Arbeitsrechtliche Entscheidungen Ausgabe 2013-02
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ae.<strong>2013</strong>.h00<strong>02</strong>.cic.xml (AE.fmt), Seite 10 von 42,<br />
Aufsätze/Beiträge<br />
tin für den Arbeitnehmer und späteren Haftungskläger tätig.<br />
Deshalb ging ihr auch der Bescheid des Integrationsamtes<br />
über die Zustimmung zu der von der Arbeitgeberin beabsichtigten<br />
Kündigung zu. Für die Haftungsfrage besonders relevant<br />
hielt das OLG den Hinweis in dem Zustimmungsbescheid<br />
über den Eintritt der Fiktion gemäß § 91 SGB XI, wonach die<br />
Kündigung unverzüglich auszusprechen sei, anderenfalls sich<br />
die Arbeitgeberseite nicht mehr auf die Zustimmung berufen<br />
könne.<br />
Der Arbeitgeber kündigte den Arbeitnehmer dann auch fristgerecht<br />
in der Folge des Zustimmungsbescheides. Von dem<br />
Zugang dieser Kündigung unterrichtete der Arbeitnehmer<br />
seine Prozessbevollmächtigte jedoch nicht, die demgemäß<br />
auch nicht rechtzeitig die Kündigungsschutzklage erweiterte.<br />
Einer solchen Kenntnis der Prozessbevollmächtigten von der<br />
weiteren Kündigung bedurfte es nach Auffassung des OLG für<br />
einen haftungsbegründenden Tatbestand aber auch nicht.<br />
Vielmehr habe es für die Prozessbevollmächtigte aufgrund<br />
des Zustimmungsbescheides feststehen müssen, dass der Arbeitgeber<br />
dem Kläger ordnungsgemäß kündigen werde. Es<br />
entlaste sie nicht, dass sie von ihrem Auftraggeber nichts<br />
mehr hörte. Vielmehr hätte sie vorsorglich eine entsprechende<br />
Anfrage an den Kläger stellen und in jedem Falle ohne<br />
eine Reaktion des Klägers vorsorglich eine Kündigungsschutzklage<br />
erheben müssen. Denn, wenn die erste Kündigung<br />
schon mangels Zustimmung des Integrationsamtes unwirksam<br />
war, stand zu erwarten, dass der Arbeitgeber nunmehr<br />
erneut kündigen würde, so das OLG. Die Pflicht, alle Nachteile<br />
für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar<br />
und vermeidbar sind, hätte die Prozessbevollmächtigte<br />
nur eingehalten, wenn sie die erste Kündigungsschutzklage<br />
entweder vorsorglich um einen Schleppnetzantrag erweitert<br />
oder zumindest ihren Mandanten auf die Möglichkeit einer<br />
erneuten Kündigung mit dem Hinweis informiert hätte, dass<br />
dieser sich ggfs. sofort bei ihr melden müsse, damit die not-<br />
wendigen Schritte eingeleitet werden könnten. Weder das<br />
Eine noch das Andere hatte sie jedoch getan.<br />
Die Konsequenzen aus dieser Entscheidung sind nicht neu<br />
aber weiterhin unbefriedigend. Geht der Anwalt auf „Nummer<br />
Sicher“, erhebt er in jedem Falle den allgemeinen Feststellungsantrag<br />
und übt damit eine gebührenpflichtige Tätigkeit<br />
aus, die sich in der Regel jedoch auf einen unzulässigen Antrag<br />
richtet, der im schlimmsten Fall auch noch Gerichtskosten<br />
auslöst, für den er aber jedenfalls – da unzulässig – wiederum<br />
in der Regel nicht liquidieren kann. Will er diesen ärgerlichen<br />
Umstand unbezahlter Tätigkeit vermeiden, muss er<br />
den Mandanten darüber schriftlich belehren, zugleich darüber,<br />
dass die Rechtsschutzversicherung den Antrag nicht decken<br />
wird, er von dem Auftraggeber aber die Bezahlung fordert.<br />
Das wird das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und<br />
Mandant nicht gerade fördern. Nur wenige Mandanten werden<br />
die Einsicht haben zu erkennen, dass die Maßnahme ihrem<br />
Schutz dient und nicht nur der anwaltlichen Gebührenerhöhung,<br />
denn nochmals: In der Regel wird sich der Antrag als<br />
unzulässig erweisen.<br />
Wartet der Anwalt dagegen, bis er Anlass zu der Vermutung<br />
hat, eine neue Kündigung sei ausgesprochen worden und erhebt<br />
er dann ohne Kontakt mit dem Mandanten die allgemeine<br />
Feststellungsklage, setzt er sich dem Argument aus, er<br />
habe ohne Auftrag gehandelt, dieser Kündigung habe der<br />
Auftraggeber gar nicht entgegentreten wollen. Auch in diesem<br />
Fall hat er ohne Lohn gearbeitet.<br />
Begnügt er sich schließlich damit, lediglich den Arbeitnehmer<br />
zu informieren, droht ihm der Streit um die Frage, ob seine Information<br />
dem Auftraggeber überhaupt zugegangen sei und<br />
ob er nicht im Falle einer ausbleibenden Reaktion damit habe<br />
rechnen müssen, dass seine Information den Auftraggeber<br />
nicht erreicht hatte, was ihn ebenfalls zur auftragslosen Klageerhebung<br />
zwingen würde. Es mag sich jeder heraussuchen,<br />
welchen Weg er gehen will, um seine Haftung zu beschränken.<br />
Angenehm ist weder der eine oder der andere.<br />
Kein Urteil, keine Anmerkung<br />
Rechtsanwalt Martin Schafhausen, Frankfurt/M.<br />
Wieder einmal soll aus einem kurzen Hinweis in einem Terminbericht<br />
des Bundessozialgerichts (Nr. 64/12 vom<br />
6.12.2012) „Kaffeesatz gelesen werden“. Dem Bericht ist zu<br />
entnehmen, dass sich die Beteiligten in dem Revisionsverfahren<br />
gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts<br />
vom 2.9.2011 – L 9 AL 107/09, ASR 2011, 241–250, auf einen<br />
Vergleich verständigt haben.<br />
Was war geschehen? Die Arbeitgeberin der Klägerin des dortigen<br />
Verfahrens hatte, nachdem sie einen Reinigungsauftrag<br />
verloren hatte, der Klägerin wiederholt ordentlich und außerordentlich<br />
gekündigt. Das Landesarbeitsgericht hatte die Unwirksamkeit<br />
der ersten Kündigungen festgestellt, im zweiten<br />
Kündigungsschutzverfahren hatten sich die Beteiligten auf<br />
eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
verständigt. Parallel dazu waren Entgeltansprüche in Leistungsklagen<br />
geltend gemacht und aus den entsprechenden<br />
<strong>Entscheidungen</strong> die Zwangsvollstreckung betrieben worden.<br />
Die Klägerin hatte das Arbeitslosengeld „gleichwohl“ erhalten<br />
44<br />
2/<strong>2013</strong>