5 disput - Die Linke
5 disput - Die Linke
5 disput - Die Linke
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
© Erich Wehnert (2)<br />
Zehn Euro die Stunde!<br />
DIE LINKE in Mecklenburg-Vorpommern sammelt mit einer Volksinitiative Unterschriften<br />
für einen gesetzlichen Mindestlohn. Auch in Ludwigslust Von Florian Müller<br />
Zumeist sind es Ältere, die sich auf ein Gespräch oder gar eine Unterschrift einlassen.<br />
Es ist der letzte Januardonnerstag, und<br />
es ist sonnig und lausekalt. Drei Frauen<br />
bauen neben dem Wochenmarkt einen<br />
kleinen Stand auf: DIE LINKE, dazu<br />
gut lesbar ihre Forderung: Zehn Euro<br />
Mindestlohn.<br />
Sie stehen in Ludwigslust auf dem<br />
Alexandrinenplatz, an der Schlossstraße,<br />
dereinst schnurgerade angelegt<br />
für den kürzesten Kutschenweg<br />
von Schwerin zum hiesigen Schloss.<br />
Ludwigslust war Residenzstadt; hier<br />
hat man, wie Irene Korzitze berichtet,<br />
»nicht gearbeitet, hier hat man gedient.«<br />
Als sie in die südwestmecklenburgische<br />
Kleinstadt umgezogen<br />
war, schaute sie in Nachbargrundstücken<br />
auf Schilder wie »Hofgärtner« und<br />
»Hofgepäckträger«. <strong>Die</strong> Karl-Marx-Büste<br />
am Platz, vor Jahren abgebaut (und<br />
im Vorgarten eines Autohausbesitzers<br />
untergekommen), wich dem Standbild<br />
der »Reitenden Alexandrine«, Großherzogin<br />
von Mecklenburg-Schwerin.<br />
»Bei uns wächst in Ruhe die Kraft,<br />
blüht die Freude und überdauert stille,<br />
einfache Schönheit den Wechsel der<br />
Zeiten« – Mit diesem alten Zitat von einem<br />
Senator und Rechtsanwalt macht<br />
die Stadtverwaltung im Internet auf das<br />
neue Ludwigslust aufmerksam.<br />
<strong>Die</strong> Kleinstadt hat 12.200 Einwohnerinnen<br />
und Einwohner, kaum Industrie<br />
und jüngst den Wettlauf um den Zuschlag<br />
als Kreisstadt verloren. Im Landkreis<br />
Ludwigslust-Parchim leben 4.200<br />
SOZIAL<br />
– welch schlimmes Wort für eine skandalöse<br />
Notwendigkeit – »Aufstocker«,<br />
das heißt, für ihre Arbeit erhalten sie<br />
lediglich einen Hungerlohn, den der<br />
Staat mit einem Zuschuss zu einem Minimum<br />
ergänzt. Im Verlaufe von zehn<br />
Jahren, so hat es der DGB Nord in einer<br />
Studie 2011 errechnet, wurden in Mecklenburg-Vorpommern<br />
100.000 Vollzeit-<br />
Stellen abgeschafft. <strong>Die</strong> Gewerkschaften<br />
sprechen von einem dramatischen<br />
Ausmaß. Auf der anderen Seite: 32 Prozent<br />
der ausschließlich geringfügig entlohnten<br />
Beschäftigten gelten als bedürftig<br />
und müssen weiterhin Hartz IV<br />
beziehen. (Zum Vergleich: In Hamburg<br />
gilt dies für rund 17 und in Schleswig-<br />
Holstein für rund 15 Prozent.) Im Durchschnitt<br />
werden zwischen Ludwigslust,<br />
Rügen und Usedom die bundesweit<br />
niedrigsten Löhne gezahlt – nur 79 Prozent<br />
des durchschnittlichen Bruttoverdienstes.<br />
In Ludwigslust, so Irene Korzitze,<br />
gäbe es ausschließlich im Öffentlichen<br />
<strong>Die</strong>nst und für Ärzte eine faire Entlohnung<br />
– aber schon nicht mehr für die<br />
Sprechstundenhilfen. Es gibt Friseusen,<br />
die in der Residenzstadt für 3,40<br />
Euro in der Stunde waschen, schneiden,<br />
föhnen. Wer kann, pendelt nach<br />
Hamburg.<br />
<strong>Die</strong> Niedriglohnpraxis von heute<br />
führt geradewegs zur Altersarmut von<br />
morgen. Bittere Perspektiven für die Jugend.<br />
Sie selbst, erzählt Irene, hat zwei<br />
Kinder großgezogen und 46 ½ Jahre gearbeitet,<br />
wurde schließlich zwangsverrentet<br />
und erhält nun eine Rente von<br />
»700 Euro schieß mich tot«. <strong>Die</strong> Kinder<br />
werde es wohl noch wesentlich härter<br />
treffen.<br />
Am 5. Januar 2012 startete die Volksinitiative<br />
»Für einen Mindestlohn von<br />
zehn Euro pro Stunde«. Mit ausreichend<br />
vielen Unterschriften bekräftigt,<br />
soll der Landtag die Landesregierung<br />
auffordern, sich im Bundesrat unverzüglich<br />
für einen einheitlichen fl ächendeckenden<br />
gesetzlichen Mindestlohn<br />
von zehn Euro pro Stunde einzusetzen.<br />
Außerdem soll der Landtag die rechtlichen<br />
Voraussetzungen dafür schaffen,<br />
dass bei öffentlichen Aufträgen durch<br />
das Land die Einhaltung von Tarifverträgen<br />
gewahrt wird, zumindest aber<br />
DISPUT Februar 2012 12