5 disput - Die Linke
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© Archiv<br />
»Kosmos«<br />
Vor 50 Jahren wurde der erste Satellit der »Kosmos«-Reihe gestartet<br />
Von Ronald Friedmann<br />
Denkmal für »Kosmos 2000« in der<br />
sibirischen Stadt Mirny<br />
Am 16. März 1962, um genau 7.59 Uhr<br />
Ortszeit, wurde in Kapustin Jar im südlichen<br />
Russland der unbemannte sowjetische<br />
Forschungssatellit »Kosmos<br />
1« gestartet. In erster Linie ging<br />
es bei diesem Flug um die Erprobung<br />
neuer Raumfahrttechnologie, doch<br />
der künstliche Himmelskörper mit einer<br />
Masse von 47 Kilogramm war auch<br />
mit Instrumenten zur Erforschung der<br />
Ionosphäre ausgestattet. Nach etwas<br />
mehr als zwei Monaten in der Erdumlaufbahn<br />
landete »Kosmos 1« am 25.<br />
Mai 1962 wieder auf der Erde.<br />
Keiner der am Flug von »Kosmos 1«<br />
beteiligten Wissenschaftler und Techniker<br />
konnte damals wissen oder auch<br />
nur ahnen, dass im folgenden halben<br />
Jahrhundert im Durchschnitt einmal<br />
wöchentlich ein weiterer »Kosmos«-<br />
Satellit seinen Weg in eine Erdumlaufbahn<br />
nehmen würde: Bis zum heutigen<br />
Tage wurden in den internationalen<br />
Raumfahrtstatistiken knapp 2.500<br />
Starts von »Kosmos«-Satelliten registriert.<br />
Bei den »Kosmos«-Satelliten handelt<br />
sich allerdings um kein in sich geschlosseneswissenschaftlich-technologisches<br />
Forschungsprogramm, im Gegenteil:<br />
Unter dem Signum »Kosmos«<br />
wurden (und werden) Raumfl ugkörper<br />
der unterschiedlichsten Art und Bestimmung<br />
getestet bzw. zum Einsatz<br />
gebracht.<br />
In der Vergangenheit wurden jedoch<br />
in nicht wenigen Fällen »Kosmos«-Bezeichnungen<br />
auch und gerade dann<br />
vergeben, wenn es darum ging, das<br />
WISSENSCHAFT<br />
Scheitern von Projekten zu verdecken,<br />
die im Falle eines Erfolgs eine andere<br />
Bezeichnung erhalten hätten. So stand<br />
(und steht) beispielsweise »Kosmos<br />
96«, gestartet am 23. November 1965,<br />
für den Versuch, wie die eine Woche zuvor<br />
erfolgreich auf ihren Weg gebrachte<br />
Planetensonde »Venus 3«, den inneren<br />
Nachbarplaneten der Erde zu erreichen<br />
und dort zu landen. Allerdings endete<br />
der Flug von »Kosmos 96« wegen eines<br />
technischen Problems mit der letzten<br />
Antriebsstufe bereits in der Erdumlaufbahn.<br />
Mit »Kosmos 300« verbindet<br />
sich der im September 1969 erstmals<br />
unternommene Versuch, eine automatische<br />
Sonde weich auf dem Mond landen<br />
und mit Gesteinsproben zur Erde<br />
zurückkehren zu lassen (was mit »Luna<br />
16« im September 1970 dann auch gelang).<br />
»Kosmos 419« schließlich war eine<br />
fehlgeschlagene Mission zum Mars:<br />
<strong>Die</strong> am 10. Mai 1971 gestartete Sonde<br />
sollte nach mehrmonatigem Flug durch<br />
das All in einen Marsorbit einschwenken<br />
und Forschungsergebnisse zur Erde<br />
übermitteln. Doch durch einen Fehler<br />
in der vierten Stufe stürzte sie zur<br />
Erde zurück.<br />
Vielfach Spitze<br />
<strong>Die</strong> überwiegende Zahl der »Kosmos«-<br />
Missionen waren jedoch erfolgreiche<br />
Projekte, vielfach sogar wissenschaftlich-technische<br />
Erst- und Spitzenleistungen.<br />
Mit »Kosmos 110«, einem Testfl ug<br />
für das bemannte Raumschiff »Woschod<br />
3«, das allerdings niemals startete, wurde<br />
ein bis heute gültiger Weltrekord aufgestellt:<br />
<strong>Die</strong> beiden Hunde Weterok und<br />
Ugoljok an Bord dieses Biosatelliten verbrachten<br />
im Februar 1966 22 Tage im<br />
Weltall, länger als jeder ihrer zahlreichen<br />
Artgenossen, die in den Jahren zuvor geholfen<br />
hatten, dem Menschen den Weg<br />
in den Weltraum zu bahnen.<br />
Am 16. Juli 1965 wurden erstmals<br />
fünf »Kosmos«-Satelliten – sie erhielten<br />
die Nummern 71 bis 75 – mit einer<br />
einzigen Trägerrakete gestartet. Es<br />
handelte sich um Kommunikationssatelliten,<br />
die vorrangig vom sowjetischen<br />
Auslandsgeheimdienst genutzt<br />
wurden. Doch gleichzeitig übermittelten<br />
sie der westlichen Seite die Botschaft,<br />
dass die Sowjetunion nunmehr<br />
über die Technologie für den Transport<br />
nuklearer Mehrfachsprengköpfe verfügte.<br />
Am 25. April 1970 gelang es sogar,<br />
die acht Satelliten »Kosmos 336«<br />
bis »Kosmos 343« mit nur einer Trägerrakete<br />
in eine Erdumlaufbahn zu bringen.<br />
Im Oktober 1967 schließlich koppelten<br />
mit »Kosmos 186« und »Kosmos<br />
188« erstmals zwei Satelliten automatisch<br />
in der Erdumlaufbahn Bei diesen<br />
beiden Raumfahrzeugen handelte es<br />
sich um unbemannte »Sojus«-Raumschiffe,<br />
die für einen späteren bemannten<br />
Einsatz erprobt wurden.<br />
<strong>Die</strong> Geschichte geht weiter<br />
<strong>Die</strong> Flüge von »Kosmos 379« im November<br />
1970, »Kosmos 398« im Februar<br />
1971 und »Kosmos 434« im August<br />
1971 waren erfolgreiche Tests des<br />
»Lunnyi Korabl«, einer Landefähre für<br />
bemannte Mondfl üge, die unbemannt<br />
im Erdorbit erprobt wurde. Das »Lunnyi<br />
Korabl« war das einzige Element des<br />
sowjetischen Mondprogrammes aus<br />
den Jahren 1964 bis 1973, das Einsatzreife<br />
erreichte.<br />
Einer der größten Satelliten der<br />
»Kosmos«-Reihe mit einer Masse von<br />
fast 20 Tonnen war »Kosmos 1267«,<br />
der am 25. April 1981 gestartet wurde<br />
und nach 55 Tagen autonomen Fluges<br />
am 19. Juni 1981 automatisch an der<br />
Raumstation »Salut 6« ankoppelte.<br />
Mit »Kosmos 1267« wurde ein Erweiterungsmodul<br />
für bemannte Raumstationen<br />
erprobt, wie sie später zum Beispiel<br />
unter der Bezeichnung »Kwant«<br />
bei den Raumstationen »Salut 7« und<br />
»Mir« zum Einsatz kamen.<br />
In den letzten Jahren hat der »infl ationäre«<br />
Gebrauch der Bezeichnung<br />
»Kosmos« wieder deutlich nachgelassen:<br />
»Kosmos 1000« wurde am 31.<br />
März 1978 gestartet, »Kosmos 2000«<br />
am 10. Februar 1989. »Kosmos 2500«<br />
wird wohl erst in einigen Jahren seinen<br />
Weg in das All antreten. Denn im vergangenen<br />
Jahr waren es nur noch acht<br />
Raumfl ugkörper, die die Bezeichnung<br />
»Kosmos« erhielten, darunter fünf Satelliten<br />
für das russische Navigationssystem<br />
»Glonass-M«. Trotzdem: Auch<br />
fünfzig Jahre nach dem Flug der Nummer<br />
1 ist die Geschichte der »Kosmos«-<br />
Satelliten ganz offensichtlich noch lange<br />
nicht zu Ende.<br />
DISPUT Februar 2012 42