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Dorfgeschichten

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Pflanzenbörse<br />

Als die Unabhängigen vor ein paar<br />

Jahren die Idee zu einer Pflanzenbörse<br />

hatten und noch Organisatoren gesucht<br />

wurden, habe ich mich spontan gemeldet. Ich<br />

bin mit der Beschäftigung mit Pflanzen aufgewachsen;<br />

mein Vater redet fast alle<br />

Gewächse mit Vor­ und Zunamen an und<br />

meine Mutter trotzte, neben unserem eigenen<br />

Garten, noch einer riesigen Wildnis einen<br />

Schulgarten ab. So habe ich als Kind dort<br />

viele Stunden verbracht: ich habe das Loch<br />

für den Teich mit ausgehoben und Labyrinthe<br />

durch den Balsaminen­Dschungel gelegt; ich<br />

habe nachgesehen, ob die Mäuse zu viele<br />

unserer Keimlinge gefuttert hatten, und ich<br />

habe Tontöpfe sortiert. Ich erinnere mich<br />

noch genau an den Geruch des<br />

Gewächshauses.<br />

Ich konnte noch nie gut Pflanzen einfach<br />

wegwerfen! Deswegen fand ich die Idee<br />

genial, Leute mit Zuviel an Pflanzen mit<br />

Leuten mit zu wenigen zusammen zu bringen.<br />

Mit der Zeit habe ich festgestellt, dass es auch<br />

allen unseren Pflanzenspendern so geht: sie<br />

sind froh, dass sie die Pflanzen verschenken<br />

können. Sie investieren sehr viele Mühe (und<br />

Erde!).<br />

Und dann können wir damit ja auch noch<br />

Geld für eine gute Sache sammeln, denn die<br />

Abnehmer unserer Pflanzen spenden großzügig<br />

für die von uns vorgeschlagene soziale<br />

Einrichtung.<br />

Um eine Pflanzenbörse zu organisieren,<br />

gilt es Plakate zu drucken, Genehmigungen<br />

einzuholen, Ankündigungen in die<br />

Zeitung zu setzen und, und, und. Der Höhepunkt<br />

der Vorbereitungen ist für mich aber<br />

das nun schon zur Tradition gewordene Ausgraben<br />

bei einer alten Dame. Sie empfängt<br />

mich jedes Jahr mit dem Ausruf, dass in<br />

ihrem Garten dieses Mal eine furchtbare<br />

Wildnis herrsche; ich bewundere ein Blütenmeer<br />

und einen richtigen Kartoffelacker. Der<br />

Erde merkt man die jahrelange Kompostwirtschaft<br />

an: sie ist locker und humusreich.<br />

Dann arbeiten wir uns durch den Garten;<br />

im Herbst lässt sie oft beim Abschneiden der<br />

Stauden extra für mich ein paar Stängel<br />

stehen, damit wir die Pflanzen im Frühling<br />

gut finden. Ich freue mich an den Hühnern,<br />

an den Zwetschgen und an den Geschichten,<br />

die ich erzählt bekomme. Denn manchmal<br />

habe ich den Eindruck, dass man selbst in<br />

einem kleinen Ort wie Uttenreuth in Parallelwelten<br />

leben kann, ohne viel von Menschen<br />

mitzubekommen, die nicht in der gleichen<br />

Lebenssituation sind. In diesem Garten bekomme<br />

ich eine Ahnung von Flucht und<br />

Neuanfang, vom Verwurzeln, von Selbstversorgung<br />

und dem Luxus, einfach Blumen zu<br />

pflanzen.<br />

Ich gehe mit Dankbarkeit und einer<br />

großen Fuhre Ableger.<br />

Tags darauf, am Stand der Pflanzenbörse,<br />

wird über Standorte, Wuchshöhen und<br />

Bodenbeschaffenheit gefachsimpelt. Wir bemühen<br />

uns, für unsere Abnehmer genau das<br />

Richtige zu finden. Ich lehne mich zurück,<br />

betrachte Menschen, Pflanzen und bin sehr<br />

zufrieden.<br />

Ine Heinrich<br />

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