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Diagnostik der ADHS im Erwachsenenalter<br />

genauerer Betrachtung der folgenden drei Punkte: 1.) Die ADHS im Erwachsenenalter ist<br />

eine chronische Erkrankung mit Beginn in der Kindheit. Nach den diagnostischen<br />

Kriterien des DSM-IV müssen einige Symptome der Unaufmerksamkeit und/oder der<br />

Hyperaktivität/Impulsivität bereits vor dem 7ten Lebensjahr vorhanden gewesen sein.<br />

2.) Das Symptombild bleibt nicht konstant, sondern ändert sich mit dem<br />

Erwachsenwerden. 3.) Bei fast jedem zweiten Patienten mit ADHS im Erwachsenenalter<br />

treten Symptome anderer psychischer Störungen auf (Bell, 2010). Aus diesen drei<br />

Punkten leiten sich spezifische diagnostische Schwierigkeiten ab, die sich durchaus von<br />

der Diagnostik anderer psychischer Erkrankungen unterscheiden.<br />

Zu 1.) Dieser Punkt macht bereits einen zentralen Unterschied zwischen der<br />

Diagnostik der ADHS im Erwachsenenalter und beispielswiese der Diagnostik von Angstoder<br />

Zwangsstörungen, Depression oder Schizophrenie bei Erwachsenen deutlich. Denn<br />

kann eine Diagnose im Kindesalter nicht zuverlässig gestellt werden, ist es notwendig,<br />

diese retrospektiv zu rekonstruieren. Diese Notwendigkeit stellt sich bei den anderen<br />

genannten psychischen Erkrankungen nicht. Offensichtlich drängt sich an dieser Stelle<br />

die Frage auf, inwieweit die Angaben eines beispielsweise 45-jährigen Mannes bzgl.<br />

seiner ADHS Symptomatik vor seinem 7ten Lebensjahr verlässlich und diagnostisch<br />

tatsächlich verwertbar sind, zumal diese Person bereits ca. 40 Jahre mit diesen<br />

Symptomen lebt. Auf psychologischer Ebene wird deutlich, dass an dieser Stelle des<br />

diagnostischen Prozesses Artefakte hinzukommen, die durch Gedächtnisprozesse sowie<br />

Prozesse der Identitätsentwicklung, was auch die Integration von „Symptomen“ in das<br />

Selbstkonzept betrifft, verursacht werden. Dies führt oftmals dazu, dass Patienten<br />

bestimmte Symptome als normalen Teil ihres Lebens ansehen, ohne sich darüber<br />

bewusst zu sein, dass sie an einer Erkrankung leiden. Auf der anderen Seite gibt es<br />

Personen, die unter bestimmten Aspekten ihres Lebens leiden, sich dies Schwierigkeiten<br />

jedoch nicht erklären können. Wenn diese Patienten von einer Erkrankung hören, die<br />

ihre aktuellen Schwierigkeiten erklären könnte, werden oftmals auch im Kindesalter<br />

solche Beschwerden angegeben, obwohl in Zeugnissen oder anderen<br />

Fremdanamnestischen Informationsquellen keine Evidenzen dafür vorliegen. Letztlich<br />

bedingt dieser Punkt die Rate falsch positiv bzw. falsch negativ klassifizierter Personen,<br />

wenn nicht alle zu Verfügung stehenden Informationsquellen genutzt und zu einem Bild<br />

integriert werden.<br />

Zu 2.): Der zweite Punkt betrifft die Tatsache, dass die im DSM-IV formulierten<br />

Symptome die Symptome der erwachsenen Patienten nicht adäquat abbilden, da sich<br />

die Symptomatik über den Verlauf der Zeit verändert. So gibt es, wie bereits erwähnt,<br />

erste Evidenzen dafür, dass das Symptom der Unaufmerksamkeit überdauernder ist,<br />

wohingegen die Hyperaktivität/Impulsivität mit dem Erwachsenwerden eher ausklingt<br />

bzw. sich verändert (Rösler & Retz, 2006). Die für Kinder typische motorische Unruhe<br />

weicht vielfach einer inneren Unruhe im Erwachsenenalter. Die Impulsivität im<br />

Erwachsenenalter hat ebenso ihre eigene Ausdrucksform: so meiden Betroffene<br />

beispielsweise lange Theaterbesuche, das Lesen anspruchsvoller Literatur oder langes<br />

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