Weichenstellung 2013 - Verband der Bahnindustrie in Deutschland ...
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<strong>Weichenstellung</strong> <strong>2013</strong><br />
für mehr nachhaltigen Verkehr auf <strong>der</strong> Schiene
Bildnachweis:<br />
gettyimages/Zachery T Jensen, fotolia/arsdigital, Siemens AG Mobility, fotolia/benqook, Balfour Beatty Rail GmbH,<br />
fotolia/Sergej Seemann, Siemens AG Mobility, fotolia/Olga D. van de Veer, fotolia/Benjam<strong>in</strong> Nolte
Bekenntnis<br />
Innovationen<br />
Schienen<strong>in</strong>frastruktur<br />
Zulassungsprozesse<br />
Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen<br />
Vorwort<br />
Die <strong>Bahn<strong>in</strong>dustrie</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> ist die größte und <strong>in</strong>novativste<br />
nationale Branche für Bahntechnik weltweit. Sie ist<br />
geprägt von den breit aufgestellten Systemhäusern e<strong>in</strong>erseits<br />
und e<strong>in</strong>er hochspezialisierten Basis mittelständischer Zulieferer<br />
an<strong>der</strong>erseits. Mit über 50.000 Beschäftigten alle<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> und e<strong>in</strong>em jährlichen Umsatz von rund elf<br />
Milliarden Euro gehört die heimische <strong>Bahn<strong>in</strong>dustrie</strong> mith<strong>in</strong><br />
zu den zukunftsfähigen Wirtschaftszweigen <strong>Deutschland</strong>s,<br />
die auf allen fünf Kont<strong>in</strong>enten mit ihren führenden Technologien<br />
für leistungsfähigen und umweltfreundlichen Schienenverkehr<br />
präsent ist.<br />
Die wirtschaftliche und technologische Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Bahn<strong>in</strong>dustrie</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> wird wesentlich durch die hohe<br />
politische Regulierungsdichte im Eisenbahnsektor <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
bee<strong>in</strong>flusst: Die F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Schienen<strong>in</strong>frastruktur,<br />
die Zulassung von Bahntechnik <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> und Europa,<br />
die Schaffung e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>heitlichen europäischen Eisenbahnraums<br />
sowie die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Mobilität im Nah- und<br />
Regionalverkehr s<strong>in</strong>d dabei nur die markantesten politischen<br />
Handlungsfel<strong>der</strong>.<br />
Anlässlich <strong>der</strong> Bundestagswahl am 22. September <strong>2013</strong> legt<br />
<strong>der</strong> <strong>Verband</strong> <strong>der</strong> <strong>Bahn<strong>in</strong>dustrie</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> (VDB) e.V. mit<br />
<strong>der</strong> <strong>Weichenstellung</strong> <strong>2013</strong> <strong>der</strong> nächsten Bundesregierung<br />
e<strong>in</strong>e konzentrierte politische Handlungsempfehlung vor.<br />
Fünf Themen s<strong>in</strong>d dabei von zentraler Bedeutung für die<br />
För<strong>der</strong>ung von Schienenverkehr und <strong>Bahn<strong>in</strong>dustrie</strong>. Dieser<br />
Empfehlung nachzukommen, ist auch mit Blick auf den Umwelt-<br />
und Klimaschutz e<strong>in</strong> Gebot <strong>der</strong> Stunde – aus politischer<br />
Vernunft und Verantwortung gegenüber <strong>der</strong> Zukunft.<br />
Michael Clausecker<br />
Präsident<br />
Prof. Dr. Ronald Pörner<br />
Hauptgeschäftsführer<br />
VDB | <strong>Weichenstellung</strong> <strong>2013</strong>
1.<br />
Klares Bekenntnis zur Schiene nötig –<br />
für <strong>Deutschland</strong> und Europa<br />
Noch nie haben so viele Menschen den Zug als Verkehrsmittel gewählt wie heute:<br />
2011 beför<strong>der</strong>te alle<strong>in</strong> die Deutsche Bahn annähernd zwei Milliarden Reisende.<br />
Auch <strong>der</strong> Güterverkehr hat seit <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>twende um mehr als die Hälfte<br />
zugenommen – Tendenz steigend. Beson<strong>der</strong>s die Umwelt profitiert vom<br />
wachsenden Schienenverkehr. So belegt die 2012 aktualisierte Datenbank<br />
„Umwelt & Verkehr“, dass <strong>der</strong> Zug bei allen wesentlichen Umweltparametern<br />
deutlich besser abschneidet als alle an<strong>der</strong>en Verkehrsträger. Grund genug für<br />
e<strong>in</strong> klares politisches Bekenntnis zum Schienenverkehr. Vier Handlungsfel<strong>der</strong><br />
s<strong>in</strong>d dabei vorrangig:<br />
1. EU-Weißbuch Verkehr rasch umsetzen<br />
Mit ihrem „Weißbuch Verkehr“ hat die EU-Kommission 2011 e<strong>in</strong> zukunftsweisendes<br />
Strategiepapier vorgelegt. Ausgangspunkt ist die M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Treibhausgasemissionen<br />
im Verkehr um 20 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2008 bzw. um<br />
60 Prozent bis 2050 zum Basisjahr 1990. E<strong>in</strong>e Schlüsselrolle kommt dabei dem<br />
Schienenverkehr zu: Bis 2030 soll nahezu e<strong>in</strong> Drittel des Güterverkehrs mit Entfernungen<br />
von mehr als 300 Kilometern auf Schienen und Wasserstraßen abgewickelt<br />
werden, bis 2050 sogar die Hälfte. Das Weißbuch sieht dafür <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
e<strong>in</strong>e rasche Vollendung des e<strong>in</strong>heitlichen Eisenbahnraumes <strong>in</strong> Europa sowie<br />
e<strong>in</strong>en fair gestalteten Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern durch die Angleichung<br />
wichtiger Rahmenbed<strong>in</strong>gungen vor. Es gilt nun, die Vorgaben aus dem<br />
Weißbuch effektiv und zügig durch gesetzgeberische Maßnahmen umzusetzen.<br />
2. Umweltprämie für Altloks e<strong>in</strong>führen<br />
Um den Schienenverkehr noch umweltfreundlicher zu machen, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den<br />
letzten Jahren die zulässigen Schadstoffgrenzwerte kont<strong>in</strong>uierlich verschärft<br />
worden, zuletzt 2012 mit <strong>der</strong> Schadstoffnorm IIIB. Doch die strikten Grenzwerte<br />
kommen nur bei Neufahrzeugen zur Anwendung, denn die Nachrüstung älterer<br />
Modelle ist technisch meist nicht möglich. Dabei ist das Erneuerungspotenzial<br />
hoch: In <strong>Deutschland</strong> könnten durch den Austausch von rund 600 nicht remotorisierten<br />
und mehr als 30 Jahre alten Diesellokomotiven E<strong>in</strong>sparungen <strong>in</strong> Höhe<br />
von 71 Prozent bei Stickoxiden, 97 Prozent bei Rußpartikeln sowie 21 Prozent bei<br />
CO2 erreicht werden. Um Betreibern die Erneuerung ihrer Flotte zu erleichtern, ist<br />
die E<strong>in</strong>führung von Anreizsystemen von großer Bedeutung – etwa <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er<br />
Umweltprämie, die Betreiber bei Ersatz von Altfahrzeugen erhalten. Der f<strong>in</strong>anzielle<br />
Aufwand wäre überschaubar, hätte aber e<strong>in</strong>e nicht zu unterschätzende Wirkung. Bei<br />
e<strong>in</strong>er s<strong>in</strong>nvollen Anreizgröße von 20 Prozent des Anschaffungspreises und e<strong>in</strong>em<br />
Ersatzzeitraum von drei Jahren würde <strong>der</strong> maximale Prämienbedarf bei jährlich<br />
80 Millionen Euro liegen.<br />
VDB | <strong>Weichenstellung</strong> <strong>2013</strong>
Bekenntnis<br />
Innovationen<br />
Schienen<strong>in</strong>frastruktur<br />
Zulassungsprozesse<br />
Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen<br />
3. ERTMS-Ausrüstung auf den Weg br<strong>in</strong>gen<br />
E<strong>in</strong> enormes H<strong>in</strong><strong>der</strong>nis für das weitere Wachstum des Schienenverkehrs <strong>in</strong> Europa<br />
stellen die rund 20 verschiedenen Zugsicherungssysteme dar, die <strong>in</strong> den EU-<br />
Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong>zeit im E<strong>in</strong>satz s<strong>in</strong>d. Sie führen dazu, dass Lokomotiven und Züge<br />
entwe<strong>der</strong> alle notwendigen Sicherungssysteme an Bord haben müssen o<strong>der</strong> die<br />
Schienenfahrzeuge an Län<strong>der</strong>grenzen komplett ausgetauscht werden – e<strong>in</strong> kostspieliges<br />
und zeit<strong>in</strong>tensives Verfahren. Dabei steht mit ERTMS (European Rail<br />
Traffic Management System) e<strong>in</strong>e technische Lösung bereit: Die e<strong>in</strong>heitliche<br />
Leit- und Sicherungstechnik ermöglicht e<strong>in</strong>en ungeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Verkehrsfluss auf<br />
<strong>der</strong> Schiene durch ganz Europa und ist seit 1996 für alle Neubaustrecken und<br />
Streckensanierungen vorgeschrieben. Im Güterverkehr sollen schnellstmöglich<br />
auch die sechs zentralen transeuropäischen Frachtkorridore ausgerüstet werden.<br />
<strong>Deutschland</strong> kommt dabei e<strong>in</strong>e Schlüsselrolle zu, denn vier <strong>der</strong> Korridore verlaufen<br />
durch die Bundesrepublik. Die Bundesregierung hat <strong>in</strong>zwischen zugesagt,<br />
den Schienenverkehrskorridor A von Rotterdam nach Genua auf dem durch<br />
<strong>Deutschland</strong> führenden Streckenabschnitt bis 2018 mit ERTMS auszurüsten. Die<br />
übrigen drei Korridore will die Bundesregierung bis 2023 mit <strong>der</strong> europäischen<br />
Leit- und Sicherungstechnik ausstatten. Es ist höchste Zeit, diese Vorhaben nun<br />
nachdrücklich und konsequent umzusetzen.<br />
4. Für mehr Wettbewerb <strong>in</strong> Europa werben<br />
Die Unternehmen des Bahnsektors wollen sich dem lebhaften Wettbewerb <strong>in</strong><br />
Europa stellen. In vielen EU-Län<strong>der</strong>n hat die Liberalisierung des Schienenverkehrs<br />
<strong>in</strong>zwischen deutliche Fortschritte zum Nutzen <strong>der</strong> Kunden gemacht, wie zum<br />
Beispiel <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>. Doch gibt es nach wie vor Nachholbedarf <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en europäischen<br />
Län<strong>der</strong>n, wo ausländische Eisenbahnverkehrsunternehmen unverän<strong>der</strong>t<br />
erhebliche Probleme mit dem Markte<strong>in</strong>tritt haben. Die Bundesregierung ist aufgerufen,<br />
sich für fairen und freien Wettbewerb <strong>in</strong> Europa e<strong>in</strong>zusetzen, beispielsweise<br />
für die konsequente und vollständige Umsetzung <strong>der</strong> europäischen Eisenbahnpakete.<br />
VDB | <strong>Weichenstellung</strong> <strong>2013</strong>
2.<br />
Entwicklung und F<strong>in</strong>anzierung<br />
<strong>der</strong> Schienen<strong>in</strong>frastruktur sichern<br />
Sowohl die Fahrgastzahlen als auch die Gütertransporte nehmen auf dem deutschen<br />
Schienennetz stetig zu. Die Schienen<strong>in</strong>frastruktur ist so nicht nur die Basis<br />
e<strong>in</strong>er mobilen Gesellschaft, son<strong>der</strong>n auch die Voraussetzung für Wirtschaftswachstum<br />
und Wohlstand. Um diesen Ansprüchen heute wie auch künftig<br />
gerecht werden zu können, muss die Schienen<strong>in</strong>frastruktur nicht nur erhalten,<br />
son<strong>der</strong>n auch mo<strong>der</strong>nisiert und gezielt ausgebaut werden. Die Politik steht mit<br />
ihren ordnungspolitischen Gestaltungsmöglichkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pflicht, für angemessene<br />
F<strong>in</strong>anzierungsmodelle und zuverlässige Kontrollmechanismen zu sorgen.<br />
Mit Verbesserungspotenzial:<br />
die Leistungs- und F<strong>in</strong>anzierungsvere<strong>in</strong>barung für das Schienenbestandsnetz<br />
Mit <strong>der</strong> Leistungs- und F<strong>in</strong>anzierungsvere<strong>in</strong>barung (LuFV I) haben Bund und Deutsche<br />
Bahn 2009 e<strong>in</strong> s<strong>in</strong>nvolles Fundament für den Erhalt des bestehenden bundeseigenen<br />
Schienennetzes gelegt. Es hat sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis grundsätzlich bewährt.<br />
Daher sollte die LuFV auf jeden Fall fortgeführt werden. Doch die Vere<strong>in</strong>barung<br />
weist auch Schwächen auf, die nachgebessert werden müssen: Mit 2,5 Milliarden<br />
Euro bewegen sich die jährlichen Zuschüsse des Bundes für Investitionen <strong>in</strong> das<br />
deutsche Bestandsnetz auf e<strong>in</strong>em längst nicht mehr zeitgemäßen Niveau. Die<br />
F<strong>in</strong>anzausstattung e<strong>in</strong>er „Folge-LuFV“ nach <strong>2013</strong> muss deshalb dr<strong>in</strong>gend erhöht<br />
werden. E<strong>in</strong> Bundeszuschuss <strong>in</strong> Höhe von jährlich 3,5 Milliarden Euro ist notwendig,<br />
um das Netz nicht weiter altern zu lassen. Ebenso sollten die e<strong>in</strong>schlägigen<br />
Qualitätskennzahlen angepasst und erweitert werden. Im Falle von Pflichtverletzungen<br />
s<strong>in</strong>d f<strong>in</strong>anzielle Sanktionen zu vermeiden. Bei Schlechtleistung sollte vielmehr<br />
e<strong>in</strong> verb<strong>in</strong>dlicher Aktionsplan zur Mängelbeseitigung vorgelegt werden.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus ist die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es regelmäßigen, unabhängigen Berichtswesens<br />
über die Entwicklung und Nutzbarkeit <strong>der</strong> Schienen<strong>in</strong>frastruktur notwendig.<br />
E<strong>in</strong> vergleichen<strong>der</strong> und unabhängiger Zustandsbericht kann politischen<br />
Entscheidungsträgern gute und belastbare Grundlagen für F<strong>in</strong>anzierungsentscheidungen<br />
für die Verkehrs<strong>in</strong>frastruktur liefern und gleichzeitig mehr Transparenz<br />
und Öffentlichkeit schaffen. E<strong>in</strong> entsprechendes Konzept für den sogenannten<br />
„Infrastrukturbericht Verkehr“ liegt bereits vor. Das von zehn<br />
Wirtschaftsverbänden <strong>in</strong> Auftrag gegebene Papier – darunter auch <strong>der</strong> VDB –<br />
bietet <strong>der</strong> Politik e<strong>in</strong> plausibles Vorgehen, um das Monitor<strong>in</strong>g <strong>der</strong> Verkehrswege<br />
<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> auf e<strong>in</strong>e transparente und bedarfsgerechte Basis zu stellen.<br />
VDB | <strong>Weichenstellung</strong> <strong>2013</strong>
Schienen<strong>in</strong>frastruktur<br />
Innovationen<br />
Zulassungsprozesse<br />
Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen<br />
Neu- und Ausbau <strong>der</strong> Schienenwege nicht vernachlässigen<br />
Die Bundesmittel für den Neu- und Ausbau des bundeseigenen Schienenverkehrsnetzes<br />
<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> s<strong>in</strong>d trotz <strong>der</strong> zusätzlichen Gel<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> so genannten<br />
„Bahn-Dividende“ nicht auskömmlich. Im Gegenteil: In den nächsten zehn Jahren<br />
fehlen jährlich etwa e<strong>in</strong>e Milliarde Euro. Von diesem Defizit betroffen s<strong>in</strong>d auch<br />
sämtliche vom Bund benannten Projekte für den Neu- und Ausbau. H<strong>in</strong>zu kommt<br />
die <strong>der</strong> EU-Kommission von <strong>der</strong> Bundesregierung verb<strong>in</strong>dlich zugesagte Ausrüstung<br />
<strong>der</strong> durch <strong>Deutschland</strong> führenden europäischen Schienenverkehrskorridore<br />
mit dem e<strong>in</strong>heitlichen europäischen Signalsystem ERTMS (European Rail Traffic<br />
Management System). <strong>Deutschland</strong> muss se<strong>in</strong>er zentralen Rolle als Schienenverkehrsknotenpunkt<br />
im Herzen Europas gerecht werden. Im <strong>in</strong>ternationalen Investitionsvergleich<br />
belegt <strong>Deutschland</strong> nur e<strong>in</strong>en abgeschlagenen Platz im letzten<br />
Drittel. Den dr<strong>in</strong>genden Handlungsbedarf hat auch die „Daehre-Kommission“ im<br />
Dezember 2012 <strong>in</strong> ihrem Abschlussbericht zur „Zukunft <strong>der</strong> Verkehrs<strong>in</strong>frastrukturf<strong>in</strong>anzierung“<br />
e<strong>in</strong>deutig festgestellt.<br />
Planungsfonds „Schiene“ e<strong>in</strong>richten<br />
In <strong>der</strong> Vergangenheit kam es immer wie<strong>der</strong> vor, dass es zu wenige durchgeplante<br />
und baureife Projekte gab, um bei zusätzlich verfügbaren Bundesmitteln rasch<br />
handeln zu können. E<strong>in</strong> Planungsfonds, <strong>der</strong> pro Jahr mit 50 Millionen Euro für<br />
zukünftige Neu- und Ausbauvorhaben dotiert ist, könnte Abhilfe schaffen. Damit<br />
würde e<strong>in</strong>e „Schubladenplanung für baureife Schienenprojekte“ entstehen, um<br />
schneller als bisher, durchgeplante Projekte auf den Tisch legen zu können.<br />
F<strong>in</strong>anzierung für Netze <strong>der</strong> NE-Bahnen im Bundeshaushalt verankern<br />
Knapp 90 Prozent des deutschen Schienennetzes gehören dem Bund. Für se<strong>in</strong>e<br />
F<strong>in</strong>anzierung kommt <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die Bundesregierung auf, ergänzt durch<br />
Eigenmittel <strong>der</strong> Deutschen Bahn. <strong>2013</strong> existiert erstmals e<strong>in</strong>e F<strong>in</strong>anzierung auch<br />
für die Infrastruktur Nichtbundeseigener Eisenbahnen, den sogenannten<br />
NE-Bahnen, durch den Bund. Die Bundesregierung stellt dafür aus ihrem Haushalt<br />
e<strong>in</strong>malig 25 Millionen Euro bereit. Das ist zu begrüßen. Diese F<strong>in</strong>anzierung<br />
muss aber über das Jahr <strong>2013</strong> h<strong>in</strong>aus als feste Position im Bundeshaushalt verankert<br />
werden. Der tatsächliche Bedarf für den Erhalt und den Ausbau <strong>der</strong> NE-Infrastruktur<br />
liegt außerdem deutlich höher als die jetzt e<strong>in</strong>malig zur Verfügung<br />
stehenden 25 Millionen Euro. Schätzungen gehen von e<strong>in</strong>em Bedarf von jährlich<br />
etwa 150 Millionen Euro aus.<br />
VDB | <strong>Weichenstellung</strong> <strong>2013</strong>
Bundesför<strong>der</strong>ung für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) verlängern<br />
Der SPNV trägt sich f<strong>in</strong>anziell neben dem Verkauf von Fahrkarten <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
durch die Regionalisierungsmittel des Bundes. Die Bundesregierung hat diese Zuschüsse<br />
2007 und 2008 empf<strong>in</strong>dlich gekürzt und damit die Erfolge <strong>der</strong> seit 1996<br />
e<strong>in</strong>geleiteten Reformen im SPNV gefährdet. Seitdem steigen die Mittel zwar wie<strong>der</strong><br />
jährlich um 1,5 Prozent an. Jedoch reicht diese bis 2014 festgelegte Dynamisierung<br />
nicht aus, um das bisherige SPNV-Angebot aufrecht zu erhalten. Damit <strong>der</strong> SPNV<br />
auch künftig bürgerfreundliche Mobilität <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fläche bieten kann, dürfen die<br />
Regionalisierungsmittel nicht weiter gekürzt werden. Ganze Regionen vom umweltfreundlichen<br />
SPNV auszuschließen, ist den Bürgern nicht zu vermitteln. Vielmehr<br />
muss die Dynamisierung auf Basis <strong>der</strong> im Jahr 2014 bereit gestellten Mittel<br />
ab 2015 verlängert und auf angemessene 2,5 Prozent pro Jahr erhöht werden.<br />
Bundesf<strong>in</strong>anzmittel für die kommunale<br />
Verkehrs<strong>in</strong>frastruktur erhalten und ausbauen<br />
Im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ist bei Erneuerungs<strong>in</strong>vestitionen <strong>in</strong><br />
die Fahrwege und Bahnhöfe <strong>der</strong> U-Bahnen, Stadt- o<strong>der</strong> auch Straßenbahnen e<strong>in</strong><br />
Investitionsstau von über 2,5 Milliarden Euro aufgelaufen. Er wächst jährlich<br />
weiter – um beachtliche 330 Millionen Euro. Die Län<strong>der</strong> erhalten zwar Zuschüsse<br />
aus dem Bundeshaushalt, so genannte Entflechtungsmittel <strong>in</strong> Höhe von 1,33 Milliarden<br />
Euro für den ÖPNV, doch für die Jahre ab 2014 fällt die Zweckb<strong>in</strong>dung für<br />
diese Bundesmittel weg. Weiterh<strong>in</strong> ist die Höhe <strong>der</strong> För<strong>der</strong>mittel unklar. Um die<br />
erfreuliche Entwicklung <strong>der</strong> Fahrgastzahlen nicht zu gefährden und e<strong>in</strong>en Kollaps<br />
von Verkehrsangeboten zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, ist politisches Handeln geboten: Die verkehrsbezogene<br />
Zweckb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Bundeshilfen im ÖPNV muss aufrechterhalten<br />
bleiben. Zudem ist nach Schätzungen <strong>der</strong> Verkehrsm<strong>in</strong>isterkonferenz e<strong>in</strong>e signifikante<br />
Erhöhung auf zwei Milliarden Euro pro Jahr dr<strong>in</strong>gend notwendig.<br />
VDB | <strong>Weichenstellung</strong> <strong>2013</strong>
Schienen<strong>in</strong>frastruktur<br />
Innovationen<br />
Zulassungsprozesse<br />
Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen<br />
VDB | <strong>Weichenstellung</strong> <strong>2013</strong>
3.<br />
Zulassungsprozesse reformieren<br />
und für Europa öffnen<br />
Sicherheit im Schienenverkehr hat oberste Priorität. Das herausragende Sicherheitsniveau<br />
<strong>der</strong> Eisenbahnen <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> ist Ergebnis <strong>der</strong> hohen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
an die Zuverlässigkeit und Belastbarkeit von Zügen und Infrastruktur. Um sie<br />
zu gewährleisten, durchlaufen Infrastrukturausrüstungen und die Fahrzeuge vor<br />
ihrem E<strong>in</strong>satz umfangreiche Zulassungsverfahren. Beson<strong>der</strong>s bei Fahrzeugen<br />
halten die Zulassungsprozesse <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> jedoch längst nicht mehr Schritt<br />
mit e<strong>in</strong>em weiter steigenden Fahrzeugaufkommen und immer komplexer<br />
werdenden Technologien. Es ist Aufgabe <strong>der</strong> Politik, den gordischen Knoten<br />
bei <strong>der</strong> Zulassung von Bahntechnik <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> geme<strong>in</strong>sam mit den Akteuren<br />
des Schienenverkehrssektors aufzulösen. Auf folgenden Handlungsfel<strong>der</strong>n s<strong>in</strong>d<br />
dafür Reformen nötig:<br />
<strong>Deutschland</strong>: Zulassungsprozesse mo<strong>der</strong>nisieren und reformieren<br />
Die Struktur <strong>der</strong> Zulassung <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> spiegelt im Wesentlichen den Zustand<br />
nach <strong>der</strong> Bahnreform <strong>in</strong> den 1990er Jahren wi<strong>der</strong>. Seitdem hat sich <strong>der</strong> Sektor stark<br />
gewandelt: Aus e<strong>in</strong>er Staatsbahn entstand mit <strong>der</strong> Deutschen Bahn AG e<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationales<br />
Logistikunternehmen; überdies entstanden viele an<strong>der</strong>e Eisenbahnverkehrsunternehmen.<br />
Die Hersteller von Bahntechnik agieren <strong>in</strong>zwischen <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em hochdynamischen und <strong>in</strong>ter nationalen Wettbewerbsumfeld. H<strong>in</strong>ter dieser<br />
Dynamik bleiben die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en gesetzlichen Rahmen e<strong>in</strong>gebetteten und damit<br />
strukturell trägen Zulassungsprozesse heute zurück, sodass sich die Zulassungsverfahren<br />
<strong>in</strong> den letzten Jahren zunehmend als Hemmschuh für die gesamte<br />
Branche erwiesen haben.<br />
E<strong>in</strong>e erste Verbesserung sollte im Mai 2011 mit <strong>der</strong> Veröffentlichung des „Handbuches<br />
Eisenbahnfahrzeuge“ gel<strong>in</strong>gen, das im Dezember 2012 durch den Deutschen<br />
Bundesrat <strong>in</strong> Kraft gesetzt wurde: Neben Serien- und Plattformzulassungen<br />
sieht die Neuregelung auch erstmals vor, dass die technischen Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />
Züge ab dem Antrag auf Zulassung – e<strong>in</strong>schließlich <strong>der</strong> praktizierten Nachweisverfahren<br />
– festgeschrieben s<strong>in</strong>d. Die Politik muss nun alles daran setzen, dass diese<br />
Neureglungen auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> täglichen Praxis ohne Wenn und Aber vollständig umgesetzt<br />
werden. Zwar sollten diese Gesetzesän<strong>der</strong>ungen zu vere<strong>in</strong>fachten, beschleunigten<br />
und verlässlicheren Zulassungsverfahren führen. Doch kann das<br />
Handbuch nur e<strong>in</strong> erster Schritt se<strong>in</strong>. Auf diesem Fundament muss <strong>der</strong> Eisenbahnsektor<br />
dr<strong>in</strong>gend aufbauen, um das Zulassungswesen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Rollen- und Verantwortungsverteilung<br />
gründlich und umfassend zu reformieren. Leitl<strong>in</strong>ien dafür gibt<br />
bereits seit 2008 die EU vor (Interoperabilitätsrichtl<strong>in</strong>ie2008/57/EG). Das heißt<br />
konkret, dass unter <strong>der</strong> Führung <strong>der</strong> Industrie – ähnlich wie im Luftfahrtbereich –<br />
Prüforganisationen Zulassungsaufgaben übernehmen müssen.<br />
VDB | <strong>Weichenstellung</strong> <strong>2013</strong>
Zulassungsprozesse<br />
Innovationen<br />
Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen<br />
Europa: e<strong>in</strong>heitliche Zulassungsprozesse für alle<br />
Zulassungsprozesse dürfen nicht an nationalen Grenzen haltmachen. Nach wie<br />
vor unterscheiden sich die nationalen Systeme und technischen Spezifikationen <strong>in</strong><br />
den europäischen Län<strong>der</strong>n stark vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, sodass Schienenfahrzeuge und<br />
Komponenten immer noch <strong>in</strong> jedem EU-Mitgliedsland e<strong>in</strong>zeln zugelassen werden<br />
müssen – e<strong>in</strong> erheblicher Zeit- und Kostenaufwand. So benötigen Hersteller etwa<br />
für die Strecke Stockholm – Neapel Genehmigungen von fünf nationalen Behörden.<br />
Im Straßenverkehr könnten Lastwagen h<strong>in</strong>gegen mit e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen Zulassung aus<br />
ihrem Heimatland <strong>in</strong> ganz Europa fahren – das gilt auch für den britischen Laster<br />
trotz Lenkrades auf <strong>der</strong> rechten Seite. Brüssel hat den Bedarf erkannt und arbeitet<br />
im Rahmen des sogenannten 4. Eisenbahnpaketes an e<strong>in</strong>er Verbesserung <strong>der</strong> Zulassungsbed<strong>in</strong>gungen.<br />
Dazu gehört die Stärkung <strong>der</strong> Befugnisse <strong>der</strong> Europäischen<br />
Eisenbahnagentur. Die Bundesregierung ist hier aufgerufen, dieses Vorhaben tatkräftig<br />
zu unterstützen und sich für e<strong>in</strong>e rasche Weiterentwicklung e<strong>in</strong>zusetzen.<br />
Cross Acceptance: Pragmatische Übergangslösung für die Zulassung<br />
Die Mammutaufgabe e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>heitlichen Zulassung für ganz Europa wird trotz<br />
aller Bemühungen noch Jahre beanspruchen. Bis dah<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d praxistaugliche<br />
schnelle Lösungen gefragt, um die Zulassungsverfahren zu vere<strong>in</strong>fachen, etwa<br />
die sogenannte Cross Acceptance (siehe auch Interoperabilitätsrichtl<strong>in</strong>ie<br />
2008/57). Dabei verpflichten sich Staaten <strong>in</strong> bilateralen Abkommen darauf, sämtliche<br />
Produkte <strong>in</strong> ihrem Hoheitsgebiet zu akzeptieren, die im jeweils an<strong>der</strong>en Land<br />
zugelassen s<strong>in</strong>d. Bis zur Umsetzung e<strong>in</strong>es echten europäischen Zulassungsregimes<br />
s<strong>in</strong>d weitere zwischenstaatliche Vere<strong>in</strong>barungen zur Cross Acceptance dr<strong>in</strong>gend<br />
notwendig, damit langfristige Zulassungsverfahren nicht die Wachstumspotenziale<br />
des Schienenverkehrs hemmen. Vorbild kann das 2006 zwischen <strong>Deutschland</strong><br />
und Frankreich geschlossene Abkommen zur vere<strong>in</strong>fachten Zulassung von Lokomotiven<br />
se<strong>in</strong>.<br />
VDB | <strong>Weichenstellung</strong> <strong>2013</strong>
4.<br />
<strong>Bahn<strong>in</strong>dustrie</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> stärken –<br />
Vorsprung durch Innovation<br />
Der Schienenverkehr kann nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn er e<strong>in</strong>e stetig<br />
steigende Zahl an Menschen und Waren schnell und sicher beför<strong>der</strong>t, dabei<br />
möglichst wenig Energie verbraucht und optimal <strong>in</strong> die Mobilitätsketten e<strong>in</strong>gebunden<br />
ist. Da sowohl <strong>der</strong> Personen- als auch <strong>der</strong> Schienengüterverkehr bei<br />
gleicher Leistung um e<strong>in</strong> Vielfaches klimafreundlicher s<strong>in</strong>d als <strong>der</strong> Transport auf<br />
<strong>der</strong> Straße und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Luft, ist es unbed<strong>in</strong>gt notwendig, diesen Vorteil weiter<br />
auszubauen. Für e<strong>in</strong>e ökologische und gleichzeitig ökonomische Entwicklung<br />
s<strong>in</strong>d erhebliche Investitionen <strong>in</strong> entsprechende Technologien erfor<strong>der</strong>lich. Die<br />
Akteure im Bahnsektor und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politik müssen die Herausfor<strong>der</strong>ung annehmen<br />
und die Innovationskraft <strong>der</strong> <strong>Bahn<strong>in</strong>dustrie</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> för<strong>der</strong>n.<br />
Forschungs<strong>in</strong>itiative „Eco Rail Innovation“:<br />
Eisenbahnsektor weist geme<strong>in</strong>sam den Weg <strong>in</strong> die Zukunft<br />
Die Geme<strong>in</strong>schafts<strong>in</strong>itiative Eco Rail Innovation (ERI) hat die Vorreiterrolle auf dem<br />
Gebiet <strong>der</strong> Forschungsvorhaben im Eisenbahnsektor e<strong>in</strong>genommen. 2010 von<br />
Bahntechnikherstellern, <strong>der</strong> Deutschen Bahn, Energieproduzenten und renommierten<br />
Forschungse<strong>in</strong>richtungen gegründet, beschleunigt die Forschungs<strong>in</strong>itiative<br />
die Entwicklungen für noch emissionsärmere und energieeffizientere<br />
Technologien im Schienenverkehr – und zwar mit e<strong>in</strong>em klaren Ziel vor Augen:<br />
„Zero Emission“ bis 2050. Dafür werden technische Entwicklungen von <strong>der</strong><br />
Wissenschaft begleitet und im praktischen Eisenbahnbetrieb erprobt und zugelassen.<br />
ERI konzentriert sich dabei auf vier zentrale Innovationsfel<strong>der</strong>: Energieeffizienz,<br />
Fahrzeugentwicklung, Umwelteffekte sowie Steuerung und Betrieb.<br />
Die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Forschungs<strong>in</strong>itiative durch die Bundesregierung stärkt die<br />
Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> <strong>Bahn<strong>in</strong>dustrie</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> auf dem nationalen und<br />
<strong>in</strong>ternationalen Markt als weltweiter Vorreiter für emissionsarme und energieeffiziente<br />
Bahntechnologien. Dadurch kann die Abhängigkeit des Verkehrssektors<br />
von fossilen Brennstoffen noch schneller reduziert werden.<br />
Bundesbeauftragter für die Schienenverkehrswirtschaft –<br />
Koord<strong>in</strong>ator an <strong>der</strong> Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Forschung<br />
Innovationen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schienenverkehrswirtschaft und nationale För<strong>der</strong>programme<br />
wollen effektiv koord<strong>in</strong>iert se<strong>in</strong>. Damit könnte das Innovationstempo auf <strong>der</strong><br />
Schiene deutlich erhöht und e<strong>in</strong> wichtiger Beitrag für die Energiewende geleistet<br />
werden. Alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Verschärfung <strong>der</strong> ordnungspolitischen Anfor<strong>der</strong>ungen beim<br />
Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz ist dafür nicht ausreichend. Die Bundesregierung<br />
sollte mit <strong>der</strong> Berufung e<strong>in</strong>es solchen Bundesbeauftragten dem Schienenverkehr<br />
e<strong>in</strong>en Platz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschungsför<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>räumen, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>er gesellschaftlichen<br />
und wirtschaftlichen Bedeutung gerecht wird. Gleichzeitig kann sie<br />
damit dem Wunsch <strong>der</strong> EU-Kommission entsprechen und dem klimaschonenden<br />
Schienenverkehr e<strong>in</strong>e Schlüsselrolle im Mobilitätssektor zukommen lassen.<br />
VDB | <strong>Weichenstellung</strong> <strong>2013</strong>
Innovationen<br />
Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen<br />
Innovationen sichern Exportkraft und schützen Klima wie Umwelt<br />
Innovationen s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Treibstoff e<strong>in</strong>er jeden wachsenden Industrie, so auch <strong>der</strong><br />
<strong>Bahn<strong>in</strong>dustrie</strong>. Technologische Neuerungen, fortschrittliche Lösungen und die<br />
Entwicklung optimierter technischer Verfahren s<strong>in</strong>d für die Bahntechnikhersteller<br />
<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> kont<strong>in</strong>uierliche und selbstverständliche Grundlage für die E<strong>in</strong>führung<br />
neuer Produkte. Bahntechnische Innovationen verfolgen heute höchst erfolgreich<br />
Strategien zur Energie- und Treibhausgasreduzierung, zur Lärmm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung und zur<br />
Senkung <strong>der</strong> Lebenszykluskosten. Das Spektrum <strong>der</strong> Innovationen reicht von <strong>der</strong> Leichtbauweise<br />
mit Kohlenstofffaserteilen für Metros über die Rückspeisung von Bremsenergie<br />
und <strong>der</strong>en Zwischenspeicherung durch <strong>in</strong>novative Kondensatorentechnologie.<br />
Beim Lokbau ist die Entwicklung von <strong>in</strong>novativen Hybrid-Güterlokomotiven<br />
beispielhaft. Für den E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> Diesellokomotiven und -triebzügen arbeiten<br />
Motorenhersteller erfolgreich an neuen Motorengenerationen, die auch den<br />
strengen Abgasgrenzwerten <strong>der</strong> Zukunft entsprechen. Unternehmen entwickeln<br />
neue elektronische Stellwerke und e<strong>in</strong> weites Spektrum hochmo<strong>der</strong>ner Infrastrukturausrüstungen.<br />
Vollautomatische Fahrsysteme lassen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Städten<br />
bereits heute die Zukunft Wirklichkeit werden. – Ke<strong>in</strong>e Zukunftsmusik, son<strong>der</strong>n<br />
hoch entwickelte, verfügbare technologische Realität. Diese Innovationen s<strong>in</strong>d<br />
auch Garant dafür, dass die <strong>Bahn<strong>in</strong>dustrie</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> jährlich rund die Hälfte<br />
ihres Umsatzes im Ausland erzielt. <strong>Deutschland</strong> hat sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit mit<br />
se<strong>in</strong>en hierzulande verkehrenden High-Tech-Zügen als Technologieschaufenster<br />
für die ganze Welt entwickelt.<br />
Die Bun<strong>der</strong>egierung ist deshalb angehalten, die technologische Expertise deutscher<br />
Bahntechnikhersteller im Ausland nach Kräften zu unterstützen. Ergänzend<br />
dazu s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Ausbau und die qualitative Verbesserung bestehen<strong>der</strong> Exportför<strong>der</strong>ungsprogramme<br />
zu verfolgen. Denn nur, wenn mehr Verkehr auf die Schiene<br />
verlagert wird – <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> ebenso wie weltweit –, kann Mobilität ihren Beitrag<br />
zu Umwelt- wie Klimaschutz leisten und gleichzeitig den wirtschaftlichen<br />
Wohlstand <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> sichern. Die Politik ist deshalb gut beraten, auf die<br />
zukunftsweisende Komb<strong>in</strong>ation zu setzen, die Bahntechnik „Made <strong>in</strong> Germany“<br />
im Kern ausmacht: die s<strong>in</strong>nvolle Verknüpfung aus ökonomischem Erfolg und ökologischer<br />
Verantwortung.<br />
VDB | <strong>Weichenstellung</strong> <strong>2013</strong>
5.<br />
Gleiche Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen<br />
für alle Verkehrsträger<br />
Die Grundlage e<strong>in</strong>er mo<strong>der</strong>nen Verkehrspolitik kann nur die faire Gestaltung des<br />
Wettbewerbs zwischen Schiene, Straße und Luft se<strong>in</strong>. Derzeit bestehen allerd<strong>in</strong>gs<br />
gravierende Unterschiede bei den steuer- und ordnungspolitischen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
zwischen den e<strong>in</strong>zelnen Verkehrsträgern – sowohl <strong>in</strong>nerhalb<br />
<strong>Deutschland</strong>s als auch <strong>in</strong>nerhalb Europas. Im Interesse von Fairness im Wettbewerb<br />
sollte die Bundesregierung diese Schieflage korrigieren.<br />
Steuergerechtigkeit zwischen den Verkehrsträgern herstellen<br />
Obwohl es sich bei <strong>der</strong> Schiene um den umweltverträglichsten unter den Verkehrsträgern<br />
handelt, werden im Gegensatz zum Luftverkehr und <strong>der</strong> B<strong>in</strong>nenschifffahrt<br />
Treibstoffe für Eisenbahnen sowohl mit e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>eralöl- als auch e<strong>in</strong>er Ökosteuer<br />
belastet. Doch nicht nur das: Im europäischen Vergleich wird darüber<br />
h<strong>in</strong>aus deutlich, dass <strong>Deutschland</strong> Spitzenreiter ist, was die Verbrauchssteuern<br />
auf Dieselkraftstoffe betrifft. Dabei gibt es Län<strong>der</strong> – wie Spanien o<strong>der</strong> Schweden –,<br />
die ihre Eisenbahnen sogar ganz von Treibstoffsteuern befreien. Ähnliches gilt für<br />
die Strombesteuerung, die hierzulande <strong>in</strong> mehreren Stufen für den elektrisch betriebenen<br />
Schienenverkehr angehoben wurde. Darüber h<strong>in</strong>aus fällt beim grenzüberschreitenden<br />
Personenverkehr für Bahnfahrkarten <strong>der</strong> volle Mehrwertsteuersatz<br />
von 19 Prozent an – e<strong>in</strong>e zusätzliche Belastung, die ähnlich wie für den grenzüberschreitenden<br />
Flugverkehr entfallen sollte. Die Bundesregierung muss die<br />
fehlende Steuergerechtigkeit ausgleichen, damit <strong>der</strong> umweltfreundliche Verkehrsträger<br />
Schiene national und <strong>in</strong>ternational rentabel und damit wettbewerbsfähig<br />
bleibt.<br />
Wegekosten gleich behandeln<br />
Alle auf dem deutschen Schienennetz verkehrenden Personen- und Güterzüge<br />
müssen Infrastrukturgebühren zahlen, zum Beispiel <strong>in</strong> Form von Trassenpreisen.<br />
Ausnahmen o<strong>der</strong> Son<strong>der</strong>regelungen, die bei an<strong>der</strong>en Verkehrsträgern gängige<br />
Praxis s<strong>in</strong>d, gibt es im Schienenverkehr nicht. Seit <strong>der</strong> Novellierung des Personenbeför<strong>der</strong>ungsgesetzes<br />
s<strong>in</strong>d im L<strong>in</strong>ienfernverkehr e<strong>in</strong>gesetzte Reisebusse zwar e<strong>in</strong><br />
direkter Konkurrent zu Zügen, müssen aber auf Autobahnen ke<strong>in</strong>e Maut bezahlen.<br />
Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es fairen Wettbewerbs sollte die Politik e<strong>in</strong>e Mautpflicht für Fernbusse<br />
prüfen, um Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten <strong>der</strong> Schiene zu vermeiden.<br />
VDB | <strong>Weichenstellung</strong> <strong>2013</strong>
Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen<br />
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG):<br />
Bahnen dürfen nicht mit voller EEG-Umlage belastet werden<br />
Gerade als umwelt- und klimafreundlichster Verkehrsträger darf die Schiene nicht<br />
durch zusätzliche Belastungen zur F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Energiewende <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
herangezogen werden. Derartige politische Planspiele verbieten sich, wenn<br />
<strong>der</strong> Verkehrssektor <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> se<strong>in</strong>en dr<strong>in</strong>gend notwendigen Beitrag zum<br />
Umwelt- und Klimaschutz leisten soll. Würde die Vergünstigung für Bahnbetreiber<br />
von <strong>der</strong> EGG-Umlage fallen, wären Fahrpreiserhöhungen im Schienenverkehr die<br />
naheliegende Folge. Das würde nicht nur die Wettbewerbsposition des Schienenverkehrs<br />
weiter verschlechtern; auch e<strong>in</strong>e Abwan<strong>der</strong>ung von zahlreichen Pendlern<br />
auf dem klimaschädlichen motorisierten Individualverkehr wäre die Konsequenz.<br />
Externe Kosten auf die Nutzung jedes Verkehrsträgers anrechnen<br />
E<strong>in</strong> Ungleichgewicht zwischen den e<strong>in</strong>zelnen Verkehrsträgern besteht auch bei<br />
den externen Kosten. Sie entstehen beispielsweise <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge von Unfällen, Luftverschmutzung,<br />
Staus, Lärm o<strong>der</strong> Natur- und Landschaftsverbrauch. Für diese<br />
Kosten kommt nicht <strong>der</strong> jeweilige Verursacher auf, son<strong>der</strong>n die Allgeme<strong>in</strong>heit,<br />
also <strong>der</strong> Bürger. Im Jahr 2008 betrugen diese Kosten 108 Milliarden Euro <strong>in</strong><br />
<strong>Deutschland</strong>. Der Schienenverkehr hat daran e<strong>in</strong>en Anteil von nur 2,5 Prozent.<br />
Beim unmittelbaren Verkehrsträgervergleich wird deutlich, dass <strong>der</strong> Straßenverkehr<br />
externe Kosten <strong>in</strong> Höhe von 1.235 Euro pro Kopf verursacht, <strong>der</strong> Schienenverkehr<br />
dagegen nur 33 Euro pro Kopf, die er zum Großteil auch selbst trägt. Für die<br />
vom Straßenverkehr verursachten externen Kosten kommt im Wesentlichen die<br />
Gesellschaft und nicht <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne Nutzer auf. Die Politik kann dafür sorgen, dass<br />
durch e<strong>in</strong>e angemessene „E<strong>in</strong>preisung“ <strong>der</strong> externen Kosten bei den verursachenden<br />
Verkehrsträgern e<strong>in</strong>e annähernde Kostenwahrheit entsteht.<br />
VDB | <strong>Weichenstellung</strong> <strong>2013</strong>
<strong>Verband</strong> <strong>der</strong> <strong>Bahn<strong>in</strong>dustrie</strong> <strong>in</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> (VDB) e.V.<br />
Jägerstraße 65<br />
10117 Berl<strong>in</strong>-Mitte<br />
Telefon: + 49 (0) 30 - 206289 – 0<br />
Fax: + 49 (0) 30 - 206289 – 50<br />
E-Mail: <strong>in</strong>fo@bahn<strong>in</strong>dustrie.<strong>in</strong>fo<br />
www.bahn<strong>in</strong>dustrie.<strong>in</strong>fo