28.02.2014 Aufrufe

68 III. Das bürgerliche Wohnhaus des 20. Jahrhunderts Die ...

68 III. Das bürgerliche Wohnhaus des 20. Jahrhunderts Die ...

68 III. Das bürgerliche Wohnhaus des 20. Jahrhunderts Die ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

69<br />

sich harmonisch in ihr Umfeld einfügende Baukultur vermittelt.<br />

Konkreter präsentiert der Architekturband <strong>des</strong> zweiteiligen, 1908 erschienenen<br />

Werks "Um 1800" von Paul Mebes die Baukultur <strong>des</strong> deutschen Empire-Klassizismus<br />

in teils zeittypisch dekorierten, teils stark vereinfachten schmucklosen Ausformungen<br />

<strong>des</strong> Biedermeiers. 89 So erscheint hier zum ersten Mal in einem Architekturbuch<br />

ein Photo von Goethes Gartenhaus in Weimar, einer zeitlich falschen<br />

Datierung folgend, wie wir wissen. Ohne ausdrückliche Aufforderung, diese Bauten<br />

zum Vorbild für die Gegenwartsarchitektur zu nehmen, denn im Grunde handelt es<br />

sich um eine kunsthistorisch motivierte Beispielsammlung, wurde das Buch doch als<br />

Hinweis auf stilunabhängige, zeitlose Elemente der Baugestaltung verstanden, die<br />

zuletzt um 1800 in einer deutschen Bauepoche wiederaufgefunden werden konnten.<br />

Bemerkenswert ist die Beschränkung der Beispiele auf Bauten in Deutschland und<br />

die betont ungenaue Datierung auf den Zeitraum der vorhergehenden Jahrhundertwende.<br />

<strong>Die</strong>ser erscheint als vermeintlicher Zeitraum der ästhetischen Unschuld vor<br />

dem Eintritt in die wechselnden Neo-Stile <strong>des</strong> Historismus, welcher so lange von der<br />

Romanik bis zum Rokoko auf alle Stile zurückgriff, bis man jeweils erkannte, dass es<br />

sich dabei doch um keine genuin deutsche Erfindung gehandelt hatte. Wahrscheinlich<br />

sollte mit diesem Titel ein weiterer "Ismus" vermieden werden, etwa eine Initiierung<br />

von Neoklassizismus oder Neobiedermeier. Doch der Zeitbegriff für die<br />

Architektur "um 1800" wurde möglicherweise auch <strong>des</strong>halb so erfolgreich lanciert,<br />

weil er historisch negativ besetzte bzw. streitbare Epochen ausklammerte: Eine<br />

vermeintliche Zeit der politischen Unschuld, also nach 1789 und vor 1815, ein<br />

bürgerlich-bescheidener Zeitabschnitt ohne Bezugnahme zu Absolutismus, Revolution<br />

und Restauration, eine Zeit deutscher Geistesblüte und Aufklärung bei gleichzeitiger<br />

Besinnung auf die Bescheidenheit, welche sich als Folge materieller und<br />

ökonomischer Engpässe durch die verausgabenden napoleonischen Kriege erklärt.<br />

Eine Dominanz französischer kultureller Einflüsse wurde durch Vermeidung <strong>des</strong><br />

Begriffs "Empire" ausgeblendet, um die Anknüpfung zu erleichtern. <strong>Die</strong>se Epoche<br />

stellte aber auch wirklich die einzig übriggebliebene, von den Neo-Stilen noch<br />

unausgeschlachtete Möglichkeit zu einer Anknüpfung an nationale Wurzeln dar.<br />

Nachdem sich der Jugendstil zur Überwindung <strong>des</strong> Historismus der gleichen industrialisierten<br />

Baumethoden bedient hatte, diese sogar im Stahlbau triumphal steigerte<br />

und nur mit vegetabilen Formen oder geometrischen Mustern dekorierte, lag die<br />

Rückbesinnung auf Epochen und Bauaufgaben nahe, die traditionelle Baumaterialien<br />

auf ihren Herstellungs- und Verarbeitungsprozessen entsprechenden Art und

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!