Katholischer Kurswechsel - Aktuelle Ausgabe
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Bodensee Nachrichten, 13. Dezember 2013 Aktuell Seite 3<br />
«Der Name ist Programm»<br />
THAL Der Pfarreiadministrator Walter Strassmann äussert sich zum Reformwillen des aktuellen Papstes Franziskus<br />
Walter Strassmann, Mitglied<br />
der Seelsorgeeinheit Buechberg,<br />
war von Anfang an positiv<br />
überrascht vom Auftreten<br />
des neuen Papstes. Warum er<br />
weiterhin grosse Stücke auf<br />
Franziskus setzt, erklärt er im<br />
Interview.<br />
Sie sind diese Woche von einem<br />
Auslandsaufenthalt in Paraguay<br />
zurückgekehrt leidet die katholische<br />
Kirche dort auch unter Mitgliederschwund<br />
und Überalterung<br />
ihrer Pfarrer?<br />
Voneinem Mitgliederschwund wie<br />
hier kann man nicht sprechen, da<br />
es in Paraguay kein offizielles Kirchensteuersystem<br />
gibt. Eine Überalterung<br />
der Pfarrer gibt es in dem<br />
Sinne wie bei uns auch nicht. Aber<br />
man kann erkennen, dass die Jugendlichen<br />
vermehrt dem Gottesdienst<br />
fernbleiben.<br />
Hat sich die Situation der katholischen<br />
Kirche in der Schweiz<br />
durch die Ernennung und das<br />
Handeln des neuen Papstes verändert?<br />
Ich denke schon, ich würde ein<br />
Wort benutzen: Hoffnung. Hier in<br />
der Schweiz ist es ganz konkret die<br />
Hoffnung auf Ökumene. Ausserdem<br />
gibt es auch die Hoffnung, dass<br />
die Kirche wieder mehr eine Kirche<br />
der Armen wird, denn auch bei<br />
uns gibt es Menschen, die nicht<br />
übermässig reich sind und gerne<br />
eine Kirche im Rücken wissen.<br />
Hinzu hat mich die Sprache des<br />
Papstes beeindruckt. Er distanziert<br />
sich von konservativen Kirchenkreisen,<br />
in denen die Schlagwörter<br />
«Busse, Sühne und Verdammung»<br />
vorherrschen. Er bevorzugt<br />
eine Kirche der Barmherzigkeit.<br />
Wie ist Ihr persönliches Bild vom<br />
neuen Papst, haben Sie auch Hoffnung?<br />
Ja, ich würde sagen, Nomen ist<br />
Omen: der Name ist ein Lebensprogramm.<br />
Ich habe seine ErnennungimFernsehenverfolgtundwar<br />
positiv überrascht, als ich den Namen<br />
Franziskus gehört habe. Der<br />
Name ist wohl auch Programm. Das<br />
fand ich sehr sympathisch, nachdem<br />
ich von seinen beiden Vorgängern<br />
Abstand genommen hatte,<br />
weil diese eine innerkirchliche<br />
Verhärtung vorangetrieben hatten.<br />
Franziskus macht für mich einen<br />
weltoffenen, spontanen Eindruck.<br />
Sie haben auch bei der Theologie<br />
der Befreiung mitgewirkt. Der<br />
Papst besitzt ja ein ähnliches Umfeld<br />
,sind Sie ihm auch deshalb zugeneigt?<br />
Ja, der Einsatz für die Armen ist<br />
ein Kernanliegen der Theologie der<br />
Befreiung. Wenn er jetzt gegen Korruption<br />
redet und dies bereits<br />
mehrfach wiederholt hat und es als<br />
eine der schwersten Sünden hinstellt.<br />
Dann bestätigt das für mich,<br />
dass die Kirche eine Kirche der Befreiung<br />
sein muss.<br />
Aus diesem Grund finde ich<br />
seine krassen Worte wirklich<br />
gut platziert.<br />
Das ökonomische System wird<br />
vom Papst als ungerecht bezeichnet.<br />
Die Welt lebe in einer Tyrannei<br />
des «vergötterten Marktes»<br />
was kann die Kirche dagegen<br />
unternehmen?<br />
Gerade in Paraguay habe ich die<br />
Ungerechtigkeit wieder miterlebt.<br />
Dort gibt es riesige, quadratkilometergrosse<br />
Sojabohnenplantagen<br />
und die Kleinbauern an den Rändern<br />
haben keine andere Wahl, als<br />
ihr Land zu verkaufen. Ansonsten<br />
werden sie durch die Pestizide und<br />
Chemikalien, die auf den Plantagen<br />
zum Einsatz kommen, vergiftet.<br />
Notgedrungen müssen die Familien<br />
dann in die Stadt ziehen und<br />
Walter Strassmann freut sich über die vermehrte Armenfürsorge der Kirche.<br />
sich dort mit Betteln durchschlagen.<br />
Das kann nicht akzeptiert<br />
werden. Aus diesem Grund finde<br />
ich seine krassen Worte wirklich<br />
gut platziert.<br />
Fällt Ihnen ein, was die Kirche<br />
konkret gegen diese Missstände<br />
unternehmen kann?<br />
Der Kirche muss es gelingen, an die<br />
Schalthebel der Wirtschaft zu gelangen.<br />
Sie muss vermitteln, dass<br />
es eben nicht nur um möglichst<br />
grosses Wachstum und Gewinnstreben<br />
geht, sondern dass man<br />
nicht den Menschen vergisst, der<br />
darin involviert ist. Der Papst hat<br />
beispielsweise Putin empfangen,<br />
das sind schon Zeichen. Er will an<br />
den obersten Hebeln Kontakte<br />
knüpfen, damit er Einfluss nehmen<br />
kann.<br />
Wie beurteilen Sie den Entscheid<br />
von Papst Franziskus, den Frauen<br />
mehr Kompetenzen in der Seelsorge<br />
zukommen zu lassen, sie<br />
aber weiterhin vom Priesteramt<br />
auszuschliessen?<br />
Es ist schon mal wichtig, dass er ihnen<br />
mehr Kompetenzen zuspricht.<br />
Dass er in Bezug auf das<br />
Priesteramt der Frau vorsichtig ist,<br />
versteheichimAugenblick.Erfühlt<br />
Bild: fg<br />
sich an die Aussagen seiner Vorgänger<br />
gebunden und so lange Benedikt<br />
lebt, möchte er natürlich<br />
nichts direkt gegen ihn sagen. Weiterhin<br />
besteht die grosse Gefahr,<br />
dass es eine Kirchenspaltung geben<br />
könnte. Noch dazu würden dadurch<br />
die Verhandlungen mit den<br />
Orthodoxen untergraben.<br />
Der Papst hat betont, man müsse<br />
sich um alle Menschen, unabhängig<br />
von deren persönlichen<br />
Lebensumfeld, kümmern ist es daher<br />
nur noch eine Frage der Zeit,<br />
bis Homosexuelle und Wiederverheiratete<br />
auch offiziell in der<br />
Kirche akzeptiert werden?<br />
Die Wiederverheirateten und Geschiedenen<br />
sind in der abendländischen<br />
Kirche bei den meisten<br />
Priestern bereits wieder integriert.<br />
Ich selber würde auch niemanden<br />
die Kommunion verweigern, insofern<br />
ist die Praxis bereits eine andere.<br />
Eine kirchliche Verheiratung<br />
von Homosexuellen wird es jedoch<br />
nicht geben, da die Heirat ein<br />
Familiensakrament ist.<br />
Sie sprachen von der Regionalisierung<br />
der Bischofssitze glauben<br />
Sie, dass dadurch die Einheit der<br />
katholischen Kirche gefährdet<br />
wird?<br />
Ich glaube nicht, wenn die Eckpfeiler<br />
stehen bleiben. Der Papst<br />
muss bei Streitigkeiten zwischen<br />
den Diözesen das letzte Schiedsgericht<br />
inne haben und von allen<br />
auf der Welt als Repräsentant der<br />
katholischen Kirche anerkannt<br />
werden.<br />
Noch kurz zur aktuellen Situation<br />
in der Schweiz. Schon seit einigen<br />
Jahren werden immer mehr<br />
ehemals eigenständige Kirchgemeinden<br />
zusammengelegt glauben<br />
Sie, die Kirche in der Schweiz<br />
muss sich mit immer weniger Mitgliedern<br />
abfinden oder kommt es<br />
wieder zu einer Trendwende?<br />
Das ist eine sehr schwierige Frage,<br />
aber ich glaube, dass sich der Trend<br />
momentan fortsetzen wird. Das<br />
heisst im klassischen Sinne, es gibt<br />
viel zu wenig Priester. Die Diskussion<br />
wird aber davon geprägt sein,<br />
wie die Kirche mit diesem Problem<br />
umgeht. Wird die Eucharistiefeier<br />
auch anderen Personen als<br />
den Priestern zugestanden oder<br />
bleibt man bei der Priesterweihe,<br />
aber lässt dafür Verheiratete Männer<br />
und Frauen zur Priesterweihe<br />
zu? Das würde etwas entlasten,<br />
aber wäre wahrscheinlich nicht sofort<br />
die Lösung. Der Papst wünscht<br />
sich ja tief religiöse Menschen, die<br />
das Priesteramt übernehmen. Er<br />
möchte eben keine Funktionäre,<br />
die das Priesteramt verwalten. Er<br />
bevorzugt Personen, die hinter dem<br />
stehen, was sie predigen und zwar<br />
mit Emotionen und Gefühl.<br />
Glauben Sie, dass Immigration<br />
dort Abhilfe leisten könnte?<br />
Auf längere Sicht nicht, obwohl es<br />
momentan ein Lückenfüller ist.<br />
Aber es ist mehr als ein blosser Lückenfühler,<br />
es ist auch ein Austausch<br />
zwischen den einzelnen<br />
Kirchgemeinden auf der ganzen<br />
Welt.<br />
Interview: Friedrich Gregor<br />
Gehen Sie in die Kirche?<br />
Andreas Masciadri,<br />
getroffen in Rorschach<br />
Sven Juister,<br />
getroffen in Rorschach<br />
Fabio Lapadula,<br />
Steinach<br />
Ester Bovero,<br />
getroffen in Rorschach<br />
Elisabeth Tinner,<br />
Altenrhein<br />
Ja, ich gehe in die Kirche. Ich gehe<br />
zwar nicht jeden Sonntag in die<br />
Kirche, aber gelegentlich gehe ich<br />
schon. Ansonsten bin ich aber kein<br />
Papstfan, wobei der neue Papst einen<br />
volksnahen Eindruck macht,<br />
was mir besser gefällt als das Auftreten<br />
seines Vorgängers. Ich selbst<br />
bin aber nicht katholisch.<br />
Nein, ich gehe nicht in die Kirche.<br />
Gläubig bin ich aber schon, nur finde<br />
ich es nicht verpflichtend, deshalb<br />
auch in die Kirche zu gehen.<br />
Früher musste ich jedoch in die<br />
Kirche gehen. Der neue Papst gefällt<br />
mir gut. Er interessiert sich<br />
auch für Fussball und macht auch<br />
sonst einen normalen Eindruck.<br />
In die Kirche gehe ich nicht mehr<br />
so regelmässig, da ich es einfach<br />
nicht so spannend finde. Früher<br />
wurde ich dazu gezwungen, aber<br />
das ist jetzt vorbei. Dass ich nicht<br />
mehr in die Kirche gehe, hat aber<br />
nichts mit meinem Glauben zu tun.<br />
Es ist nur so, dass in der Kirche irgendetwas<br />
fehlt.<br />
Im Moment gehe ich nicht mehr so Nein, früher bin ich noch sporadisch<br />
oft, aber an sich gehe ich schon gerne<br />
in die Kirche gegangen, aber<br />
in die Kirche. Der neue Papst jetzt nicht mehr. Ich bin schon<br />
hat im Gegensatz zu seinem Vorgänger<br />
gläubig, aber deswegen muss ich<br />
gute Ansätze. Aber ich bin meiner Meinung nach nicht un-<br />
ohnehin nicht so katholisch. Ich bedingt in die Kirche gehen. Auch<br />
gehe lieber in die Freikirchen, so an Weihnachten werde ich nicht in<br />
auch an Weihnachten, denn Weihnachten<br />
die Kirche gehen. Den neuen Papst<br />
ist das schönste Erlebnis. finde ich aber sympathisch.<br />
Für Sie waren unterwegs: Benjamin Gahlinger und Friedrich Gregor