PDF 5.373kB - TOBIAS-lib - Universität Tübingen

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Diskussion Gesunden und Patienten bei Krankheitsbildern wie Demenz, Depression, Bipolaren- Störungen oder Schizophrenie feststellen(Isintas, Ak, Erdem, Oz, & Ozgen, 2012; Muir, St Clair, & Blackwood, 1991; Sumi, Nan'no, Fujimoto, Ohta, & Takeda, 2000). Dadurch ist ein Unterschied in der P300-Latenz differentialdiagnostisch wenig aussagekräftig. In der aktuellen Studie unterscheiden sich die beiden Gruppen in Bezug auf die P300-Latenz zudem nur beim Flanker-Paradigma und nicht beim Stroop-Paradigma. Demnach besteht der Unterschied in der P300-Latenz zwischen Gesunden und Patienten nur im Bereich der impliziten Aufmerksamkeit und nicht im Bereich der expliziten Aufmerksamkeit. Die Ergebnisse zur P300-Latenz sprechen daher für die Annahme, dass die implizite Aufmerksamkeit bei Erwachsenen mit einer ADHS stärker beeinträchtigt ist als die explizite Aufmerksamkeit. Die Ergebnisse, wonach anhand des S-LRP sehr gut zwischen Gesunden und Erwachsenen mit einer ADHS differenziert werden kann, sind neu. Zum einen gibt es einen Unterschied über beide Paradigmen gemittelt. Dabei weisen die Patienten in der inkongruenten Bedingung eine stärkere Positivierung auf als die Gesunden, was darauf hinweist, dass die Patienten häufiger den falschen Antwortkanal aktivieren als die Gesunden. Zum anderen lässt sich auch für das S-LRP ein spezifisches Defizit der Patienten in der inkongruenten Bedingung des Flanker-Paradigmas finden. In dieser Bedingung ist die Positivierung der Patienten stärker als die der Gesunden. Für das Stroop-Paradigma besteht kein solcher Unterschied. Demnach gibt es auch für das S-LRP Hinweise dafür, dass die implizite Aufmerksamkeit bei Erwachsenen mit einer ADHS stärker beeinträchtigt ist als die explizite Aufmerksamkeit. Eine stärkere Positivierung weist darauf hin, dass der Antwortkonflikt der Patienten beim Flanker-Paradigma größer gewesen sein muss als beim Stroop-Paradigma. Zu diesem Thema gibt es bislang keine Studie. Ein Vergleich der Befunde der aktuellen Studie mit einer bereits existierenden Datenlage ist daher nicht möglich. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen damit erstmals, dass auch das S-LRP im Bereich der impliziten Aufmerksamkeit zwischen Gesunden und Erwachsenen mit ADHS differenzieren kann. Die Resultate zur ERN bestätigen den bisherigen Stand der Forschung. Wie in den Studien von Herrmann und Kollegen und Balogh und Kollegen(2010), zeigt sich auch in der aktuellen Studie bei den Patienten in der inkongruenten Bedingung eine kleinere ERN als bei den Gesunden. Wie bereits bei der P300-Latenz und beim S-LRP ist auch bei der ERN der Unterschied zwischen den Gruppen in der inkongruenten Bedingung des Flanker-Paradigmas größer als in der inkongruenten Bedingung des Stroop-Paradigmas. Insgesamt sprechen die Ergebnisse damit dafür, dass auch die Fehlerverarbeitung im Bereich der impliziten Aufmerksamkeit bei Erwachsenen mit einer ADHS stärker beeinträchtigt ist als im Bereich der expliziten Aufmerksamkeit. Die im Theorieteil erwähnte Differenzierung der beiden experimentellen Paradigmen hinsichtlich der von Kotchoubey (2002) vorgeschlagenen Verarbeitungsebenen, wonach die Reizverarbeitung beim Flanker-Paradigma auf der 97

Diskussion sensomotorischen Ebene stattfindet und beim Stroop-Paradigma auf der exekutiven Ebene, lässt sich nicht bestätigen. Die ERN-Amplitude ist in den beiden Paradigmen nicht verschieden groß. Die Aussagekraft dieser Ergebnisse ist jedoch eingeschränkt, da die Probanden in der vorliegenden Studie sehr wenig Fehler gemacht haben. Vermutlich beeinträchtigt die zu geringe Aufgabenschwierigkeit die Teststärke in Bezug auf diese Hypothese. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich auf neurophysiologischer Ebene deutliche Unterschiede beim Vergleich von expliziten mit impliziten Aufmerksamkeitsprozessen abzeichnen, während auf der Verhaltensebene keine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Aufmerksamkeitsprozessen (implizit vs. explizit) möglich ist. Der Befund, dass sich die neurophysiologischen Unterschiede bei mehreren EKP zeigen, spricht für die Zuverlässigkeit dieses Unterschieds. Auch die Effektstärken für den Vergleich der Gruppen in der inkongruenten Bedingung des Flanker-Paradigmas sprechen für die Zuverlässigkeit der gefundenen Unterschiede. Anhand dieser starken Effekte auf der Ebene der EKP drängt sich die Frage auf, weshalb sich diese Unterschiede nicht auf der Verhaltensebene widerspiegeln. Diese Frage leitet zu den Limitationen der vorliegenden Studie über. 4.8 Limitationen Für die Erklärung der Diskrepanz der Ergebnisse auf der Ebene der EKP sowie auf der Verhaltensebene sind mehrere Aspekte zu berücksichtigen. Zum einen das Untersuchungssetting: Die Annahme, dass Erwachsene mit einer ADHS ein stärkeres Aufmerksamkeitsdefizit im Bereich der impliziten Aufmerksamkeit haben sollten, wurde hauptsächlich anhand von Studien begründet, die zeigen konnten, dass Erwachsene mit einer ADHS beim Autofahren wesentlich mehr Verkehrsverstöße aufweisen als Gesunde. Bei diesen Studien scheint es ein Verhaltenskorrelat für die Beeinträchtigung der impliziten Aufmerksamkeit zu geben. Die Studien zum Fahrverhalten sind jedoch quasiexperimenteller Natur. Die Situationen, in denen das Verhalten der Patienten untersucht wurde, waren wesentlich komplexer und damit fordernder als in der vorliegenden Untersuchung, bei der die Aufmerksamkeit rein experimentell untersucht wurde. Der Einfluss der Unaufmerksamkeit ist in solchen „natürlichen“ Situationen wie dem Autofahren mit hoher Wahrscheinlichkeit größer, als in Laborsituationen, in denen die Patienten den Aufgabencharakter besser wahrnehmen und strategischer vorgehen als in der realen Umgebung. Es ist daher davon auszugehen, dass der Einfluss von Unaufmerksamkeit in den Experimenten dieser Studie nicht so stark gewesen ist wie in natürlichen Situationen. Ein weiterer Aspekt, der mit dem Ersten in Zusammenhang steht, ist die Aufgabenschwierigkeit. Die Quote richtiger Antworten beim Stroop- Paradigma war sehr hoch und die Gesunden zeigten keinen Inkongruenzeffekt. Die Patienten wiesen hier zwar einen Inkongruenzeffekt auf, die Leistung war jedoch ebenfalls sehr gut. Es könnte demnach sein, dass die Aufgabenschwierigkeit zu gering war und deshalbdie Defizite im Bereich der Unaufmerksamkeit der Patienten nicht 98

Diskussion<br />

Gesunden und Patienten bei Krankheitsbildern wie Demenz, Depression, Bipolaren-<br />

Störungen oder Schizophrenie feststellen(Isintas, Ak, Erdem, Oz, & Ozgen, 2012; Muir, St<br />

Clair, & Blackwood, 1991; Sumi, Nan'no, Fujimoto, Ohta, & Takeda, 2000). Dadurch ist<br />

ein Unterschied in der P300-Latenz differentialdiagnostisch wenig aussagekräftig. In der<br />

aktuellen Studie unterscheiden sich die beiden Gruppen in Bezug auf die P300-Latenz<br />

zudem nur beim Flanker-Paradigma und nicht beim Stroop-Paradigma. Demnach<br />

besteht der Unterschied in der P300-Latenz zwischen Gesunden und Patienten nur im<br />

Bereich der impliziten Aufmerksamkeit und nicht im Bereich der expliziten<br />

Aufmerksamkeit. Die Ergebnisse zur P300-Latenz sprechen daher für die Annahme, dass<br />

die implizite Aufmerksamkeit bei Erwachsenen mit einer ADHS stärker beeinträchtigt ist<br />

als die explizite Aufmerksamkeit.<br />

Die Ergebnisse, wonach anhand des S-LRP sehr gut zwischen Gesunden und<br />

Erwachsenen mit einer ADHS differenziert werden kann, sind neu. Zum einen gibt es<br />

einen Unterschied über beide Paradigmen gemittelt. Dabei weisen die Patienten in der<br />

inkongruenten Bedingung eine stärkere Positivierung auf als die Gesunden, was darauf<br />

hinweist, dass die Patienten häufiger den falschen Antwortkanal aktivieren als die<br />

Gesunden. Zum anderen lässt sich auch für das S-LRP ein spezifisches Defizit der<br />

Patienten in der inkongruenten Bedingung des Flanker-Paradigmas finden. In dieser<br />

Bedingung ist die Positivierung der Patienten stärker als die der Gesunden. Für das<br />

Stroop-Paradigma besteht kein solcher Unterschied. Demnach gibt es auch für das S-LRP<br />

Hinweise dafür, dass die implizite Aufmerksamkeit bei Erwachsenen mit einer ADHS<br />

stärker beeinträchtigt ist als die explizite Aufmerksamkeit. Eine stärkere Positivierung<br />

weist darauf hin, dass der Antwortkonflikt der Patienten beim Flanker-Paradigma größer<br />

gewesen sein muss als beim Stroop-Paradigma. Zu diesem Thema gibt es bislang keine<br />

Studie. Ein Vergleich der Befunde der aktuellen Studie mit einer bereits existierenden<br />

Datenlage ist daher nicht möglich. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen damit<br />

erstmals, dass auch das S-LRP im Bereich der impliziten Aufmerksamkeit zwischen<br />

Gesunden und Erwachsenen mit ADHS differenzieren kann.<br />

Die Resultate zur ERN bestätigen den bisherigen Stand der Forschung. Wie in<br />

den Studien von Herrmann und Kollegen und Balogh und Kollegen(2010), zeigt sich auch<br />

in der aktuellen Studie bei den Patienten in der inkongruenten Bedingung eine kleinere<br />

ERN als bei den Gesunden. Wie bereits bei der P300-Latenz und beim S-LRP ist auch bei<br />

der ERN der Unterschied zwischen den Gruppen in der inkongruenten Bedingung des<br />

Flanker-Paradigmas größer als in der inkongruenten Bedingung des Stroop-Paradigmas.<br />

Insgesamt sprechen die Ergebnisse damit dafür, dass auch die Fehlerverarbeitung im<br />

Bereich der impliziten Aufmerksamkeit bei Erwachsenen mit einer ADHS stärker<br />

beeinträchtigt ist als im Bereich der expliziten Aufmerksamkeit.<br />

Die im Theorieteil erwähnte Differenzierung der beiden experimentellen<br />

Paradigmen hinsichtlich der von Kotchoubey (2002) vorgeschlagenen<br />

Verarbeitungsebenen, wonach die Reizverarbeitung beim Flanker-Paradigma auf der<br />

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