68 III. Das bürgerliche Wohnhaus des 20. Jahrhunderts Die ...

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28.02.2014 Aufrufe

111 Am Haus Kopp verbinden Kapitelle die Erdgeschossfenster, so dass der Eindruck von Pilastern entsteht. Die äußeren Kapitellstücke zeigen jedoch ungeschminkt ihre zitathafte Vorblendung auf der flachen Wand. Die ungegliederte Wandfläche zwischen Ober- und Erdgeschossfenstern unterstützt somit die Horizontalbetonung zusammen mit Fries, Gesims und der suggestiven Verbindungslinie der Kapitelle. Die geschlossenen Wandfelder zu den Ecken bilden einen stabilisierenden Rahmen gegen die Gefahr eines formalen Auseinanderdriftens. Ein relativ hoch angesetzter geschwungener Dachfuß bindet gerade auch das Dach in die Horizontalität mit ein. Zusammen mit den schmalen hohen Erdgeschossfenstern trägt er zum besonderen Ausdruck einer eleganten Gestelztheit bei. Eine spannungsvolle Note erzeugen die unterschiedliche Achsenzahl pro Stockwerk und ein ebensolcher Achsrhythmus an der Gartenfassade, während an der Eingangsseite die unüblich seitlich angeordneten Balkone die Aufgabe des eleganten Taktwechsels und Einrahmens übernehmen. Die ebenso langen wie schmalen Grundrisse beider Häuser verhindern die Anlage einer mittigen querliegenden Raumfolge von der Eingangshalle zum Wohnraum, so dass die traditionelle Querteilung unterbleibt. Vielmehr kann die Raumanlage als zwei gekoppelte Vier-Felder-Grundrisse gelesen werden, was eine abwechslungsreiche Folge von längs- und querorientierten Räumen ergibt. Beim Haus Kopp werden die seitlichen Räume zudem konsequent von der Schmalseite des Hauses her belichtet. Bei aller gestalterischen Komposition der Fassade hat Bonatz keine Scheu, verschiedenartige kleine Fenster der Nebenräume asymmetrisch dazwischen zu schalten. Klassizistische Bauteile beschränken sich punktuell auf den Eingangsportikus oder die Erker. Die Konsolklötzchen unter den Fensterbänken, die Spiralvoluten der Balkonkonsolen und das Wellenfries am Haus Kopp scheinen dagegen secessionistisch beeinflusst. Auffällig ist auf Fenstergewände verzichtet. Nicht einmal eine Putzrahmung vermittelt zu den unmittelbar in die Wand geschnittenen Laibungen. Eine Bogensprossung der Erdgeschossfenster in rechteckigem Rahmen nimmt motivisch die Rundbogenfenster der Dachgauben auf. 120-125 Paul Bonatz: Haus Bonatz II, Stuttgart. Gartenseite 125 Eingangsseite

112 121 Gartenseite 122 Wohnzimmer 123-124 Ober- und Erdgeschoss ndividuell sind beim Haus Bonatz alle talseitigen Räume drei Stufen tiefer gelegt als die bergseitigen. Diese strukturelle Differenzierung in zwei Längsachsen wird räumlich durch die mit Geländern gesicherte Öffnung der Treppenhalle zum Wohnzimmer über drei großflächige Durchbrüche artikuliert. Im Unterschied zum abgebildeten Grundriss ist nicht die mittlere, sondern die linke Öffnung als Durchgang mit Stufen versehen. In der gleichen Achse des Eingangs führt die Fenstertür über vier Stufen zur Terrasse hinaus, von wo der Garten über Geländesprünge weiter abtreppt. Die Hanglage mit Blick auf den Stuttgarter Talkessel ist damit in die Gebäudestruktur aufgenommen. Diese topographische Besonderheit ist für beide Häuser bestimmend, auch für das Haus Kopp ohne Niveausprung in der Wohnebene, doch mit einer schmalen vermittelnden Terrasse vor dem etwas tiefer liegenden planierten Garten.

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Am Haus Kopp verbinden Kapitelle die Erdgeschossfenster, so dass der Eindruck<br />

von Pilastern entsteht. <strong>Die</strong> äußeren Kapitellstücke zeigen jedoch ungeschminkt ihre<br />

zitathafte Vorblendung auf der flachen Wand. <strong>Die</strong> ungegliederte Wandfläche zwischen<br />

Ober- und Erdgeschossfenstern unterstützt somit die Horizontalbetonung zusammen<br />

mit Fries, Gesims und der suggestiven Verbindungslinie der Kapitelle. <strong>Die</strong><br />

geschlossenen Wandfelder zu den Ecken bilden einen stabilisierenden Rahmen<br />

gegen die Gefahr eines formalen Auseinanderdriftens. Ein relativ hoch angesetzter<br />

geschwungener Dachfuß bindet gerade auch das Dach in die Horizontalität mit ein.<br />

Zusammen mit den schmalen hohen Erdgeschossfenstern trägt er zum besonderen<br />

Ausdruck einer eleganten Gestelztheit bei. Eine spannungsvolle Note erzeugen die<br />

unterschiedliche Achsenzahl pro Stockwerk und ein ebensolcher Achsrhythmus an<br />

der Gartenfassade, während an der Eingangsseite die unüblich seitlich angeordneten<br />

Balkone die Aufgabe <strong>des</strong> eleganten Taktwechsels und Einrahmens übernehmen.<br />

<strong>Die</strong> ebenso langen wie schmalen Grundrisse beider Häuser verhindern die Anlage<br />

einer mittigen querliegenden Raumfolge von der Eingangshalle zum Wohnraum, so<br />

dass die traditionelle Querteilung unterbleibt. Vielmehr kann die Raumanlage als<br />

zwei gekoppelte Vier-Felder-Grundrisse gelesen werden, was eine abwechslungsreiche<br />

Folge von längs- und querorientierten Räumen ergibt. Beim Haus Kopp<br />

werden die seitlichen Räume zudem konsequent von der Schmalseite <strong>des</strong> Hauses<br />

her belichtet. Bei aller gestalterischen Komposition der Fassade hat Bonatz keine<br />

Scheu, verschiedenartige kleine Fenster der Nebenräume asymmetrisch dazwischen<br />

zu schalten. Klassizistische Bauteile beschränken sich punktuell auf den Eingangsportikus<br />

oder die Erker. <strong>Die</strong> Konsolklötzchen unter den Fensterbänken, die<br />

Spiralvoluten der Balkonkonsolen und das Wellenfries am Haus Kopp scheinen<br />

dagegen secessionistisch beeinflusst. Auffällig ist auf Fenstergewände verzichtet.<br />

Nicht einmal eine Putzrahmung vermittelt zu den unmittelbar in die Wand geschnittenen<br />

Laibungen. Eine Bogensprossung der Erdgeschossfenster in rechteckigem<br />

Rahmen nimmt motivisch die Rundbogenfenster der Dachgauben auf.<br />

120-125 Paul Bonatz: Haus Bonatz II, Stuttgart. Gartenseite 125 Eingangsseite

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