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5 disput - Die Linke

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Anleitung zur Mündigkeit<br />

Medien – Spiegel der bestehenden Gesellschaft – und die Strategie der LINKEN<br />

Von Kathrin Senger-Schäfer<br />

Der wesentliche Widerspruch linker<br />

Medienpolitik besteht darin, dass es<br />

eine Kluft zwischen der nicht hoch genug<br />

einzuschätzenden gesellschaftlichen<br />

Bedeutung der Medien und einer<br />

wirklich tiefgründigen Beschäftigung<br />

mit ihnen gibt. Und die Kluft, so<br />

scheint es, wird immer größer. Medien<br />

als Träger audiovisueller Informationsübermittlung,<br />

hauptsächlich in Gestalt<br />

der Presse, des Rundfunks (Radio<br />

und Fernsehen) und des Internet (online-Medien),<br />

sind viel zu selten Gegenstand<br />

der Gesellschaftsanalyse mit<br />

praktischen Folgen für linke Politik. <strong>Die</strong><br />

zukunftsweisende Digitalisierung, die<br />

immer stärker unser Leben bestimmen<br />

wird, hat zwar zu einer sensibilisierten<br />

Wahrnehmung des Mediensektors geführt.<br />

Allerdings bleibt in den Diskussionen<br />

davon meist nur die Feststellung<br />

einer Aufspaltung in traditionelle und<br />

neue Medien übrig, die sich selbst in<br />

unserer Bundestagsfraktion durch die<br />

Teilung der Funktionen von medien-<br />

und netzpolitischer Sprecherin manifestiert.<br />

Und generell kommt in beiden<br />

Bereichen die Kritik der Medieninhalte<br />

zu kurz.<br />

Zwischen Netzeuphorie und Verdammung<br />

des Kulturbetriebes<br />

Politische Aussagen über Medien pendeln<br />

mittlerweile oft zwischen den Extremen<br />

multimedialer Netzeuphorie<br />

und kulturkonservativer Verdammung<br />

des Medienbetriebs. Dabei waren, sind<br />

und bleiben die Medien Spiegel der bestehenden<br />

Gesellschaft. Sie sind Zeugnisse<br />

dessen, was sich in der Realität<br />

abspielt, und müssen, um verstanden<br />

zu werden, reale Verhältnisse ausdrücken<br />

und verdichten. Medien sind, kurz<br />

gesagt, elektronische Übertragungsorgane<br />

sozialer Erkenntnis und des Wissens<br />

oder auch des Nichtwissens über<br />

die Gesellschaft.<br />

Politik funktioniert heute mehr denn<br />

je nur über Medien. Was nicht in den<br />

Medien vorkommt, mag zwar trotzdem<br />

stattgefunden haben – als Ereignis einer<br />

politischen Auseinandersetzung<br />

wird aber nichts begriffen, was nicht<br />

wenigstens einen Nachrichtenwert hat.<br />

Widersprüchlich ist dann noch, dass<br />

die meisten Politiker, auch unsere, für<br />

sich in Anspruch nehmen, die Medien<br />

MEDIEN<br />

zu beherrschen, wenn sie nur oft genug<br />

in die Kameras gesprochen und in die<br />

Tastaturen diktiert haben. Medienpolitik,<br />

ernsthaft betrieben, muss zwei Aufgaben<br />

bewältigen: Einerseits geht es<br />

um die Aneignung profunder Kenntnisse<br />

über die politische Reichweite der<br />

von Medien transportierten Wissensbestände,<br />

Informationen und Meinungen.<br />

Andererseits müssen die speziellen<br />

Gesetzesvorlagen und legislative<br />

Prozesse, die Medien zum administrativen<br />

Thema haben, behandelt und bewertet<br />

werden: Rundfunkänderungsstaatsverträge,<br />

Jugendmedienschutz,<br />

Regelungen zum Urheberrecht, kartellrechtliche<br />

Bestimmungen usw. <strong>Die</strong>ser<br />

zweite Bereich ist wichtig, denn je besser<br />

man darüber Bescheid weiß, umso<br />

nachhaltiger kann man allen Bürgerinnen<br />

und Bürgern die Fallstricke erklären,<br />

die sich hinter dem Amtsdeutsch<br />

verbergen und gegebenenfalls Hinweise<br />

geben, wie Mündigkeit im Umgang<br />

mit den Rahmenbedingungen der Medien<br />

wiederhergestellt werden kann.<br />

Der administrative Teil der Medienpolitik<br />

in diesem spezialisierten Sinne zielt<br />

jedoch leider weniger auf die kritische<br />

Anleitung zur Mündigkeit im Hinblick<br />

auf die Programmstruktur, die Themensetzung<br />

und die Medienprodukte<br />

selbst. Sicherlich ist es nur begrenzt<br />

möglich, aus dem politischen Tagesgeschäft<br />

heraus eine umfassende Medienkritik<br />

zu formulieren, die gleichzeitig<br />

stichhaltig und griffi g genug ist,<br />

um dem beschleunigten Reaktionsanspruch<br />

des politischen Arbeitsalltags<br />

zu entsprechen. Immerhin bräuchte<br />

man für die vollständige Analyse einer<br />

einzigen Fernsehsendung mindestens<br />

die Zeit, die zu deren Herstellung von<br />

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der Konzeption bis zur Post-Produktion<br />

benötigt wird. Ein hoffnungsloses Unterfangen!<br />

Und trotzdem: Wir müssen<br />

parallel zur politischen Intervention gegenüber<br />

der Mediengesetzgebung systematischer<br />

in der Lage sein, Inhalte,<br />

Tendenzen und Kampagnen der Medien<br />

als Bestandteile der kapitalistischen<br />

Herrschaftssicherung sichtbar<br />

zu machen. Wer nicht entschlüsseln<br />

kann, warum die Medien so aussehen,<br />

wie sie gegenwärtig aussehen, der wird<br />

weder Politik gestalten, noch sie langfristig<br />

verbessern können.<br />

Nun beklagen wir in der LINKEN ja<br />

häufig die Marginalisierung unserer<br />

Themen und Persönlichkeiten durch<br />

die Medien. Jeden Monat erscheinen<br />

Statistiken, wie ungerecht die Medienpräsenz<br />

verteilt ist. <strong>Die</strong> Marginalisierung<br />

als solche sollte uns allerdings<br />

nicht wundern. Seit wann sind die<br />

Mainstreammedien dazu berufen, die<br />

politischen Ideen und Vorschläge gutzuheißen<br />

und zu propagieren, durch<br />

die auch sie selbst fundamental in Frage<br />

gestellt werden? <strong>Die</strong> Klage über die<br />

fehlende Repräsentanz der LINKEN in<br />

den Medien im Verhältnis zu den eigenen<br />

Wahlergebnissen bzw. zu den anderen<br />

in den Parlamenten vertretenen<br />

Parteien führt deshalb nicht weit. Vielmehr<br />

ist zu konstatieren, dass es uns<br />

bei der Setzung von Zukunftsthemen<br />

zunehmend weniger gelingt, die Stimmungen<br />

in der Bevölkerung zu berücksichtigen.<br />

<strong>Die</strong> Hauptthemen der LIN-<br />

KEN – soziale Gerechtigkeit, Umverteilung<br />

des Wohlstands von oben nach<br />

unten, Befriedung der Außenpolitik<br />

und kollektive Sicherheit – sowie das<br />

Aufzeigen von Alternativen sind ja keine<br />

»Null-Acht-Fünfzehn«-Themen, die<br />

konjunkturellen Schwankungen unterworfen<br />

und daher unter den derzeitigen<br />

Bedingungen alsbald »außer Mode«<br />

wären. Um sie aber in das mediale<br />

Gesamtinteresse zurückzuholen, ist es<br />

erforderlich, sie mit weiteren in der Diskussion<br />

stehenden Problemfeldern zu<br />

verbinden (Bildung, Gesundheit, Kultur,<br />

Umwelt). Deutlich werden müsste<br />

zum Beispiel, dass soziale Teilhabe am<br />

öffentlichen Leben nicht nur ein angemessenes<br />

fi nanzielles Einkommen voraussetzt,<br />

sondern eben auch uneingeschränkter<br />

Zugangsmöglichkeiten zu<br />

Wissen und Information bedarf, damit<br />

DISPUT Februar 2012 32

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