68 III. Das bürgerliche Wohnhaus des 20. Jahrhunderts Die ...

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anzubringen. Bei einer dekorativ oder sogar plastisch gegliederten Wand wäre eine
solche Verstellung natürlich kontraproduktiv. Zugleich kann aber auch die plötzlich
auftretende ökologische Tendenz zur Wandbegrünung als Indiz dafür angesehen
werden, dass die rohe Wand das ästhetische Empfinden des gutbürgerlichen Milieus
noch provoziert und folglich gemildert werden soll. Für die durch Historismus geprägte
kollektive Wahrnehmung ist die Lancierung dieses asketischen Bauausdrucks
mit explizit ästhetischem Anspruch ein absolutes Novum. Der Skandal von Adolf
Loos' Geschäftshaus Goldman & Salatsch gegenüber der Wiener Hofburg, das den
Kaiser noch 1910 veranlasste, indigniert seine Fenster zu verhängen, ist Legende.
Dementsprechend wurden die langsam in Mode kommenden Spaliere auch gezielt
zur horizontalen Absetzung des Sockels oder Erdgeschosses angebracht. Mit den
weißlackierten, gern vor rosafarbenen oder gelblichen Putzwänden abgesetzten
Spalieren einher geht auch die Kombination mit hölzernen weißen Gartenzäunen
und Eingangstoren. Selbst darüber war das an dekorative schmiedeeiserne
Einfriedungen gewöhnte Bürgertum zunächst empört. 123
2.6. Theodor Fischer
Auch Theodor Fischer, der spätere Ahnherr der Stuttgarter Schule, baute im gleichen
Zeitraum seinen ersten Walmdachhaustyp. 124 In der kleinen Arbeitersiedlung
Gmindersdorf bei Reutlingen errichtete er von 1904 bis 1908 überwiegend an regionalen
Bauernhausformen mit Krüppelwalmdächern und Fachwerk orientierte Mehrfamilien-Doppelwohnhäuser.
Diese sind jedoch noch malerisch kombiniert mit Mansarddacherkern,
Jugendstil-Schweifgiebeln und vom englischen Landhausbau
entlehnten gekoppelten Dachhäusern. Zur Abwechslung, was an die Kontrastwirkung
des Linnel Close in Hampstead erinnert, plaziert er nun vereinzelt schlichte
längliche Walmdachdoppelhäuser dazwischen, mit strenger Achsenkonkordanz,
doch unterschiedlich rhythmisierter Achsenfolge.
89 Theodor Fischer: Siedlung Gmindersdorf