07. Gashähne - unirep - Humboldt-Universität zu Berlin
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<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />
BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2002, BGHSt 48, 147 – <strong>Gashähne</strong><br />
Sachverhalt: Anton, der in einem 12-Familien-Haus wohnt, will sich<br />
das Leben nehmen und öffnet <strong>zu</strong> diesem Zweck in seiner Wohnung<br />
sämtliche <strong>Gashähne</strong>. Daran, dass es durch das Ausströmen des Gases<br />
<strong>zu</strong> einer Gefährdung anderer Mitbewohner kommen könnte, denkt er<br />
in diesem Moment nicht. Nach einer gewissen Zeit wird ihm jedoch<br />
klar, dass nach seinem Ableben das Gas noch weiter ausströmen wird<br />
und dies <strong>zu</strong> einer Gefährdung der übrigen Menschen, die sich im Haus<br />
aufhalten, führen könnte, insbesondere, wenn sich das Gas entzünden<br />
würde und es dadurch <strong>zu</strong> einer Explosion käme. Dies ist ihm <strong>zu</strong>erst<br />
allerdings gleichgültig, weil er nur daran denkt, sein primäres Ziel der<br />
Selbsttötung <strong>zu</strong> erreichen. Nach einiger Zeit kommen ihm aber Bedenken<br />
und er ruft bei der Feuerwehr an, nennt seinen Namen und<br />
seine Anschrift und bittet sie, für die Rettung seiner Mitbewohner <strong>zu</strong><br />
sorgen. Der Aufforderung, selbst die <strong>Gashähne</strong> <strong>zu</strong><strong>zu</strong>drehen und die<br />
Fenster <strong>zu</strong> öffnen, kommt er nicht nach, da er immer noch sterben will<br />
und meint, dass bis <strong>zu</strong>m Eintreffen der Feuerwehr zwar er selbst tot<br />
sein würde, eine Tötung anderer Hausbewohner bis dahin aber ausgeschlossen<br />
sein dürfte. Wenig später wird Anton bewusstlos. Die alsbald<br />
eintreffende Feuerwehr kann ihn jedoch retten und verhindern,<br />
dass weitere Personen <strong>zu</strong> Schaden kommen.<br />
Thema: Rücktritt auch ohne Bestleistung<br />
Materialien: Arbeitsblatt Examinatorium AT Nr. 7<br />
<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong> / Strafrecht / Prof. Heinrich
<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />
Lösungsübersicht: Strafbarkeit Antons:<br />
A. Strafbarkeit nach §§ 212, 211, 22 StGB – Aufdrehen der Hähne<br />
I. Tatbestand<br />
1. Vorprüfung<br />
a) Erfolg nicht eingetreten (+)<br />
b) Versuchsstrafbarkeit (+)<br />
2. Tatentschluss (–)<br />
Anton rechnete <strong>zu</strong>m Zeitpunkt des Aufdrehens der Hähne<br />
nicht mit der Gefährdung weiterer Personen<br />
II. Ergebnis: §§ 212, 211, 22 StGB (–)<br />
B. Strafbarkeit nach §§ 212, 211, 13, 22 StGB – Auflassen der<br />
Hähne<br />
I. Tatbestand<br />
1. Vorprüfung<br />
a) Erfolg nicht eingetreten (+)<br />
b) Versuchsstrafbarkeit (+)<br />
2. Tatentschluss<br />
a) bzgl. Taterfolg (+)<br />
Anton wusste von der Gefährlichkeit seines Verhaltens<br />
und billigte einen möglichen tödlichen Erfolg<br />
b) bzgl. Unterlassen einer möglichen und <strong>zu</strong>mutbaren Hdlg. (+)<br />
das Abdrehen der <strong>Gashähne</strong> war ihm auch möglich und<br />
<strong>zu</strong>mutbar, was er auch wusste<br />
c) bzgl. Garantenpflicht (+)<br />
er war infolge Ingerenz garantenpflichtig, was er auch wusste<br />
d) bzgl. des Mordmerkmals „gemeingefährliches Mittel“ (+)<br />
e) Problem: Gleichstellungsklausel; i.E. wohl § 211 StGB (–)<br />
3. Unmittelbares Ansetzen <strong>zu</strong> § 212 StGB (+)<br />
Problem: unmittelbares Ansetzen bei Unterlassen<br />
II./III. Rechtswidrigkeit/Schuld (+)<br />
IV. Strafbefreiender Rücktritt gem. § 24 I S. 1 1. Alt. StGB<br />
Problem: Erfordert ein Rücktritt eine „Bestleistung“?<br />
– Chanceneröffnungstheorie: Rücktritt (+)<br />
– Bestleistungstheorie: Rücktritt (–)<br />
– Differenzierungstheorie: Rücktritt (–)<br />
V. Ergebnis: §§ 212, 211, 22 StGB (–)<br />
C. Strafbarkeit nach §§ 308, 13, 22 StGB (–)<br />
Auch hier: Rücktritt vom Versuch<br />
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<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />
Lösungsvorschlag:<br />
Strafbarkeit Antons<br />
A. Strafbarkeit nach §§ 212, 211, 22 StGB durch Aufdrehen der<br />
Hähne<br />
Anton könnte sich durch das Aufdrehen der Hähne wegen eines versuchten<br />
Mordes an den Nachbarn strafbar gemacht haben.<br />
I. Tatbestand<br />
1. Vorprüfung<br />
a) Der Erfolg ist nicht eingetreten.<br />
b) Die Versuchsstrafbarkeit des Mordes als Verbrechen im Sinne des<br />
§ 12 I StGB folgt aus § 23 StGB.<br />
2. Tatentschluss<br />
Anton müsste <strong>zu</strong>r Tat entschlossen gewesen sein. Er müsste daher <strong>zu</strong>nächst<br />
einmal vorsätzlich im Hinblick auf die Herbeiführung des Todeserfolges<br />
gehandelt haben. Anton rechnete aber <strong>zu</strong>m Zeitpunkt des<br />
Aufdrehens der Hähne nicht mit der Gefährdung weiterer Personen.<br />
Daher fehlt es am Tatentschluss.<br />
II. Ergebnis: Anton ist nicht strafbar gemäß §§ 212 I, 211, 22 StGB.<br />
B. Strafbarkeit nach §§ 212, 211, 13, 22 StGB durch Auflassen der<br />
Hähne<br />
Er könnte sich aber durch das Auflassen der Hähne wegen eines versuchten<br />
Mordes durch Unterlassen strafbar gemacht haben.<br />
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I. Tatbestand<br />
1. Vorprüfung<br />
a) Der Erfolg ist nicht eingetreten.<br />
b) Die Versuchsstrafbarkeit des Mordes als Verbrechen im Sinne des<br />
§ 12 I StGB folgt aus § 23 StGB.<br />
2. Tatentschluss<br />
a) Anton müsste <strong>zu</strong>r Tat entschlossen gewesen sein. Er müsste daher<br />
<strong>zu</strong>nächst einmal vorsätzlich im Hinblick auf die Herbeiführung des<br />
Todeserfolges gehandelt haben. Anton wusste von der Gefährlichkeit<br />
seines Verhaltens und billigte einen möglichen tödlichen Erfolg.<br />
b) Er müsste ferner vorsätzlich im Hinblick auf das Unterlassen einer<br />
ihm möglichen und rechtlich geforderten Tätigkeit gehandelt haben.<br />
Das Abdrehen der <strong>Gashähne</strong> war ihm möglich und <strong>zu</strong>mutbar. Selbst<br />
sein Wille <strong>zu</strong>m Suizid kann nicht so weit gehen, dass von einer Un<strong>zu</strong>mutbarkeit<br />
normgemäßen Verhaltens im Sinne einer Nicht-<br />
Gefährdung Dritter aus<strong>zu</strong>gehen wäre. Dies war Anton auch durchaus<br />
bewusst.<br />
c) Er war infolge Ingerenz auf Grund seines vorangegangenen<br />
pflichtwidrigen Vorverhaltens auch garantenpflichtig, was er auch<br />
wusste.<br />
d) Es kommt ferner Tatentschluss im Hinblick auf das Mordmerkmal<br />
„gemeingefährliches Mittel“ in Betracht. Gemeingefährlich ist ein Tötungsmittel,<br />
dessen Wirkung auf Leib oder Leben mehrerer oder vieler<br />
Menschen der Täter nicht beherrscht, weil er die Ausdehnung der Gefahr<br />
bei seinem Einsatz nicht in der Gewalt hat. Da Anton selbst davon<br />
ausging, dass er ohnmächtig werden und sterben würde und<br />
<strong>zu</strong>gleich das Gas weiter ausströmen und dabei eine unbestimmte Zahl<br />
an Nachbarn gefährden konnte, wusste er, dass ihm eine Beherrschung<br />
des Tötungsmittels nicht mehr möglich sein würde. Auch war ihm die<br />
gemeingefährliche Wirkung durchaus bewusst.<br />
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e) Fraglich ist aber, ob die Erfüllung dieses Merkmals durch Unterlassen<br />
möglich ist, da zweifelhaft sein könnte, ob bloßes Nichtstun der<br />
Verwendung eines gemeingefährlichen Mittels gleichstehen kann.<br />
Dies ist umstritten. Nach einer Auffassung bezieht sich die Entsprechungsklausel<br />
in § 13 StGB nur auf rein handlungsbezogene Qualifikationsaspekte.<br />
Nach anderer Meinung kann beim gemeingefährlichen<br />
Mord das Unterlassen der Handlung nicht gleichstehen, da § 211<br />
StGB den „Einsatz“ des Mittels erfordert. Für diese Meinung streitet<br />
das Erfordernis restriktiver Auslegung der Mordmerkmale. Daher sollte<br />
mit der <strong>zu</strong>letzt genannten Auffassung ein Mordversuch ausscheiden.<br />
2. Unmittelbares Ansetzen<br />
Es kommt aber ein unmittelbares Ansetzen <strong>zu</strong>m Totschlag in Betracht.<br />
Fraglich ist dabei, ob Anton <strong>zu</strong>r Tötung durch Unterlassen bereits unmittelbar<br />
angesetzt hat. Wann das unmittelbare Ansetzen beim Unterlassungsdelikt<br />
beginnt, ist strittig.<br />
a) Nach der Theorie des erstmöglichen Eingriffs liegt ein unmittelbares<br />
Ansetzen <strong>zu</strong>r Tatbestandsverwirklichung bereits in dem Zeitpunkt vor,<br />
in dem der Garant die nach seiner Vorstellung erste Rettungsmöglichkeit<br />
verstreichen lässt. Hiernach hätte Anton bereits durch sein<br />
erstes Nicht-Handeln unmittelbar angesetzt.<br />
b) Nach der Theorie des letztmöglichen Eingriffs liegt ein unmittelbares<br />
Ansetzen <strong>zu</strong>r Tatbestandsverwirklichung (erst) in dem Zeitpunkt vor,<br />
indem der Garant die nach seiner Vorstellung letzte Rettungsmöglichkeit<br />
verstreichen lässt. Versuch und Vollendung des Unterlassungsdeliktes<br />
fallen hiernach regelmäßig <strong>zu</strong>sammen, da dann, wenn der<br />
Täter die letzte Rettungsmöglichkeit verstreichen lässt, die Tat regelmäßig<br />
bereits vollendet ist. Nach dieser Meinung hätte Anton ebenfalls<br />
unmittelbar angesetzt, da nach dem Eintritt seiner Bewusstlosigkeit, die<br />
in seinen Tod münden sollte, keine weiteren Rettungshandlungen möglich<br />
waren.<br />
c) Die Theorie der unmittelbaren Rechtsgutsgefährdung nimmt schließlich<br />
differenzierend ein unmittelbares Ansetzen <strong>zu</strong>r Tatbestandsverwirk-<br />
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lichung erst in dem Zeitpunkt an, in dem der Garant nach seiner Vorstellung<br />
entweder durch weitere Verzögerung der Rettungshandlung<br />
eine unmittelbare Gefahr für das Rechtsgut schafft oder den Kausalverlauf<br />
aus der Hand gibt. Als die Bewusstlosigkeit eintrat, hat Anton das<br />
Geschehen aus der Hand gegeben, sodass diese Theorie ein unmittelbares<br />
Ansetzen bejahen würde.<br />
d) Somit muss der Streit nicht entschieden werden. Daher hat Anton<br />
hier unmittelbar angesetzt.<br />
II./III. Rechtswidrigkeit/Schuld<br />
Die Tat geschah rechtswidrig und schuldhaft.<br />
IV. Strafbefreiender Rücktritt gem. § 24 Abs. 1 S. 1 1. Alt. StGB<br />
Anton könnte strafbefreiend vom Versuch des Totschlages <strong>zu</strong>rückgetreten<br />
sein.<br />
1. Der Versuch ist nicht fehlgeschlagen, die Tötung der Nachbarn<br />
konnte <strong>zu</strong>m Zeitpunkt des Anrufs bei der Feuerwehr noch vollendet<br />
werden.<br />
2. Hier könnte fraglich sein, ob ein unbeendeter oder ein beendeter<br />
Versuch vorliegt.<br />
Allerdings kommt es auf die Frage, ob ein beendeter oder ein unbeendeter<br />
Versuch hier vorlag, nicht an, da es sich um ein Unterlassungsdelikt<br />
handelt, und Anton daher auf jeden Fall tätig werden musste.<br />
3. Fraglich ist, ob Anton mit strafbefreiender Wirkung vom Totschlagsversuch<br />
<strong>zu</strong>rückgetreten ist. Hier<strong>zu</strong> ist es entscheidend, ob seine<br />
Maßnahmen ausreichten, die Vollendung der Tat <strong>zu</strong> verhindern (vgl. §<br />
24 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. StGB), oder ob er hier mehr hätte tun müssen.<br />
a) Nach der Chanceneröffnungstheorie ist eine Verhinderung der<br />
Vollendung bereits dann gegeben, wenn der Täter eine neue Kausalreihe<br />
in Gang setzt, die für die Nichtvollendung der Tat wenigstens mitur-<br />
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sächlich wird.<br />
Ohne Belang sei dabei, ob der Täter noch mehr hätte tun können oder<br />
ob andere, vom Willen des Täters unabhängige Umstände <strong>zu</strong>r Verhinderung<br />
der Tat führen, sofern er nur die ihm bekannten und <strong>zu</strong>r Verfügung<br />
stehenden Mittel benutzt habe, die aus seiner Sicht den Erfolg<br />
verhindern konnten. Dann muss es aber genügen, wenn der Täter eine<br />
Rettungschance schafft, die sich im Verhinderungserfolg realisiert.<br />
Konsequenz dieser Ansicht ist eine Ausweitung der Möglichkeiten eines<br />
Rücktritts, der auch im vorliegenden Fall an<strong>zu</strong>nehmen wäre. Nach<br />
dieser Ansicht ist der Rücktritt hier möglich.<br />
b) Nach der Bestleistungstheorie liegt die Verhinderung der Vollendung<br />
nur dann vor, wenn der Täter objektiv oder <strong>zu</strong>mindest aus seiner Sicht<br />
die bestmöglichen Rettungsmaßnahmen ergreift und dadurch den Erfolg<br />
verhindert. Er darf sich nicht mit Maßnahmen begnügen, die, wie er<br />
erkennt, (möglicherweise) un<strong>zu</strong>reichend sind, sofern ihm bessere Verhinderungsmöglichkeiten<br />
<strong>zu</strong>r Verfügung stehen. Als Argument wird<br />
dabei angeführt, dass derjenige, der lediglich eine unsichere Rettungsmaßnahme<br />
ergreife, den Erfolgseintritt weiterhin für möglich halte und<br />
ihn auch billigend in Kauf nehme. Dann aber handle er weiterhin mit<br />
dolus eventualis hinsichtlich der Tatbestandsverwirklichung. Da ein<br />
solcher Eventualvorsatz für die Annahme einer vorsätzlichen Vollendungstat<br />
ausreiche, könne damit aber nicht gleichzeitig ein Rücktritt<br />
begründet werden. Auch beim Rücktritt vom untauglichen Versuch (§<br />
24 Abs. 1 Satz 2 StGB) werde durchweg ein „ernsthaftes Bemühen“ nur<br />
dann angenommen, wenn der Täter das aus seiner Sicht Beste <strong>zu</strong>r Verhinderung<br />
des Erfolges unternehme. Dann aber müsse dies für einen<br />
tauglichen Versuch erst recht gelten. Konsequenz dieser Ansicht ist,<br />
dass die Möglichkeiten eines Rücktritts stark eingeschränkt werden und<br />
ein Rücktritt daher auch im vorliegenden Fall ausscheiden würde. Gegen<br />
diese Ansicht lassen sich ebenfalls Opferschutzgesichtspunkte anführen.<br />
Wenn nämlich vom Täter optimale Rettungsmaßnahmen gefordert<br />
werden, wird dieser oft völlig von Maßnahmen absehen, um sich<br />
nicht selbst überführen <strong>zu</strong> müssen. Nach dieser Ansicht ist der Rücktritt<br />
im vorliegenden Fall ausgeschlossen.<br />
c) Nach der Differenzierungstheorie reicht es bei einer eigenhändigen<br />
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Erfolgsverhinderung aus, wenn der Täter irgendwelche für die Rettung<br />
kausalen Maßnahmen ergreift. Dagegen muss bei einer fremdhändigen<br />
Erfolgsverhinderung gefordert werden, dass der Täter die optimale<br />
Leistung erbringt. Begründet wird dies damit, dass derjenige, der den<br />
tatbestandsmäßigen Erfolg letztendlich eigenhändig verhindere, die<br />
Rechtsgutsverlet<strong>zu</strong>ng vollständig beseitige. Ob er es noch besser oder<br />
gefahrloser hätte verwirklichen können, dürfe keine Rolle spielen, denn<br />
letztlich „gebe ihm der Erfolg recht“. Mehr fordere aber auch der Gesetzeswortlaut<br />
nicht. Dagegen verlasse sich der Täter bei der fremdhändigen<br />
Erfolgsverhinderung darauf, dass ein anderer tätig werde und den<br />
Erfolg verhindere. Dann aber müsse man fordern, dass der Täter das<br />
bestmögliche <strong>zu</strong> dieser Erfolgsverhinderung beitrage. Im Ergebnis muss<br />
nach dieser Ansicht immer zwischen eigenhändiger und fremdhändiger<br />
Erfolgsverhinderung getrennt werden. Wenn der Täter selbst einen<br />
Kausalverlauf in Gang gesetzt hat, der ohne Gegenmaßnahme <strong>zu</strong>m tatbestandlichen<br />
Erfolg führen würde, so muss es reichen, dass er eine<br />
Maßnahme ergreife, die diese Umkehr bewirkt. Dabei darf er jedoch<br />
nicht darauf vertrauen, dass andere, die er lediglich da<strong>zu</strong> auffordert, diese<br />
Gegenmaßnahmen durchführen. Insoweit ist ein Rücktritt im genannten<br />
Fall ausgeschlossen, da sich Anton letztlich darauf verlassen hatte,<br />
dass andere die Handlung erbringen, die er selbst hätte problemlos und<br />
weit weniger riskant durchführen können.<br />
d) Da die Meinungen <strong>zu</strong> unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, ist<br />
der Streit <strong>zu</strong> entscheiden.<br />
Gegen die <strong>zu</strong>erst genannte Ansicht wird zwar eingewandt, dass der<br />
Täter nur dann vollständig in die Legalität <strong>zu</strong>rückkehre und die von<br />
ihm geschaffene Gefahr vollständig beseitige, wenn er alles ihm mögliche<br />
unternehme, um den tatbestandsmäßigen Erfolg <strong>zu</strong> verhindern.<br />
Für diese Auffassung streitet aber schon der Wortlaut des § 24 StGB,<br />
der lediglich verlangt, dass der Täter (kausal) den Erfolg verhindern,<br />
nicht aber, dass er dies auf die bestmögliche Weise tun muss. Auch<br />
sind hier Opferschutzgesichtspunkte mit ins Spiel <strong>zu</strong> bringen: Für das<br />
Opfer ist es günstiger, wenn der Täter wenigstens teilweise Rettungsmaßnahmen<br />
einleitet. Weiter ist an<strong>zu</strong>führen, dass für die Verhinderung<br />
eines tatbestandsmäßigen Erfolges die gleichen Zurechnungskriterien<br />
gelten müssten, wie für die Herbeiführung eines sol-<br />
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chen. Daher ist dieser Meinung <strong>zu</strong> folgen und ein Rücktritt an<strong>zu</strong>nehmen.<br />
V. Ergebnis: Anton ist nicht strafbar gemäß §§ 212 I, 211, 22 StGB.<br />
C. Strafbarkeit nach §§ 308, 13, 22 StGB<br />
Auch bei der versuchten Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion<br />
(Verbrechen!) muss für den Rücktritt das Gleiche gelten.<br />
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