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68 III. Das bürgerliche Wohnhaus des 20. Jahrhunderts Die ...

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sofort Kontakt zu Lüdecke auf. 179 Trotz der vielzitierten Assoziationen von Bonatz<br />

zur Weißenhofsiedlung als "Vorstadt Jerusalems" und von Schmitthenner als "italienisches<br />

Bergnest" wollen wir diesem Kopfarbeiterhaus ein traditionelles Landarbeiterhaus<br />

aus Tiagua auf der Kanareninsel Lanzarote gegenüberstellen, ohne uns<br />

nun dem Vorwurf der Polemik auszusetzen. Denn die Zuweisung von Analogien zur<br />

Herleitung von Ursprüngen ist schließlich eine auf alle Objekte angewandte wertfreie<br />

Methode dieser Arbeit. <strong>Das</strong> Kopfarbeiterhaus wurde als Skelettbau mit Stahlgitterstäben<br />

und Hohlsteinausmauerung ausgeführt. Der auf dem Dach zurückgesetzte<br />

Aufbau ist der Ausgang zur begehbaren Dachterrasse, die mit Stoffvorhängen<br />

ringsum verhüllt werden kann. Bemerkenswert unpraktisch erscheinen die gleichmäßig<br />

gesprossten Kippfenster, deren unteres Drittel fest eingebaut ist.<br />

Dennoch amüsant ist der Vergleich mit dem lanzarotenischen Bauernhaus mit<br />

seinen geradezu schmitthennerischen Proportionen und Fensterformatwechseln.<br />

Zudem reagieren minimal vorstehende horizontale Verdachungen nur über den<br />

seitlichen Obergeschossfenstern als Reliefkontrast auf das prägnante quadratische<br />

"Loch" der kleinen Loggia mit Holzbrüstung.<br />

Ähnliche konventionelle Haustypen – nur eben ohne Dach – realisierte Ernst May als<br />

Doppelreihenhäuser in der Siedlung Praunheim in Frankfurt a. M. 1927-29, und<br />

Richard Döcker entwarf 1922 eine Gruppe quasi enthaupteter Schmitthennerhäuser<br />

mit konventionellen Grundrissen, Sprossen, Klappläden und Mittelbalkonen als Terrassenanlage<br />

für die Stuttgarter Hänge. 180<br />

Bemerkenswerterweise nahm Schmitthenner diese Hauskonzeption gerade nicht als<br />

ironische Variante <strong>des</strong> funktionalistischen Hauses in seine Typenreihe "Gebaute<br />

Form" auf. Denn das hätte man ihm wohl als billige Polemik ausgelegt. Er wandelte<br />

den Typ mit Dachsprüngen, ungelenk übereck geführten Fenstern und Fensterbändern<br />

nach funktionalistischen Maßstäben ab (Abb. 1<strong>68</strong>).<br />

Hier offenbart sich, dass die aus heutiger Perpektive lächerliche Kleinigkeit der<br />

"Dachfrage" als paradigmatische Zuspitzung der damaligen Auseinandersetzung<br />

nicht nur eine reaktionäre Verkennung der wesentlichen Bauinhalte durch die konservativen<br />

Gegner <strong>des</strong> Neuen Bauens war, sondern auch ihren Ausgangspunkt in<br />

der durchaus unsachlichen Vorgehensweise mancher früher pseudo-funktionalistischen<br />

Baulösung hatte, bei der Modernität im Wesentlichen durch simple Fortlassung<br />

<strong>des</strong> Daches signalisiert wurde. Es zeigt aber auch, dass unser Untersuchungsgegenstand<br />

auch noch eine typrelevante Bedeutungsebene hat, wenn er – in seine<br />

Einzelteile dekonstruiert – nur als Haustyp ohne das determinierende Dach in Er-

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