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5 disput - Die Linke

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Deutliche Schiefl age<br />

Frauen, Quote, Aufsichtsratsquote …? <strong>Die</strong> Antworten scheinen auf der Hand<br />

zu liegen. Oder doch nicht? Zwei Wortmeldungen aus Nordrhein-Westfalen<br />

Eine geniale<br />

Kampagne der<br />

Elite aus Wirtschaft<br />

und Politik<br />

Von Irina Neszeri<br />

Berliner Wirtschaftslobbyistinnen, der<br />

moderne Flügel der CDU und nicht zuletzt<br />

Spitzenpolitikerinnen von SPD<br />

und Grünen befi nden sich auf der Zielgeraden<br />

ihrer Kampagne, ein Gesetz<br />

zur 30-Prozent-Aufsichtsratsquote<br />

durchzusetzen. Vorbereitet seit 2009,<br />

dominiert die Aufsichtsratsquotendebatte<br />

seit Ende 2010 nahezu den kompletten<br />

frauenpolitischen Mediendiskurs.<br />

Ob Equal Pay (Lohngerechtigkeit)<br />

oder Schutz vor sexualisierter Gewalt,<br />

Klassiker der öffentlichen Debatte über<br />

die »Frauenfrage« sind seit fast zwei<br />

Jahren in den Hintergrund getreten.<br />

Zum einhundertsten Geburtstag<br />

des Internationalen Frauentages forderten<br />

auch die Gewerkschaften die<br />

Elite-Quote: Im Zentrum der Gewerkschaftsforderungen<br />

aber stehen »die<br />

Gleichbehandlung aller Arbeitsverhältnisse<br />

und deren Einbezug in die Sozialversicherung«<br />

sowie »existenzsichernde<br />

gesetzliche Mindestlöhne« (IG Metall),<br />

und der DGB nennt als »Hauptforderung,<br />

dass gleiche und gleichwertige<br />

Arbeit auch gleich bezahlt wird.« Weder<br />

die Gewerkschaften noch DIE LINKE<br />

wurden mit eigenen frauenpolitischen<br />

Botschaften 2011 öffentlich wahrgenommen.<br />

März 2011: SPD und GRÜNE gleichgeschaltet<br />

SPD und Grüne waren bereits Anfang<br />

2011 unisono mit nur noch einer klaren<br />

Botschaft unterwegs: die gesetzliche<br />

Quote für Aufsichtsräte von 30<br />

Prozent. Nachzulesen ist das in Medienveröffentlichungen<br />

und auf unzähligen<br />

Internetseiten vom Ortsverein bis<br />

zu den Bundestagsfraktionen. <strong>Die</strong> große<br />

Medienaufmerksamkeit zum Jubiläum<br />

des 8. März nutzten beide Parteien<br />

gezielt, um in jeder Erklärung, Diskussionsrunde<br />

oder Rede die Aufsichtsratsquote<br />

zu fordern. Mit stolzem Blick auf<br />

DEBATTE<br />

die Geschichte der Frauenbewegung<br />

fanden die Politikerinnen den nahtlosen<br />

Anschluss an ihre einzige Botschaft<br />

von heute: 1911 das Wahlrecht –<br />

2011 die Aufsichtsratsquote.<br />

Hinter dem ebenso professionellen<br />

wie erfolgreichen Marketing, das<br />

uns Aufsichtsrätinnen als Gerechtigkeit<br />

für alle Frauen verkauft, steckt Monika<br />

Schulz-Strelow, Berliner Lobbyistin<br />

und langjährige Geschäftsführerin<br />

der BAO, der Wirtschaftsförderung für<br />

das Land Berlin. Sie ist Präsidentin des<br />

seit 2009 tätigen Vereins »Frauen in die<br />

Aufsichtsräte« (FidAR).<br />

Dezember 2011: Großaufgebot mit Allparteienbündnis<br />

Spätestens seit Juli 2011 planten Abgeordnete<br />

aus SPD, Grünen und CDU gemeinsam<br />

mit »Unternehmerinnen« unter<br />

der Führung von Schulz-Strelow eine<br />

öffentlichkeitswirksame Petition für<br />

die Aufsichtsratsquote. Auf der Internetseite<br />

der »Berliner Erklärung« kann man<br />

die Aufforderung der Initiatorinnen vom<br />

11. Juli nachlesen: »<strong>Die</strong> bei der Veranstaltung<br />

nicht anwesenden Fraktionen<br />

von FDP und DIE LINKE sind herzlich eingeladen,<br />

sich anzuschließen.«<br />

Kurz vor Weihnachten, am 15. Dezember,<br />

verabschiedeten dann kampagnenplangemäß<br />

Abgeordnete alle Fraktionen<br />

gemeinsam mit den Initiatorinnen der<br />

Verbände »Business and Professional<br />

Women Germany«, »Deutscher Juristinnenbund«,<br />

»Deutscher LandFrauenverband«,<br />

»European Women‘s Management<br />

Development«, »FidAR – Frauen in<br />

die Aufsichtsräte« und »Verband deutscher<br />

Unternehmerinnen« die »Berliner<br />

Erklärung« und stellten sie mit großem<br />

Medienecho der Bundespressekonferenz<br />

vor.<br />

Zum zweiten Mal in einem Jahr war<br />

die Botschaft mit großem Erfolg unters<br />

Volk gebracht: Wer Gleichberechtigung<br />

will, will die gesetzliche Aufsichtsratsquote.<br />

Und das Ganze mit Friede Springer<br />

und Petra Pau auf der Titelseite der<br />

»WAZ« (Westdeutsche Allgemeine Zeitung«).<br />

DIE LINKE: Dabei sein ist alles?<br />

Für die Politikerinnen und Politiker in<br />

den Landes- und Kreisverbänden, für<br />

die Feministinnen und Aktivistinnen<br />

der LINKEN kam die bedingungslose<br />

Beteiligung an der Inszenierung der<br />

»Berliner Erklärung« überraschend.<br />

In einer Initiative von aktiven Feministinnen<br />

aus Vorständen, Fraktionen<br />

und der Frauenarbeitsgemeinschaft<br />

LISA wurde unter dem Titel »Schritt in<br />

die falsche Richtung« die Rolle der LIN-<br />

KEN in der Aufsichtsratsquotenkampage<br />

in einem ersten Aufschlag kritisiert.<br />

Zentral waren die Argumente, dass 30<br />

Prozent eine willkürliche Marke und<br />

keine Frauenquote entsprechend unserem<br />

Programm sind und dass mit der<br />

»Berliner Erklärung« der falsche Eindruck<br />

erweckt wird, hier würde etwas<br />

für die Frauen getan. Im Zentrum linker<br />

Politik jedoch stehen Lohngerechtigkeit,<br />

die Beseitigung von prekärer Beschäftigung,<br />

der Kampf gegen Frauenarmut<br />

und für sichere Renten.<br />

Beim Linksletter wurde eine Debattenseite<br />

zum Thema eingerichtet, auf<br />

der sich Befürworterinnen und Kritikerinnen<br />

zum Thema zu Wort melden:<br />

www.dielinke-nrw.de/linksletter/links<br />

letter_aktuell/debatte_linke_frauen<br />

politik/<br />

Unsere Diskussion läuft jedoch zum<br />

Teil ins Leere. Denn die eigentliche Frage<br />

ist die, wie unsere linke Frauenpolitik<br />

aussieht, welches unsere eigene<br />

politische Kampagne ist und ob wir es<br />

gemeinsam in die Hand nehmen wollen,<br />

an einer echten Basis für eine Frauenbewegung<br />

zu arbeiten. <strong>Die</strong> Themen<br />

dazu liegen auf der Straße, und sowohl<br />

der 8. März als auch der Equal Pay Day<br />

(23. März) stehen vor der Tür.<br />

<strong>Die</strong> Elite-Kampagne steht derweil kurz<br />

vor der nächsten großen Aufmerksamkeitswelle,<br />

wenn die inzwischen über<br />

11.000 Unterschriften an Kanzlerin Merkel<br />

übergeben werden. Es wird das dritte<br />

Aufmerksamkeitsfenster innerhalb eines<br />

Jahres sein. <strong>Die</strong>smal sollten wir es für die<br />

Sache der Frauen besser nutzen.<br />

Irina Neszeri, Kreisverband<br />

Duisburg,<br />

gehört dem Sprecherinnenrat<br />

von<br />

LISA in Nordrhein-<br />

Westfalen an.<br />

irina.neszeri@<br />

dielinke-nrw.de<br />

DISPUT Februar 2012 30

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