Arbeitsrechtliche Entscheidungen Ausgabe 2013-02
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ae.<strong>2013</strong>.h00<strong>02</strong>.cic.xml (AE.fmt), Seite 29 von 42,<br />
Rechtsprechung<br />
Personalvertretungsrecht<br />
114. Betriebsrat, Mitbestimmungsrecht, Einstellung von<br />
Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen (I)<br />
1. Eine Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt<br />
nicht vorübergehend i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG, wenn durch die<br />
Arbeitnehmerüberlassung ein reiner Dauerbeschäftigungsbedarf<br />
abgedeckt wird. Dies ergibt eine unionsrechtskonforme<br />
Auslegung des § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG unter Berücksichtigung der<br />
RL 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates<br />
vom 19.11.2008 über Leiharbeit.<br />
2. Wird ein Dauerarbeitsplatz mit Leiharbeitnehmern besetzt,<br />
so ist unerheblich, für welchen Zeitraum der konkrete Leiharbeitnehmer<br />
eingesetzt wird. Das Merkmal „vorübergehend“<br />
ist insoweit arbeitsplatz-, nicht personenbezogen. Eine vorübergehende<br />
Überlassung wird nicht dadurch in Frage gestellt,<br />
dass die konkrete Person des Leiharbeitnehmers wechselt, soweit<br />
der Arbeitgeber den Arbeitskräftebedarf auf einem Dauerarbeitsplatz<br />
ausschließlich mit Leiharbeitnehmern deckt.<br />
3. Durch das Verbot, Leiharbeitnehmer auf Dauerarbeitsplätzen<br />
einzusetzen, wird nicht die durch die RL 2008/104/EG bezweckte<br />
Flexibilität der Arbeitgeber durch Leiharbeit eingeschränkt.<br />
Entsprechend können Leiharbeitnehmer dann auf<br />
Dauerarbeitsplätzen beschäftigt werden, wenn dies z.B. aufgrund<br />
eines konkreten Vertretungsbedarfs für den auf dem<br />
Dauerarbeitsplatz beschäftigten Arbeitnehmer erforderlich<br />
ist. Ebenso wenig ist für die Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers<br />
stets ein sachlicher Grund i.S.d. § 14 Abs. 1 TzBfG zu<br />
fordern; vielmehr reicht die normale Unsicherheit über Auftragsschwankungen<br />
aus, ohne dass ein konkreter vorübergehender<br />
Bedarf i.S.d. § 14 Abs. 1 Ziff. 1 TzBfG dargelegt werden<br />
müsste.<br />
4. § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG ist eine Verbotsnorm im Sinne des § 99<br />
Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.<br />
■ Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg<br />
vom 19.12.2012, 4 TaBV 1163/12<br />
115. Betriebsrat, Mitbestimmungsrecht, Einstellung von<br />
Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen (II)<br />
1. Der Dauerverleih von Arbeitnehmern im Rahmen einer<br />
wirtschaftlichen Tätigkeit ist seit der Neufassung des AÜG<br />
vom 20.12.2011 (BGBl I. S. 2854), mit dem die Richtlinie 2008/<br />
104/EG (EGRL 104/2008) umgesetzt wurde, unzulässig.<br />
2. Beabsichtigt der Arbeitgeber die unbefristete Einstellung<br />
einer Arbeitnehmerin auf einem sog. Dauerarbeitsplatz, kann<br />
der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung gemäß § 14<br />
Abs. 3 S. 1 AÜG, § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG wegen Gesetzesverstoßes<br />
verweigern.<br />
3. Stellt der Arbeitgeber grundsätzlich nur noch Leiharbeitnehmer<br />
ein, um eine Senkung der Personalkosten zu erreichen,<br />
so kann dies unter Berücksichtigung aller Umstände des<br />
Einzelfalls als institutioneller Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB)<br />
ein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats nach<br />
§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG begründen. In einem solchen Fall<br />
kann nicht festgestellt werden, dass die Maßnahme aus sach-<br />
Personalvertretungsrecht<br />
lichen Gründen dringend erforderlich war (§ 100 Abs. 2 S 3<br />
BetrVG).<br />
■ Landesarbeitsgericht Niedersachsen<br />
vom 19.9.2012, 17 TaBV 124/11<br />
116. Betriebsrat, Mitbestimmungsrecht, Einstellung von<br />
Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen (III)<br />
1. Zweifel des Betriebsrats, ob die Einstellung eines Leiharbeitnehmers<br />
tatsächlich nur „vorübergehend“ im Sinne von § 1<br />
Abs. 1 Satz 2 AÜG erfolgt, begründen kein Zustimmungsverweigerungsrecht<br />
im Sinne von § 99 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG.<br />
2. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG regelt weder eine Höchstdauer der<br />
zulässigen Arbeitnehmerüberlassung noch eine Rechtsfolge<br />
die eintritt, wenn die Überlassung dauerhaft erfolgen sollte.<br />
Es handelt sich daher bei dieser Vorschrift nicht um ein Verbotsgesetz<br />
im Sinne von § 99 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG.<br />
■ Landesarbeitsgericht Niedersachsen<br />
vom 14.11.2012, 12 TaBV 62/12<br />
117. Betriebsratsmitglied, Zustimmung zur<br />
außerordentlichen Kündigung, Unwirksamkeit der<br />
Beschlussfassung bei Verhinderung beteiligter<br />
Betriebsratsmitglieder<br />
Ist ein Mitglied des Betriebsrates bei der Beratung und Beschlussfassung<br />
über seine Kündigung (§ 103 Abs. 1 BetrVG)<br />
wegen Interessenkollision als „zeitlich verhindert“ (§ 25 Abs. 1<br />
Satz 2 BetrVG) anzusehen (so etwa BAG v. 3.8.1999 – 1 ABR 30/<br />
98; BAG v. 19.3.2003 – 7 ABR 15/<strong>02</strong>), so gilt dasselbe spiegelbildlich<br />
für ein Betriebsratsmitglied, das als Vorgesetzte(r) eines<br />
anderen Mitgliedes dessen Kündigung betreibt: Auch für<br />
dieses ist zur Beratung und Beschlussfassung ein Ersatzmitglied<br />
zu befassen. Verstößt das Gremium gegen dieses Verfahrensgebot,<br />
so ist die Kündigung des betreffenden Mitgliedes<br />
schon deshalb unwirksam.<br />
■ Arbeitsgericht Berlin<br />
vom 1.2.<strong>2013</strong>, 28 Ca 18456/12<br />
118. Einigungsstelle, gerichtliche Einsetzung gem. § 98<br />
ArbGG, „offensichtliche Unzuständigkeit“ bei älterer<br />
Rechtsprechung<br />
Ist unter Berücksichtigung zwar älterer, aber wiederholt bestätigter<br />
höchstrichterlicher Rechtsprechung von einer offensichtlichen<br />
Unzuständigkeit der Einigungsstelle auszugehen,<br />
wird diese Beurteilung nicht dadurch geändert, dass vereinzelte<br />
instanzgerichtliche <strong>Entscheidungen</strong> der höchstrichterlichen<br />
Rechtsprechung nicht folgen.<br />
■ Landesarbeitsgericht Hannover<br />
vom 19.12.2012, 1 TaBV 112/12<br />
119. Personalvertretungsrecht, keine Versetzung bei<br />
bloß personalvertretungsrechtlicher Zuordnung<br />
1. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Versetzung vorliegt,<br />
ist die organisatorische Betrachtungsweise entscheidend. Die<br />
2/<strong>2013</strong> 63