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7.2 Gehäusestrukturierung<br />
Die Verwendung von Gehäusestrukturierungen (Englisch: Casing Treatments; im Folgenden<br />
wird auch die gebräuchlichste Abkürzung CT verwendet) ist, wie bereits in Abschnitt 6.1 erwähnt,<br />
eine passive Maßnahme zur Beeinflussung der wandnahen Strömung im Schaufelspitzenbereich<br />
von Turboverdichtern. Gehäusestrukturierungen werden in erster Linie zur Erweiterung<br />
des nutzbaren Verdichterarbeitsbereiches eingesetzt. Sie sind in der Lage, die Stabilitätsgrenze<br />
signifikant hin zu kleineren Massenströmen und größeren Druckverhältnissen zu<br />
verschieben und bewirken darüber hinaus eine Desensibilisierung der Rotorströmung bezüglich<br />
des Schaufelspitzenspaltes. Die Strukturierungen bestehen aus Nuten, Schlitzen oder Kanälen<br />
im Verdichtergehäuse und sind in der Regel in der Nähe oder über der Rotorschaufelspitze positioniert.<br />
Anwendungen im Nabenbereich von deckbandlosen Statoren sind auch bekannt, aber<br />
wesentlich weniger verbreitet. Der Einsatz von Gehäusestrukturierungen ist nicht auf Axialverdichter<br />
beschränkt. Es ist ebenso möglich, Gebläse von Lüftern mit CT auszustatten [89]. Dort<br />
wird die Bezeichnung „Anti-Stall Stabilisation Ring“ verwendet. Anwendungen in Radialverdichtern<br />
sind auch bekannt [90–97].<br />
Grundsätzlich können Gehäusestrukturierungen als eine spezielle Form der Endwandkonturierung<br />
gesehen werden. Die Beiträge von Kröger [71] sowie Ito et al. [98] verdeutlichen, dass<br />
die sprachliche Trennung zwischen Gehäusekonturierung und -strukturierung eher historisch<br />
als physikalisch begründet ist. Um dennoch eine gewisse Orientierung zu bieten soll in der vorliegenden<br />
Arbeit die folgende Abgrenzung verwendet werden: Ist im modifizierten Endwandbereich<br />
ein Schaufelspalt vorhanden, spricht man von einer Gehäusestrukturierung, ohne Spalt<br />
von Endwandkonturierung. Diese Definition greift einerseits den grundlegenden Unterschied in<br />
der Geometrie und Topologie der zu beeinflussenden Sekundärströmung auf und ist andererseits<br />
konsistent mit der überwiegenden Mehrheit der vorhandenen Literatur.<br />
Der stabilisierende Effekt von Gehäusestrukturierungen ist bereits seit vielen Dekaden bekannt,<br />
entsprechend umfangreich ist die veröffentlichte Literatur zu diesem Thema. Aus Platzgründen<br />
und weil sich auch so ein repräsentativer Überblick über die relevanten Aspekte geben lässt,<br />
soll an dieser Stelle ein Fokus auf die Entwicklungen des letzten Jahrzehnts gelegt werden. Für<br />
einen umfangreichen Überblick über die geschichtliche Entwicklung in der übrigen Zeit sowie<br />
einige detailliertere Ausführungen zur Wirkungsweise und Anwendung von Gehäusestrukturierungen<br />
sei auf den Beitrag von Hathaway verwiesen [99].<br />
Trotz der vielen Untersuchungen zum Thema sind nur wenige Anwendungen in Produktionstriebwerken<br />
bekannt. Zwei Beispiele sind der mit Umfangsnuten ausgestattete Fan des EJ200<br />
und der TP400-Mitteldruckverdichter mit umfangsdiskretem CT. Dies lässt sich zum Einen mit<br />
einem nach wie vor vorhandenen Forschungsbedarf im Bereich der Verdichterinstabilität und<br />
deren Kontrolle, zum Anderen mit dem teilweise signifikanten negativen Einfluss auf den aerodynamischen<br />
Wirkungsgrad des Verdichters erklären. Diese Wirkungsgradeinbuße würde für ein<br />
Serientriebwerk nur dann in Kauf genommen werden, wenn der Verdichter eine inakzeptabel<br />
niedrige Pumpgrenze aufweist und sich die Stabilität nicht durch andere wirkungsgradneutrale<br />
Maßnahmen steigern lässt. Ansonsten können CT als indirekte Methode zur Verbesserung des<br />
Verdichtungssystems auch aus nicht ausschließlich aerodnynamischer Sicht attraktiv sein, wenn<br />
beispielsweise auf variable Statoren verzichtet werden oder ein anderes Verstellgesetz gewählt<br />
werden kann. Die Literaturübersicht in diesem Kapitel zeigt weiterhin, dass die empirische Annahme<br />
von 0,1 % Wirkungsgradverlust für jedes Prozent Verringerung des Massenstromes an<br />
28 7. Stand der Forschung