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5 disput - Die Linke

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Akteneinsicht<br />

Von Jens Jansen<br />

Der mächtige Generalsekretär der<br />

mächtigen CSU im mächtigen Freistaat<br />

Bayern möchte, dass die ganze<br />

Nation die ganze LINKE ganz genau<br />

beobachtet. Das war als Donnerschlag<br />

geplant, wirkte aber nur wie ein stinkender<br />

Furz! Der Maßstab für das Recht<br />

in einem Rechtsstaat ist nämlich nicht<br />

der Abpfi ff eines ideologischen Linienrichters,<br />

sondern der Auftrag der Verfassung.<br />

Deren Kern ist die freiheitlich-demokratische<br />

Grundordnung. Das meint<br />

freie Wahlen, Meinungsfreiheit, unabhängige<br />

Gerichte, Post- und Telefongeheimnis,<br />

Duldung der Opposition, keine<br />

Gewalt und Willkür, soziale Verpfl ichtung<br />

des Eigentums, Schutz der Würde<br />

und Rechte aller Menschen.<br />

Solche Verfassungsnormen sind genauso<br />

vernünftig wie die zehn Gebote.<br />

Doch Kirchenführer mahnen immer<br />

wieder, dass Verfassungstext<br />

und Wirklichkeithierzulande<br />

weit auseinanderklaffen.<br />

DIE LIN-<br />

KE versucht sich als<br />

»Schraubzwinge«,<br />

um den Abstand<br />

zu verkleinern. Das<br />

macht sie unbequem,<br />

aber unersetzlich.<br />

Zum Beweis könnte man »Akteneinsicht«<br />

in das Parteiprogramm der LIN-<br />

KEN nehmen. Da steht im Kapitel IV,<br />

Absatz 2: »Wir wollen die Grundrechte<br />

und Ansprüche verwirklichen, die das<br />

Grundgesetz formuliert. <strong>Die</strong> Bundesrepublik<br />

soll ein demokratischer und sozialer<br />

Rechtsstaat sein.« Den LINKEN geht<br />

es also um die Zurückdrängung der Diktatur<br />

des Großkapitals, um Arbeit und<br />

Brot, um die Verteidigung der parlamentarischen<br />

Demokratie, um ein Leben in<br />

Frieden, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.<br />

<strong>Die</strong> Horchposten des Verfassungsschutzes<br />

leiden aber offensichtlich unter<br />

den Spätfolgen des Kalten Krieges:<br />

Ihre Augen sehen jeden linken Splitter,<br />

aber keine rechten Balken. <strong>Die</strong> Ohren<br />

hören, wenn ein <strong>Linke</strong>r leise »Scheiße«<br />

sagt, aber sie überhören, wenn<br />

die Rechten öffentliche Hinrichtungen<br />

veranstalten.<br />

Nun zetern aber jene Leute, die früher<br />

die »dogmatische Enge« der <strong>Linke</strong>n<br />

angeprangert haben, dass da heute<br />

manche Grüppchen auch andere Fragen<br />

diskutieren, was ein gefährlicher<br />

Pluralismus sei, der direkt in die kommunistische<br />

Diktatur führt. Herrgottkruzifi<br />

xsakra!<br />

Aber wenn in den letzten zehn Jahren<br />

die Unternehmergewinne ein Plus<br />

von 300 Prozent und die Arbeitnehmereinkünfte<br />

ein Minus von vier Pro-<br />

zent verbuchen, dann ist doch klar,<br />

wer – wen enteignet und die soziale<br />

Marktwirtschaft mit seinem Extremismus<br />

unterminiert. Und wenn das,<br />

trotz Regierung, Kartellamt und Verfassungsschutz,<br />

nicht unterbunden wird,<br />

müssen strukturbestimmende Bereiche<br />

der Wirtschaft stärker kontrolliert<br />

oder vergesellschaftet werden. Das<br />

kann Staatseigentum sein, kommunal<br />

oder genossenschaftlich organisiert<br />

oder durch Belegschaftseigentum und<br />

Mitsprache demokratisch geregelt werden.<br />

Was übrigens punktuell seit Jahrzehnten<br />

im Land praktizert wird. Das<br />

läuft dann unter Wettbewerbskontrolle.<br />

Und wenn es konsequent gehandhabt<br />

würde, könnte es der Demokratisierung<br />

aller Gesellschaftsbereiche<br />

dienen, die jetzt unter Profi tinteressen<br />

drangsaliert werden.<br />

Aber dann ziehen die unbeobachteten<br />

Beobachter des Inlandsgeheimdienstes<br />

ihre Asse aus dem Ärmel und<br />

behaupten: »DIE LINKE will die DDR<br />

wiederhaben, will zum Kommunismus<br />

und schickt Grüße an Castro! Das beweist<br />

ihre Verfassungsfeindlichkeit.«<br />

Blödsinn! <strong>Die</strong> DDR wurde von innen<br />

und außen erwürgt. <strong>Die</strong> will und kann<br />

keiner wiederbeleben. DIE LINKE hat<br />

aber was gegen die Leichenfl edderei<br />

der Sieger. <strong>Die</strong> Kirche lebt seit zweitausend<br />

Jahren von der Utopie, dass die<br />

Ärmsten auf Erden die Ersten im Paradies<br />

sein werden. <strong>Die</strong><strong>Linke</strong>n leben seit<br />

150 Jahren für die Utopie, dass man<br />

hier auf Erden schon das Himmelreich<br />

errichten kann. Beide sollten von den<br />

Ungläubigen nicht verteufelt werden.<br />

Und Glückwunschtelegramme – egal,<br />

ob von Altkanzler Kohl oder von Neuvorsitzender<br />

Lötzsch unterzeichnet –<br />

beginnen nun mal nicht mit dem Satz:<br />

»Sie Misthund, verdammter, der Sie<br />

noch immer leben …«. Was Kohl an Botha<br />

in Südafrika und Pinochet in Chile<br />

schrieb, klang freundlicher.<br />

Wenn aber der CSU-Generalsekretär<br />

nicht nur die Bundestagsabgeordneten,<br />

sondern alle Mitglieder der LINKEN<br />

beobachten und baldmöglichst verbieten<br />

möchte, dann sollte er für diesen<br />

»Almabtrieb« am besten allen LINKEN<br />

eine Kuhglocke um den Hals hängen,<br />

damit keiner entkommt.<br />

Nach einem sachlichen Vergleich<br />

des Grundgesetzes mit dem Parteiprogramm<br />

und Parteileben der LINKEN<br />

müsste sich allerdings der Generalsekretär<br />

der CSU die Glocke für Rindviecher<br />

selber umbinden! Das verlangt<br />

der Parteivorstand der LINKEN aber<br />

nicht, denn Extremisten wie Dobrindt<br />

kann es in jeder Partei geben. Hauptsache,<br />

sie diktieren nicht die Strategie<br />

und Taktik!<br />

29 DISPUT Februar 2012 FEUILLETON

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