu<br />
führte, dass die beiden rechtsextremen<br />
Listen „BIA“ und „Pro München“ erst<br />
dann die nötigen Unterschriften zum<br />
Wahlantritt einsammeln konnten. Fraglich<br />
ist daher, wieviel Anteil das kurzfristige<br />
Erzeugen einer Proteststimmung<br />
hatte und wie sehr es auf einer kommunale<br />
Verankerung der Rechtsextremen<br />
hindeutet.<br />
5. Ausblick auf die Landtagswahlen<br />
und Einschätzung<br />
Was das alles für die Bezirks- und Landtagswahlen<br />
bedeutet, kann zur Zeit<br />
noch nicht eindeutig gesagt werden.<br />
Während in Bayern derzeit keine Aktivitäten<br />
einer „Pro“-Vereinigung auf Landesebene<br />
auszumachen sind, steht fest,<br />
dass inzwischen alle NPD-Listen in 91<br />
Stimmkreisen mit Kandidaten von NPD,<br />
DVU und Republikanern besetzt sind. In<br />
Bayern wird der Landtag nicht über eine<br />
Landesliste, sondern über die Kandidaten<br />
aus sieben Bezirken gewählt. <strong>Die</strong><br />
Bezirkslisten werden angeführt von Karl<br />
Richter (Oberbayern), Erich Schwarzfischer<br />
(Oberpfalz), Walter Baur (Schwaben),<br />
Sascha Roßmüller (Niederbayern),<br />
Kai Limmer (Oberfranken), Ralf Ollert<br />
(Mittelfranken) und Uwe Meenen (Unterfranken).<br />
92 <strong>Die</strong> Partei selbst gibt sich<br />
zuversichtlich und Sascha Roßmüller<br />
fantasiert sogar eine „Stabsübergabe“<br />
der CSU an die NPD herbei. 93