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68 III. Das bürgerliche Wohnhaus des 20. Jahrhunderts Die ...

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folgen als der inneren Funktionalität. In pointierter Spannung setzen einige der Fenster<br />

exakt an der Wandecke an, ohne jedoch Übereckfenster zu bilden, wie sie in der<br />

funktionalistischen Moderne gebräuchlich waren. Auch die Eingangstür unterscheidet<br />

sich im Modell äußerlich nicht von den Fensterflächen.<br />

Ungewöhnlich ist der im Prinzip konventionell strukturierte Grundriss durch die<br />

ganz außen an der Schmalseite über die gesamte Haustiefe geführte Eingangszone<br />

mit Treppenlauf, von der aus ein Mittelflur die Räume der unabhängigen<br />

Wohnungen erschließt. Besondere fließende Raumwirkungen, eine Galerie über<br />

zwei Etagen oder ähnliche Großzügigkeiten bestehen nicht. Da Herzog und de<br />

Meuron stark von Joseph Beuys geprägt wurden und Ende der 70er Jahre sogar<br />

mit ihm gemeinsam eine Kunstaktion durchführten, drängen sich Bezüge zur Naturphilosophie<br />

<strong>des</strong> Werdens und Vergehens gemäß der an Heraklit angelehnten<br />

Fluxustheorie auf. Beuys thematisierte damit unter anderem die zyklischen Regenerationsprozesse<br />

energiespeichernder Materialien. <strong>Das</strong> neben einem uralten<br />

Eichenhain geplante Haus stellt folglich über die ölgetränkten Eisenbahnschwellen<br />

eine dritte Stufe der Materialkonsistenz dar, nämlich als Wärmespeicher für die<br />

Bewohner, bevor ein natürlicher langfristiger Zerfallsprozess die in den Eichenbalken<br />

gespeicherte Sonnenenergie als prozessuales Ergebnis der Photosynthese<br />

wieder in den natürlichen Kreislauf zurückführt. Sonne, Baum, Eisenbahn, Haus... –<br />

ein suggestiver Bedeutungszusammenhang zwischen Mensch und Technik, Natur<br />

und Umwelt ensteht. <strong>Die</strong> hölzerne Hülle bildet zugleich den mystischen Schrein als<br />

Aufbewahrungsort der Sammlung von Kunst nach 1945 und assoziiert in Form und<br />

Material eine hölzerne Schmuckschatulle oder einen mittelalterlichen Reliquienschrein.<br />

So wird auch auf die durch Beuys oft verwendeten frühchristlichen<br />

Symbole angespielt, mit denen er Verstan<strong>des</strong>welt und Intuition gegenüberstellte.<br />

<strong>Das</strong> Haus imaginiert also auch die Ebene eines Ideenspeichers für den in seinen<br />

Mauern enthaltenen universalen Gedankenschatz der durch ihre konzeptionellen<br />

Werke repräsentierten Künstler.<br />

Als Eingangspavillon zum Museum Schaulager in Basel realisierten Herzog & de<br />

Meuron 2003 ein Satteldachhaus, <strong>des</strong>sen Schmalseiten so schräg zulaufen, dass<br />

von der Hauptansicht der Eindruck eines Walmdachhauses entsteht. Seine über<br />

Wand und Dach hinweg einheitliche, künstlich aufgerauhte Betonoberfläche verstrahlt<br />

durch Verwendung <strong>des</strong> Erdaushubs der Baustelle eine erdig-urtümliche<br />

Anmutung. Auch Bottega + Ehrhardt bauten 2001 ein viel beachtetes <strong>Wohnhaus</strong> in<br />

Ludwigsburg, das zur Eingangsseite einen auf Po<strong>des</strong>ten balancierenden Walmdachbau<br />

als Betonmonolith darstellt.

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