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68 III. Das bürgerliche Wohnhaus des 20. Jahrhunderts Die ...

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159<br />

Obwohl Schmitthenner autoritären Strukturen der Berufs- und Gesellschaftsordnung<br />

das Wort redete und seine ebenso antikapitalistische wie antimarxistische Einstellung<br />

verbreitete, außerdem zugunsten handwerklicher Berufsfelder gegen die Industrialisierung<br />

der Bauwirtschaft argumentierte, die Werte von Nation und Volkstum hervorhob<br />

und dem Führer huldigte, war er kein überzeugter "Nazi". <strong>Die</strong> Mitgliedschaft in<br />

der NSDAP ab 1933 betrachtete er als Formsache, um mit seinem Einfluss seinen<br />

architektonisch-gesellschaftlichen Überzeugungen zum Durchbruch zu verhelfen und<br />

die anfangs noch nicht festgelegte kulturelle Ausrichtung der Partei auf seine Ziele<br />

einschwenken zu lassen. <strong>Die</strong> Versuche anderer Architekten, den Nationalsozialismus<br />

wie den Faschismus in Italien als moderne Bewegung zu begreifen und den<br />

Nationalsozialistens funktionalistische Staatsarchitektur anzubieten sind bekannt. Am<br />

gewichtigsten und zutreffendsten zur Einschätzung dieses Architekten "im Sog <strong>des</strong><br />

Nationalsozialismus" 188 ist vielleicht das Urteil seines stärksten Gegners und<br />

"Intimfein<strong>des</strong>" Richard Döcker, der 1932 über Schmitthenner schrieb: "macht in nazi<br />

und hofft die deutsche Kunst zu retten" 189 .<br />

Doch bereits ab 1934 geriet Schmitthenner in Gegenposition zur staatlichen Kulturpolitik.<br />

190 <strong>Die</strong> vornehme Bescheidenheit seiner Häuser passte nicht zur imperialistischen<br />

neoklassizistischen Staatsbaukunst <strong>des</strong> "Dritten Reiches", nicht zur technizistischen<br />

Fortschrittlichkeit der Industrieanlagen, nicht zum einschüchternden Bombast<br />

der Kasernen und auch nicht wirklich zur bieder-uniformen Rustikalität der SS-<br />

Siedlungen. Im privaten <strong>Wohnhaus</strong>bau wurde er wohl geduldet, aber nicht mehr als<br />

vorbildlich herausgestellt und erhielt keine öffentlichen Aufträge mehr. Keiner der bekannteren<br />

NS-Größen wohnte in einem "deutschen <strong>Wohnhaus</strong>" nach schmitthennerschem<br />

Vorbild. Bezeichnend sind Adolf Hitlers Obersalzberg-Chalet, Hermann Görings<br />

fiktional-germanisches Karinhall oder Speers neobarocke und germano-römische<br />

Planungen für seinen eigenen Herrensitz. 191 Schmitthenners unmissverständliche<br />

Opposition zu Speers Staatsbau-Monumentalismus mit seiner Publikation "<strong>Das</strong><br />

sanfte Gesetz in der Baukunst" von 1943 wurde im Jahr darauf prompt aus dem<br />

Kreis um den Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt durch "<strong>Das</strong> harte<br />

Gesetz in der Baukunst" gekontert. 192 Während Schmitthenner von 1933 bis 1937<br />

noch drei Walmdachhäuser baute – danach bis zum Wiederaufbau keine mehr –,<br />

blieb der Bautyp bei privaten Bauherren weiterhin beliebt. 193 Der offiziellen Ideologie<br />

der gleichgeschalteten und hierarchisch strukturierten Volksgemeinschaft von<br />

Parteigenossen passte die selbstbewusste Individualität, die den Häusern bei aller<br />

Typisierung innewohnt jedoch nicht ins Konzept.

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