Neue Leitlinien und Therapiekonzepte - Ärztekammer Bremen
Neue Leitlinien und Therapiekonzepte - Ärztekammer Bremen Neue Leitlinien und Therapiekonzepte - Ärztekammer Bremen
66. Jahrgang, März 2013 Mitteilungsblatt der Ärztekammer Bremen und der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen Nicht spezifische Rückenschmerzen Neue Leitlinien und Therapiekonzepte 03 13
- Seite 2: 2 INHALT BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 1
- Seite 6: 6 NICHT SPEZIFISCHE RÜCKEN SCHMER
- Seite 10: 10 NICHT SPEZIFISCHE RÜCKEN SCHMER
- Seite 14: 14 NICHT SPEZIFISCHE RÜCKENSCHMERZ
- Seite 18: 18 AKTUELLES BREMER ÄRZTEJOURNAL 0
66. Jahrgang, März 2013<br />
Mitteilungsblatt der<br />
<strong>Ärztekammer</strong> <strong>Bremen</strong> <strong>und</strong> der<br />
Kassenärztlichen Vereinigung <strong>Bremen</strong><br />
Nicht spezifische<br />
Rückenschmerzen<br />
<strong>Neue</strong> <strong>Leitlinien</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Therapiekonzepte</strong><br />
03<br />
13
2 INHALT<br />
BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 1 3 BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 13<br />
BREMER STANDPUNKT 3<br />
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17<br />
18<br />
Brennpunkt –<br />
Gewalt in der Pflege<br />
Die multimodale Schmerztherapie<br />
hat sich als eine<br />
wirksame Behandlungsform<br />
bewährt. BIRTH – die Bremer<br />
Integrative Rückentherapie<br />
vereint interdisziplinär<br />
therapeutische Bausteine<br />
zur Wiederherstellung der<br />
Funktionsfähigkeit im Alltag.<br />
TITELTHEMA<br />
Anlässlich des diesjährigen<br />
Neujahrsempfangs der fünf<br />
heilberuflichen Bremer<br />
Körper schaften begrüßte<br />
Dr. Jörg Hermann zahlreiche<br />
geladene Gäste im Atrium<br />
der KV-<strong>Bremen</strong> – eine willkommene<br />
Gelegenheit zum<br />
Gedankenaustausch.<br />
4<br />
5<br />
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Mit dem Bremer Weiterbildungsscheck<br />
werden die<br />
Kosten für die berufliche<br />
Weiterbildung mit bis zu<br />
500 Euro pro Kurs gefördert.<br />
Der Scheck ist nach einem<br />
persönlichen Beratungsgespräch<br />
bei der Handelskammer<br />
erhältlich.<br />
Dr. Hubertus Kayser<br />
Nicht spezifische Rückenschmerzen: <strong>Neue</strong> <strong>Leitlinien</strong> & <strong>Therapiekonzepte</strong><br />
Dr. Thomas Liebsch<br />
Kreuzschmerz in der Hausarztpraxis<br />
Dr. Hannelore Schütte-Mönnig, Olaf Klünder<br />
Multimodale Rückenschmerztherapie mit BIRTH<br />
Dr. Mechtild Hermes, Dr. Rainer Schlosser<br />
MDK begutachtet stationäre multimodale Schmerztherapie<br />
Dr. Hubertus Kayser<br />
Wirtschaftliche Dimension chronischer Rückenschmerzen<br />
INTERN 17 Neujahrsempfang der heilberuflichen Körperschaften<br />
AKTUELLES 18<br />
18<br />
<strong>Bremen</strong> fördert berufliche Weiterbildung<br />
Vorsicht: Schmerzmittelbetrug!<br />
Eine 85-jährige, an Demenz leidende, Frau wird in einem Bremer<br />
Pflegezentrum von einer Pflegerin misshandelt. Die alte<br />
Dame hatte mehrfach ihrem Sohn davon erzählt, dass sie<br />
geschlagen werde. Der Sohn installierte daraufhin ohne Wissen<br />
der Heimleitung eine Kamera im Zimmer seiner Mutter.<br />
Das Video bestätigte den schlimmen Verdacht: die Seniorin<br />
wurde von der Pflegerin beschimpft, geschubst <strong>und</strong> an den<br />
Haaren gezogen. Selbst wenn die Anbringung der Videokamera<br />
nicht rechtens war <strong>und</strong> der Pflegerin vom Heimträger später<br />
gekündigt wurde, so war dieser visuelle Beweis beschämend,<br />
erschreckend <strong>und</strong> für viele schlicht unvorstellbar. Der Sohn der<br />
Demenzkranken beschrieb seine Verfassung beim Betrachten<br />
der Bilder in der Reihenfolge: Erstaunen, Wut <strong>und</strong> Hilflosigkeit.<br />
Dieser Fall hat b<strong>und</strong>esweit Aufsehen erregt <strong>und</strong> die Politik mit<br />
ihren Kontrollinstanzen (z. B. Heimaufsicht), die Pflegeverbände<br />
<strong>und</strong> vor allem die Angehörigen von Heimpatienten auf<br />
den Plan gerufen. Selbst die Gewerkschaft der Polizei berichtet,<br />
dass sie in letzter Zeit häufiger wegen „Ungereimtheiten“ zu<br />
Pflegeeinrichtungen gerufen werde. Egal, ob in Pflegeheimen<br />
oder zu Hause: es gibt sie, diese schreckliche Gewalt in der<br />
Pflege, <strong>und</strong> nach meiner Einschätzung ist die Dunkelziffer nicht<br />
gering. Etliche der Betroffenen <strong>und</strong> ihrer Familienmitglieder<br />
scheuen sich allerdings davor, diese Fälle anzuzeigen, weil sie<br />
Nachteile für sich oder die weitere Versorgung ihrer Angehörigen<br />
befürchten. Als mögliche Erklärungsversuche für dieses<br />
Fehlverhalten werden bei den stationären Institutionen<br />
genannt: vor allem zu wenig Personal, anstrengender Schichtdienst<br />
(bei dem man häufiger mal einspringen müsse),<br />
schlechte Bezahlung, mangelnde Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung, Defizite<br />
in der psychologischen Schulung usw. Aber auch bei einem<br />
Teil der Pflegekräfte selbst vollzieht sich im Laufe ihres Berufslebens<br />
eine Wandlung: zunächst beginnen sie mit Begeisterung<br />
<strong>und</strong> Freude. Innerhalb von Jahren werden sie jedoch bedingt<br />
durch die bekannten Schwierigkeiten vom System regelrecht<br />
„verschlissen“. Sie sind dann zunehmend körperlich aber vor<br />
allem auch psychisch weniger belastbar. Und dann kann es leider<br />
zu fehlerhaftem Verhalten <strong>und</strong> eben auch Gewalt kommen.<br />
Informationsfluss, Hygienestandards, Pflegedokumentation usw.)<br />
sowohl im stationären als auch ambulanten Bereich. Als Orientierungshilfe<br />
wurde vom Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes<br />
B<strong>und</strong> der Krankenkassen (MDS) die Broschüre „Gewalt<br />
gegen ältere Pflegebedürftige“ herausgegeben. Darin sind<br />
Rahmenempfehlungen zur Prävention von Gewalt gegen alte<br />
<strong>und</strong> pflegebedürftige Menschen veröffentlicht (Download unter<br />
www.mds-ev.de) worden.<br />
Bei der Pflege zu Hause fühlen sich die pflegenden Angehörigen<br />
oft überfordert <strong>und</strong> in einer aussichtslos erscheinenden<br />
Situation alleingelassen. Der Gerontopsychiater Prof. Rolf Dieter<br />
Hirsch hat als Krisen- <strong>und</strong> Notberatungsstelle die „Bonner Initiative<br />
gegen Gewalt im Alter“ („Handeln statt Misshandeln“)<br />
mitbegründet. Er stellt Gewalt in pflegenden familiären Beziehungen<br />
als den destruktiven Versuch dar, schwierige <strong>und</strong> belastende<br />
Situationen zu bewältigen. Diese könne ohne Hilfe von<br />
außen kaum verringert werden. Präventive Strukturen im<br />
Umfeld der Betroffenen seien dazu erforderlich: Gut erreichbare<br />
Anlaufstelle, Krisen- <strong>und</strong> Notruftelefon, Vernetzung mit der<br />
Altenhilfe. Ärztlicherseits ist hier vor allem die Hausärztin/der<br />
Hausarzt gefordert, da sie/er meist die erste Bezugsperson ist<br />
<strong>und</strong> den Patienten <strong>und</strong> sein Umfeld am besten kennt. Sie/Er<br />
sollte die nötige Sensibilität entwickeln, um das „häusliche<br />
Pflegeklima“ zu erspüren <strong>und</strong> ggf. regulierend <strong>und</strong> deeskalierend<br />
einzugreifen. Die Aktualität dieses brennenden Themas<br />
wird unterstrichen durch die erstmalige Verleihung des „Bremer<br />
Preises gegen Gewalt in Pflege <strong>und</strong> Betreuung“ am<br />
29. Januar 2013 an die Stiftung Friedehorst. Bei einer immer<br />
älter werdenden Gesellschaft mit nahezu 2,5 Millionen Pflegebedürftigen<br />
hat sich ein Marktsegment etabliert, welches überwiegend<br />
am wirtschaftlichen Erfolg <strong>und</strong> nicht an der Qualität in<br />
der Pflege gemessen wird. Aber es ist in erster Linie eine ureigenste<br />
ärztliche Aufgabe, die letzten Jahre der uns anvertrauten<br />
Patienten in deren Selbstbestimmung (soweit möglich) <strong>und</strong><br />
vor allem in ihrer Würde mitzugestalten.<br />
RUBRIKEN 3<br />
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19<br />
19<br />
20<br />
Bremer Standpunkt<br />
Akademie<br />
Recht<br />
Impressum<br />
Anzeigenbörse<br />
Was kann man aber nun gegen die Gewalt in der Pflege tun?<br />
Überregional wird der Ruf nach einer gründlicheren <strong>und</strong> häufigeren<br />
Kontrolle der Pflegeeinrichtungen durch die Heimaufsicht<br />
propagiert. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Überprüfung der<br />
Pflegequalität, ablesbar an verschiedenen Prüfkriterien (Pflegezustand,<br />
Nahrungs- <strong>und</strong> Flüssigkeitszufuhr, W<strong>und</strong>versorgung,<br />
Dr. Johannes Gr<strong>und</strong>mann,<br />
Facharzt für Innere Medizin,<br />
Vizepräsident der <strong>Ärztekammer</strong> <strong>Bremen</strong>
4 NICHT SPEZIFISCHE RÜCKENSCHMERZEN<br />
BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 1 3 BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 13 NICHT SPEZIFISCHE RÜCKENSCHMERZEN 5<br />
Nicht spezifische Rückenschmerzen:<br />
<strong>Neue</strong> <strong>Leitlinien</strong> & <strong>Therapiekonzepte</strong><br />
Der Kreuzschmerz ist in Deutschland neben den Erkältungskrankheiten die<br />
zweithäufigste Ursache, einen Arzt aufzusuchen. Schon 1999 bezeichnete Heger<br />
Rückenschmerzen als „Volkskrankheit“.<br />
Kreuzschmerz in der<br />
Hausarztpraxis<br />
70 Prozent der Deutschen klagen einmal im Jahr über Rückenbeschwerden.<br />
Zur Zeit haben zwischen 27 <strong>und</strong> 40 Prozent der Deutschen Rückenschmerzen.<br />
Laut Helmholtz-Zentrum entstehen hierfür Kosten von 48,9 Milliarden Euro jährlich.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der hohen Prävalenz gibt es eine fast unübersehbare<br />
Anzahl von Diagnostik- <strong>und</strong> Therapieangeboten für die Betroffenen,<br />
deren Nutzen auf vielen Ebenen in großen Teilen zweifelhaft<br />
ist <strong>und</strong> die u. U. zur Chronifizierung der Beschwerden führen. Im<br />
November 2010 wurde deshalb mit der Nationalen Versorgungsleitlinie<br />
(NVL) „Kreuzschmerz“ eine hoch anzusiedelnde Leitlinie<br />
veröffentlicht, die Hilfestellung für die Versorgung von Menschen<br />
mit nicht spezifischen Rückenschmerzen geben soll. In den folgenden<br />
Artikeln werden Kollegen einiger beteiligter Fachrichtungen<br />
<strong>und</strong> Sektoren jeweils von ihrem Standpunkt aus die neuesten<br />
Entwicklungen in dem Gebiet der Behandlung nicht spezifischer<br />
Kreuzschmerzen beschreiben.<br />
Thomas Liebsch stellt in seinem Beitrag die bereits 2003 veröffentlichte<br />
Leitlinie „Kreuzschmerz“ der Deutschen Gesellschaft<br />
für Allgemeinmedizin (DEGAM) vor, da auf hausärztlicher Ebene<br />
bereits entscheidende Weichenstellungen für den weiteren Verlauf<br />
der Erkrankung vorgenommen werden.<br />
Hannelore Schütte-Mönnig <strong>und</strong> Olaf Klünder beschreiben am Beispiel<br />
des BIRTH-Programms an der Roland-Klinik <strong>Bremen</strong> ein multimodales<br />
Schmerztherapieprogramm für Rückenschmerzen, dessen<br />
(Kosten)-Effektivität wissenschaftlich belegt ist.<br />
Mechtild Hermes <strong>und</strong> Rainer Schlosser bringen uns den neuen<br />
Begutachtungsleitfaden des MDK zur Begutachtung des OPS-<br />
Komplexkodes 8-918 („Multimodale Schmerztherapie“) näher,<br />
der kürzlich in Zusammenarbeit mit dem Berufsverband der Ärzte<br />
<strong>und</strong> psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- <strong>und</strong><br />
Palliativmedizin in Deutschland (BVSD e.V.) erstellt wurde.<br />
Mein eigener Beitrag beschäftigt sich mit der wirtschaftlichen<br />
Dimension der Rückenschmerzen <strong>und</strong> gibt eine Antwort auf die<br />
Frage, ob wir in diesem Gebiet der Medizin eine Fehlversorgung<br />
zu verzeichnen haben.<br />
Die Autoren dieses Heftes hoffen, dass ihre Beiträge zu einer verstärkten<br />
Umsetzung <strong>und</strong> Implementierung der NVL „Kreuzschmerz“<br />
in unser Ges<strong>und</strong> heits wesen einen kleinen Beitrag<br />
leisten können.<br />
Literatur beim Verfasser.<br />
Dr. Hubertus Kayser,<br />
Anästhesist <strong>und</strong> Schmerzmediziner,<br />
<strong>Bremen</strong><br />
Forscher des Helmholtz-Zentrums ermittelten<br />
Kosten von 48,9 Milliarden Euro<br />
pro Jahr in Deutschland, die durch<br />
Rückenschmerzen entstehen. Der Rückenschmerz<br />
ist nach psychischen Erkrankungen<br />
<strong>und</strong> Tumorleiden die dritthäufigste<br />
Berentungsursache. Das sind die volkswirtschaftlichen<br />
Eckpunkte, die der<br />
Be deutung der Vorbeugung, der Erkennung<br />
<strong>und</strong> der Behandlung von Rückenschmerzen<br />
zugr<strong>und</strong>e liegen. Die erste<br />
Anlaufstelle für Patienten mit Kreuzschmerzen<br />
ist häufig eine allgemeinmedizinische<br />
Praxis. Deswegen hat die<br />
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin<br />
<strong>und</strong> Familienmedizin (DEGAM) die<br />
Leitlinie „Kreuzschmerz“ entwickelt, die<br />
den unkomplizierten Kreuzschmerz, der<br />
über 80 Prozent der Fälle ausmacht, vom<br />
radikulären Kreuzschmerz (zirka 5 Prozent<br />
der Fälle), dem komplizierten Kreuzschmerz<br />
(zirka ein Prozent der Fälle) <strong>und</strong><br />
dem extravertebralen Kreuzschmerz (zirka<br />
zwei Prozent der Fälle, abzugrenzen.<br />
Das wichtigste Werkzeug der Abgrenzung<br />
in der allgemeinmedizinischen Praxis<br />
ist die ausführliche Anamnese, die<br />
gute Beobachtung <strong>und</strong> Untersuchung<br />
sowie eine Reihe von einfachen Tests.<br />
Diese erzeugen das Vertrauen, welches<br />
Klassifikation von Kreuzschmerzen<br />
das unnötige, frühzeitige, bildgebende<br />
Verfahren überflüssig werden lässt.<br />
Anamnese<br />
In der ausführlichen Anamnese sollen die<br />
Vorgeschichte der Rückenschmerzen, der<br />
zeitliche Verlauf <strong>und</strong> die bereits selber<br />
unternommenen Behandlungen erfragt<br />
werden. Lokalisation, Schmerzcharakter,<br />
Ausstrahlung, Gefühlsstörungen <strong>und</strong> neurologische<br />
Symptome mit Störung der<br />
Blasen-/Darmfunktion sind ebenso anzusprechen,<br />
wie Stürze, Fieber, Einschränkungen<br />
der Gehstrecke <strong>und</strong> Einschränkungen<br />
der Lebensqualität. Die Erkrankungsanamnese<br />
muss Tumorerkrankungen, rheumatische<br />
Erkrankungen, Steroidmedikationen,<br />
Immunsuppression <strong>und</strong> familiäre<br />
Osteoporose sowie depressive Erkrankungen<br />
aufdecken. Letztlich sollte die Vorstellung<br />
des Patienten zu Ätiologie <strong>und</strong> Behandlung<br />
in Erfahrungen gebracht werden.<br />
Körperliche Untersuchung<br />
Bei der Untersuchung fällt als erstes der<br />
Allgemeinzustand des Patienten ins Auge.<br />
Der Weg ins Sprechzimmer zeigt das<br />
Gangbild, mögliche Schonhaltungen <strong>und</strong><br />
Geh-, Steh- oder Sitzprobleme. Die folgende<br />
körperliche Untersuchung zeigt<br />
dann, ob Fehlhaltungen, z. B. Kyphosen<br />
oder Skoliose, in sichtbarem Umfang vorliegen.<br />
Bei erheblichem Umfang ist hier<br />
eine fachärztliche Mitbehandlung frühzeitig<br />
einzuleiten. Der geringgradigen<br />
klinischen Beinlängendifferenz ist keine<br />
Bedeutung beizumessen. Die Untersuchung<br />
der groben Kraft, der Sensibilität<br />
in beiden Beinen <strong>und</strong> die Ausbreitung<br />
ggfs. vorhandener Sensibilitätsstörungen<br />
oder Schmerzausstrahlungen ist zu vermerken,<br />
auch, ob sie sich an neuroanatomische<br />
Grenzen hält. Beim Reflexstatus<br />
sind ASR <strong>und</strong> PSR auf Seitendifferenz zu<br />
untersuchen.<br />
Lasègue- <strong>und</strong> Bragard-Test<br />
Der wichtigste Test ist die Überprüfung<br />
des Lasègue im Liegen. Beim passiven<br />
Anheben des im Knie gestreckten Beines<br />
bis 60 Grad kommt es zur Ausstrahlung<br />
der Kreuzschmerzen in das untersuchte<br />
Bein (Lasègue) bzw. in das andere Bein<br />
(gekreuzter Lasègue). Der Test ist nur<br />
positiv, wenn die Bewegung einen<br />
dermatomkongruenten einschießenden<br />
Schmerz auslöst. Eine Bewegungseinschränkung<br />
aufgr<strong>und</strong> von Kreuzschmerzen<br />
oder dermatom-übergreifende Be schwerden<br />
im Bein stellen kein positives Testergeb-<br />
Unkomplizierte KS (>80 %) Radikuläre KS (~5 %) Komplizierte KS (~1 %)<br />
■ Bewegungsabhängig<br />
■ Evtl. dermatomübergreifend<br />
Ausstrahlung bis oberhalb des<br />
Knies (pseudoradikuläre KS)<br />
■ Guter Allgemeinzustand<br />
■ Einseitige Schmerzen im Bein (meist<br />
schlimmer als die KS), ausstrahlend<br />
bis unterhalb des Knie<br />
■ Ggf. Taubheitsgefühl <strong>und</strong> Parästhesien<br />
im Vorsorgungsgebiet einer<br />
oder mehrer Nervenwurzeln<br />
■ Positiver Laségue-Test<br />
■ Refelxauffälligkeiten<br />
■ Frakturen<br />
■ Tumore<br />
■ Entzündungen<br />
■ Abszedierungen<br />
■ ausgeprägte neurologische Ausfälle<br />
Extravertebale KS (~2 %)<br />
z. B.<br />
■ Aortenaneurysma<br />
■ Darmkolik<br />
■ Harnwegsinfekte
6 NICHT SPEZIFISCHE RÜCKEN SCHMER ZEN<br />
BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 1 3 BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 13 NICHT SPEZIFISCHE RÜCKEN SCHMER ZEN 7<br />
Hausärztliche Diagnostik von Kreuzschmerzen<br />
Anamnese<br />
■ Beschwerden<br />
■ Schmerzcharateristika<br />
■ Assozierte Beschwerden<br />
■ Bisheriger Krankheitsverlauf<br />
■ Beeinträchtigung im Alltag<br />
■ Schmerzmittelkonsum<br />
■ Vorstellung der Patienten zu<br />
Ätiologie <strong>und</strong> Behandlung<br />
Körperliche Untersuchung<br />
Ohne Schmerzausstrahlung<br />
■ Inspektion<br />
■ Palpation<br />
■ Bewegungsprüfung<br />
■ Laségue<br />
Erweiterte Diagnostik<br />
Überflüssig bei<br />
■ akuten unkomplizierten Kreuzschmerzen<br />
<strong>und</strong> rezidivierenden<br />
Beschwerden ohne Risikofaktoren<br />
für chronische Verläufe<br />
nis dar. Der Bragard-Test kann ergänzend<br />
durchgeführt werden. Bei angehobenem<br />
Bein des liegenden Patienten wird der<br />
Vorfuß nach dorsal flektiert. Der Test ist<br />
positiv, wenn er eine radikuläre Symptomatik<br />
auslöst oder verstärkt. Mit dem<br />
Hacken- <strong>und</strong> Zehengang können die Muskelgruppen<br />
leicht in der Kraft geprüft<br />
werden. Eine Fußheberschwäche entspricht<br />
einer Störung in L4, eine Großzehenheberschwäche<br />
eine Störung in L5.<br />
Da große Muskeln aus mehreren Segmenten<br />
versorgt werden, ist dort eine<br />
Parese leicht zu übersehen.<br />
ISG schwer einschätzbar<br />
Das ISG ist nicht leicht zu beurteilen. An<br />
Untersuchungsmethoden gibt es z. B. den<br />
Schmerzprovokationstest, bei dem in<br />
Komplizierende Faktoren<br />
■ Zunahme oder Persistenz der<br />
Beschwerden trotz Therapie<br />
■ Schlechter Allgemeinzustand<br />
■ Adäquates Trauma<br />
■ Neurologische Ausfälle, z. B. der<br />
Blase, des Mastdarms oder Lähmung<br />
in den Beinen<br />
■ Systemische Steroidmedikamente<br />
■ Hinweise auf oder bekannte<br />
tumoröse, entzündlich rheumatische<br />
Erkrankungen, Immunsuppression<br />
Risikofaktoren für chronische Verläufe<br />
■ Radikuläre Beschwerden<br />
■ Anhaltende <strong>und</strong> rezidivierende<br />
Symptome<br />
■ Arbeitsunfähigkeit >4–6 Wochen<br />
■ Psychosoziale Faktoren<br />
■ Geringer Bildungsstand<br />
■ Pessimistische/resignative/<br />
depressive Stimmung<br />
■ Starkes Krankheitsgefühl<br />
■ Private oder berufliche<br />
Unzufriedenheit<br />
■ Rentenwunsch<br />
Mit Ausstrahlung der Beschwerden in eines oder beiden Beine,<br />
unterhalb des Knies<br />
■ Muskelkraft Füße <strong>und</strong> Großzehen<br />
■ ASR, PSR<br />
■ Sensibililtät medialer, dorsaler, lateraler Fuß<br />
Notwendig bei komplizierenden Faktoren<br />
■ Röntgenübersichtsaufnahme<br />
z.B. bei V.a. Frakturen, extravertebralen Schmerzursachen, Persistenz<br />
unkomplizierter Kreuzschmerzen trotz Therapie (>4 Wo.)<br />
■ CT, MRT, Skelettszintigraphie<br />
z.B. V.a. tumoröse Prozesse, Persistenz radikulärer Beschwerden<br />
(>1–1 Wo.) trotz Therapie<br />
■ Labor (BGS, Urinstix etc.) je nach Verdachtsdiagnose<br />
■ Überweisung zum Fachspezialisten (Orthopäde, Neurologe etc.)<br />
Persistenz unkomplizierter Kreuzschmerzen trotz Therapie<br />
Klärung der OP-Indikation bei therapieresistenten radik. Beschwerden<br />
■ Klinikeinweisung z.B. bei Cauda-equina-Syndrom, Tumorverdacht<br />
Notwendig bei rezidivierenden Kreuzschmerzen mit Risikofaktoren für<br />
chronische Verläufe<br />
■ Ggf. frühzeitig Überweisung zum Psychiater/Psychotherapeuten<br />
Bauchlage Druck auf das ISG <strong>und</strong> in Rückenlage<br />
Druck auf die vorderen Darmbeinstachel<br />
ausgeübt sowie die Hüfte<br />
abduziert wird (Patrick-Zeichen). Die Zeichen<br />
gelten als positiv, wenn der Patient<br />
dabei Schmerzen angibt. Außerdem sollten<br />
folgende Hinweise auf nichtorganische<br />
Rückenschmerzen Beachtung finden<br />
(Beschreibung nach Waddel):<br />
■ Gesteigerte Empfindlichkeit <strong>und</strong><br />
untypische Ausbreitung der Schmerzempfindlichkeit<br />
im Bereich der<br />
Rücken- <strong>und</strong> Beckenregion.<br />
■ Positive Reaktion auf ein Scheinmanöver,<br />
indem beim stehenden<br />
Patienten sanfter Druck auf den Kopf<br />
Schmerzreaktionen auslöst.<br />
■ Positives Ablenkungsphänomen:<br />
Beim Strecken des Kniegelenkes im<br />
Sitzen bleibt der Beinschmerz aus,<br />
während er beim Anheben des<br />
gestreckten Beines im Liegen auftritt.<br />
■ Motorische oder sensorische Defizite,<br />
die sich nicht einer oder mehreren<br />
Wurzeln zuordnen lassen: Z. B.<br />
strumpfförmig begrenzte Parästhesien<br />
oder Taubheit wie bei Polyneuropathie.<br />
■ auffällige Überreaktionen: Reiben der<br />
schmerzhaften Region, schmerzgeplagte<br />
Mimik, Stöhnen, Ächzen oder<br />
starkes Hinken.<br />
Pathologischer Kreuzschmerz<br />
Bei Vorliegen mehrerer der im letzten<br />
Abschnitt genannten Anzeichen könnte<br />
ein pathologisches Schmerzempfinden<br />
vorliegen. Dies sollte aber sehr vorsichtig<br />
bewertet werden. Gründe für dieses Schmerzempfinden<br />
sollten ausgelotet werden,<br />
um ggf. frühzeitig therapeutisch darauf<br />
reagieren zu können. Nach diesem Untersuchungsgang<br />
sollte Klarheit darüber<br />
herrschen, ob es sich primär um einen<br />
unkomplizierten, einen radikulären, einen<br />
komplizierten oder einen extravertebralen<br />
Kreuzschmerz handelt. Nach diesen<br />
Erkenntnissen richtet sich das weitere<br />
Vorgehen.<br />
Therapie von Kreuzschmerzen<br />
Basistherapie<br />
Für alle unkomplizierten KS <strong>und</strong><br />
radikulären KS<br />
Aufklärung <strong>und</strong> Beratung<br />
■ Harmlosigkeit<br />
■ Vermeidung von Bettruhe<br />
■ Motivation zur körperlichen<br />
Aktivität<br />
Einfache Analgetika<br />
■ (z.B. Paracetamol),<br />
alternativ NSAR oral<br />
Optional<br />
Unkompliziertes KS ohne Ausstrahlung:<br />
■ Manipulationsbehandlung durch<br />
Geübte<br />
■ Radikuläre KS:<br />
■ Injektion von Lokalanästhetika oder<br />
Glucocortikosteroiden in Epidualraum<br />
oder um die Spinalwurzel<br />
Therapiemöglichkeiten<br />
Der Evidenzgrad jeder Maßnahme kann<br />
mit einem Buchstaben bewertet werden.<br />
A: beruht auf Studien hoher Qualität. B:<br />
beruht auf sonstigen Studien. C: beruht<br />
auf Expertenurteilen <strong>und</strong> Konsensusaussagen.<br />
Der unkomplizierte Kreuzschmerz<br />
(A) wird durch die Vermeidung von Bettruhe,<br />
die Motivation zur körperlichen<br />
Aktivität, durch einfache Analgetika wie<br />
PCM <strong>und</strong> NSAR sowie Physiotherapie<br />
behandelt. Hilft das innerhalb von vier<br />
Wochen nicht, sollte reevalutiert werden.<br />
Dabei wäre z. B. ein Facharzt in die Beurteilung<br />
mit einzubeziehen. Ergibt sich<br />
kein Hinweis für einen komplizierten<br />
Rückenschmerz, sind weitere Maßnahmen<br />
mit A-Evidenz (ggf. Massage) oder<br />
mit B-Evidenz (z. B. Rückenschule) indiziert.<br />
Sollte nach weiterer Untersuchung<br />
keine Ursache zu finden sein, hat eine<br />
kombinierte Behandlung aus Verhaltenstherapie,<br />
Physiotherapie, Massage <strong>und</strong><br />
medikamentöser Therapie A-Evidenz.<br />
Beim radikulären Kreuzschmerz sollte ein<br />
Neurologe die Zugehörigkeit <strong>und</strong> den<br />
Schädigungsgrad der Nerven untersuchen.<br />
Ggf. ist hier, bei Therapieresistenz<br />
oder neurologischer Schädigung, auch<br />
eine weiterführende Bildgebung mit MRT<br />
indiziert, um rechtzeitig operative Maßnahmen<br />
einzuleiten. Insbesondere bei<br />
persistierenden Kreuzschmerzen <strong>und</strong>/<br />
oder rezidivierenden Kreuzschmerzen,<br />
die bereits zu einer langen Arbeitsunfähigkeit<br />
geführt haben, ist an die Einbeziehung<br />
eines Schmerztherapeuten zu<br />
denken. Die Länge der Arbeitsunfähigkeit,<br />
die Dauer des Schmerzes, die Inanspruchnahme<br />
mehrerer Ärzte <strong>und</strong> die<br />
depressive Stimmungslage eines Patienten<br />
sind Faktoren, die die Chronifizierung<br />
des Leidens befördern <strong>und</strong> die Reintegration<br />
des Patienten in das berufliche <strong>und</strong><br />
soziale Leben nachhaltig verhindern können.<br />
Therapien, für die eine B-Evidenz<br />
besteht, sind Rückenschulen. Therapien,<br />
für die eine C-Evidenz besteht, sind:<br />
Injektionen von Lokalanästhetika oder<br />
Glucocortikoiden in den Epiduralraum oder<br />
Therapie im Verlauf<br />
Rezidivierende KS <strong>und</strong> persistierende<br />
KS (]4 Wochen) Arbeitsunfähigkeitszeiten<br />
≥ 3 Monate<br />
Reevaluation<br />
(Ausschluss von Warnhinweisen,<br />
Risikofaktoren für chronische Verläufe)<br />
<strong>und</strong> ggf. Überweisung in fachspezifische<br />
Behandlung<br />
■ Intensivierung der bisherigen<br />
Therapie<br />
■ Physiotherapie<br />
■ Rückenschulen<br />
■ ggf. Massage<br />
Bei Risikofaktoren für chronische<br />
Verläufe<br />
■ ggf. psychotherapeutische<br />
Behandlung<br />
Persistierende <strong>und</strong> rezidivierende/<br />
chronische unkomplizierte KS,<br />
Arbeitsunfähigkeitszeiten ≥ 3 Monate<br />
Basistherapie<br />
Zusätzlich, je nach lokaler<br />
Verfügbarkeit<br />
■ Rückenschulung<br />
■ Verhaltenstherapie<br />
■ Physiotherapie<br />
■ ggf. Massage<br />
Stärke der Empfehlungen:<br />
basiert auf wissenschaftlichen Studien hoher Qualität<br />
basiert auf sonstigen Studien<br />
basiert auf Konsensusaussagen oder Expertenurteilen<br />
um die Spinalwurzeln sowie ambulante<br />
oder stationäre Rehabilitation. Therapien<br />
für die keine Evidenz besteht, sind: i. m.<br />
Injektionen von Analgetika sowie Akupunktur.<br />
Gefahren erkennen <strong>und</strong> abwenden<br />
Die Anamnese <strong>und</strong> eine gründliche körperliche<br />
Untersuchung reichen bei Rückenschmerz<br />
aus, um abwendbar gefähr liche<br />
Verläufe zu erkennen. Die Basisuntersuchung<br />
besteht aus Inspektion, einer<br />
orientierenden Beurteilung der Beweglichkeit,<br />
Palpation <strong>und</strong> einem Lasègue-<br />
Test. Bei Schmerzausstrahlung in ein<br />
Bein oder positivem Lasègue-Test ist eine<br />
erweiterte neurologische Untersuchung<br />
notwendig. Die klinischen Zeichen nach<br />
Waddell können Hinweise auf nichtorganisch<br />
bedingte Kreuzschmerzen liefern.<br />
Bei rezidivierenden, langandauernden<br />
Verläufen <strong>und</strong> hoher Vorinanspruchnahme<br />
sollte eine fachk<strong>und</strong>ig geführte multimodale<br />
Behandlung der Chronifizierung<br />
entgegenwirken.<br />
Literatur beim Verfasser.<br />
Dr. Thomas Liebsch<br />
Facharzt für Allgemeinmedizin, <strong>Bremen</strong><br />
Möglichst in Form eines multiprofessionellen<br />
Programms mit Anteilen aller<br />
Behandlungskonzepte<br />
Ggf. ambulante oder stationäre<br />
Rehabilitation
8 NICHT SPEZIFISCHE RÜCKEN SCHMER ZEN<br />
BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 1 3 BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 13 NICHT SPEZIFISCHE RÜCKEN SCHMER ZEN 9<br />
BIRTH<br />
Die<br />
Multimodale Rückenschmerz-<br />
therapie mit BIRTH<br />
Rückenschmerzen sind von nicht unerheblicher sozio-ökonomischer Bedeutung.<br />
85 Prozent der Bevölkerung in westlichen Industriestaaten leiden einmal im Leben<br />
an Rückenschmerzen.<br />
In etwa zehn Prozent der Fälle werden<br />
die Rückenbeschwerden chronisch, fünf<br />
Prozent der Betroffenen werden zu Problemfällen.<br />
Bei gr<strong>und</strong>sätzlich guter Prognose<br />
von Rückenschmerzen stellen Rezidive<br />
in vielen Fällen den Auftakt zu<br />
komplizierten Krankheitsverläufen mit<br />
der Gefahr chronischer Verläufe dar. An<br />
der Chronifizierung sind nicht nur somatische,<br />
sondern überwiegend kognitive,<br />
emotionale sowie psychosoziale Belastungsfaktoren<br />
beteiligt. Beim chronischen<br />
Rückenschmerz ist schließlich von<br />
einem eigenständigen Krankheitsbild<br />
auszugehen, geprägt durch Auswirkungen<br />
auf somatischer Ebene, psychische<br />
Beeinträchtigungen, Verhaltensänderungen,<br />
dysfunktionale Krankheitsverarbeitung<br />
<strong>und</strong> sozialen Konsequenzen.<br />
Obwohl diese Erkenntnisse Eingang gef<strong>und</strong>en<br />
haben in die anerkannten <strong>Leitlinien</strong>,<br />
zuletzt in die Erstellung der Nationalen<br />
Versorgungsleitlinie „Kreuzschmerz“,<br />
existiert eine Diskrepanz in der Angleichung<br />
der Versorgungsstrukturen.<br />
Boykott beim Paradigmenwechsel<br />
In Deutschland wird durch das Beharren<br />
auf tradierten Sichtweisen die Etablierung<br />
dieses Paradigmenwechsels verhindert.<br />
Eine veränderte Sichtweise des<br />
Krank heitskonzeptes im Sinne der Aktivierung,<br />
mit dem Ziel der Rekonditionierung<br />
<strong>und</strong> der alltagstauglichen Belastbarkeit,<br />
wird nur unzureichend erzielt.<br />
Die konzeptionelle Ausrichtung auf das<br />
Prinzip des Selbst managements gelingt in<br />
der Umsetzung in die alltägliche Versorgung<br />
lediglich lückenhaft. Monokausale<br />
Therapieansätze überwiegen. Stationäre<br />
Komplexbehandlungen mit dem Schwerpunkt<br />
auf interventionellen Maßnahmen,<br />
führen zu einer Ausweitung der Schmerzregionen,<br />
erhöhtem Analgetikabedarf<br />
sowie negativen psychosozialen Entwicklungen<br />
im Verlauf.<br />
Somatischer Bereich<br />
„Von namhaften Wissenschaftlern<br />
wurde der Umgang mit Rückenschmerzen<br />
in den letzten 50 Jahren<br />
als das größte medizinische Desaster<br />
des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts bezeichnet“<br />
Was ist BIRTH?<br />
Die Abkehr von eindimensionalen Krankheits-<br />
<strong>und</strong> Behandlungskonzepten hat in<br />
der Vergangenheit zur Etablierung multimodaler<br />
Therapieverfahren geführt. Wenn<br />
weniger intensive evidenzbasierte Therapieverfahren<br />
unzureichend wirksam<br />
wa ren, hat sich die multimodale Schmerztherapie<br />
als eine wirksame Behandlungsform<br />
bewährt. Genau hier setzt das BIRTH-<br />
Pro gramm des Wirbelsäulenzentrums an.<br />
Besserung der Schmerzerkrankung mit Linderung ihrer Symptomatik,<br />
Einflussnahme auf die Ursachenkette <strong>und</strong> Prävention von Rezidiven<br />
Reduktion von schmerzbedingter Beeinträchtigung<br />
Verbesserung von Ausdauer, Muskelkraft, Koordination <strong>und</strong> Beweglichkeit<br />
Verbesserung der funktionellen Leistungsfähigkeit, Anhebung des Aktivitätsniveaus<br />
Positive Beeinflussung von Risikofaktoren <strong>und</strong> Komorbidität (z. B. Bluthochdruck,<br />
Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen, metabolisches Syndrom)<br />
Psychosozialer Bereich<br />
Verminderung psychosozialer Belastungen <strong>und</strong> psychischer Folgen oder<br />
Komorbiditäten, wie Depressivität <strong>und</strong> Angst<br />
Abbau inadäquater Bewältigungsstrategien<br />
(z. B. Katastrophisieren, Schonverhalten, Durchhaltestrategien)<br />
Verbesserung von Interaktions- <strong>und</strong> Kommunikationskompetenz zur Vermeidung<br />
instrumenteller Funktion von Schmerzverhalten<br />
Motivierung zu nachhaltiger körperlicher Aktivität<br />
Verbesserung der psychischen <strong>und</strong> sozialen Kompetenz in Alltag <strong>und</strong> Beruf<br />
multimodale Bremer Integra tive<br />
Rückentherapie (BIRTH) vereint Disziplinen,<br />
die sich für die individuelle effek tive<br />
Behandlung chronifizierter Rückenschmerzen<br />
als sinnvoll erwiesen haben. Orthopäden,<br />
Schmerzmediziner, Psychologen<br />
<strong>und</strong> Physiotherapeuten arbeiten auf<br />
Gr<strong>und</strong> lage eines strukturierten interdisziplinären<br />
Ass essments, mit einem auf die<br />
individuellen Bedürfnisse ausgerichteten,<br />
inhaltlich <strong>und</strong> zeitlich abgestimmten Therapiekonzept.<br />
In das Vorgehen sind medizinische,<br />
sporttherapeu tische, physiotherapeutische<br />
<strong>und</strong> psychotherapeutische<br />
Interventionen in einem abgestuften standardisierten<br />
Ge samt konzept integriert.<br />
Das Ziel einer solchen Behandlung ist nicht<br />
vorrangig die Beseitigung des Symptoms<br />
„Schmerz“ – stattdessen rückt vielmehr<br />
die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit<br />
in Alltag <strong>und</strong> Beruf in den Vordergr<strong>und</strong>.<br />
Das gesamte Behand lungskonzept,<br />
die somatischen Behandlungsoptionen<br />
eingeschlossen, ori entiert sich stringent<br />
an lerntheor etischen <strong>und</strong> verhaltenstherapeutischen<br />
Prinzipien.<br />
BIRTH – handeln statt behandeln<br />
Die Betreuung im BIRTH-Programm erfolgt<br />
in Kleingruppen von bis zu acht Personen<br />
stationär über eine Dauer von 17 Tagen<br />
im Wirbelsäulenzentrum der Roland-Klinik.<br />
Die Therapieinhalte unterliegen einem<br />
integrativen Konzept der funktionalen<br />
Wiederherstellung („functional restoration“)<br />
auf verschiedenen Ebenen. Der<br />
somatisch orientierte Behandlungsansatz<br />
wird lerntherapeutischen sowie verhaltenstherapeutischen<br />
Ansätzen nachgeordnet.<br />
Handeln statt Behandeln ist<br />
dabei ein wichtiges Prinzip. Die Steigerung<br />
der Kon trollfähigkeit <strong>und</strong> des Kompetenzgefühls<br />
der Betroffenen werden<br />
im Sinne eines Selbstmanagements in<br />
den Vordergr<strong>und</strong> der Therapie gerückt.<br />
Die therapeutischen Bausteine des BIRTH-Programms<br />
Medizinische Behandlung: Medikamentöse Schmerztherapie nach<br />
WHO-Richtlinien, manuelle Therapie<br />
Intensive Schulung auf Basis eines biopsychosozialen Krankheitsmodells mit<br />
Inhalten zur Schmerzerkrankung <strong>und</strong> Bezug zur individuellen Problematik wie<br />
psychosoziale Risikofaktoren <strong>und</strong> Bewegungsmangel<br />
Körperliche Aktivierung mit Anleitung zur selbstständigen Weiterführung<br />
in Form von medizinischer Trainingstherapie, Muskelaufbautraining mit<br />
Milon-Zirkel, Nordic Walking, Bewegungsbäder<br />
Psychotherapeutische Behandlung: zur Veränderung eines maladaptiven, auf<br />
Ruhe <strong>und</strong> Schonung oder Durchhalten ausgerichteten Krankheitsverhaltens, zur<br />
Stärkung von eigenen Ressourcen im Umgang mit Schmerz <strong>und</strong> Beeinträchtigung<br />
sowie zum Erlernen von Entspannungs- <strong>und</strong> Stressbewältigungstechniken,<br />
Bewältigungsstrategien, auch in Form von störungsorientierter Einzeltherapie<br />
Work-Hardening als arbeitsorientiertes Trainingsprogramm unter Einbeziehung<br />
ergotherapeutischer Aspekte<br />
Indikation vs. Kontraindikation<br />
Indikationen zum multimodalen BIRTH-<br />
Programm sind gegeben bei:<br />
■ Gescheiterten monodisziplinären<br />
Therapieversuchen<br />
■ Schmerzassoziierten psychischen<br />
Begleiterkrankungen<br />
■ Psychosozialen Konsequenzen<br />
durch Schmerzkrankheiten<br />
■ Hohem Chronifizierungsstadium II<br />
<strong>und</strong> III nach Gerbershagen<br />
■ Räumlicher Ausbreitung des<br />
Schmerzbildes, Hinzutreten neuer<br />
Schmerzbilder, Wechsel des Schmerzcharakters<br />
eines Schmerzsyndroms<br />
■ Zunahme der Schmerzdauer/<br />
-attacken<br />
■ Relevanter Zunahme körperlicher<br />
Folgen<br />
■ Zunahme des Medikamentengebrauchs/Fehlgebrauch<br />
■ Schmerzbedingter Arbeitsunfähigkeit<br />
von mehr als zwei Monaten<br />
■ Sozialen Risikofaktoren.<br />
Das Vorliegen einer der folgenden aufgeführten<br />
Kontraindikationen schließt die<br />
Teilnahme am BIRTH-Programm aus:<br />
■ Ausgeprägte Sprachbarriere/stark<br />
eingeschränktes Sprachverständnis<br />
■ Erhebliche, die Leistungsfähigkeit<br />
einschränkende Zusatzerkrankungen<br />
bzw. schwere körperliche Einschränkungen<br />
■ Eingeschränkte Gehstrecke<br />
■ Unbehandelte Suchtprobleme<br />
■ Suizidalität<br />
Relative Kontraindikationen liegen vor bei:<br />
■ Rentenbegehren, laufenden BG-Verfahren,<br />
Versicherungsansprüchen.<br />
Um herauszufinden, ob ein Patient fürs<br />
BIRTH-Programm geeignet ist, müssen<br />
die aufgeführten Indikationen <strong>und</strong> Kontraindikationen<br />
überprüft <strong>und</strong> abgewägt<br />
werden. Ergeben sich aus der Prüfung der<br />
Indikationen <strong>und</strong> Kontraindikationen entsprechende<br />
Voraussetzungen zur Teilnahme<br />
am BIRTH-Programm werden die<br />
Patienten zum ärztlichen sowie psychologischen<br />
Assessment durch den Facharzt<br />
zugewiesen.<br />
In gemeinsamer Entscheidungsfindung<br />
wird die Teilnahme bei gegebener Indikation<br />
befür wortet <strong>und</strong> die Maßnahme<br />
eingeleitet.<br />
Literatur bei den Verfassern.<br />
Dr. Hannelore Schütte-Mönnig,<br />
Fachärztin für Orthopädie,<br />
Oberärztin,<br />
Roland-Klinik <strong>Bremen</strong><br />
Olaf Klünder,<br />
Anästhesist <strong>und</strong> Schmerzmediziner,<br />
<strong>Bremen</strong>
10 NICHT SPEZIFISCHE RÜCKEN SCHMER ZEN<br />
BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 1 3 BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 13 NICHT SPEZIFISCHE RÜCKEN SCHMER ZEN 11<br />
Multimodale Schmerztherapie –<br />
Begutachtung durch den MDK<br />
Die Zahl der Patienten mit chronischen Schmerzsyndromen, die in den Praxen<br />
von Hausärzten, Fachärzten <strong>und</strong> Schmerztherapeuten behandelt werden, nimmt<br />
seit Jahren kontinuierlich zu.<br />
DRG-Abrechnungssystem<br />
Die Behandlung von Patienten mit chronischen<br />
Schmerzen erfolgt in der Praxis<br />
überwiegend durch Hausärzte oder Fachärzte,<br />
nur ein Teil der Patienten wird<br />
durch spezielle Schmerztherapeuten ambulant<br />
betreut.<br />
Reicht die ambulante Behandlung nicht<br />
(mehr) aus, kann eine Behandlung in speziell<br />
auf Schmerzpatienten ausgerichteten<br />
Rehabilitationskliniken oder im Krankenhaus<br />
erfolgen. Neben der – in der<br />
Regel notfallmäßigen – Behandlung des<br />
akuten Schmerzes ist im Krankenhaus seit<br />
dem Jahr 2007 die Behandlung chronischer<br />
Schmerzen im Rahmen einer stationären<br />
multimodalen Schmerztherapie<br />
möglich. Eine stationäre multimodale<br />
Schmerztherapie, kodiert mit dem OPS-<br />
Kode 8-918, wird im DRG-System – abhängig<br />
von der zur Aufnahme führenden<br />
Erkrankung – mit folgenden DRG-Fallpauschalen<br />
abgerechnet (siehe Abb. unten).<br />
Die Anzahl der Patienten, die zur stationären<br />
multimodalen Schmerztherapie<br />
aufgenommen werden, nimmt seit Jahren<br />
kontinuierlich zu. Im Jahr 2007 erhielten<br />
zirka 12.800 Patienten mit chronischen<br />
Schmerzen im Bereich des Bewe gungsapparates<br />
eine stationäre multimodale<br />
Schmerztherapie, im Jahr 2010 waren es<br />
bereits knapp 20.000. Auch in den anderen<br />
Diagnosegruppen nimmt die Fallzahl<br />
von stationär behandelten chronischen<br />
Schmerzpatienten stetig zu.<br />
DRG Bezeichnung Bewertung<br />
I42Z<br />
B47Z<br />
U42Z<br />
Z44Z<br />
Multimodale Schmerztherapie bei Krankheiten<br />
<strong>und</strong> Störungen an Muskel-Skelett-System <strong>und</strong><br />
Bindegewebe<br />
Multimodale Schmerztherapie bei Krankheiten<br />
<strong>und</strong> Störungen des Nervensystems<br />
Multimodale Schmerztherapie bei psychischen<br />
Krankheiten <strong>und</strong> Störungen<br />
Multimodale Schmerztherapie bei Faktoren, die<br />
den Ges<strong>und</strong>heitszustand beeinflussen <strong>und</strong> anderer<br />
Inanspruchnahme des Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />
2012 2013<br />
1,281 1,278<br />
1,339 1,306<br />
Nicht<br />
bewertet<br />
Nicht<br />
bewertet<br />
1,499 1,308<br />
Anzahl abgerechneter DRGs<br />
bei stationär behandelten<br />
chronischen Schmerzpatienten<br />
2007 2008 2009 2010<br />
I42Z 12.818 15.417 17.468 19.975<br />
B47Z 3.858 4.412 5.160 5.502<br />
U42Z 2.239 2.432 3.188 4.083<br />
Z44Z 933 519 929 1.433<br />
Stationäre Therapie chronisch<br />
Erkrankter birgt Streitpotenzial<br />
Mit der zunehmenden Anzahl der stationär<br />
behandelten Patienten mit chronischen<br />
Schmerzen nimmt auch die Begutachtung<br />
dieser Fälle durch den MDK zu.<br />
Hierbei gibt es ein erhebliches Streitpotential.<br />
Da die Aufnahme zur stationären<br />
multimodalen Schmerztherapie anders<br />
als eine Rehabilitationsbehandlung nicht<br />
an ein aufwendiges Antragsverfahren<br />
geb<strong>und</strong>en ist, werden nur wenige Fälle<br />
von den Krankenkassen zur Vorabbegutachtung<br />
an den MDK gegeben; wesentlich<br />
häufiger ist eine Beauftragung des<br />
MDK zur Überprüfung der korrekten<br />
Abrechnung nach der Entlassung des<br />
Patienten. Die korrekte Kodierung des<br />
OPS-Kodes 8-918 (multimodale Schmerztherapie)<br />
setzt die Beachtung der im OPS<br />
beschriebenen Hinweise voraus. Die Fragen<br />
der Kostenträger beziehen sich dementsprechend<br />
auf die Notwendigkeit der<br />
stationären Aufnahme, das Vorliegen der<br />
patientenseitigen Voraussetzungen gemäß<br />
OPS, die korrekte Durchführung <strong>und</strong><br />
Dokumentation der im OPS geforderten<br />
Maßnahmen <strong>und</strong> nicht zuletzt auf die<br />
korrekte Anzahl der durchgeführten Therapieeinheiten.<br />
Konsenspapier als Antwort<br />
Häufigster Streitpunkt in der Begutachtung<br />
der stationären multimodalen Schmerztherapie<br />
ist die Notwendigkeit der stationären<br />
Aufnahme in ein Krankenhaus,<br />
gefolgt von den unterschiedlichen Auffassungen<br />
von Behandlern <strong>und</strong> Gutachtern<br />
zu den jeweiligen Mindestmerkmalen.<br />
Um das Konfliktpotential in der<br />
Begutachtung der stationären multimodalen<br />
Schmerztherapie zu reduzieren,<br />
wurde in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe<br />
von Mitgliedern des Berufsverbandes<br />
der Ärzte <strong>und</strong> Psychologischen<br />
Psychotherapeuten in der Schmerz- <strong>und</strong><br />
Palliativmedizin in Deutschland (BVSD<br />
e.V.) <strong>und</strong> Vertretern der Sozialmedizinischen<br />
Expertengruppe „Vergütung <strong>und</strong><br />
Abrechnung“ (SEG 4) ein Konsenspapier<br />
erarbeitet, das zur Klärung der strittigen<br />
Fragen beitragen soll. In diesem Papier<br />
sind die Gr<strong>und</strong>sätze, die sowohl für die<br />
klinisch tätigen Ärzte, als auch für die MDK-<br />
Gutachter gelten sollen, niedergelegt.<br />
Definition der multimodalen<br />
Schmertherapie<br />
OPS 8-918 („multimodale Schmerztherapie“)<br />
definiert eine „interdisziplinäre Behandlung“.<br />
Hierunter ist eine multidisziplinäre<br />
integrative Behandlung zu verstehen, bei<br />
der alle Therapeuten in das Team integriert<br />
sind <strong>und</strong> in deren Mittelpunkt der<br />
Patient steht. Mehrere Therapeuten verschiedener<br />
Fachdisziplinen („multidisziplinär“)<br />
arbeiten nicht nur „gleichzeitig<br />
am selben Patienten“, sondern eng<br />
untereinander vernetzt gemeinsam mit<br />
dem Patienten.<br />
OPS-Definition „multimodale Schmerztherapie“<br />
Exkl.: Multimodale schmerztherapeutische Kurzzeitbehandlung<br />
Hinw.: Mit einem Kode aus diesem Bereich ist eine mindestens siebentägige<br />
interdisziplinäre Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzzuständen<br />
(einschließlich Tumorschmerzen) unter Einbeziehung von mindestens zwei Fachdisziplinen,<br />
davon eine psychiatrische, psychosomatische oder psychologischpsycho<br />
therapeutische Disziplin, nach festgelegtem Behandlungsplan mit ärztlicher<br />
Behandlungsleitung zu kodieren. Die Patienten müssen mindestens drei der<br />
nachfolgenden Merkmale aufweisen:<br />
■ manifeste oder drohende Beeinträchtigung der Lebensqualität <strong>und</strong>/<br />
oder der Arbeitsfähigkeit<br />
■ Fehlschlag einer vorherigen unimodalen Schmerztherapie, eines<br />
schmerzbedingten operativen Eingriffs oder einer Entzugsbehandlung<br />
■ bestehende(r) Medikamentenabhängigkeit oder -fehlgebrauch<br />
■ schmerzunterhaltende psychische Begleiterkrankung<br />
■ gravierende somatische Begleiterkrankung<br />
Dieser Kode erfordert eine interdisziplinäre Diagnostik durch mindestens zwei<br />
Fachdisziplinen (obligatorisch eine psychiatrische, psychosomatische oder psychologisch-psychotherapeutische<br />
Disziplin) sowie die gleichzeitige Anwendung<br />
von mindestens drei der folgenden aktiven Therapieverfahren: Psychotherapie,<br />
Physiotherapie, Entspannungsverfahren, Ergotherapie, medizinische Trainingstherapie,<br />
sensomotorisches Training, Arbeitsplatztraining, künstlerische Therapie<br />
(Kunst- oder Musiktherapie) oder sonstige übende Therapien. Die Therapieeinheiten<br />
umfassen durchschnittlich 30 Minuten.<br />
Der Kode umfasst weiter die Überprüfung des Behandlungsverlauf durch ein<br />
standardisiertes therapeutisches Assessment, eine tägliche ärztliche Visite oder<br />
Teambesprechung <strong>und</strong> eine interdisziplinäre wöchentliche Teambesprechung.<br />
bei der Gruppentherapie ist die Gruppengröße auf maximal 8 Personen begrenzt.<br />
Die Anwendung dieses Kodes setzt die Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“<br />
bei der/dem Verantwortlichen voraus.<br />
Notwendigkeit der stationären<br />
Aufnahme<br />
Die Frage nach der Notwendigkeit einer<br />
Krankenhausbehandlung für die multimodale<br />
Schmerztherapie wird häufig<br />
sehr kontrovers diskutiert, da das Angebot<br />
ambulanter <strong>und</strong> ggf. rehabilitativer<br />
Behandlungen vorrangig in Anspruch zu<br />
nehmen ist. Für jede Art der multimodalen<br />
Schmerztherapie (stationär oder teilstationär)<br />
sind chronische Schmerzen,<br />
ggf. die akute Exazerbation eines chronischen<br />
Schmerzes, Gr<strong>und</strong>voraussetzung.<br />
Akute Schmerzen stellen keine Indikation<br />
für eine multimodale Schmerztherapie dar.<br />
Indikationen für eine vollstationäre Multimodale<br />
Schmerztherapie können sein:<br />
■ Begleiterkrankungen, die eine<br />
Überwachung mit den Mitteln des<br />
Krankenhauses erfordern<br />
■ Einschränkungen <strong>und</strong> Behinderungen,<br />
die eine intensive <strong>und</strong> umfassende<br />
ambulante Behandlung nicht<br />
zulassen (z. B. eingeschränkte<br />
Mobilität, limitierte Leistungsfähigkeit,<br />
eingeschränkte koordinative<br />
Fähigkeiten)<br />
■ erforderliche Intensivierung der<br />
Therapie (z. B. bei komplexem<br />
regionalen Schmerzsyndrom:<br />
Complex regional pain syndrome/<br />
CRPS)<br />
■ akute Exazerbation bei chronischem<br />
Schmerz (z.B. chronischer Rückenschmerzpatient<br />
mit akutem Bandscheibenvorfall)<br />
■ parallel zur multimodalen Schmerztherapie<br />
erforderliche Diagnostik<br />
oder Therapieeinleitung (z. B. wegen<br />
spezifischer Nebenwirkungen einer<br />
medikamentösen <strong>Neue</strong>instellung mit<br />
Überwachungsnotwendigkeit)<br />
■ erforderliche komplexe Diagnostik<br />
zur Erstellung eines langfristigen<br />
Behandlungsplanes.
12 NICHT SPEZIFISCHE RÜCKEN SCHMER ZEN<br />
BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 1 3 BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 13 NICHT SPEZIFISCHE RÜCKEN SCHMER ZEN 13<br />
Anzeige<br />
Patientenseitige Voraussetzungen<br />
Krankenhausseitige Voraussetzungen<br />
Patientenseitige Voraussetzungen<br />
(mindestens drei der nachfolgenden<br />
Merkmale müssen erfüllt sein)<br />
Dokumentation<br />
Krankenhausseitige Voraussetzungen<br />
Dokumentation<br />
manifeste oder drohende Beeinträchtigung<br />
der Lebensqualität <strong>und</strong>/oder der<br />
Arbeitsfähigkeit<br />
Fehlschlag einer vorherigen unimodalen<br />
Schmerztherapie, eines schmerzbedingten<br />
operativen Eingriffs oder<br />
einer Entzugsbehandlung<br />
bestehende(r) Medikamentenabhängigkeit<br />
oder Medikamentenfehlgebrauch<br />
schmerzunterhaltende psychische<br />
Begleiterkrankung<br />
gravierende somatische<br />
Begleiterkrankung<br />
z. B. durch MIDAS-Fragebogen oder<br />
im SF-36 oder durch<br />
Angaben zur Dauer der AUF<br />
z. B. durch einen Selbstauskunftsbogen<br />
oder eine ausführliche<br />
Anamnese, aus der die bisherigen<br />
ambulanten Behandlungen<br />
hervorgehen<br />
nachvollziehbare Dokumentation<br />
erforderlich (Medikamenten-,<br />
Abusus-, Suchtanamnese)<br />
eine chronische Schmerzstörung<br />
mit somatischen <strong>und</strong> psychischen<br />
Faktoren (F45.51) kann dabei nicht<br />
gleichzeitig Hauptdiagnose <strong>und</strong><br />
„schmerzunterhaltende psychische<br />
Begleiterkrankung“ sein<br />
eine gravierende somatische<br />
Begleiterkrankung ist eine<br />
Erkrankung, die eine Überwachung<br />
mit den besonderen Mitteln des<br />
Krankenhauses (ständige Arztpräsenz<br />
mit Interventionsbereitschaft)<br />
während der multimodalen<br />
Schmerztherapie erfordert<br />
Überprüfung des Behandlungsverlaufs durch<br />
ein standardisiertes therapeutisches Assessment<br />
eine tägliche ärztliche Visite oder<br />
Teambesprechung<br />
eine interdisziplinäre wöchentliche<br />
Teambesprechung<br />
eine interdisziplinäre wöchentliche<br />
Teambesprechung<br />
gleichzeitige Anwendung von mindestens<br />
drei der folgenden aktiven Therapieverfahren:<br />
Psychotherapie, Physiotherapie,<br />
Entspannungsverfahren, Ergotherapie,<br />
medizinische Trainingstherapie, sensomotorisches<br />
Training, Arbeitsplatztraining,<br />
künstlerische Therapie oder sonstige übende<br />
Therapien. Die Therapieeinheiten umfassen<br />
durchschnittlich 30 Minuten<br />
die Anwendung dieses Kodes setzt die<br />
Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“<br />
bei der/dem Verantwortlichen<br />
voraus<br />
nachvollziehbare behandlungstägliche Dokumentation von<br />
Veränderungen, entsprechend eingeleiteter Maßnahmen <strong>und</strong><br />
ggf. Korrekturen des Therapieplanes erforderlich. Das Behandlungskonzept<br />
muss erkennbar werden<br />
eine Visite oder Teambesprechung muss dokumentiert <strong>und</strong><br />
durch Handzeichen bestätigt sein<br />
eine Visite oder Teambesprechung muss dokumentiert <strong>und</strong><br />
durch Handzeichen bestätigt sein<br />
Namen der Teilnehmer mit Berufsbezeichnung, Inhalt der<br />
Teambesprechung, Handzeichen aller Teilnehmer erforderlich<br />
die eingesetzten Therapieverfahren müssen aktiv, übend sein;<br />
d. h. passive Verfahren wie physikalische Therapie sind nicht den<br />
Therapieeinheiten hinzuzurechnen.<br />
Die geforderte Mindestdauer von 30 Minuten für eine<br />
Therapieeinheit muss durchschnittlich erreicht werden; die<br />
tägliche Anwendung von drei verschiedenen Therapien ist<br />
aus dem Text des OPS formal nicht abzuleiten <strong>und</strong> wird nicht<br />
gefordert<br />
der für die Behandlungsleitung verantwortliche Arzt muss über<br />
die Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ verfügen.<br />
Ist kein Vertreter mit entsprechender Zusatzbezeichnung vorhanden<br />
<strong>und</strong> benannt, so kann in Zeiträumen der Abwesenheit des<br />
Verantwortlichen (z. B. Urlaub, Krankheit) keine Kodierung des<br />
OPS 8-918 erfolgen. Der Verantwortliche muss die Behandlung<br />
des Patienten leiten, z. B. in Form regelmäßiger Visiten <strong>und</strong> Teilnahme<br />
an der Teambesprechung<br />
Manche K<strong>und</strong>en<br />
sind seit Jahren<br />
bei uns. Andere<br />
schon seit<br />
Generationen.<br />
Private Exzellenz. Seit 1825.<br />
psychiatrische, psychosomatische oder<br />
psychologische Disziplin<br />
eine kontinuierliche Einbindung des psychiatrischen, psychosomatischen<br />
oder psychologisch-psychotherapeutischen Sachverstandes<br />
in die Behandlung ist zwingend erforderlich, Konsiliartätigkeit<br />
(z.B. zur Durchführung standardisierter Tests oder zur<br />
Diagnostik) ist nicht ausreichend<br />
Fachlich nicht begründet sind Forderungen<br />
nach einer vor der Aufnahme durchgeführten<br />
„invasiven Therapie“ des<br />
Schmerzes, einer ausgereizten Schmerztherapie<br />
nach „WHO-Stufenschema“<br />
sowie einer durchgeführten Therapie mit<br />
Opioiden. Auch bei Patienten mit somatoformer<br />
Schmerzstörung kann eine Stationäre<br />
Multimodale Schmerztherapie<br />
indiziert sein, allerdings ist bei dieser<br />
Patientengruppe einer psychosomatischen<br />
Behandlung der Vorzug zu geben.<br />
Die Notwendigkeit der stationären Aufnahme<br />
zur Schmerztherapie ist nach<br />
denselben Gr<strong>und</strong>sätzen wie bei anderen<br />
Schmerzpatienten zu prüfen.<br />
Dokumentation der<br />
Mindestmerkmale<br />
Der OPS-Kode 8-918 setzt patientenseitige<br />
<strong>und</strong> krankenhausseitige Mindestmerkmale<br />
voraus. Diese müssen in ge eigneter<br />
Weise zur Überprüfung dokum entiert<br />
werden (siehe Tabelle).<br />
Wichtige Änderungen im OPS<br />
Der OPS weist für das Jahr 2013 eine<br />
wesentliche Veränderung auf: die „psychologische“<br />
Disziplin wird in „psychologischpsychotherapeutische“<br />
Disziplin ge ändert.<br />
Wir gehen davon aus, dass auch weiterhin<br />
viele Krankenhausfälle, bei denen eine<br />
stationäre multimodale Schmerztherapie<br />
durchgeführt wurde, zur Begutachtung<br />
durch den MDK gelangen. Wir hoffen aber,<br />
dass die gemeinsam verabschiedeten<br />
Positionen das Konfliktpotenzial verrin-<br />
gern <strong>und</strong> somit weitergehende, auch ge richtliche, Streitigkeiten<br />
vermieden werden können.<br />
Literatur bei den Verfassern.<br />
Dr. Mechtild Hermes,<br />
Fachärztin für Chirurgie/Sozialmedizin,<br />
MDK Niedersachsen<br />
Dr. Rainer Schlosser,<br />
Facharzt für Anästhesie/Spezielle Schmerztherapie,<br />
MDK <strong>Bremen</strong><br />
Exzellentes Private Banking beginnt mit einem Anruf:<br />
0421 179-1825<br />
g
14 NICHT SPEZIFISCHE RÜCKENSCHMERZEN<br />
BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 1 3 BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 13 NICHT SPEZIFISCHE RÜCKENSCHMERZEN 15<br />
Wirtschaftliche Dimension<br />
chronischer Rückenschmerzen<br />
Im Jahr 2008 betrug die administrative Prävalenz des Kreuzschmerzes einer großen<br />
deutschen Krankenkasse r<strong>und</strong> 37 Prozent * . Im produktiven Altersbereich ist eine Häufung<br />
der Krankheitsfälle zu beobachten. * [Barmer GEK, 2012].<br />
Wenig verw<strong>und</strong>ert, dass diese Zahlen zu<br />
erheblichen Kosten im Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
führen. Nach einer Kostenanalyse<br />
von Wenig et al. aus dem Jahr 2009 führen<br />
Kreuzschmerzen in Deutschland zu<br />
jährlichen Kosten von unglaublichen 48,9<br />
Milliarden Euro, ein Betrag, der 2,2 Prozent<br />
des deutschen Bruttoinlandsproduktes<br />
ausmacht.<br />
Volkskrankheit „Rückenschmerz“<br />
Schon 2000/01 stellte das Sachverständigengutachten<br />
für die Konzertierte Aktion<br />
im Ges<strong>und</strong>heitswesen fest, dass Rückenleiden<br />
in Deutschland zu den häufigsten<br />
Beschwerdebildern in der Bevölkerung<br />
zählen. Dieses Gutachten führte die<br />
Begriffe „Überversorgung“, „Unterversorgung“<br />
<strong>und</strong> „Fehlversorgung“ nachhaltig<br />
in die deutsche Debatte ein. In dem<br />
Gutachten wird z. B. übereinstimmend<br />
eine Überversorgung im Bereich der diagnostischen<br />
bildgebenden Verfahren <strong>und</strong><br />
der operativen Behandlungen sowie eine<br />
Fehlversorgung bei den häufig durchgeführten,<br />
monomodalen interventionellen<br />
Injektionsbehandlungen festgestellt.<br />
Eine eklatante Unterversorgung <strong>und</strong> ein<br />
Mangel bestehen hingegen bei multimodalen,<br />
individuell angepassten Behandlungskonzepten.<br />
Die weit überwiegende Zahl von Rückenschmerzen<br />
wird heute als sogenannte<br />
„nicht spezifische Rücken schmerzen“<br />
angesehen. Nicht spezifisch bedeutet<br />
dabei, dass kein oder nur ein für die<br />
Schmerzsymptomatik irrelevanter pathologischer<br />
körperlicher Bef<strong>und</strong> identifiziert<br />
werden kann. Bei bereits fortgeschrittenen<br />
Krankheitsverläufen ist es<br />
zudem häufig schwierig, zwischen einer<br />
Schmerzen verursachenden Pathologie<br />
einerseits <strong>und</strong> normalen, altersbedingten<br />
Veränderungen andererseits zu<br />
unterscheiden. So relativiert sich z. B.<br />
der Nutzen bildgebender Verfahren, da<br />
die Bef<strong>und</strong>e oft kaum oder gar nicht mit<br />
Leistungsentwicklung Kreuzschmerz 2004– 2010<br />
€<br />
400.000<br />
350.000<br />
300.000<br />
250.000<br />
200.000<br />
150.000<br />
100.000<br />
50.000<br />
0<br />
2005 2006 2007 2008 2009 2010 Jahr<br />
Gesamtkosten für rückenschmerzbedingte stationäre Versorgung in Deutschland, Quelle: InEK,<br />
Zusammenstellung B. Arnold.<br />
dem klinischen Bild korrelieren (geringe<br />
Spezifität). Wiederholt haben Vergleiche<br />
zwischen Menschen mit <strong>und</strong> ohne Rückenschmerzen<br />
in der Bildgebung nur geringe bis<br />
gar keine Korrelationen zwischen klinischen<br />
<strong>und</strong> radio logischen Bef<strong>und</strong>en gezeigt.<br />
Untersuchung operativer Maßnahmen<br />
Bei der Betrachtung operativer Maßnahmen<br />
in der Behandlung von Rückenschmerzen<br />
gilt, dass es weder für Bandscheibenerkrankungen<br />
noch für die<br />
so genannte segmentale Instabilität, die<br />
bis heute nicht klar definiert oder im Hinblick<br />
auf konservative Therapiealternativen<br />
durch Studien gesichert ist, wissenschaftlich<br />
darstellbare Operations indikatoren<br />
gibt. Unumstritten sind operative Verfahren<br />
bei bestehender Kompression<br />
von Rückenmarksanteilen oder Nerven.<br />
Auffällig ist die eklatante Zu nahme der<br />
operativen Maßnahmen an der Wirbelsäule<br />
in den letzten Jahren (siehe Abbildung).<br />
Nicht nur Kritiker des derzeitigen<br />
Ges<strong>und</strong>heitssystems vermuten inzwischen<br />
falsche ökonomische Anreize im<br />
z.B. Equidurale Injektion<br />
Gesamt: ca. 725 Mio. €<br />
Bandscheiben-OP<br />
Gesamt: ca. 650 Mio. €<br />
Spondylodese dorsal<br />
Gesamt: ca. 1,5 Mrd. €<br />
Multimodal: 150 Mio. €<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesen als Ursache für diese<br />
über pro portionalen Steigerungen, wie<br />
z. B. Zielvereinbarungen von Krankenhausträgern<br />
mit Chef- <strong>und</strong> nachgeordneten<br />
Ärzten im Rahmen einer Vergütungsstruktur,<br />
die operative Maßnahmen massiv<br />
bevorteilt.<br />
Bewertung monomodaler interventioneller<br />
Behandlungen<br />
In Bezug auf monomodale interventionelle<br />
Behandlungen fällt auf, dass ein<br />
Effektivitätsnachweis dieser Verfahren<br />
bis heute nicht erbracht wurde. Beispielhaft<br />
stellte Nimier 2012 in einer Vergleichsuntersuchung<br />
fest, dass wiederholte<br />
interventionelle Behandlungen<br />
nicht zu einer Verbesserung der Schmerzerkrankung<br />
führten. Man vermutet vielmehr<br />
eine weitere Chronifizierung durch<br />
diese Maßnahmen, indem die psychosozialen<br />
Zusammenhänge, in denen Kreuzschmerzen<br />
entstehen <strong>und</strong> aufrechterhalten<br />
werden, vollständig außer Acht<br />
gelassen werden. Auch bei diesen Maßnahmen<br />
kam es in den vergangenen Jah-<br />
ren zu eklatanten Anstiegen (siehe Abbildung).<br />
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Multimodale Schmerzbehandlung<br />
Die Effektivität multimodaler Schmerzbehandlung<br />
in Bezug auf die Schmerzlinderung<br />
wurde in den vergangenen Jahren<br />
mehrfach wissenschaftlich belegt.<br />
Multimodale Schmerztherapie-Programme<br />
haben sich in Bezug auf andere Parameter,<br />
wie z. B. Behinderung, Lebensqualität<br />
<strong>und</strong> Back-to-work-Raten sogar als überlegen<br />
gegenüber herkömmlichen Therapien<br />
gezeigt. Ihre Kosteneffektivität,<br />
besonders bei nicht berenteten Patienten,<br />
wurde auch durch Krankenkassendaten<br />
belegt. Voraussetzungen dabei<br />
waren struktur- <strong>und</strong> prozessqualitative<br />
Merkmale wie ein interdisziplinäres<br />
Assessment, eine hohe Behandlungsintensität<br />
von mehr als 100 St<strong>und</strong>en, regelmäßige<br />
Teamsitzungen <strong>und</strong> die Fokussierung<br />
auf die Wiederherstellung der<br />
körperlichen <strong>und</strong> sozialen Funktionsfähigkeit.<br />
Aufgr<strong>und</strong> umfangreicher Daten<br />
stellt auch die Nationale Versorgungsleitlinie<br />
„Kreuzschmerz“ fest: „Personen mit<br />
chro ni schem Kreuzschmerz sind idealerweise<br />
im Rahmen multimodaler Programme<br />
zu behandeln. In diesen Programmen ist<br />
Edukation/Beratung ent scheidender Be -<br />
stand teil der Behandlung…“. Leider sind<br />
diese mit einer hohen Behandlungsintensität<br />
arbeitenden Programme bis<br />
heute eine Rarität (siehe Abbildung) oder<br />
werden von manchen Kostenträgern mit<br />
Reha-Programmen verwechselt.<br />
Wir bieten an unserem Standort <strong>Bremen</strong><br />
B·A·D Ges<strong>und</strong>heitsvorsorge <strong>und</strong> Sicherheitstechnik GmbH<br />
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Fehlversorgung von Rückenschmerz?<br />
Die Eingangsfrage, ob zur Zeit eine Fehlversorgung<br />
in der Behandlung chronischer<br />
Rückenschmerzen besteht, muss leider<br />
an Hand der oben genannten Daten klar<br />
bejaht werden. Die Ursachen sind einerseits<br />
in den fehlenden berufspolitischen<br />
<strong>und</strong> gesetzgeberischen Voraussetzungen<br />
zu finden, andererseits haben falsche<br />
ökonomische Anreize Auswirkungen auf<br />
die favorisierte Behandlung. Man kann<br />
hoffen, dass die NVL „Kreuzschmerz“ in<br />
absehbarer Zeit umgesetzt wird <strong>und</strong><br />
endlich ein Paradigmenwechsel stattfindet<br />
von monomodalen, vermeintlich<br />
körperliche Strukturveränderungen behandelnde<br />
Therapieformen, hin zu multimodalen<br />
Ansätzen, die zu einer veränderten<br />
subjektiven Bewertung der<br />
Beschwerden <strong>und</strong> zu einer Verbesserung<br />
der Funktionsfähigkeit der betroffenen<br />
Patienten führen. Diese Behandlungen<br />
sollten dann möglichst frühzeitig zum<br />
Einsatz kommen, um Chronifizierung zu<br />
verhindern. Hierzu fehlen nach wie vor<br />
die ökonomischen Voraussetzungen, vor<br />
allem im kassenärztlichen Bereich. Über<br />
die zu erwartenden <strong>und</strong> zu erhoffenden<br />
Steuerungsprozesse der Kostenträger<br />
sollte aber die korrekte Anwendung<br />
der <strong>Leitlinien</strong> zu einer Veränderung der<br />
Rückenschmerztherapie führen.<br />
Literatur beim Verfasser.<br />
Arbeits-/Betriebsmedizinern (m/w) oder<br />
Ärzten in Weiterbildung (m/w)<br />
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Interessiert? Dann freuen wir uns auf Ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen<br />
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Für Ihre Fragen stehen wir gerne telefonisch zur Verfügung.<br />
Dr. Hubertus Kayser,<br />
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Die B·A·D GmbH betreut mit mehr<br />
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16 AKADEMIE BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 1 3 BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 13<br />
I N TERN 17<br />
Senator setzt<br />
auf Selbstverwaltung<br />
Fit für den Facharzt<br />
Chirurgie<br />
Management der Peritonitis<br />
Referent: PD Dr. Wolfgang Sendt<br />
Termin: 5. März 2013, 18.00 – 19.30 Uhr<br />
Behandlung von Bauchwanddefekten<br />
Referent: PD Dr. Arnd S. Böhle<br />
Termin: 9. April 2013, 18.00 – 19.30 Uhr<br />
Innere Medizin<br />
Säure-Basen-Haushalt, chronisches <strong>und</strong> akutes Nierenversagen<br />
Referent: Prof. Dr. Stefan Herget-Rosentahl<br />
Termin: 5. März 2013, 19.00 – 20.30 Uhr<br />
Radiologie<br />
MRT des weiblichen Beckens: Tumore <strong>und</strong><br />
interventionelle Therapie<br />
Referent: Dr. Roland Kindinger<br />
Termin: 19. März 2013, 18.00 – 19.30 Uhr<br />
Bremer Curriculum für Spezielle Psychotraumatherapie<br />
Juristische Gr<strong>und</strong>kenntnisse in der Traumabehandlung<br />
Termin: 07. März 2013, 17.00 – 20.30 Uhr<br />
Kosten: 45,- Euro (4 PKT)<br />
EMDR-Einführungsseminar<br />
Termin: 27. – 29. September 2013,<br />
Praxistag 16. November 2013<br />
Kosten: 670,- Euro (33 PKT)<br />
Arbeitskreis Hämotherapie<br />
Herr Prof. Kiefel aus Rostock beendet mit einem Beitrag zur<br />
Posttransfusionellen Purpura die Vortragsfolge zu den Transfusionreaktionen.<br />
Anschließend wird er alle wesentlichen<br />
Aspekte zur Thrombozytentransfusion erläutern. Herr Prof.<br />
Kiefel leitet die Abteilung Transfusionsmedizin der Universität<br />
Rostock <strong>und</strong> ist Herausgeber des deutschen Standard-Lehrbuchs<br />
„Transfusionsmedizin“.<br />
Termin: 4. April 2013, 19.00 – 21.00 Uhr<br />
Die Veranstaltung ist kostenfrei (2 PKT)<br />
Krankenhaushygiene<br />
Strukturierte curriculare Fortbildung der B<strong>und</strong>esärztekammer<br />
in Kooperation mit den <strong>Ärztekammer</strong>n Hamburg <strong>und</strong><br />
Schleswig-Holstein.<br />
Termine: 8. – 12. April, 12. – 16. August, 28. Okt. – 1. Nov. 2013,<br />
13. – 17. Januar, 5. – 9. Mai 2014 (5 Module, insges. 160 Std.)<br />
Veranstaltungsort: Akademie für ärztliche Fortbildung,<br />
<strong>Ärztekammer</strong> Hamburg<br />
Kosten: 695,- Euro/Modul (160 PKT)<br />
Anmeldung: www.aerztekammer-hamburg.de<br />
Betriebsmedizinische <strong>und</strong> sicherheitstechnische<br />
Aspekte in der Arztpraxis<br />
Termin: 17. April 2013, 14.00 – 19.00 Uhr<br />
Kosten: 195,- Euro (7 PKT)<br />
Qualifikation zur genetischen Beratung<br />
Kooperationsveranstaltung mit der Genetischen<br />
Beratungsstelle der Universität <strong>Bremen</strong><br />
Vor <strong>und</strong> nach jeder pränatalen <strong>und</strong> prädiktiven genetischen<br />
Unter suchung müssen Patienten beraten werden. Dies ist im<br />
Gendiagnostikgesetz geregelt. Wir bieten Ihnen fachgeb<strong>und</strong>en<br />
für Internisten, Hämato-/Onkologen <strong>und</strong> Chirurgen ein<br />
Repetitorium <strong>und</strong> Fälle, damit Sie Ihr Wissen auffrischen <strong>und</strong><br />
aktualisieren können. Anschließend nehmen Sie an einer<br />
Wissenskon trolle teil. Mit der bestandenen Wissenskontrolle<br />
erhalten Sie den gesetzlich vorgeschriebenen Qualifikationsnachweis.<br />
Termin: 24. April 2013, 15.30 – 21.30 Uhr<br />
Kosten: 50,- Euro (6 PKT)<br />
Patienten aus Bulgarien <strong>und</strong> Rumänien in Deutschland –<br />
eine Herausforderung für das Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
Wenn im Wartezimmer Menschen erscheinen, die aus Bulgarien<br />
oder Rumänien stammen, kommt es häufig zu Komplikationen.<br />
Ihre europäische Krankenversicherung, soweit sie<br />
vorhanden ist, kennt man hierzulande nicht. Der Bremer Rat<br />
für Integration <strong>und</strong> die <strong>Ärztekammer</strong> <strong>Bremen</strong> laden zu einer<br />
Informationsveranstaltung ein.<br />
Termin: 8. Mai 2013, 16.00 – 18.30 Uhr<br />
Die Veranstaltung ist kostenfrei (3 PKT)<br />
Herausfordernde Gespräche mit Patienten<br />
<strong>und</strong> Angehörigen meistern<br />
Termin: 16. – 18. Mai 2013, Do. 17.30 – Sa. 14.00 Uhr,<br />
Vertiefungstag Anfang 2014<br />
Veranstaltungsort: <strong>Ärztekammer</strong> <strong>Bremen</strong><br />
Kosten: 180,- Euro (23 PKT)<br />
Moderatorentraining<br />
Wenn ich dann nicht weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis.<br />
Aber wie kommt die Qualität in den Zirkel? Lernen Sie<br />
Techniken der Moderation, Umgang mit Flip-Chart <strong>und</strong> Moderatorenwand<br />
<strong>und</strong> profitieren Sie von zufriedenen Teilnehmern<br />
<strong>und</strong> dokumentierten Ergebnissen.<br />
Termin: 07. – 08. Juni 2013, Freitag 17.00 – 21.00 Uhr,<br />
Samstag 9.00 – 18.00 Uhr,<br />
Kosten: 230,- Euro (17 PKT )<br />
Die Veranstaltungen finden, sofern nicht anders angegeben,<br />
im Fortbildungszentrum der <strong>Ärztekammer</strong> <strong>Bremen</strong><br />
am Klinikum <strong>Bremen</strong>-Mitte statt. Bei allen Veranstaltungen<br />
ist eine vorherige schriftliche Anmeldung notwendig.<br />
Nähere Informationen <strong>und</strong> Anmeldeunterlagen erhalten<br />
Sie bei der Akademie für Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung,<br />
Tel.: 0421/3404-261/262; E-Mail: fb@aekhb.de<br />
(Friederike Backhaus, Yvonne Länger)<br />
Die fünf heilberuflichen Körperschaften hatten am 16. Januar zum Neujahrsempfang in das Haus<br />
der KV <strong>Bremen</strong> eingeladen. Es war eine Veranstaltung, die für eine gewisse Abwechslung sorgte.<br />
Denn mit Dr. Hermann Schulte-Sasse trat der dritte Ges<strong>und</strong>heitssenator im dritten Jahr auf.<br />
2012 war es Renate Jürgens-Pieper, die beim Neujahrsempfang<br />
der heilberuflichen Körperschaften ihren ges<strong>und</strong>heitspolitischen<br />
Einstand gab. In diesem Jahr stand der frisch ernannte<br />
Ges<strong>und</strong>heitssenator Hermann Schulte-Sasse am Rednerpult. Ob<br />
sich der Ex-Staatsrat bewusst von seiner Vorgängerin abheben<br />
wollte oder nicht, kann nur er beantworten. Er tat es allerdings<br />
deutlich. Während sich im Vorjahr Jürgens-Pieper mitten im großen<br />
Keim-Skandal kämpferisch <strong>und</strong> fordernd gab („Ich werde<br />
mich einmischen“), wählte Schulte-Sasse eher ruhige <strong>und</strong> integrative<br />
Formulierungen. So sei die ärztliche Selbstverwaltung<br />
in Deutschland ein Erfolgsmodell, das im Ausland bew<strong>und</strong>ert<br />
werde. Sobald der Staat tätig werde, würden „die Ergebnisse<br />
nicht besser werden“, betonte der Senator. Was für Deutschland<br />
gilt, gelte insbesondere für <strong>Bremen</strong>. Probleme würden hier auf<br />
kurzem Wege geregelt <strong>und</strong> nicht an die große Glocke gehängt.<br />
Und schließlich versprach der neue Ges<strong>und</strong>heitssenator sich<br />
„gar nicht oder nur sehr selten“ als Aufsicht in die Belange der<br />
ärztlichen Selbstverwaltung einzumischen. Diese Formulierung<br />
dürfte von den anwesenden Vertretern der Körperschaften,<br />
Kammern <strong>und</strong> ärztlichen Verbänden mit großem Interesse aufgenommen<br />
worden sein. Und möglicherweise wird der Senator<br />
schon bald an seinen eigenen Worten gemessen werden. Denn<br />
im Zuge der Reform der Bedarfsplanung kommt den B<strong>und</strong>esländern<br />
bei der Planung der ambulanten <strong>und</strong> sektorenübergreifenden<br />
Versorgung eine neue Rolle zu, die einige Länder durchaus<br />
offensiv auslegen.<br />
Trotz der vielen versöhnlichen Worte gab Schulte-Sasse auch<br />
programmatische Parolen aus. So verteidigte er die Reform der<br />
Krankenhausfinanzierung <strong>und</strong> die Einführung des DRG-Systems.<br />
Der einzige Fehler sei, dass keine Evaluation vorgesehen sei.<br />
Um dies zu ändern, werde er sich auf B<strong>und</strong>esebene einsetzen.<br />
Mit Neugierde warteten die Zuhörer darauf, dass Schulte-Sasse<br />
einige Sätze über die Finanzierungslücken beim Neubauprojekt<br />
am Klinikum-Mitte fallen lässt. Hier schwieg sich der Senator<br />
allerdings aus. Dafür ließ der zweite Festredner, Dr. Jörg Hermann,<br />
Vorstandsvorsitzender der KV <strong>Bremen</strong>, eine verbale<br />
Spitze los. Hermann verglich den Bremer Klinikanbau mit dem<br />
Flughafenneubau Berlin-Brandenburg. Mit Blick auf die ambulante<br />
Öffnung der Kliniken nach § 116b SGB V <strong>und</strong> der Gründung<br />
von Klinik betriebenen MVZ warnte der KV-Chef vor einem<br />
„Wettbewerb à la Lauterbach“ im Ges<strong>und</strong>heitswesen. „Es wird<br />
immer nach so viel Wettbewerb gerufen, wie es gerade einer<br />
bestimmten Interessengruppe nützlich ist.“<br />
Christoph Fox,<br />
KV-<strong>Bremen</strong><br />
Dr. Hermann Schulte-Sasse,<br />
Bremer Ges<strong>und</strong>heitssenator<br />
Dr. Jörg Hermann,<br />
Vorstandvorsitzener der KV <strong>Bremen</strong><br />
Karl Heinz Schrömgens, Dr. Hermann Schulte-Sasse, Dr. Jörg Hermann,<br />
Dr. Heidrun Gitter, Dr. Dirk Mittermeier <strong>und</strong> Dr. Wolfgang Menke (von links)
18 AKTUELLES<br />
BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 1 3 BREMER ÄRZTEJOURNAL 03| 13<br />
RECHT 19<br />
<strong>Bremen</strong> fördert berufliche<br />
Weiterbildung<br />
Mit dem Bremer Weiterbildungsscheck gibt es einen finanziellen<br />
Zuschuss zu den Kosten beruflicher Weiterbildung von bis zu<br />
500 Euro pro Kurs. Er kann entweder von Arbeitnehmer/innen<br />
oder von Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitenden beantragt<br />
werden. Voraussetzung für die Förderung von Einzelpersonen<br />
ist ein Bruttoeinkommen von bis zu 25.600 € (51.200 € bei<br />
gemeinsam lebenden Paaren) pro Jahr. Eine Förderung der Weiterbildungsmaßnahme<br />
durch die Agentur für Arbeit <strong>und</strong> das<br />
Jobcenter muss ausgeschlossen sein. Arbeitnehmer/innen<br />
erhalten ihren Weiterbildungsscheck nach einem persönlichen<br />
Beratungsgespräch bei der Arbeitnehmerkammer. Als Unternehmer<br />
mit maximal 50 Mitarbeiter/innen können Sie bis zu<br />
zehn Weiterbildungsschecks im Jahr beantragen, um Ihre Mitarbeitenden<br />
zu qualifizieren. Sie erhalten den Scheck nach einem<br />
persönlichen Beratungsgespräch bei der Handelskammer. Allgemeine<br />
Informationen sind im Internet unter: www.bremen.<br />
de/weiterbildungsberatung zu finden.<br />
Vorsicht:<br />
Schmerzmittelbetrug!<br />
Aus einer Bremer<br />
Hausarztpraxis erhielten<br />
wir folgenden Hinweis:<br />
Eine Patientin, 43 Jahre, am Stock gehend, stellte sich im Mai<br />
2012 in einer Bremer Praxis vor. Sie gab an, ein metastasiertes<br />
Kolon CA zu haben (Hirnmetastasen, Knochenmetastasen, austherapiert).<br />
Sie wäre eigentlich in Hamburg in Behandlung, sie<br />
könne aber nicht mehr dorthin reisen. Sie brauche ständig<br />
Schmerzmittel (Fentanylpflaster, Morphinampullen, Morphintab-<br />
Ausschreibung<br />
Weitere Informationen für Arbeitnehmer/innen<br />
Arbeitnehmer/innen im Land <strong>Bremen</strong> wenden sich für<br />
weitere Informationen an die Arbeitnehmerkammer<br />
<strong>Bremen</strong>, Bürgerstr. 1, 28195 <strong>Bremen</strong>.<br />
E-Mail:<br />
weitermitbildung-arbeitnehmerkammer@arbeit.bremen.de<br />
Telefon: 0421/36 301-432<br />
Weitere Informationen für Unternehmen<br />
Unternehmen im Land <strong>Bremen</strong> kontaktieren die<br />
Handelskammer <strong>Bremen</strong>, Hinter dem Schütting 8,<br />
28195 <strong>Bremen</strong>.<br />
E-Mail:<br />
weitermitbildung-handelskammer@arbeit.bremen.de<br />
Telefon: 0421/3637-422<br />
Vertragsarztsitze<br />
<strong>und</strong> Vertragspsychotherapeutensitze<br />
Die Kassenärztliche Vereinigung <strong>Bremen</strong> schreibt gemäß §103 (4) SGB V zur Übernahme<br />
durch einen Nachfolger aus:<br />
Ärzte<br />
Für den Planungsbereich <strong>Bremen</strong>-Stadt:<br />
■ einen hausärztlichen Vertragsarztsitz<br />
letten in großen Mengen). Untermauert wurde die Ge schichte<br />
durch Anrufe einer „behandelnden Onkologin“ aus Hamburg, die<br />
es aber laut Auskunft der <strong>Ärztekammer</strong> Hamburg dort nicht gibt.<br />
Es stellte sich heraus, dass die Patientin seit Jahren in <strong>Bremen</strong><br />
<strong>und</strong> in Hamburg bekannt ist. Sie hat schon zahlreiche Ärzte<br />
aufgesucht, ist diagnostiziert mit einem Münchhausensyndrom<br />
<strong>und</strong> Morphinabhängigkeit. Während sie in der genannten<br />
Bremer Praxis war, war sie noch bei sieben weiteren Ärzten in<br />
Behandlung. Die Patientin braucht psychiatrische Hilfe.<br />
Vorabinformationen können bei der Kassenärztlichen Vereinigung <strong>Bremen</strong> erfragt werden bei:<br />
Manfred Schober Telefon: 0421-3404-332 Martina Plieth Telefon: 0421-3404-336<br />
Bewerbungen um die Vertrags sitze sind schriftlich bis zum 01.03.2013 (Eingang bei der KV)<br />
an die Kassen ärztliche Ver einigung <strong>Bremen</strong>, Schwachhauser Heerstraße 26/28, 28209 <strong>Bremen</strong>,<br />
zu richten.<br />
Eine kleine Strafkammer des Landgerichts<br />
Köln (151 Ns169/11) hatte mit<br />
rechtskräftigem Urteil vom 7. Mai 2012<br />
die Auffassung vertreten: Bei der religiös<br />
begründeten, nach den Regeln der<br />
ärztlichen Kunst mit Zustimmung der<br />
sorgeberechtigten Eltern durchgeführten,<br />
Beschneidung eines vierjährigen<br />
Jungen handelte es sich um eine rechtswidrige<br />
Körperverletzung (§ 223 Abs.<br />
1 StGB). Die erfolgte Einwilligung der<br />
Eltern wurde von dem Gericht als ,,unbeachtlich“<br />
erklärt, weil die Beschneidung<br />
nicht dem Kindeswohl diene. Der Gesetzgeber<br />
hat als Reaktion auf das Urteil in<br />
dem ,,Gesetz über den Umfang der Personensorge<br />
bei einer Beschneidung des<br />
männlichen Kindes“ klargestellt (§ 1631<br />
d BGB): Die Personensorge der Eltern<br />
umfasst gr<strong>und</strong>sätzlich auch das Recht,<br />
bei Einhaltung bestimmter Anforderungen,<br />
in eine medizinisch nicht indizierte<br />
Beschneidung ihres nicht einsichts- <strong>und</strong><br />
urteilsfähigen Sohnes einzuwilligen. Ausnahmsweise<br />
soll dies dann nicht gelten,<br />
wenn im Einzelfall durch die Beschneidung<br />
auch unter Berücksichtigung ihres<br />
Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.<br />
Die Beschneidung muss aufgr<strong>und</strong> der<br />
neuen gesetzlichen Bestimmungen ,,nach<br />
den Regeln der ärztlichen Kunst“ durchgeführt<br />
werden. Ausnahmsweise darf die<br />
Beschneidung auf der Basis der gesetzlichen<br />
Bestimmungen in den ersten sechs<br />
Monaten nach der Geburt des Kindes<br />
auch von einer dazu vorgesehenen Person<br />
einer Religionsgesellschaft durchgeführt<br />
werden. Sie muss für den Eingriff<br />
besonders ausgebildet <strong>und</strong>, ohne als Arzt<br />
approbiert zu sein, für die Durchführung<br />
des Beschneidens ,,vergleichbar befähigt“<br />
sein. Mediziner, die den Eingriff vornehmen,<br />
sollten die folgenden Gr<strong>und</strong>sätze<br />
einhalten:<br />
■ Fachgerechte Durchführung des Eingriffs,<br />
also Einhaltung des den aktuellen<br />
Erkenntnissen entsprechenden ärztlichen<br />
Standards.<br />
■ Effektive Schmerzbehandlung, die<br />
Voraussetzung für die Berechtigung<br />
der Eltern zur Einwilligung in die<br />
Be schneidung ist. Die „Regeln der ärztlichen<br />
Kunst“ gebieten eine im Einzelfall<br />
angemessene <strong>und</strong> wirkungs volle<br />
Betäubung <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich eine für<br />
den Patienten möglichst schonende<br />
Durchführung der Beschnei dung.<br />
■ Umfassende Aufklärung der Eltern:<br />
Sie ist Wirksamkeitsvoraussetzung für<br />
deren vor dem Eingriff zu erteilende<br />
Einwilligung in die Beschneidung des<br />
männlichen Kindes. Gerade bei einem<br />
nicht medizinisch indizierten Eingriff<br />
in die körperliche Unversehrtheit ist<br />
eine ordnungsgemäße <strong>und</strong> besonders<br />
umfassende Aufklärung notwendig.<br />
Die Aufklärung umfasst auch die Kosten<br />
der Beschneidung <strong>und</strong> eventuell<br />
erforderlicher Nachbehandlungen. Ist<br />
die Beschneidung nicht medizinisch<br />
indiziert, haben die Eltern die Kosten<br />
Autor dieser Rubrik ist der<br />
Bremer Rechtsanwalt <strong>und</strong> Notar<br />
Wolf Martin Nentwig. Er zeichnet<br />
verantwortlich für den Inhalt.<br />
Kontakt:<br />
nentwig@castringius.de<br />
Beschneidung des männlichen Kindes –<br />
Gesetzesänderung in Kraft<br />
IMPRESSUM<br />
Bremer Ärztejournal<br />
Offizielles Mitteilungsorgan der<br />
<strong>Ärztekammer</strong> <strong>Bremen</strong> <strong>und</strong><br />
der Kassenärztlichen Vereinigung <strong>Bremen</strong>;<br />
ISSN 1432-2978<br />
www.bremer-aerztejournal.de<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Ärztekammer</strong> <strong>Bremen</strong>,<br />
Schwachhauser Heerstraße 30,<br />
28209 <strong>Bremen</strong>, www.aekhb.de<br />
Kassenärztliche Vereinigung <strong>Bremen</strong>,<br />
Schwachhauser Heerstraße 26/28,<br />
28209 <strong>Bremen</strong>, www.kvhb.de<br />
Für den Inhalt verantwortlich:<br />
Franz-Josef Blömer, Günter Scherer<br />
Autoren dieser Ausgabe:<br />
Christoph Fox, Dr. Mechtild Hermes, Dr. Hubertus<br />
Kayser, Olaf Klünder, Wolf Martin Nentwig,<br />
Dr. Thomas Liebsch, Dr. Hannelore Schütte-Mönnig,<br />
Dr. Rainer Schlosser<br />
Redaktion:<br />
Andrea Klingen (Ltg.), Birka Ließ, Ulf Meyer,<br />
Friedemann Wiede, Claudia Renner<br />
Bildnachweis:<br />
Der Senator für Wirtschaft, Arbeit <strong>und</strong> Häfen,<br />
Fotolia: © Robert Kneschke, © ag visuell, © Nikki<br />
Zalewski, © mangostock, © Kzenon<br />
selbst zu tragen. Eine Abrechnung<br />
über die KV kommt gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
nicht in Betracht. Sind Nachbehandlungen<br />
medizinisch notwendig, weil<br />
die Beschneidung zu Komplikationen<br />
führt, kann der Nachbehandler seine<br />
Tätigkeit über die KV abrechnen. Die<br />
gesetzliche Krankenkasse kann den<br />
gesetzlich versicherten Patienten bzw.<br />
dessen Eltern aber an den Kosten<br />
be teiligen. Auf dieses Kostenrisiko<br />
muss bereits der Arzt hinweisen, der<br />
die Beschneidung durchführt.<br />
■ Der Wille des betroffenen Jungen ist,<br />
sofern er schon gebildet werden kann,<br />
in die Entscheidung einzubeziehen,<br />
insbesondere im Hinblick darauf, dass<br />
die Folgen des Eingriffs nicht rückgängig<br />
gemacht werden können. Auch<br />
unterhalb der Schwelle von Einsichts<strong>und</strong><br />
Urteilsfähigkeit ist ein ernsthaft<br />
<strong>und</strong> unmissverständlich zum Ausdruck<br />
gebrachter entgegenstehender<br />
Wille des Kindes nicht irrelevant <strong>und</strong><br />
die Eltern des Kindes müssen sich mit<br />
diesem entgegenstehenden Kindeswillen<br />
auseinandersetzen. Es empfiehlt<br />
sich auch bei diesem ärztlichen<br />
Eingriff eine sorgfältige Dokumentation,<br />
um in einem späteren Konfliktfall<br />
ärztlicherseits die Einhaltung aller<br />
gesetzlichen Vorschriften belegen zu<br />
können. Aus Beweisgründen sollte ein<br />
an dem Eingriff teilnehmender Assistent<br />
in den ärztlichen Aufzeichnungen<br />
namentlich benannt werden.<br />
Verlag:<br />
Peter Schoppe Verlag,<br />
Mandelnstraße 6, 38100 Braunschweig<br />
Tel. 0531/23748-99, Fax 0531/23748-10<br />
Verantwortlich für die Anzeigen:<br />
Matzke & Heinzig GmbH,<br />
Claudia Renner,<br />
Mandelnstraße 6, 38100 Braunschweig,<br />
Tel. 0531/23748-0<br />
www.bremer-aerztejournal.de<br />
Zurzeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. I/13,<br />
gültig ab 1. Januar 2013.<br />
Druck: Druckerei Schäfer
Postvertriebsstück H 42085, Deutsche Post AG, Entgelt bezahlt.<br />
<strong>Ärztekammer</strong> <strong>Bremen</strong>, Schwachhauser Heerstraße 30, 28209 <strong>Bremen</strong><br />
Stellenmarkt<br />
Kollege/in gesucht<br />
Hausärztlich <strong>und</strong> diabetologische<br />
Praxis im Raum Verden sucht<br />
nette/n Kollegen/in zur Mitarbeit<br />
halbtags oder ggf. mehr. Nettes<br />
Team, flexible Arbeitszeiten.<br />
Chiffre 130303<br />
Biete Mitarbeit<br />
(Anstellung) für PP (VT für Erw.)<br />
für ca. 10 Std. d. W.<br />
praxisreichelt@yahoo.de<br />
Tel. 0421/27819992<br />
FÄ/FA gesucht<br />
FÄ/FA Frauenheilk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Weiterbildungsass.<br />
zum 1.4.2013<br />
oder früher in Bremerhaven von<br />
tollem Team gesucht.<br />
www.dr-geller.de<br />
Telefon 0471/44433<br />
Anästhesist/in gesucht<br />
für ambulante Narkosen an 2-3<br />
Tagen in der Woche. KV-Sitz<br />
nicht erforderlich, aber kein<br />
Hindernis. Ort: Bremerhaven.<br />
Chiffre 130301<br />
FÄ/FA Allgemeinmed. / Innere<br />
für internistisch-onkologische Hausarztpraxis Nähe <strong>Bremen</strong>/<br />
Oldenburg gesucht. Breites Spektrum (Allgemein, Innere,<br />
Onkologie, Palliativ-ü, Rettungsmed.). Umsatzstarke Praxis,<br />
Teilzeit möglich, Kooperation möglich.<br />
Tel. 0173/6448230 oder 04221/6996<br />
Kollegin/Kollege gesucht<br />
Allgemeinarztpraxis in <strong>Bremen</strong>-Nord sucht Kollegin/Kollegen zur<br />
Anstellung in Teil- oder Vollzeit, spätere Praxisübernahme möglich.<br />
Chiffre 130309<br />
Praxisräume<br />
Akupunktur<br />
Das Institut für chinesische Medizin sucht für 8-12 Tage im Jahr<br />
(langfristig planbar) eine/n Arzt/Ärztin mit relevanter Qualifikation.<br />
Gerne Kollege/in in Rente oder Erziehungszeit.<br />
Tel. 0421/699139-10, Frau Fröhlich<br />
Hausärztliche Unterstützung<br />
im Bremer Umland gesucht<br />
1/2 kassenärztl./ 1/2 privatärztl. Tätigkeit zur Stärkung<br />
unseres Zentrums f. Ges<strong>und</strong>heit in Achim-Baden gesucht.<br />
www.zfges<strong>und</strong>heit.de, info@zfges<strong>und</strong>heit.de,<br />
Tel. 04202/5232723<br />
Suche KV-Sitz<br />
für psychotherapeutisch<br />
tätigen Arzt<br />
Tel. 0421/6960845<br />
Gynäkologin sucht<br />
Tätigkeit (halbtags) in Praxis<br />
oder MVZ.<br />
Chiffre 130302<br />
Gemeinschaftspraxis Schüttenriehe<br />
Wir sind eine hausärztliche Gemeinschaftspraxis in <strong>Bremen</strong> Huchting<br />
mit einem diabetologischen Schwerpunkt. Unsere Praxis ist gewachsen.<br />
Zum 1.4.2013 suchen wir eine/n vierte/n Ärztin/Arzt. (Teilhabe<br />
oder angestellt mit der Option auf Partnerschaft)<br />
Jürgen Biesewig, An der Schüttenriehe 18,<br />
28259 <strong>Bremen</strong>, Tel. 0421/583511,<br />
praxisschuettenriehe@gmx.de<br />
Anästhesist/in gesucht<br />
Sie sind ein/e in allen Narkoseverfahren erfahrene/r Anästhesist/in<br />
<strong>und</strong> blicken auf eine mehrjährige Tätigkeit nach dem Facharzt zurück.<br />
Vielleicht ist die Zeit reif für eine Veränderung <strong>und</strong> Sie können sich<br />
ein selbstständiges Arbeiten in einem motivierten Team einer<br />
Anästhesiepraxis im ambulanten <strong>und</strong> stationären Setting vorstellen?<br />
Bei Eignung spätere Partnerschaft möglich!<br />
Bitte aussagekräftige Bewerbung unter:<br />
Chiffre 130305<br />
Chirurgie-Orthopädie-Unfallchirurgie<br />
Einstieg in große Gemeinschaftspraxis mit voller oder halber<br />
Zulassung. Ambulante <strong>und</strong> stationäre Operationen.<br />
Voraussetzung zum D-Arzt-Verfahren erforderlich.<br />
Chiffre 130307<br />
Ärztehaus <strong>Bremen</strong> Langemarckstraße<br />
EG/UG, 130 qm, neu renovierte <strong>und</strong><br />
eingerichtete Praxis für allgemein Med. oder andere Fachrichtungen.<br />
Miete 400,- €, keine Umzugskosten.<br />
Hohentor-Aphotheke, Tel. 0421/8093212<br />
Sonstiges<br />
Praxisabgabe<br />
Umsatzstarke internistischnaturheilk<strong>und</strong>lich<br />
ausgerichtete<br />
Allgemeinpraxis im östlichen<br />
<strong>Bremen</strong> 2013 abzugeben.<br />
A.-praxis-HB@t-online.de<br />
Psychiatrisch-psychotherapeutische Praxis<br />
gut eingeführt, umsatzstark, verkehrsgünstig gelegen,<br />
zum 3. Quartal 2013 zu verkaufen.<br />
Chiffre 130306<br />
Praxisabgabe<br />
Anfang 2014 od. 2015<br />
Privatpraxis Homöopathie HB-<br />
Fesenfeld sucht Nachfolger(in)<br />
Chiffre 130304<br />
Fortbildung<br />
www.westerland-seminar.de<br />
Hausärztlichinternistische<br />
Praxis<br />
in <strong>Bremen</strong>, gute Lage,<br />
abzugeben in 2013.<br />
Chiffre 130308<br />
Zuschriften auf Chiffre- Anzeigen bitte an:<br />
Matzke & Heinzig GmbH, Chiffre-Nr.:<br />
Mandelnstraße 6, 38100 Braunschweig,<br />
Tel. 0531/23748-56, Fax 0531/23748-10<br />
Kleinanzeigenschluss Heft 04/12: 14.03.2013<br />
Anzeigenformular als Faxvorlage unter<br />
www.bremer-aerztejournal.de