28.02.2014 Aufrufe

PDF 5.373kB - TOBIAS-lib - Universität Tübingen

PDF 5.373kB - TOBIAS-lib - Universität Tübingen

PDF 5.373kB - TOBIAS-lib - Universität Tübingen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Diskussion<br />

sichtbar wurden. Schließlich könnte eine Ursache in dem Morbiditätsniveau der<br />

Patienten liegen. ADHS bei Erwachsenen geht mit einem hohen Anteil an komorbiden<br />

Erkrankungen einher (Wilens et al., 2009), in der aktuellen Stichprobe waren komorbide<br />

Erkrankungen jedoch ein Ausschlusskriterium. Möglicherweise verfügen die Patienten in<br />

der vorliegende Studie über gute Kompensations- und Coping-Strategien. Diese<br />

Annahme wird durch das hohe Bildungsniveau der Stichprobe bestärkt. Nach Sobanksi<br />

und Kollegen (2008) haben Erwachsene mit einer ADHS eigentlich ein niedrigeres<br />

Bildungsniveau als gleichaltrige Gesunde. In der vorliegenden Studie haben jedoch von<br />

20 Personen neun Personen ein abgeschlossenes Hochschulstudium und fünf befinden<br />

sich noch im Studium. Das Bildungsniveau der beiden Gruppen ist daher sehr hoch. Es ist<br />

somit davon auszugehen, dass die vorliegende Stichprobe von Erwachsenen mit einer<br />

ADHS nicht repräsentativ war. Das niedrige Morbiditätsniveau der Patienten könnte<br />

somit ebenfalls eine mögliche Erklärung dafür sein, warum auf der Verhaltensebene kein<br />

Unterschied zwischen Gesunden und Patienten gefunden werden konnte.<br />

Zusammenfassend ist die Vermutung gut begründet, dass die durch die<br />

Unaufmerksamkeit verursachte Varianz in den Verhaltensdaten zu gering war, um einen<br />

statistisch signifikanten Effekt zu erzeugen.<br />

In Bezug auf die Diskrepanz zwischen den Verhaltensdaten und den Daten der<br />

EKP scheint es sinnvoll, noch eine andere Perspektive bei der Betrachtung dieser<br />

Diskrepanz einzunehmen. So erscheint die Diskrepanz aus einer ätiologischen<br />

Perspektive verständlicher. Es gibt Evidenzen dafür, dass es sich bei der ADHS um eine<br />

Störung der neurologischen Entwicklung handelt (Szuromi, Czobor, Komlosi, & Bitter,<br />

2011). In einer zehn Jahres-Longitudinalstudie von Castellanos und Kollegen (2002), die<br />

strukturelle Veränderungen anhand bildgebender Verfahren untersuchte, zeigte sich bei<br />

ADHS-Patienten neben signifikant kleineren Hirnvolumina entwicklungsbedingte<br />

Trajektorien für alle Hirnstrukturen. Diesen Befunden zufolge stehen am Beginn der<br />

Erkrankung neurobiologische Defizite, die sich auch auf einer elektrophysiologischen<br />

Ebene zeigen. In Anbetracht der Tatsache, dass sich die ADHS im Verlauf des<br />

Erwachsenenalters verändert und beispielsweise die Hyperaktivität eher in den<br />

Hintergrund tritt, könnte postuliert werden, dass sich das symptomspezifische Verhalten<br />

der Patienten im Rahmen der Entwicklung verändert und in manchen Bereichen<br />

zurückbildet bzw. kompensiert wird, wohingegen auf der neurobiologischen Ebene<br />

Defizite weiterhin bestehen bleiben. Die Persistenz neurobiologischer Anomalien in<br />

Zusammenhang mit der Veränderung der beobachtbaren Symptome könnte erklären,<br />

warum auf der elektrophysiologischen Ebene Unterschiede zwischen Gesunden und<br />

Patienten gefunden wurden, auf der Verhaltensebene jedoch nicht. Diese Annahme<br />

bedarf jedoch weiterer empirischer Überprüfung. Dies spräche dafür, neurobiologische<br />

und/oder elektrophysiologische Indikatoren als Diagnosekriterien vor allem bei<br />

entwicklungsbedingten psychischen Erkrankungen in die diagnostischen Systeme ICD-10<br />

sowie DSM-IV zu integrieren.<br />

99

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!