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5 disput - Die Linke

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BÜCHER<br />

Ungewöhnliche<br />

Liebesgeschichten<br />

Auch in der elektronischen Variante bleiben<br />

gute Geschichten gut. Gelesen von<br />

Ingrid Feix<br />

Ein Buch ist schon etwas Besonderes.<br />

Doch viele Verlage bieten inzwischen<br />

Geschichten nicht nur in<br />

Buchform an, e-book heißt ein neues<br />

Zauberwort, von dem sich die Branche<br />

eine Rettung in die Zukunft verspricht.<br />

Mit der Verbesserung und Bezahlbarkeit<br />

von Lesegeräten scheint die Rechnung<br />

auch aufzugehen. Immerhin bestimmt<br />

inzwischen zum Beispiel das Handy,<br />

das längst nicht mehr nur zum Telefonieren<br />

taugt, die allgegenwärtige Kommunikation<br />

und Information.<br />

Der Selbsttest mit einem neuen<br />

handlichen e-book-reader fi el bei aller<br />

Skepsis doch erstaunlich positiv aus.<br />

Wenn man von einigen absurden Worttrennungen<br />

im Lesetext absieht, die zugegeben<br />

der verstellbaren Lesegröße<br />

geschuldet sein können, ließ sich der<br />

Roman von Alex Capus, eine melancholische<br />

Liebesgeschichte, die Kriegs- und<br />

Alex Capus<br />

Léon und Louise<br />

Roman<br />

Carl Hanser Verlag<br />

320 Seiten<br />

19,90 Euro<br />

e-book: 15,99 Euro<br />

Friedenszeiten überdauert, sehr gut und<br />

unproblematisch in verschiedensten Situationen<br />

lesen. Für unterwegs auf jeden<br />

Fall eine praktikable Möglichkeit,<br />

auch Wälzer im Täschchen mitzuführen.<br />

Auf den 320 Seiten dieses Romans<br />

wird nicht nur die Geschichte zweier Liebender<br />

erzählt, die sich mit 17, 18 Jahren<br />

erstmals begegnen, durch einen Fliegerangriff<br />

getrennt werden, sich nach zehn<br />

Jahren Ungewissheit wieder begegnen,<br />

durch den fast lautlosen Einmarsch der<br />

deutschen Wehrmacht in Paris erneut<br />

getrennt werden, nach dem Krieg sich<br />

wieder nahe kommen und bis zum Tod<br />

treu bleiben, obwohl jeder doch inzwischen<br />

auch ein anderes, eigenes Leben<br />

führt. Vor allem Léon, der ein verheirateter<br />

Familienvater ist und sich keinen<br />

Augenblick vor seiner Verantwortung<br />

drückt.<br />

<strong>Die</strong> Handlung reicht von den letzten<br />

Tagen des Ersten Weltkrieges bis in die<br />

jüngste Zeit und beschreibt nahezu nebenbei<br />

und doch eindringlich die Besetzung<br />

von Paris durch die Deutschen, familiäre<br />

Glücksmomente zwischen Angst<br />

und Zivilcourage, eine Normalität in unnormalen<br />

Situationen.<br />

Das Wohltuende an der Geschichte,<br />

in der auf Liebesschwüre durchaus<br />

nicht verzichtet wird, ist die beschriebene<br />

nüchterne Alltäglichkeit, die das<br />

Leben vor allem von Léon bestimmt,<br />

der Jahr für Jahr im Labor der Pariser<br />

Kriminalpolizei ungeklärte Todesfälle<br />

chemisch analysiert. Ganz unprätentiös<br />

versucht er während der deutschen<br />

Besetzung, seine Würde zu bewahren.<br />

Auch Louise, die als Sekretärin auserkoren<br />

wurde, den Transport der Goldreserve<br />

der französischen Nationalbank<br />

auf der Flucht vor den Deutschen Richtung<br />

Afrika zu begleiten, bewahrt und<br />

behauptet nicht nur ihre Liebe zu Léon,<br />

sondern auch ein anständiges Maß an<br />

Menschenwürde in schwierigen Zeiten.<br />

Rekonstruiert wird diese sehr realistisch<br />

wirkende Geschichte von einem<br />

Enkel Léons, der nach einem Blick in<br />

die Biografi e des Autors einige Parallelen<br />

aufweist. Auch der vor 50 Jahren<br />

in der Normandie geborene und in der<br />

Schweiz lebende Alex Capus hatte einen<br />

Großvater, der als Chemiker im Pariser<br />

Police Judiciaire arbeitete.<br />

Eine überzeugende leise Liebesgeschichte.<br />

Das schmale Büchlein von Ilja Trojanow<br />

nimmt nicht viel Platz weg.<br />

Doch die vom Verlag angekündigte<br />

Startaufl age von 100.000 Exemplaren<br />

suggeriert ein ganz wichtiges Buch. Der<br />

1965 in Sofi a geborene, in Kenia aufgewachsene<br />

und in Wien lebende Autor ist<br />

als ein »Weltensammler« mit dem Blick<br />

für gesellschaftliche Probleme bekannt.<br />

In seinem neuen Roman ist das nicht anders,<br />

obwohl er hier gewissermaßen in<br />

das ewige Eis eintaucht.<br />

Der Protagonist, Zeno, ein Glaziologe,<br />

also Gletscherwissenschaftler, hat<br />

seine Liebe zu den Eisgipfeln seit seiner<br />

Kindheit bewahrt und zum Beruf ge-<br />

macht. Er ist dabei ein Eigenbrödler geworden,<br />

der die Gletscher mehr liebt als<br />

die Menschen, ihre Zerstörer. Nachdem<br />

er den durch die Klimaerwärmung hervorgerufenen<br />

Tod seines über Jahre beobachteten<br />

und geliebten Alpengletschers<br />

feststellen musste, hält er es mit<br />

anderen nur noch mit Sarkasmus aus. Er<br />

wird unausstehlich. Selbst seine Frau ergreift<br />

die Flucht.<br />

Als sein Forschungsgegenstand –<br />

eine Bezeichnung, die er nie zulassen<br />

würde – verschwunden ist, bietet man<br />

ihm eine berufl iche Möglichkeit an. Sein<br />

neuer Job ist es, auf einem Kreuzfahrtschiff<br />

in der Antarktis betuchten Touristen<br />

die Illusion einer unberührten Natur<br />

vorzuführen. Das kann nicht gut enden.<br />

Während er noch einigermaßen geduldig<br />

die Regeln erklärt, mit denen sich<br />

die Touristen den Naturschönheiten nähern<br />

dürfen, rastet er bei Übertretungen<br />

total aus. Verminte Pinguinstrände werden<br />

für ihn zu einer Wohltat. Als ein berühmter<br />

Eventkünstler eine effektvolle<br />

Aktion mit den Passagieren durchführen<br />

will, dreht er durch. Visionär sieht er<br />

die Zerstörung dieses letzten Terra Nullius<br />

voraus, ohne sie wirklich verhindern<br />

zu können.<br />

Ilja Trojanow<br />

EisTau<br />

Roman<br />

Carl Hanser Verlag<br />

176 Seiten<br />

18,90 Euro<br />

e-book: 14,99 Euro<br />

<strong>Die</strong>s ist gewissermaßen eine hoffnungslose<br />

Liebesgeschichte, die den<br />

Leser mit der nicht ganz neuen, aber<br />

dennoch wichtigen Erkenntnis entlässt:<br />

Es ist höchste Zeit, dass sich im Umgang<br />

der Menschen mit der Natur etwas<br />

Wesentliches ändert. Das wird vermutlich<br />

von sympathischeren Zeitgenossen<br />

eher geglaubt, als mit verzweifelter Anthropophobie<br />

vorgetragen. Dennoch sei<br />

es zur Lektüre empfohlen – schon wegen<br />

solcher Beobachtungen: »Stille? Ein<br />

Gut, so knapp, dass es erfolgreich vermarktet<br />

wird, gehütet in Schutzzonen,<br />

gehegt in Reservaten. <strong>Die</strong>se Nischen<br />

schrumpfen, der Puls der Zeit dröhnt allenthalben<br />

im Viervierteltakt.«<br />

© Repro (2)<br />

DISPUT Februar 2012 46

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