Arbeitsrechtliche Entscheidungen Ausgabe 2013-02

Arbeitsrechtliche Entscheidungen Ausgabe 2013-02 Arbeitsrechtliche Entscheidungen Ausgabe 2013-02

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ae.2013.h0002.cic.xml (AE.fmt), Seite 24 von 42, Rechtsprechung Bestandsschutz für, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (vgl. BAG v 22.10.2009 – 8 AZR 642/08 m.w.N.). Der Anspruchsteller genügt seiner Darlegungslast, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Es genügt, Indizien vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber die Annahme rechtfertigen, dass sie gegeben ist. Dabei ist kein zu strenger Maßstab an die Vermutungswirkung der Hilfstatsachen anzulegen. Werden vom Arbeitnehmer Tatsachen vorgetragen, die je für sich genommen nicht zur Begründung der Kausalität ausreichen, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Zu prüfen ist, ob die Hilfstatsachen, werden sie im Zusammenhang gesehen, geeignet sind, die Vermutungswirkung zu begründen (vgl. BAG, Urt. v. 7.7.2011 – 2 AZR 396/10 m.w.N.). Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen hat die Klägerin ausreichende Tatsachen vorgetragen, die aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass sie durch die Beklagte eine Benachteiligung wegen ihrer (vormaligen) Schwangerschaft und damit unmittelbar wegen ihres Geschlechts erfahren hat. (…) c) Als Ausgleich für die durch die ungerechtfertigte Benachteiligung eingetretene Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts und damit für einen Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, erscheint die Zahlung einer Entschädigung in Höhe von EUR 3.000,00 als angemessen. Bei der Festsetzung der angemessenen Entschädigung durch das Tatgericht sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, die Folgen für den Kläger hinsichtlich seines Persönlichkeitsrechts, der Grad der Verantwortlichkeit der Beklagten, der Anlass und Beweggrund des Handelns der Beklagten, der Sanktionszweck und die damit verbundene abschreckende Wirkung (vgl. BAG, Urt. v. 17.8.2010 – 9 AZR 839/08 m.w.N.). Ausgehend hiervon bedurfte es vorliegend der Festsetzung einer Entschädigung in Höhe des von der Klägerin genannten Mindestbetrages von EUR 3.000,00. Die Benachteiligung der Klägerin durch die Kündigung ist schwerwiegend. Sie ist aus Sicht des Gerichtes die völlig unangemessene Reaktion der Beklagten auf die Weigerung der Klägerin, während des Beschäftigungsverbotes zu arbeiten. Berücksichtigt man des Weiteren den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung und die Tatsache, dass die Beklagte die Klägerin bewusst und gewollt benachteiligt hat, so kann man das Verhalten der Beklagten getrost als auf moralisch unterster Stufe stehend bezeichnen. Um der Sanktionswirkung des § 15 Abs. 2 AGG Rechnung zu tragen und um die Beklagte in Zukunft von einem vergleichbaren Fehlverhalten abzuschrecken, bedarf es der Festsetzung eines erheblichen und für die Beklagte fühlbaren Entschädigungsbetrages. Vor dem Hintergrund der geringen Betriebsgröße der Beklagten erscheint insoweit ein Be- trag in Höhe von EUR 3.000,00 als angemessen aber auch ausreichend. d) Der Entschädigungsanspruch der Klägerin ist entgegen der Ansicht der Beklagten und des Arbeitsgerichts nicht durch § 2 Abs. 4 AGG ausgeschlossen. Gemäß § 2 Abs. 4 AGG gelten für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderem Kündigungsschutz. Hieraus wird – jedenfalls in Fällen, in denen wie hier die Unwirksamkeit der Kündigung im Rahmen einer Kündigungsschutzklage festgestellt worden ist – gefolgert, dass es daneben nach dem Gesetz keinen Raum für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG gibt (vgl. ErfK/Schlachter, 11. Aufl., § 2 AGG Rn 17 und Sagan, NZA 2006, 1257, 1260). Dem kann nicht gefolgt werden. Eine Anwendung des § 15 Abs. 2 AGG in solchen Fällen ist nicht systemwidrig. Auch bisher waren etwa auf § 823 Abs. 1 BGB gestützte Entschädigungen für erlittene immaterielle Schäden bei der Geltendmachung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer unwirksamen Kündigung nicht ausgeschlossen! (vgl. BAG v. 22.10.2009 – 8 AZR 642/08, und KR/Treber, 9. Aufl., § 2 Rn 27 m.w.N.). Des Weiteren deutet die gesetzliche Formulierung darauf hin, dass lediglich die Wirksamkeit von Kündigungen nicht unmittelbar an den Vorschriften des AGG gemessen werden soll, sondern das hierfür die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz heranzuziehen sind. Schließlich gibt es keinen sachlichen Grund dafür, etwa bei einer benachteiligenden Versetzung über § 106 Satz 1 GewO i.V.m. § 7 Abs. 3 AGG zum einen zur Unwirksamkeit der Versetzung zu gelangen und zum anderen über § 15 Abs. 2 AGG auch zu einer Entschädigung, dem Arbeitnehmer bei einer benachteiligenden Kündigung neben der Feststellung deren Unwirksamkeit aber eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu versagen. ■ Sächsisches Landesarbeitsgericht vom 27.7.2012, 3 Sa 129/12 eingereicht von Rechtsanwalt Dirk Noack Leipziger Straße 28, 08393 Meerane Tel.: 03764/49497, Fax: 03764/2761 www.noack-wagner.de; n@noack-wagner.de 99. Betriebsbedingte Kündigung, Vorbereitung eines Betriebsübergangs Eine Kündigung im zeitlichen Zusammenhang mit einem Betriebsübergang verstößt nicht gegen das Kündigungsverbot in § 613a Abs. 4 BGB, wenn die Kündigung das Ziel hat, den Betrieb „verkaufsfähig“ zu machen. Sie ist auch dann zulässig, wenn der bisherige Arbeitgeber sie mit dem Ziel ausspricht, sich selbst auf diese Weise eine Beschäftigungsmöglichkeit bei dem neuen Arbeitgeber zu sichern. ■ Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern vom 9.1.2013, 2 Sa 166/12 58 2/2013

ae.2013.h0002.cic.xml (AE.fmt), Seite 25 von 42, Rechtsprechung Bestandsschutz 100. Verhaltensbedingte Kündigung, Silvesterknaller im Dixie-Klo Aus den Entscheidungsgründen: Die Verletzung eines Arbeitskollegen durch einen explodierenden Feuerwerkskörper kann die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen, ohne dass es einer vorhergehenden Abmahnung bedarf. Das gilt selbst dann, wenn die Verletzung des Kollegen nicht beabsichtigt, sondern Folge eines fehlgeschlagenen Scherzes war. Hierbei kann es dahinstehen, ob der Kläger den Feuerwerkskörper in die Kabine geworfen hat, wie die Beklagte behauptet, oder ob sie diesen an der Tür der Kabine befestigt hat, wie der Kläger den Sachverhalt darstellt. Denn auch nach der Darstellung des Klägers war sein Verhalten gefährlich: Wenn der Zeuge D. den Feuerwerkskörper unter dem Toilettenhäuschen zur Explosion bringen sollte, dann hätte damit gerechnet werden müssen, dass der Zeuge S. die Tür des Toilettenhäuschen öffnen würde, um „die Flucht zu ergreifen“. In diesem Fall wäre ihm der an der Tür angebrachte Feuerwerkskörper entgegengeflogen. Auch nach diesem Geschehensablauf hätte mit erheblichen Verletzungen des Zeugen S. gerechnet werden müssen. ■ Arbeitsgericht Krefeld vom 21.12.2012, 2 Ca 2010/12 101. Verhaltensbedingte Kündigung, vorsätzlich fehlerhafte Arbeitszeiterfassung Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, auch ohne vorherige Abmahnung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Wenn der Arbeitgeber das Erfassen der Arbeitszeiten den Arbeitnehmern in eigener Zuständigkeit überlässt, bringt er ihnen einen Vertrauensvorschuss entgegen. Es gehört dann – selbstverständlich – zu den arbeitsvertraglichen Pflichten, die Eintragungen korrekt vorzunehmen. Dies setzt voraus, dass die Eintragungen zeitnah erfolgen, weil mit zunehmendem Zeitablauf das menschliche Erinnerungsvermögen abnimmt. Das versteht sich von selbst, so dass es einer entsprechenden Anweisung nicht bedurfte. Bei einer verspäteten Eintragung nimmt der Arbeitnehmer stets billigend in Kauf, falsche Angaben hinsichtlich seiner Arbeitszeit zu machen. Auch für die zivilrechtliche Verantwortlichkeit genügt als Vorsatz der bedingte Vorsatz. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch. ■ Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 15.11.2012, 10 Sa 270/12 Bestandsschutz 102. Verhaltensbedingte Kündigung, Manipulation der Zeiterfassung zugunsten eines Kollegen Aus den Entscheidungsgründen: Das zwischen den Parteien unstreitige Verhalten des Klägers in Bezug auf die Ausstempelung des Mitarbeiters Mi rechtfertigt die außerordentliche Kündigung nicht. Der Kläger hat im Verlauf der Nachtschicht vom Mitarbeiter Mi dessen Stempelkarte bekommen und sich diesem gegenüber bereit erklärt, für ihn auszustempeln. Die Ausstempelung erfolgte allerdings nicht sofort zum Zeitpunkt des Arbeitsendes des Mitarbeiters Mi, sondern erst zum Zeitpunkt des Arbeitsendes des Klägers. Hierin liegt ein arbeitsvertraglicher Pflichtenverstoß. Der Kläger hätte die Chipkarte des Mitarbeiters Mi sofort nach dessen Weggang aus dem Betrieb der Beklagten zum Zeiterfassungsgerät bringen müssen. Dies hat er unterlassen. Fraglich ist des Weiteren, ob die Bedienung des Zeiterfassungsgerätes nicht eine höchstpersönliche Pflicht im Rahmen des Arbeitsvertrages darstellt, sodass der Kläger gegenüber Herrn Mi die Übernahme dieser Verpflichtung hätte verweigern müssen. Der Kläger rechtfertigt sein Verhalten damit, dass der Mitarbeiter Mi ihm gesagt habe, dass er krank sei und schnellstmöglich den Betrieb verlassen müsse. Daher habe er den Kläger gebeten, für ihn auszustempeln. Der Kläger erklärte weiter, dass er aufgrund der Arbeitsbelastung in der Nachtschicht nicht sofort zum Zeiterfassungsgerät gegangen sei. Er habe dies vergessen und erst, als er selbst am Schichtende ausgestempelt habe, wieder daran gedacht. Er habe aber dem Mitarbeiter Mi bereits während der Nachtschicht gesagt, dieser solle sich doch bitte noch beim Schichtleiter melden und von seinem vorzeitigen Weggang aus dem Betrieb informieren. Aufgrund dieser vom Kläger vorgebrachten und von der erkennenden Kammer nachvollziehbaren Rechtfertigungs-/Entschuldigungsgründe, die der Beklagten vom Kläger bereits im Gespräch am Nachmittag des 21.11.2011 mitgeteilt wurden, liegt kein die außerordentliche Kündigung tragender wichtiger Grund vor. Die Beklagte hätte im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht den vorgetragenen Rechtfertigungsgründen nachgehen und diese gegebenenfalls widerlegen müssen. Dies hat die Beklagte nicht getan. Insoweit sich die Beklagte in der Kammerverhandlung auf den Standpunkt gestellt hat, dass zumindest die Ausstempelung des Mitarbeiters Mi durch den Kläger, als dieser sich selbst ausstempelte, einen arbeitsvertraglichen Pflichtverstoß darstellt, der von den vorgetragenen Rechtfertigungsgründen nicht mehr gedeckt sei, spaltet die Beklagte einen insgesamt einheitlich zu betrachtenden Lebenssachverhalt in unzulässiger Weise in Teileinheiten auf. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung des Geschehens in der Nachtschicht vom 21.11.2011 ist zu berücksichtigen, dass der Rechtfertigungsgrund des Klägers, der Mitarbeiter Mi habe ihm gesagt, er sei krank, sich zunächst darauf bezieht, dass der Kläger überhaupt das Zeiterfassungsgerät für den Mitarbeiter Mi bedient hat. Der Kläger trägt des Weiteren vor, dass 2/2013 59

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Rechtsprechung<br />

Bestandsschutz<br />

für, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz<br />

vor Benachteiligung vorgelegen hat (vgl. BAG v 22.10.2009 –<br />

8 AZR 642/08 m.w.N.). Der Anspruchsteller genügt seiner Darlegungslast,<br />

wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver<br />

Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen<br />

lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals<br />

erfolgt ist. Es genügt, Indizien vorzutragen, die zwar nicht<br />

zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber die<br />

Annahme rechtfertigen, dass sie gegeben ist. Dabei ist kein zu<br />

strenger Maßstab an die Vermutungswirkung der Hilfstatsachen<br />

anzulegen. Werden vom Arbeitnehmer Tatsachen vorgetragen,<br />

die je für sich genommen nicht zur Begründung der<br />

Kausalität ausreichen, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen.<br />

Zu prüfen ist, ob die Hilfstatsachen, werden sie im Zusammenhang<br />

gesehen, geeignet sind, die Vermutungswirkung<br />

zu begründen (vgl. BAG, Urt. v. 7.7.2011 – 2 AZR 396/10<br />

m.w.N.).<br />

Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen hat die Klägerin<br />

ausreichende Tatsachen vorgetragen, die aus objektiver<br />

Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen<br />

lassen, dass sie durch die Beklagte eine Benachteiligung wegen<br />

ihrer (vormaligen) Schwangerschaft und damit unmittelbar<br />

wegen ihres Geschlechts erfahren hat. (…)<br />

c) Als Ausgleich für die durch die ungerechtfertigte Benachteiligung<br />

eingetretene Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts<br />

und damit für einen Schaden, der nicht Vermögensschaden<br />

ist, erscheint die Zahlung einer Entschädigung in Höhe von<br />

EUR 3.000,00 als angemessen. Bei der Festsetzung der angemessenen<br />

Entschädigung durch das Tatgericht sind alle Umstände<br />

des Einzelfalls zu berücksichtigen, wie etwa die Art<br />

und Schwere der Benachteiligung, die Folgen für den Kläger<br />

hinsichtlich seines Persönlichkeitsrechts, der Grad der Verantwortlichkeit<br />

der Beklagten, der Anlass und Beweggrund des<br />

Handelns der Beklagten, der Sanktionszweck und die damit<br />

verbundene abschreckende Wirkung (vgl. BAG, Urt. v.<br />

17.8.2010 – 9 AZR 839/08 m.w.N.).<br />

Ausgehend hiervon bedurfte es vorliegend der Festsetzung<br />

einer Entschädigung in Höhe des von der Klägerin genannten<br />

Mindestbetrages von EUR 3.000,00. Die Benachteiligung der<br />

Klägerin durch die Kündigung ist schwerwiegend. Sie ist aus<br />

Sicht des Gerichtes die völlig unangemessene Reaktion der<br />

Beklagten auf die Weigerung der Klägerin, während des Beschäftigungsverbotes<br />

zu arbeiten. Berücksichtigt man des<br />

Weiteren den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung und<br />

die Tatsache, dass die Beklagte die Klägerin bewusst und gewollt<br />

benachteiligt hat, so kann man das Verhalten der Beklagten<br />

getrost als auf moralisch unterster Stufe stehend bezeichnen.<br />

Um der Sanktionswirkung des § 15 Abs. 2 AGG<br />

Rechnung zu tragen und um die Beklagte in Zukunft von einem<br />

vergleichbaren Fehlverhalten abzuschrecken, bedarf es<br />

der Festsetzung eines erheblichen und für die Beklagte fühlbaren<br />

Entschädigungsbetrages. Vor dem Hintergrund der geringen<br />

Betriebsgröße der Beklagten erscheint insoweit ein Be-<br />

trag in Höhe von EUR 3.000,00 als angemessen aber auch ausreichend.<br />

d) Der Entschädigungsanspruch der Klägerin ist entgegen der<br />

Ansicht der Beklagten und des Arbeitsgerichts nicht durch § 2<br />

Abs. 4 AGG ausgeschlossen. Gemäß § 2 Abs. 4 AGG gelten für<br />

Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen<br />

und besonderem Kündigungsschutz. Hieraus wird –<br />

jedenfalls in Fällen, in denen wie hier die Unwirksamkeit der<br />

Kündigung im Rahmen einer Kündigungsschutzklage festgestellt<br />

worden ist – gefolgert, dass es daneben nach dem Gesetz<br />

keinen Raum für einen Entschädigungsanspruch nach<br />

§ 15 Abs. 2 AGG gibt (vgl. ErfK/Schlachter, 11. Aufl., § 2 AGG<br />

Rn 17 und Sagan, NZA 2006, 1257, 1260).<br />

Dem kann nicht gefolgt werden. Eine Anwendung des § 15<br />

Abs. 2 AGG in solchen Fällen ist nicht systemwidrig. Auch bisher<br />

waren etwa auf § 823 Abs. 1 BGB gestützte Entschädigungen<br />

für erlittene immaterielle Schäden bei der Geltendmachung<br />

einer Persönlichkeitsrechtsverletzung im Zusammenhang<br />

mit dem Ausspruch einer unwirksamen Kündigung<br />

nicht ausgeschlossen! (vgl. BAG v. 22.10.2009 – 8 AZR 642/08,<br />

und KR/Treber, 9. Aufl., § 2 Rn 27 m.w.N.). Des Weiteren deutet<br />

die gesetzliche Formulierung darauf hin, dass lediglich die<br />

Wirksamkeit von Kündigungen nicht unmittelbar an den Vorschriften<br />

des AGG gemessen werden soll, sondern das hierfür<br />

die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz<br />

heranzuziehen sind. Schließlich gibt es keinen<br />

sachlichen Grund dafür, etwa bei einer benachteiligenden<br />

Versetzung über § 106 Satz 1 GewO i.V.m. § 7 Abs. 3 AGG zum<br />

einen zur Unwirksamkeit der Versetzung zu gelangen und<br />

zum anderen über § 15 Abs. 2 AGG auch zu einer Entschädigung,<br />

dem Arbeitnehmer bei einer benachteiligenden Kündigung<br />

neben der Feststellung deren Unwirksamkeit aber eine<br />

Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu versagen.<br />

■ Sächsisches Landesarbeitsgericht<br />

vom 27.7.2012, 3 Sa 129/12<br />

eingereicht von Rechtsanwalt Dirk Noack<br />

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Tel.: 03764/49497, Fax: 03764/2761<br />

www.noack-wagner.de; n@noack-wagner.de<br />

99. Betriebsbedingte Kündigung, Vorbereitung eines<br />

Betriebsübergangs<br />

Eine Kündigung im zeitlichen Zusammenhang mit einem Betriebsübergang<br />

verstößt nicht gegen das Kündigungsverbot<br />

in § 613a Abs. 4 BGB, wenn die Kündigung das Ziel hat, den<br />

Betrieb „verkaufsfähig“ zu machen. Sie ist auch dann zulässig,<br />

wenn der bisherige Arbeitgeber sie mit dem Ziel ausspricht,<br />

sich selbst auf diese Weise eine Beschäftigungsmöglichkeit<br />

bei dem neuen Arbeitgeber zu sichern.<br />

■ Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern<br />

vom 9.1.<strong>2013</strong>, 2 Sa 166/12<br />

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